Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Juni 2010 zur juristischen Aus- und Fortbildung (Stockholmer Programm)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Artikel 81 und 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Juli 2008 zur Rolle des einzelstaatlichen Richters im europäischen Rechtsgefüge(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2009 zum Stockholmer Programm(3),
– unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission vom 10. Mai 2010 zur juristischen Ausbildung und zum Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms (O-0063/2010 – B7-0306/2010),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt ist, dass Maßnahmen zur Gewährleistung der „Förderung der Weiterbildung von Richtern und Justizbediensteten“ gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden,
B. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms angekündigt hat, dass sie 2011 eine Mitteilung zu einem Aktionsplan über europäische Schulungen für Angehörige aller Rechtsberufe vorlegen und in den Jahren 2010-2012 Pilotprojekte zu Austauschprogrammen für Justizbehörden und Angehörige der Rechtsberufe nach dem Vorbild des Programms „Erasmus“ starten wird,
C. in der Erwägung, dass den besonderen Ausbildungsbedürfnissen von Richtern in Form von Einführungskursen in das nationale, vergleichende und europäische Recht sowie dem für die Organisation solcher Kurse notwendigen Einfühlungsvermögen Rechnung getragen werden muss,
D. in der Erwägung, dass es besonders schwierig ist, Ausbildungsmaßnahmen für Richter zu organisieren, da diese aufgrund von Terminzwängen nur eingeschränkt zur Verfügung stehen und ihre Unabhängigkeit wahren müssen und die Kurse auf deren spezifische Bedürfnisse hinsichtlich aktueller Rechtsfragen zugeschnitten werden müssen,
E. in der Erwägung, dass mit solchen Kursen auch das Ziel verfolgt werden muss, Kommunikationskanäle zwischen den Teilnehmern zu schaffen und damit eine europäische Kultur der Rechtspflege auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses zu fördern, wodurch das gegenseitige Vertrauen, auf dem das System der gegenseitigen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen beruht, gemehrt wird,
F. in der Erwägung, dass trotz des Drucks auf die öffentlichen Haushalte die Hauptverantwortung für die juristische Ausbildung nach wie vor bei den Mitgliedstaaten liegt, die dieser Verantwortung auch nachkommen müssen,
G. in der Erwägung, dass es gleichwohl von grundlegender Bedeutung ist, dass solche Kurse zur juristischen Aus- und Fortbildung, die eine europäische Kultur der Rechtspflege fördern sollen, auch aus EU-Mitteln finanziert werden,
H. in der Erwägung, dass eine angemessene juristische Aus- und Fortbildung und die Schaffung einer europäischen Kultur der Rechtspflege Gerichtsverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug beschleunigen können und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Funktion des Binnenmarkts sowohl für Unternehmen als auch für Bürger leisten und Bürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, den Zugang zur Justiz erleichtern,
I. in der Erwägung, dass die Kommission eine Bestandsaufnahme der nationalen Aus- und Fortbildungsprogramme bzw. -stätten für Richter durchführen sollte, auch um bewährte Verfahren in diesem Bereich zu ermitteln,
J. in der Erwägung, dass auf bereits bestehenden Strukturen und Netzwerken aufgebaut werden muss, insbesondere auf dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten und der Europäischen Rechtsakademie, und dass das Netz der Präsidenten der obersten Gerichtshöfe der Europäischen Union, das Europäische Netz der Räte für das Justizwesen, die Vereinigung der Staatsräte und der obersten Verwaltungsgerichte der Europäischen Union sowie das Eurojustice-Netz europäischer Generalanwälte in den Aufbau der Pilotprojekte für die juristische Aus- und Fortbildung einbezogen werden müssen,
1. begrüßt die umgehende Antwort der Kommission auf die in seiner Entschließung vom 25. November 2009 dargelegten Vorschläge;
2. fordert die Kommission und den Rat auf zu gewährleisten, dass es im Einklang mit den Artikeln 81 und 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union umfassend an dem Entwurf und der Billigung der Modalitäten für die Aus- und Fortbildung beteiligt wird, insbesondere an den Pilotprojekten, die in dem Aktionsplan der Kommission vorgesehen sind;
3. ist der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Pilotprojekte, soweit sie Richter betreffen, nicht auf Austauschprogramme nach dem Vorbild des Programms „Erasmus“ beschränkt sein sollten;
4. fordert die Kommission auf, ihre Konsultationen, insbesondere mit dem Europäischen Parlament, im Hinblick auf den Entwurf und die Vorbereitung der künftigen Pilotprojekt so bald wie möglich zu beginnen;
5. fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den im Rat vereinigten Mitgliedstaaten so bald wie möglich Vorschläge für die Schaffung eines Netzes juristischer Aus- und Fortbildungseinrichtungen in der gesamten Union zu erarbeiten, die berechtigt sind, auf dauerhafter, kontinuierlicher Grundlage Einführungskurse in das nationale, vergleichende und europäische Recht für Richter anzubieten;
6. fordert die Kommission auf, es zu anderweitigen Plänen für die Schaffung einer Einrichtung, die auf bereits bestehenden Strukturen und Netzwerken aufbaut, insbesondere auf dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten und der Europäischen Rechtsakademie, zu konsultieren;
7. fordert die Kommission nachdrücklich auf, konkrete Vorschläge für die Finanzierung des künftigen Aktionsplans für juristische Aus- und Fortbildung vorzulegen;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission und dem Rat zu übermitteln.