Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Juni 2010 zu der Qualität statistischer Daten in der Union und verstärkten Prüfbefugnissen der Kommission (Eurostat)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an den Rat (KOM(2010)0053),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 31. März 2010 (CON/2010/28),
– unter Hinweis auf den Bericht zu den Statistiken Griechenlands über das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand (KOM(2010)0001),
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A7-0227/2009),
– unter Hinweis auf die Anfrage vom 4. Juni 2010 an die Kommission betreffend die Qualität statistischer Daten in der Union und verstärkte Prüfbefugnisse der Kommission (Eurostat) (O-0080/2010 – B7-0314/2010),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Kommission (Eurostat) bisher nicht über die notwendigen Untersuchungsbefugnisse verfügt, um die Qualität der Statistiken in Europa zu verbessern,
B. in der Erwägung, dass die jüngsten Entwicklungen gezeigt haben, dass ein gut funktionierendes statistisches System eine Vorbedingung für verlässliche Daten ist, und dass bisher die politische Bereitschaft fehlte, sich an gemeinsame Regeln zu halten und echte Fortschritte im Hinblick auf eine striktere Regelung für Statistiken zu erzielen,
C. in der Erwägung, dass der Fall Griechenland ein klares Beispiel für die mangelnde Qualität der Finanzstatistiken in der Union ist und zeigt, dass die seit 2005 erzielten Fortschritte nicht ausreichen, um die Qualität der griechischen Haushaltsdaten dem von anderen Mitgliedstaaten erreichten Niveau anzunähern,
D. in der Erwägung, dass im Vorschlag der Kommission von 2005 bereits auditähnliche Befugnisse für die Kommission (Eurostat) und gemeinsam festgelegte Mindeststandards für statistische Daten gefordert wurden,
E. in der Erwägung, dass sich 2005 mehrere große Mitgliedstaaten einer Stärkung der Befugnisse von Eurostat widersetzten, obwohl bereits damals genügend Beweise vorlagen, dass die Vorschriften und deren Umsetzung unzulänglich waren,
F. in der Erwägung, dass allgemein die Auffassung vertreten wird, dass die gegenwärtige Situation verbessert werden muss und dass der Kommission (Eurostat) mehr Untersuchungsbefugnisse übertragen werden müssen, sowie in der Erwägung, dass insbesondere im Rat die politische Bereitschaft zu fehlen scheint, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Befugnisse der Kommission (Eurostat) durchzusetzen,
G. in der Erwägung, dass es für einen umfassenden und detaillierten Überblick über die nationalen Statistiken eindeutig an Personal mangelt, weshalb sowohl auf Ebene der EU als auch auf nationaler Ebene entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen,
H. in der Erwägung, dass sich gezeigt hat, dass verlässliche Daten über Sozialversicherungsfonds, Zahlungsrückstände von Krankenkassen und Transaktionen zwischen Regierungen und staatlichen Unternehmen von entscheidender Bedeutung sind,
1. fordert den Rat auf, sicherzustellen, dass die politischen Verpflichtungen im Statistikbereich eingehalten werden, und den Vorschlag der Kommission (KOM(2010)0053) sowie die darauf bezugnehmenden Änderungsanträge der EZB und des Parlaments uneingeschränkt zu akzeptieren;
2. fordert die Kommission auf, Rolle und Unabhängigkeit der Kommission (Eurostat) zu stärken;
3. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf zu akzeptieren, dass der Kommission (Eurostat) die Befugnis zur Durchführung unangekündigter Kontrollen in Mitgliedstaaten zur Überprüfung statistischer Daten übertragen werden sollte;
4. betrachtet den Vorschlag der Kommission als das Minimum, das infolge der Entwicklung in Griechenland notwendig ist; betont, dass die Berichtspflichten in Bezug auf alle Mitgliedstaaten durchgesetzt werden müssen und dass die Berichterstattung Einzelheiten sämtlicher früheren außerbilanzmäßigen Geschäfte umfassen sollte;
5. fordert die Mitgliedstaaten auf, auf außerbilanzmäßige Schuldenstrukturen jeglicher Art zu verzichten; fordert die Kommission auf, verbindliche rechtliche Maßnahmen vorzuschlagen, um die Mitgliedstaaten zu zwingen, auf außerbilanzmäßige Schuldenstrukturen jeglicher Art zu verzichten;
6. fordert die Kommission auf mitzuteilen, welche Befugnisse und wie viele Mitarbeiter mittel- und langfristig für eine wirksame und reale Kontrolle der nationalen Statistiken erforderlich sind;
7. verweist auf die Tendenz der Mitgliedstaaten, bestimmte Verbindlichkeiten nicht in der Bilanz auszuweisen, insbesondere was künftige Zahlungen angeht, die für staatliche Renten und langfristige Verträge mit dem privaten Sektor für die Anmietung oder Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen erforderlich sind; fordert eine Lösung, die eine kohärente und uneingeschränkte Offenlegung derartiger Verbindlichkeiten in nationalen Statistiken sicherstellt;
8. fordert die EZB auf, eng mit der Kommission (Eurostat) zusammenzuarbeiten, um die Kohärenz der Statistiken der Mitgliedstaaten sicherzustellen;
9. fordert die Kommission (Eurostat) auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um zu verhindern, dass methodische Mängel und unbefriedigende Verwaltungsprobleme wie im Fall Griechenlands in irgendeinem Mitgliedstaat erneut auftreten;
10. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Kommission (Eurostat) mit öffentlichen Finanzdaten zu versorgen, die auf einer standardisierten und international akzeptierten Rechnungslegungsmethode basieren;
11. fordert die Mitgliedstaaten auf, der Kommission (Eurostat) und den nationalen Statistikinstituten den erforderlichen Zugang und die notwendigen Mittel zu verschaffen, um eine echte Kontrolle der zugrunde liegenden Daten zu ermöglichen;
12. fordert die Mitgliedstaaten, die der Eurozone angehören oder die Mitgliedschaft darin anstreben, auf, der EZB zu gestatten, sich an unangekündigten Kontrollen zu beteiligen, und ihrem Personal die Befugnis zu übertragen, Zugang zu all ihren Statistiken zu erhalten;
13. fordert die Mitgliedstaaten auf, klare Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erhebung und Sammlung statistischer Daten festzulegen, da klare nationale Verantwortlichkeiten, auch persönlicher Natur, ein notwendiges Erfordernis für die Tätigkeit der Kommission (Eurostat) sind;
14. fordert die Kommission auf, die Anwendung des Verhaltenskodexes für europäische Statistiken strikter zu handhaben, da dies die Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der nationalen Statistikinstitute und der Kommission (Eurostat) mit dem Ziel stärkt, die Anwendung der besten internationalen statistischen Grundsätze, Methoden und Praktiken seitens all jener zu fördern, die europäische Statistiken erstellen, um deren Qualität zu optimieren;
15. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ohne jegliche Beschränkungen die Notwendigkeit eines regelmäßigen Dialogs und regelmäßiger gründlicher Kontrollen seitens der Kommission (Eurostat) zu akzeptieren und so die Kontrolle der erhobenen Daten zu verstärken und eine verlässliche Gewähr für die Qualität der Daten zu bieten;
16. fordert den Rat auf, die Unterstützung für die Tätigkeit von OLAF auszuweiten, da das Amt beim Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union und damit der EU-Bürger sowie bei der Wahrung der Reputation der europäischen Institutionen eine wesentliche Rolle spielt; ist daher der Auffassung, dass eine Humanressourcenstrategie, die eine Personalaufstockung gewährleistet und sicherstellt, dass die derzeitigen hohen Qualitätsstandards bezüglich des Personals gewahrt werden, ausgearbeitet werden sollte;
17. fordert die Kommission und den Rat auf, das Europäische Beratungsgremium für die statistische Governance als unabhängiges Beratungsgremium stärker einzubeziehen, wobei dieses Gremium die Kommission (Eurostat) bei ihren Kontrollen in den Mitgliedstaaten unterstützen könnte;
18. betont, dass korrekte Statistiken und eine bessere Überprüfung der Verlässlichkeit der an Eurostat übermittelten aggregierten Daten wesentliche Vorbedingungen für die Wirksamkeit einer besseren Überwachung sind;
19. betont, dass die Befugnisse von Eurostat ausgeweitet werden sollten;
20. vertritt die Auffassung, dass frei zugängliche und transparente statistische Informationen eine Vorbedingung für den Erhalt von Strukturfondsmitteln sein sollten;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Rat, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und der EZB zu übermitteln.