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Verfahren : 2008/2635(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B6-0537/2008

Eingereichte Texte :

B6-0537/2008

Aussprachen :

PV 23/10/2008 - 3

Abstimmungen :

PV 23/10/2008 - 8.3
CRE 23/10/2008 - 8.3
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P6_TA(2008)0519

Angenommene Texte
PDF 132kWORD 47k
Donnerstag, 23. Oktober 2008 - Straßburg
Hochsee-Piraterie
P6_TA(2008)0519B6-0537/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2008 zur Piraterie auf See

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Mai 2008 zu einer integrierten Meerespolitik für die Europäische Union(1),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2008 zu der routinemäßigen Tötung der Zivilbevölkerung in Somalia(2),

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" vom 15. September 2008 (13028/2008),

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates "Außenbeziehungen" vom 26. Mai 2008 (9868/2008),

–   unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2008/749/GASP des Rates vom 19. September 2008 betreffend die militärische Koordinierungsmaßnahme der Europäischen Union zur Unterstützung der Resolution 1816(2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (EU NAVCO)(3) und die Resolution 1838(2008) des UN-Sicherheitsrates,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt,

–   unter Hinweis auf die Resolutionen 1814(2008) vom 15. Mai 2008 und 1816(2008) vom 2. Juni 2008 des UN-Sicherheitsrates zur Situation in Somalia,

–   gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.   in der Erwägung, dass die Piraterie auf See Menschenleben und Sicherheit in immer stärkerem Maße gefährdet, insbesondere in den Gewässern vor Somalia und am Horn von Afrika einschließlich der humanitären Hilfe für circa 3,5 Millionen Menschen, die Unterstützung benötigen,

B.   ferner in der Erwägung, dass auch in anderen Regionen der Welt wie in der Straße von Mosambik sowie in bestimmten Gewässern um Indien oder in der Karibik vermehrt seeräuberische Handlungen registriert werden,

C.   in der Erwägung, dass der anhaltende Konflikt und die politische Instabilität in Somalia zu seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen führen,

D.   in der Erwägung, dass im vergangenen Jahr die kriminellen Übergriffe gegen Fischerei-, Handels- und Passagierschiffe der Gemeinschaft in internationalen Gewässern vor der afrikanischen Küste zugenommen haben und immer häufiger verzeichnet wurden, was das Leben der Mannschaften gefährdet und erhebliche negative Auswirkungen auf den internationalen Handel hat,

E.   in der Erwägung, dass die ungehinderte Fahrt von Schiffen, die legal Handel auf hoher See betreiben, eine unbedingte Voraussetzung für den internationalen Handel ist,

F.   in der Erwägung, dass derartige Fälle von Piraterie unmittelbar die Seeleute gefährden, deren Lebensunterhalt von der sicheren und rechtmäßigen Ausübung ihres Handels und Berufs auf See abhängt,

G.   in der Erwägung, dass Fischer aus der Europäischen Union auf hoher See gezielt von Piraten angegriffen wurden und dass die Gefahr durch Piraten eine beträchtliche Zahl von Fischereifahrzeugen aus der Europäischen Union veranlasst hat, sich aus Gewässern zurückzuziehen, die mehrere hundert Kilometer von der somalischen Küste entfernt sind, oder ihre Fangtätigkeit in der Region zu reduzieren,

H.   in der Erwägung, dass mehrere Opfer von Piraterie gewöhnliche Bürger waren, die friedlich ihrer Tätigkeit an Bord von Yachten in den Gewässern um das Horn von Afrika nachgingen,

I.   in der Erwägung, dass derartige Fälle von Piraterie zum Teil eine Folge der Gewalttätigkeit und politischen Instabilität in Somalia mit Folgewirkungen in der restlichen Region am Horn von Afrika sind, aber auch dazu und zu den damit verbundenen Konsequenzen für die Zivilbevölkerung von Somalia beitragen, was Gefährdung, fehlende Entwicklung sowie Unterbrechung der Nahrungsmittelhilfe und weiterer humanitärer Maßnahmen angeht,

J.   in der Erwägung, dass 2007 gemeldet wurde, dass 20 Seeleute getötet, 153 verletzt oder angegriffen und 194 entführt wurden,

K.   in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, um auf die Verschärfung dieses Phänomens zu reagieren, derzeit an einer neuen Resolution arbeitet, die darauf abzielt, die internationale Gemeinschaft zu mobilisieren, um die im Rahmen des Seerechts oder der Resolutionen des Sicherheitsrates vorhandenen Instrumente zu dessen Bekämpfung und Prävention besser anzuwenden,

1.   fordert die Übergangs-Bundesregierung von Somalia auf, in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union Fälle von Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle, die von der somalischen Küste aus gegen Schiffe verübt werden, die humanitärer Hilfsgüter befördern, als Straftatbestände zu behandeln, die durch die Festnahme der Verantwortlichen auf der Grundlage des geltenden Völkerrechts zu ahnden sind;

2.   nimmt Kenntnis von der Gemeinsamen Aktion 2008/749/GASP, mit der eine militärische Koordinierungsmaßnahme zur Unterstützung der Resolution 1816(2008) des UN-Sicherheitsrates mit der Bezeichnung EU NAVCO begründet wird;

3.   fordert die im UN-Sicherheitsrat vertretenen Mitgliedstaaten auf, wie in der Resolution 1838(2008) vorgesehen, die in der Resolution 1816(2008) erteilten Ermächtigungen zu erneuern;

4.  fordert die Kommission auf, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um in internationalen Gewässern des nordwestlichen Indischen Ozeans operierende Fischereifahrzeuge unter Flagge der EU und sonstiger Staaten vor Piraterie zu schützen, möglicherweise durch Zusammenarbeit mit der Thunfischkommission für den Indischen Ozean;

5.   bedauert, dass der Rat es zu dem Beschluss, diese Maßnahme der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzuleiten, nicht konsultiert hat, und fordert den Rat nachdrücklich auf, es über die Tragweite dieser Aktion und die genauen Aufgaben zu informieren, die die "Koordinierungszelle der EU" im Europäischen Rat zur Unterstützung der ESVP-Mission auf See mit der Bezeichnung EU NAVCO wahrnehmen wird;

6.   fordert den Rat auf, eindeutig zu unterscheiden zwischen dem künftigen ESVP-Mandat und den gegen Piraterie gerichteten Maßnahmen seiner Mitgliedstaaten im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" am Horn von Afrika, die auf die Bekämpfung von Terrorakten abzielen; fordert klare Leitlinien für die Inhaftierung und Strafverfolgung gefangengenommener Piraten; fordert den Rat auf, eine Verwicklung der EU NAVCO in den anhaltenden Konflikt in Somalia zu vermeiden; fordert eine wirksame Koordinierung mit anderen Marineschiffen, insbesondere aus den USA und Russland, in der Region;

7.   fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, sich dafür einzusetzen, dass die Rechtsinstrumente der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation gegen Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle so bald wie möglich überprüft und aktualisiert werden, um die für diese Verbrechen Verantwortlichen zu verfolgen und zu verurteilen;

8.   fordert den Rat und die Kommission auf, Küstenstaaten und alle EU-Mitgliedstaaten zu veranlassen, das Protokoll aus dem Jahr 2005 zu dem Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt zu ratifizieren;

9.   fordert die Mitgliedstaaten, die dies bisher versäumt haben sollten, auf, die einschlägigen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen und des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt möglichst rasch in ihre internen Rechtsordnungen zu übernehmen, da diese Übereinkommen eine klare Abgrenzung der Gerichtsbarkeiten gestatten und somit im Fall der Festnahme von Piraten oder von für bewaffnete Raubüberfälle auf See Verantwortlichen eine strafrechtliche Verfolgung in völliger Rechtssicherheit ermöglichen;

10.   begrüßt die Absicht der Kommission, die Koordinierung mit den für die Überwachung auf See zuständigen europäischen Agenturen zu verbessern und dabei den Schwerpunkt auf die Verhütung illegaler Aktivitäten (Menschen- und Drogenhandel sowie illegale Einwanderung) mit besonderer Konzentration auf internationale Gewässer zu legen; fordert den Rat nachdrücklich auf, die Herausforderung des Terrorismus nicht dem Problem der illegalen Einwanderung und des Menschen- und Drogenhandels gleichzusetzen;

11.   begrüßt die Initiative der Kommission, Verhandlungen im Hinblick auf eine bessere Bewirtschaftung des Meeresraums mit Drittländern zu fördern, und unterstützt entschieden die ausgeweitete Zusammenarbeit mit Nachbarländern zum Schutz der Meere über nationale gerichtliche Zuständigkeiten hinaus;

12.  verurteilt kategorisch den Handel von Waffen und Munition mit organisierten Banden, die seeräuberische Handlungen begehen; fordert die zuständigen internationalen Organisationen auf, geeignete vorbeugende Maßnahmen zu empfehlen, damit die Waffen nicht in die Hände solcher Piratenbanden gelangen;

13.   fordert die Kommission auf, es über sämtliche Beschlüsse zu informieren, die sie gegebenenfalls über Finanzierungsvorhaben im Zusammenhang mit kritischen Seeverkehrsrouten am Horn von Afrika, in der Meerenge von Bab al Mandab und im Golf von Aden fasst;

14.   fordert die Kommission auf, zu überlegen, wie praktische Unterstützung für die Sana'a/Dar es Salaam-Agenda der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Errichtung eines Regionalen Maritimen Informationszentrums oder –systems geleistet werden könnte;

15.   begrüßt die Fortschritte des Europäischen Rates bei der Vorbereitung einer Marineoperation der Europäischen Union gegen Piraterie, um die Sicherheit von Frachtschiffen in einem Seekorridor im Golf von Aden zu gewährleisten;

16.   bedauert, dass die Operation des Rates sich nicht auf die Fischfanggebiete dieser Region erstreckt, und fordert, dass diesbezügliche Maßnahmen rasch eingeleitet werden;

17.   fordert die Kommission auf, im Rahmen der neuen integrierten Meerespolitik zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Gemeinschaftssystem für wechselseitige Zusammenarbeit und Koordinierung zu schaffen, das es in internationalen Gewässern stationierten Marineschiffen unter der Flagge eines Mitgliedstaats gestatten würde, Fischfang- und Handelsschiffe aus anderen Mitgliedstaaten zu schützen;

18.   begrüßt daher die Annahme einer Abänderung zum Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union 2009 in erster Lesung des Parlaments, um eine neue Haushaltslinie zu schaffen, aus der ein Pilotprojekt finanziert werden soll, um die Möglichkeiten zur Finanzierung, Durchführung und Koordinierung eines gemeinschaftlichen Aktionsplans zum Schutz der gemeinschaftlichen Schiffe zu analysieren, die durch internationale Piraterie gefährdete Gebieten durchfahren oder dort operieren;

19.   fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Rahmen der Vereinten Nationen und der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation aktiv die von mehreren Mitgliedstaaten geförderte Initiative zu unterstützen, das Recht auf Verfolgung zur See und in der Luft auf die territorialen Gewässer der Küstenstaaten auszuweiten, sofern die betroffenen Länder zustimmen, sowie ein Verfahren zur koordinierten Unterstützung gegen Fälle von Piraterie auf See zu entwickeln; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten ferner auf, sich aktiv für die Annahme einer neuen Resolution der Vereinten Nationen einzusetzen, da die Resolution 1816(2008) am 2. Dezember 2008 ausläuft;

20.   wünscht, dass die Kommission und die Vereinten Nationen parallel zur Sicherung der Flottenverbände und zur Ausübung ihres Rechts auf Strafverfolgung ihrer Aggressoren den Weg der politischen Zusammenarbeit und Normalisierung mit den Staaten der Region nicht verlässigen, um sie in die Lage zu versetzen, der Kriminalität im Seeverkehr und ihren Motiven besser entgegen zu wirken und diese zu bekämpfen;

21.   fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Ziele der militärischen Koordinierungsmaßnahme der Europäischen Union zur Unterstützung der Resolution 1816(2008) des UN-Sicherheitsrates zur Bekämpfung von bewaffneten Raubüberfällen und seeräuberischen Handlungen vor den Küsten Somalias zu erläutern; erkennt an, dass die Resolutionen 1816(2008) und 1838(2008) des UN-Sicherheitsrats im Rahmen von Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen konzipiert wurden, da dies der einzige Weg war, den Einsatz von Gewalt zu legitimieren, betont allerdings, dass mit allen Mitteln vermieden werden sollte, seeräuberische Handlungen sowie Maßnahmen gegen Piraterie als kriegerische Handlungen einzustufen; fordert den Europäischen Rat nachdrücklich auf, Piraterie als Straftatbestand im Rahmen des geltenden Völkerrechts zu behandeln;

22.   fordert den Rat auf, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um die Netzwerke der organisierten Kriminalität, die von diesen Aktionen profitieren, zu ermitteln und zu enttarnen;

23.   fordert die Kommission und die internationale Gemeinschaft auf, alle notwendigen personellen und finanziellen Mittel bereitzustellen, um die Errichtung eines demokratischen und stabilen Regimes in Somalia zu unterstützen, um die Hochsee-Piraterie wirksam und langfristig zu bekämpfen;

24.   fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, für die an diesen Operationen beteiligten Flottenverbände klare und rechtlich unanfechtbare Einsatzregeln zu beschließen.

25.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P6_TA(2008)0213.
(2) Angenommene Texte, P6_TA(2008)0313.
(3) ABl. L 252 vom 20.9.2008, S. 39.

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