Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. November 2008 zur Lage der Bienenzucht
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Bienenzucht weltweit im Allgemeinen und in Europa im Besonderen mit sehr großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat,
B. in der Erwägung, dass die Bienenzucht auf das Ökosystem insgesamt positive Auswirkungen hat und dass sie vor allem für das landwirtschaftliche Ökosystem von entscheidender Bedeutung ist,
C. in der Erwägung, dass die biologische Vielfalt erhalten bleiben muss und dass die Bienenzucht durch die Kreuzbestäubung wesentlich dazu beiträgt,
D. in der Erwägung, dass in Europa seit Jahrtausenden Bienenzucht betrieben wird und die Imkerei daher voll und ganz zum kulturellen Erbe der Landwirtschaft gehört,
E. in der Erwägung, dass die Erzeugnisse der Bienenzucht als Nahrungsmittel und als Arzneimittel wohltuend sind,
F. in der Erwägung, dass es dank des Know-hows der Bienenzüchter und der vielfältigen klimatischen Bedingungen Honig und andere Produkte der Bienenzucht wie Gelée Royale, Propolis, Bienengift und Wachs in großer Vielfalt und von hoher Qualität gibt,
G. in der Erwägung, dass die Einfuhr von Erzeugnissen aus Drittländern zu unlauterem Wettbewerb auf dem Gemeinschaftsmarkt führt,
H. in der Erwägung, dass Honig zwar aus verschiedenen Erdteilen eingeführt werden kann, dass aber nur das Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Bienen die Bestäubung garantiert,
I. in der Erwägung, dass der Bienenbestand ernsthaft vom Rückgang bedroht ist, weil Pollen und Nektar als Ressourcen stark rückläufig sind,
J. in der Erwägung, dass die Anzahl der Bienenvölker weltweit drastisch zurückgeht,
K. in der Erwägung, dass unter anderem der anhaltende Befall mit Varroamilben, das Kollabieren ganzer Bienenvölker ("Colony Collapse Disorder") und die Ausbreitung des Parasiten Nosema ceranae zu den Ursachen der Krise für die Bienengesundheit gehören,
L. in der Erwägung, dass 76 % der Produktion von Nahrungsmitteln für den menschlichen Verzehr durch die Tätigkeit der Bienen gesichert werden,
M. in der Erwägung, dass 84 % der in Europa angebauten Kulturpflanzen auf Bestäubung angewiesen sind,
N. in der Erwägung, dass beim Einsatz von Bioziden die Vorschriften und gute fachliche Praxis allzu häufig ignoriert werden,
O. in der Erwägung, dass sich bestimmte Bienenkrankheiten, welche die Widerstandsfähigkeit verringern und zum Bienensterben führen, nicht ausmerzen lassen,
1. ist der Auffassung, dass dem kritischen Zustand der Bienengesundheit unverzüglich auf geeignete Art und Weise und mit wirksamen Mitteln entgegengewirkt werden muss;
2. ist der Auffassung, dass gegen den unlauteren Wettbewerb durch Erzeugnisse der Bienenzucht aus Drittländern Abhilfe geschaffen werden muss, der unter anderem durch geringere Produktionskosten – vor allem bei den Zuckerpreisen und den Arbeitskräften – bedingt ist;
3. fordert die Kommission auf, die Erforschung von Parasiten und Krankheiten, die die Bienenvölker dezimieren, sowie von sonstigen möglichen Ursachen wie dem Schwund der genetischen Vielfalt und dem Anbau genetisch veränderter Nutzpflanzen ab sofort verstärkt fortzusetzen, indem sie hierfür zusätzliche Mittel aus dem Haushalt zur Verfügung stellt;
4. stellt die Notwendigkeit fest, die Nennung des Landes der Honiggewinnung auf den Produktetiketten verpflichtend vorzuschreiben;
5. fordert die Kommission auf, im Zuge des GAP-Gesundheitschecks Maßnahmen zu ergreifen, um die Einrichtung ökologischer Ausgleichsflächen (wie die Nutzung von Brachland zur Bienenzucht) zu fördern, insbesondere in großflächigen Anbaugebieten; fordert, dass diese Ausgleichsflächen an den am schwierigsten zu bewirtschaftenden Stellen angesiedelt werden sollten, an denen Pflanzen wie Bienenweide, Borretsch, Ackersenf und Weißklee wachsen können, die wichtige Nahrungsquellen für Bienen sind;
6. fordert den Rat und die Kommission auf, in allen Beratungen und künftigen rechtsetzenden Maßnahmen, die den Anbau genetisch veränderter Nutzpflanzen in der Europäischen Union betreffen, die Gesundheit von Bienen, die Möglichkeiten zur Vermarktung von Erzeugnissen der Biene und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Bienenzucht gebührend zu berücksichtigen;
7. fordert die Kommission auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer ungenügenden Bestäubung zu begrenzen und zwar sowohl für die Imker als auch für die Landwirte, deren Ertrag erheblich steigen könnte;
8. fordert die Kommission auf, die Qualität der Oberflächengewässer zu kontrollieren und zu überwachen, da Bienen sehr sensibel auf jedwede Verschlechterung der Umwelt reagieren;
9. fordert die Kommission auf, den Zusammenhang zwischen der Bienensterblichkeit und dem Einsatz von Pestiziden wie Thiamethoxan, Imidacloprid, Clothianidin und Fipronil zu untersuchen, um geeignete Maßnahmen im Hinblick auf die Zulassung dieser Erzeugnisse zu ergreifen;
10. fordert die Kommission auf, sämtliche Informationen über die Lage der Bienenzucht, die derzeit in den Mitgliedstaaten verfügbar sind, zu bündeln; empfiehlt die Zusammenarbeit der Kommission mit anerkannten Organisationen im Hinblick auf einen Austausch der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen von Pestiziden auf Bienen;
11. stellt die Notwendigkeit fest, eine Pflicht zur Untersuchung von Importhonigen auf das Vorhandensein von Bakterien der Amerikanischen Faulbrut einzuführen;
12. fordert die Kommission auf, einen Mechanismus mit Finanzhilfen für die Imkereien vorzuschlagen, die wegen des Bienensterbens in Schwierigkeiten sind;
13. fordert, dass die Kommission die Erforschung und Bekämpfung von Bienenkrankheiten in die Veterinärpolitik aufnimmt;
14. fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten nachdrücklich zur Erarbeitung von Sofortmaßnahmen zur Unterstützung des Bienenzuchtsektors aufzufordern;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.