Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 zur Lage in Simbabwe
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Simbabwe, zuletzt die Entschließung vom 10. Juli 2008 zur Lage in Simbabwe(1),
– unter Hinweis auf den Gemeinsamen Standpunkt 2008/135/GASP des Rates vom 18. Februar 2008 zur Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen Simbabwe(2), der die durch den Gemeinsamen Standpunkt 2004/161/GASP des Rates vom 19. Februar 2004(3) verhängten restriktiven Maßnahmen bis zum 20. Februar 2009 verlängert hat, auf die Verordnung (EG) Nr. 1226/2008 der Kommission vom 8. Dezember 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 314/2004 über bestimmte restriktive Maßnahmen gegenüber Simbabwe(4) sowie auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11. und 12. Dezember 2008 zu Simbabwe, in denen schwerwiegende Bedenken hinsichtlich der Verschlechterung der humanitären Lage in Simbabwe geäußert wurden,
– unter Hinweis auf die von der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU am 28. November 2008 angenommene Entschließung zu Simbabwe,
– unter Hinweis auf den Bericht der Wahlbeobachtungsmission des Panafrikanischen Parlaments über die harmonisierten Wahlen in Simbabwe vom 29. März 2008,
– unter Hinweis auf die Entschließung des 11. Gipfeltreffens der Afrikanischen Union in Sharm el-Sheikh vom 30. Juni bis 1. Juli 2008 zu Simbabwe,
– unter Hinweis auf das Abkommen vom 15. September 2008 zwischen der "Afrikanischen Nationalunion von Simbabwe - Patriotischen Front" (ZANU-PF) und den zwei Formationen der "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) über die Bewältigung der Herausforderungen, mit denen Simbabwe konfrontiert ist,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Entwicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika (SADC) und die dazugehörigen Protokolle einschließlich des SADC-Wahlprotokolls,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Simbabwe eine schwerwiegende humanitäre Krise durchmacht und dass 5,1 Millionen Menschen, fast die Hälfte der Bevölkerung, an Hunger leiden; in der Erwägung, dass der Ausbruch der Cholera infolge des Zusammenbruchs der grundlegenden Wasserversorgung und sanitären Einrichtungen mindestens 783 Menschen das Leben gekostet und mehr als 16 400 Menschen infiziert hat und dass über 300 000 stark vom Hunger geschwächte Menschen einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind,
B. in der Erwägung, dass die simbabwischen Behörden erklärt haben, dass sie die humanitäre Krise nicht beenden können und die gewaltsame Repression der politischen Gegner fortsetzen werden; in der Erwägung, dass ein klarer Zusammenhang zwischen der humanitären Krise und der Regierungskrise besteht, welche darauf zurückzuführen ist, dass Robert Mugabe keine fairen und glaubwürdigen Wahlen abgehalten und sich nicht an die politische Einigung vom 15. September 2008 über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zur Beendigung der Krise gehalten hat, die trotz der Vermittlungsversuche des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki geschlossen wurde,
C. in der Erwägung, dass die Inflationsrate in dieser Region auf mehrere Milliarden Prozent, die weltweit höchste, geschätzt wird und dass 80 % der Bevölkerung mit weniger als 1 USD pro Tag auskommen müssen und keinen Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Wasserversorgung haben,
D. in der Erwägung, dass nach Einschätzung der internationalen medizinischen Nothilfeorganisation "Ärzte ohne Grenzen" mindestens 1,4 Millionen Menschen der Gefahr der Ansteckung mit Cholera ausgesetzt sind, wenn die Epidemie durch die Bekämpfung ihrer Ursachen nicht eingedämmt wird, und dass die Epidemie auf Südafrika und Botswana übergreift,
E. in der Erwägung, dass die Kombination aus wirtschaftlicher, politischer und sozialer Krise einen besonders hohen Zoll bei Frauen und Mädchen gefordert hat, die stärker der Gefahr einer Ansteckung mit Cholera ausgesetzt sind, weil sie zuhause die Kranken betreuen,
F. in der Erwägung, dass die Lebenserwartung in Simbabwe im letzten Jahrzehnt von 60 Jahren für beide Geschlechter auf 37 Jahre für Männer und 34 Jahre für Frauen gefallen ist und dass 1,7 Millionen Menschen in Simbabwe HIV-positiv sind,
G. in der Erwägung, dass sich hinter der politischen Krise und der gesundheitlichen Notsituation eine Verschlechterung der Menschrechtslage in Simbabwe versteckt, wobei es in letzter Zeit zu einer beispiellosen Welle von Entführungen von Menschenrechtsaktivisten gekommen ist, wie etwa dem Verschwinden von Jestina Mukoko, das beispielhaft ist für die Schikanen und die Einschüchterung von Menschenrechtsaktivisten, die mutmaßlich von im Auftrag der simbabwischen Behörden handelnden Personen ausgeübt werden,
H. in der Erwägung, dass nach Einschätzung der UNICEF nur 40 % der Lehrer in Simbabwe arbeiten, dass nur ein Drittel der Schüler zur Schule geht und dass die Lehrer sowie auch die Ärzte und Krankenschwestern regelmäßig gestreikt haben und wegen der friedlichen Ausübung des Demonstrationsrechts gewaltsamen Repressionen durch die Polizei ausgesetzt waren,
I. in der Erwägung, dass Mitgliedern des "Ältestenrats", unter anderem dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan, dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter sowie Graça Machel, der führenden Verfechterin der Rechte der Frauen und Kinder, die Einreise nach Simbabwe verweigert wurde,
J. in der Erwägung, dass zahlreiche afrikanische Führungspersönlichkeiten, einschließlich Erzbischof Desmond Tutu, Präsident Ian Khama von Botswana und des kenianischen Premierministers Raila Odinga, Robert Mugabe zum Rücktritt aufgefordert haben,
K. in der Erwägung, dass der französische Präsident Sarkozy am 8. Dezember 2008 auf den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der allgemeinen Menschenrechtserklärung Robert Mugabe im Namen der Europäischen Union zum Rücktritt aufgefordert und erklärt hat, dass Robert Mugabe die Bevölkerung Simbabwes als Geiseln genommen hat und dass diese Bevölkerung ein Recht auf Freiheit, Sicherheit und Achtung hat,
L. in der Erwägung, dass Simbabwe nahe daran ist, die Bedingungen für die Ausübung der internationalen "Schutzverantwortung" gegenüber Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgesetzten Bevölkerungen zu erfüllen, welche im September 2005 während des UN-Gipfeltreffens ausgerufen wurde,
1. erklärt seine tiefe Betroffenheit angesichts der humanitären Krise in Simbabwe, der Choleraepidemie, des Hungers und der kompletten Weigerung des Regimes von Robert Mugabe zur positiven Lösung der Krise; fordert den Rat und die Kommission auf, ihr Engagement für die Bevölkerung Simbabwes mit einem großzügigen und langfristigen Programm für humanitäre Hilfe zu bekräftigen;
2. weist darauf hin, dass die Europäische Union soeben 10 Millionen EUR für Hilfsmaßnahmen bereitgestellt hat, und fordert die simbabwischen Behörden auf, sämtliche Restriktionen für humanitäre Hilfsorganisationen aufzuheben und zu gewährleisten, dass die humanitäre Hilfe gemäß den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geleistet werden kann;
3. unterstützt nachdrücklich die Bemühungen der oben genannten Delegation der "Ältesten", um die Lösung der humanitären Krise in Simbabwe; hält es für ganz und gar unannehmbar, dass das Regime von Robert Mugabe den Mitgliedern dieser Delegation das Einreisevisum verweigert hat, da diese Persönlichkeiten ihren Einfluss geltend machen wollten, um den sofortigen sowie einen längerfristigen Fluss an Hilfsgütern nach Simbabwe zu erhöhen und so das furchtbare Leiden der Bevölkerung zu beenden;
4. verurteilt scharf die anhaltende Gewalt des Regimes von Robert Mugabe gegen Mitglieder und Sympathisanten der Bewegung für demokratischen Wandel; ist empört über die jüngste Welle von Entführungen von Menschenrechtsaktivisten und fordert die sofortige Freilassung von Jestina Mukoko, der Leiterin des Friedensprojekts für Simbabwe (ZPP), von Zacharia Nkomo, dem Bruder des führenden Menschenrechtsanwalts Harrison Nkomo, von Broderick Takawira, einem Koordinator des Friedensprojekts für Simbabwe in der Provinz, von Pascal Gonzo, einem für das Friedensprojekt für Simbabwe tätigen Fahrer, sowie von einer Reihe von Mitgliedern der Bewegung für demokratischen Wandel und der Zivilgesellschaft; fordert, dass die Urheber dieser Entführungen zur Rechenschaft gezogen werden;
5. begrüßt die jüngste Ausdehnung der Liste der Union von Mitgliedern des Regimes von Robert Mugabe, die mit einem Bann belegt sind, und fordert eine Ausdehnung auf weitere enge Vertraute von Robert Mugabe, einschließlich Florence Chitauro, einer wichtigen Ministerin der Partei ZANU-PF, die gegenwärtig offenbar in London lebt, sich weigert, das Regime von Robert Mugabe zu verurteilen, und ungehindert nach Simbabwe einreist bzw. aus dem Land ausreist;
6. fordert den UN-Sicherheitsrat auf, gezielte Sanktionen (Reiseverbot und Einfrieren von Vermögen) gegen Robert Mugabe und aktiv an Gewaltaktionen und Menschenrechtsverletzungen beteiligte Personen in Erwägung zu ziehen; fordert insbesondere China, Russland und Südafrika auf, strenge Maßnahmen gegen das Regime von Robert Mugabe im UN-Sicherheitsrat zu unterstützen und den afrikanischen Regierungen zu verstehen zu geben, dass sie nicht länger gewillt sind, dieses Regime zu unterstützen;
7. lobt die Integrität der Regierungen von Kenia, Botsuana und Sambia, die Robert Mugabe verurteilt haben, und drückt seine tiefe Enttäuschung darüber aus, dass so viele andere afrikanische Regierungen immer noch die Übel dieses Regimes ignorieren;
8. verweist nachdrücklich auf das dringende Bedürfnis der simbabwischen Bevölkerung nach einem politischen Wandel und verurteilt die Weigerung von Robert Mugabe, sich an die am 15. September 2008 unterzeichnete politische Einigung zu halten und Schlüsselministerien mit Mitgliedern der der Partei von Morgan Tsvangirai zu besetzen bzw. politische Reformen durchzuführen;
9. äußert tiefe Besorgnis darüber, dass das tyrannische, manipulative und eigennützige Regime von Robert Mugabe weiterhin das dringende Bedürfnis nach sofortigem durchgreifendem demokratischem Wandel der simbabwischen Bevölkerung unterdrückt;
10. fordert dringend verstärkten Druck seitens der afrikanischen Staaten und regionalen Institutionen einschließlich der Entwicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika und insbesondere der Afrikanischen Union als Garanten der Einigung vom 15. September 2008 sowie seitens herausragender afrikanischer Persönlichkeiten, um eine faire und gerechte Lösung für die Situation in Simbabwe auf der Grundlage der glaubwürdigen Wahlen im März 2008 zu finden und politische Einigungen auf ausgewogene Weise zu überwachen;
11. fordert den Rat auf, die Afrikanische Union zu ermuntern, Kontingente für eine aktive Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Simbabwe aufzustellen;
12. fordert den Rat auf, mit Blick auf die möglichen Folgen für die Region der Simbabwe destabilisierenden bewussten Vernachlässigung durch die Partei Zanu-PF wachsam zu bleiben;
13. äußert tiefe Besorgnis angesichts der Lage der simbabwischen Flüchtlinge in der Region und missbilligt die Gewaltakte gegen simbabwische Flüchtlinge in den Nachbarstaaten; fordert die Kommission auf, die Nachbarstaaten mit Programmen zur finanziellen und materiellen Hilfe für die Flüchtlinge zu unterstützen;
14. fordert alle Interessenträger und die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, sich darauf vorzubereiten, den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau Simbabwes zu unterstützen, sobald eine Regierung gebildet wird, die den Willen der simbabwischen Bevölkerung auf allen Ebenen spiegelt, und es konkrete Zeichen für eine Rückkehr zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit gibt;
15. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ihre diplomatischen Bemühungen in Afrika um eine aktive Unterstützung des Wandels in Simbabwe zu verstärken;
16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Regierungen der G8-Staaten, den Regierungen und Parlamenten von Simbabwe und Südafrika, dem Generalsekretär des Commonwealth, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Vorsitzenden der Kommission und dem Exekutivrat der Afrikanischen Union, dem Panafrikanischen Parlament sowie dem Generalsekretär, den Regierungen und dem Parlamentarischen Forum der Entwicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika zu übermitteln.