Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2009 zu dem Fall Jevgenij Zhovtis in Kasachstan
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Kasachstan und den zentralasiatischen Republiken,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zur Strategie der Europäischen Union für Zentralasien(1),
– in Kenntnis der Strategie der Europäischen Union für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien, die der Europäische Rat am 23. Juni 2007 angenommen hat,
– in Kenntnis des von der Kommission vorgelegten Strategiepapiers zur Unterstützung Zentralasiens 2007-2013,
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des zehnten Treffens des Kooperationsrates EU-Kasachstan,
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des achten Treffens des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Kasachstan, das am 31. März 2008 in Brüssel stattfand,
– unter Hinweis auf das am 1. Juli 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Kasachstan(2),
– gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Republik Kasachstan stetig und auf allen Ebenen ausgebaut werden; in der Erwägung, dass Kasachstan eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Stabilität und Sicherheit in Zentralasien sowie auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region insgesamt spielt,
B. in der Erwägung, dass Kasachstan im Jahr 2010 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen wird; in der Erwägung, dass dieses Amt die Sichtbarkeit und Verantwortung des Landes in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte erhöhen wird; in der Erwägung, dass die OSZE Kasachstan aufgefordert hat, die demokratischen Reformen zu vertiefen, bevor es den Vorsitz übernimmt,
C. in der Erwägung, dass trotz dieser wichtigen internationalen Aufgabe die innere Lage Kasachstans in den letzten Monaten durch die Verschärfung der Medienzensur und eine Reihe umstrittener Strafverfolgungen beeinträchtigt worden ist,
D. in der Erwägung, dass am 3. September 2009 Jevgenij Zhovtis, Leiter des kasachischen Internationalen Büros für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit und bekannter Menschenrechtsaktivist, wegen Totschlags an einem Fußgänger, den er am 26. Juli 2009 mit seinem Auto angefahren und getötet haben soll, zu vier Jahren Haft verurteilt wurde,
E. in der Erwägung, dass am 27. Juli 2009 die polizeilichen Ermittlungen aufgenommen wurden und Jevgenij Zhovtis als Zeuge benannt wurde; in der Erwägung, dass sich der Status von Jevgenij Zhovtis im Rahmen der Ermittlungen am 28. Juli 2009 zu dem eines Verdächtigen wandelte, seine Anwälte jedoch erst am 14. August 2009 über diese Entwicklung unterrichtet wurden, was einen Verstoß gegen das kasachische Recht darstellt,
F. in der Erwägung, dass das einer Erklärung des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE zufolge fragwürdige Verfahren das Recht Zhovtis auf einen fairen Prozess verletzt haben könnte, das ihm nach der Verfassung Kasachstans, aufgrund der Verpflichtungen Kasachstans im Rahmen der OSZE und nach grundlegenden internationalen Standards zusteht,
G. in der Erwägung, dass Jevgenij Zhovtis bei OSZE-Treffen genaue Angaben zu Menschenrechtsverletzungen in seinem Land gemacht hat, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass Kasachstan geeignet ist, den Vorsitz einer Organisation innezuhaben, die sich der Verteidigung demokratischer Grundsätze widmet,
H. in der Erwägung, dass in der Vergangenheit ernsthafte Bedenken angesichts der Prozesse gegen andere kasachische Menschenrechtsaktivisten wie Ramazan Jesergepow und Sergej Duwanow und deren anschließende Inhaftierung zum Ausdruck gebracht wurden,
I. in der Erwägung, dass Kasachstans Außenminister Marat Tashin im Juni 2008 und noch einmal im Mai 2009 im Zusammenhang mit der bevorstehenden Übernahme des OSZE-Vorsitzes durch sein Land zugesagt hat, die Achtung der Menschenrechte in Kasachstan zu stärken und zu verbessern,
J. in der Erwägung, dass Artikel 2 des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kasachstan die Achtung der Demokratie, der Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte verlangt,
1. stellt zwar die Unabhängigkeit des Rechtssystems, die ein Schlüsselelement jeder Demokratie ist, nicht in Frage, äußert jedoch große Besorgnis angesichts der Art und Weise, wie die Ermittlungen zu dem tragischen Unfall und der darauffolgende Prozess gegen Jevgenij Zhovtis abgelaufen sind, und macht auf Vorwürfe aufmerksam, nach denen Zeugenaussagen zugunsten von Jevgenij Zhovtis während des Prozesses nicht als Beweismittel zugelassen wurden;
2. fordert die kasachischen Behörden auf, unverzüglich und unter voller Beachtung von Transparenz und Rechtsstaatlichkeit eine zweite umfassende und faire Untersuchung der Umstände, unter denen sich der Unfall ereignet hat, durchzuführen und Jevgenij Zhovtis Verurteilung und Strafe dementsprechend zu überprüfen;
3. fordert die kasachischen Behörden auf, offizielle Einzelheiten zum Fall Jevgenij Zhovtis zur Verfügung zu stellen und diesem im Einklang mit dem kasachischen Recht ein ordnungsmäßiges Verfahren – einschließlich des Rechts, Berufung einzulegen – zu gewähren;
4. weist auf die großen Vorbehalte hin, die von Menschenrechtsorganisationen hinsichtlich des echten Engagements der kasachischen Regierung für Fortschritte geäußert worden sind, als die Entscheidung, dem Land den Vorsitz der OSZE zu übertragen, im Jahr 2007 verkündet wurde, und erwartet von den kasachischen Behörden, dass sie alle Anstrengungen unternehmen, um die Demokratisierung und die Menschenrechtslage spürbar voranzubringen und zu verbessern, bevor das Land den Vorsitz der OSZE übernimmt;
5. fordert in diesem Zusammenhang die Kommission auf, die Unterstützung der Europäischen Union für und die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Kasachstan in diesen Bereichen zu verstärken, um die Regierung Kasachstans besser darauf vorzubereiten, diese wichtige internationale Aufgabe zu übernehmen;
6. fordert den Rat auf, Entschlossenheit an den Tag zu legen, wenn es darum geht, diesen Fall bei den kasachischen Behörden zur Sprache zu bringen, sowie den Fall Jevgenij Zhovtis insbesondere im Rahmen des Menschenrechtsdialogs EU-Kasachstan, dessen zweite Runde für den 21. Oktober 2009 vorgesehen ist, und des Treffens des Kooperationsrates EU-Kasachstan Mitte November 2009 anzusprechen;
7. fordert die Kommission auf, ihre Projekte und Programme in Kasachstan, die im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte durchgeführt werden, voranzutreiben;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Zentralasien, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Europarat sowie dem Parlament, der Regierung und dem Präsidenten Kasachstans zu übermitteln.