Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. September 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur Anpassung von Rechtsakten an den neuen Komitologiebeschluss (2008/2096(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(1) in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates geänderten Fassung(2) (im Folgenden "Komitologiebeschluss" genannt),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zum Beschluss des Rates vom 17. Juli 2006 zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2006/512/EG)(3),
– unter Hinweis auf die Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission über die Modalitäten der Anwendung des Beschlusses 1999/468/EG des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in der Fassung des Beschlusses 2006/512/EG(4),
– gestützt auf Artikel 192 Absatz 2 des EG-Vertrags sowie unter Hinweis auf Artikel 202 des EG-Vertrags,
– unter Hinweis auf die Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 8. Mai 2008 über den Abschluss einer Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission über die Modalitäten der Anwendung des Beschlusses 1999/468/EG des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse in der Fassung des Beschlusses 2006/512/EG(5),
– gestützt auf die Artikel 39 und 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A6-0345/2008),
A. in der Erwägung, dass es zu Gunsten der Qualität der Rechtsetzung mehr und mehr erforderlich ist, die Entwicklung nicht wesentlicher und eher technischer Aspekte der Rechtsvorschriften sowie deren rasche Anpassung zur Berücksichtigung des technischen Fortschrittes und wirtschaftlicher Veränderungen auf die Kommission zu übertragen; in der Erwägung, dass eine solche Übertragung von Befugnissen dadurch vereinfacht werden muss, dass man dem Gesetzgeber die institutionellen Mittel an die Hand gibt, die Ausübung dieser Befugnisse zu überwachen,
B. in der Erwägung, dass der Unionsgesetzgeber bisher keine andere Option als die Anwendung von Artikel 202 des EG-Vertrags hatte, um eine solche Übertragung durchzuführen; in der Erwägung, dass der Rückgriff auf diese Vorschrift unbefriedigend ist, da sie sich auf die Durchführungsbefugnisse der Kommission und die Kontrollverfahren bezieht, denen solche Befugnisse unterliegen, wobei über diese Verfahren der Rat einstimmig nach bloßer Konsultation des Parlaments entscheidet; in der Erwägung, dass sich diese Kontrollverfahren im Wesentlichen auf die Tätigkeit von Ausschüssen stützen, die aus Beamten der Mitgliedstaaten bestehen, und dass das Parlament bis zur Annahme des Beschlusses des Rates vom 28. Juni 1999 in der durch den Beschluss 2006/512/EG geänderten Fassung von allen derartigen Verfahren ausgeschlossen war,
C. in der Erwägung, dass durch Artikel 2 Absatz 2 des Komitologiebeschlusses Maßnahmen eingeführt werden, für den Fall, dass in einem im Mitentscheidungsverfahren angenommenen Basisrechtsakt Maßnahmen von allgemeiner Tragweite vorgesehen sind, die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieses Rechtsakts bewirken, einschließlich durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen; in der Erwägung, dass es Aufgabe des Unionsgesetzgebers ist, von Fall zu Fall festzulegen, welches die wesentlichen Bestimmungen jedes Rechtsakts sind, die nur in einem Legislativverfahren geändert werden können,
D. in der Erwägung, dass durch den Komitologiebeschluss die sogenannten "quasi-legislativen" Maßnahmen einem Regelungsverfahren mit Kontrolle unterworfen werden, nach dem das Parlament in vollem Umfang an der Kontrolle solcher Maßnahmen beteiligt ist und von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmenentwürfen, die über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgehen, oder einem Entwurf widersprechen kann, der mit dem Ziel oder dem Inhalt des Basisrechtsakts nicht vereinbar ist oder der die Grundsätze der Subsidiarität oder der Verhältnismäßigkeit nicht achtet,
E. in der Erwägung, dass durch das neue Verfahren die demokratische Kontrolle von Durchführungsmaßnahmen sichergestellt wird, wenn sie quasi-legislativer Art sind, indem beide Mitgesetzgeber, das Parlament und der Rat, gleichgestellt werden, wodurch den schwerwiegendsten Aspekten des Demokratiedefizits in der Union abgeholfen wird; in der Erwägung, dass der Komitologiebeschluss es ermöglicht, die am meisten technischen Aspekte von Rechtsvorschriften und ihre Anpassung auf die Kommission zu übertragen, wodurch sichergestellt wird, dass sich der Gesetzgeber auf die wesentlichen Aspekte und auf die Verbesserung der Qualität des Gemeinschaftsrechts konzentrieren kann,
F. in Kenntnis der Tatsache, dass das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle nicht fakultativ, sondern verbindlich vorgeschrieben ist, wenn die Durchführungsmaßnahmen die in Artikel 2 Absatz 2 des Komitologiebeschlusses dargelegten Merkmale aufweisen,
G. in der Erwägung, dass die derzeitige Anpassung des Besitzstands an den neuen Komitologiebeschluss noch nicht vollständig ist, da es immer noch Rechtsakte gibt, in denen Durchführungsmaßnahmen vorgesehen sind, auf die das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle angewendet werden sollte,
H. in der Erwägung, dass nicht nur Durchführungsmaßnahmen, die bisher dem Regelungsverfahren unterlagen, sondern auch einige der Maßnahmen, die dem Verwaltungs- bzw. Beratungsverfahren unterlagen, in den Geltungsbereich der Anforderungen des Artikels 2 Absatz 2 des Komitologiebeschlusses fallen können,
I. in der Erwägung, dass durch den Vertrag von Lissabon eine Normenhierarchie eingeführt und das Konzept eines "delegierten Rechtsakts" geschaffen wird, dem zufolge "in Gesetzgebungsakten … der Kommission die Befugnis übertragen werden [kann], Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsakts zu erlassen"; in der Erwägung, dass im Vertrag von Lissabon auch Durchführungsrechtsakte auf neue Art behandelt werden und insbesondere das Mitentscheidungsverfahren zwischen Parlament und Rat als das Verfahren für die Annahme der Verordnung vorgesehen wird, durch die festgelegt wird, wie die Mitgliedstaaten die Durchführungsrechtsakte kontrollieren,
J. im Bewusstsein, dass die Durchführung der entsprechenden Bestimmungen des Vertrags von Lissabon intensive und komplexe Prozesse interinstitutioneller Verhandlungen erforderlich machen wird, und in der Erwägung, dass deshalb der derzeitige Prozess der Anpassung so rasch wie möglich und in jedem Fall vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon abgeschlossen werden sollte,
K. in der Erwägung, dass es, sollte der Vertrag von Lissabon in Kraft treten, notwendig sein wird, zu einer neuen – komplexeren – Anpassung des Besitzstands an die Bestimmungen des Artikels 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union betreffend die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen überzugehen; unter Hinweis auf die Tatsache, dass die Definition des Begriffs des "delegierten Rechtsakts" im Vertrag von Lissabon dem Konzept einer "quasi-legislativen" Maßnahme, das im Komitologiebeschluss enthalten ist, zwar ähnlich ist, die beiden Konzepte allerdings nicht identisch sind und die für diese beiden Rechtsakte vorgesehenen Verfahrensarten sich völlig voneinander unterscheiden; deshalb kann die derzeit stattfindende Anpassung nicht als genauer Präzedenzfall für die Zukunft angesehen werden,
L. in der Erwägung, dass aus denselben Gründen die Ergebnisse der Anpassung, die derzeit hinsichtlich jedes einzelnen Rechtsakts durchgeführt wird, nicht als Präzedenzfall für die Zukunft angesehen werden können,
M. in der Erwägung, dass es zweckmäßig erscheint, wenn sich die Institutionen auf eine Standardformulierung für delegierte Rechtsakte einigen könnten, die regelmäßig von der Kommission in die Entwürfe von Rechtsakten aufgenommen würde, wenn auch die Gesetzgeber weiterhin die Möglichkeit hätten, sie zu ändern; in der Erwägung, dass es notwendig ist, die Annahme – in Mitentscheidung – der Verordnung in Angriff zu nehmen, in der festgelegt wird, wie die Mitgliedstaaten die Durchführungsrechtsakte gemäß Artikel 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kontrollieren,
1. fordert die Kommission auf, dem Parlament auf der Grundlage der entsprechenden Artikel des EG-Vertrags Legislativvorschläge zur Vollendung der Anpassung an die Komitologiebestimmungen vorzulegen; fordert, dass diese Vorschläge unter Berücksichtigung der interinstitutionellen Gespräche erstellt werden und sich insbesondere mit den in der Anlage zu diesem Bericht aufgeführten Rechtsakten befassen;
2. fordert die Kommission auf, die entsprechenden Legislativvorschläge zur Anpassung der verbleibenden, insbesondere der in der Anlage zu dieser Entschließung aufgeführten, Rechtsakte an den Komitologiebeschluss vorzulegen;
3. fordert die Kommission auf, dass in dem Fall, dass die gegenwärtigen Anpassungsverfahren nicht vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon abgeschlossen sind, die einschlägigen Legislativvorschläge vorzulegen, die zur Anpassung der Rechtsakte erforderlich sind, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht an das neue in Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehene System angepasst sind;
4. fordert die Kommission auf, in jedem Fall im Anschluss an das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die einschlägigen Legislativvorschläge vorzulegen, die zur Anpassung des gesamten gemeinschaftlichen Besitzstandes an dieses neue System erforderlich sind;
5. fordert die Kommission auf, so rasch wie möglich den Entwurf eines Legislativvorschlags für die Verordnung vorzulegen, durch die im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze festgelegt werden, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission gemäß Artikel 291 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kontrollieren;
6. fordert, dass dem Europäischen Parlament nicht nur für die gegenwärtige Übergangsphase, sondern auch in Vorbereitung auf ein mögliches Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zusätzliche Ressourcen für alle Komitologieverfahren gewährt werden um sicherzustellen, dass jedes Komitologieverfahren zwischen den drei Institutionen zufriedenstellend abläuft;
7. bestätigt, dass bei den Forderungen der Grundsatz der Subsidiarität und die Grundrechte der Bürger beachtet werden;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügte Liste der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS
Das Parlament ersucht die Kommission, die entsprechenden Legislativvorschläge zur Anpassung der verbleibenden Rechtsakte an den Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 in der durch den Beschluss 2006/512/EG geänderten Fassung vorzulegen und insbesondere:
- Richtlinie 2000/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 2000 zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG des Rates zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen(1),
- Richtlinie 2000/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2000 über Maßnahmen zur Bekämpfung der Emission gasförmiger Schadstoffe und luftverunreinigender Partikel aus Motoren, die für den Antrieb von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen bestimmt sind, und zur Änderung der Richtlinie 74/150/EWG des Rates(2),
– Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates(3),
- Richtlinie 2001/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 zur Änderung der Richtlinie 92/23/EWG des Rates über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage(4),
- Richtlinie 2001/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/53/EG des Rates mit Grundregeln für die Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrollen sowie der Richtlinien 70/524/EWG, 96/25/EG und 1999/29/EG des Rates betreffend die Tierernährung(5),
– Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung)(6),
- Richtlinie 2002/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2002 zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 92/118/EWG des Rates in Bezug auf Hygienevorschriften für tierische Nebenprodukte(7),
- Richtlinie 2004/3/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 80/1268/EWG des Rates im Hinblick auf die Messung der Kohlendioxidemissionen und des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen der Klasse N1(8),
- Richtlinie 2004/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Aufhebung bestimmter Richtlinien über Lebensmittelhygiene und Hygienevorschriften für die Herstellung und das Inverkehrbringen von bestimmten, zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs sowie zur Änderung der Richtlinien 89/662/EWG und 92/118/EWG des Rates und der Entscheidung 95/408/EG des Rates(9),
- Richtlinie 2005/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2005 zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen(10),
- Richtlinie 2005/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Typgenehmigung für Kraftfahrzeuge hinsichtlich ihrer Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Verwertbarkeit und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates(11),
- Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates(12),
- Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999(13),
- Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit(14),