Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2010 zu einem sektorübergreifenden Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer und den Empfehlungen der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Australien, Kanada beziehungsweise den Vereinigten Staaten von Amerika
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Artikel 16 und 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 8, und die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere deren Artikel 6, 8 und 13,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 21. September 2010 über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer (KOM(2010)0492),
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Australien über die Übermittlung und Nutzung von Fluggastdatensätzen zur Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger schwerer Kriminalität grenzüberschreitender Art,
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Übermittlung und Nutzung von Fluggastdatensätzen zur Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger schwerer Kriminalität grenzüberschreitender Art,
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada über die Übermittlung und Nutzung von Fluggastdatensätzen zur Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger schwerer Kriminalität grenzüberschreitender Art,
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Genehmigung der Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Vorgehen von EU und USA in der Frage der Fluggastdatensätze, insbesondere seine Entschließungen vom 5. Mai 2010 zum Start der Verhandlungen über Abkommen über Fluggastdatensätze mit den USA, Australien und Kanada(1), vom 13. März 2003 zur Weitergabe personenbezogener Daten durch Fluggesellschaften bei Transatlantikflügen(2), vom 9. Oktober 2003 zur Weitergabe personenbezogener Daten durch Fluggesellschaften bei Transatlantikflügen: Stand der Verhandlungen mit den USA(3), vom 31. März 2004 zu dem Entwurf einer Entscheidung der Kommission über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten, die in den Fluggastdatensätzen (PNR) enthalten sind, welche dem United Bureau of Customs and Border Protection (Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten) übermittelt werden(4), seine Empfehlung an den Rat vom 7. September 2006 zu den Verhandlungen über ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR) zur Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität, einschließlich organisierter Kriminalität(5), seine Entschließung vom 14. Februar 2007 zu SWIFT, dem Abkommen über Fluggastdatensätze und dem transatlantischen Dialog über diese Themen(6) sowie seine Entschließung vom 12. Juli 2007 zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über Fluggastdatensätze(7),
– unter Hinweis auf das Ersuchen um Zustimmung zu dem Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Record – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security (DHS)(8) und zu dem Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) aus der Europäischen Union und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an die australische Zollbehörde(9),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu der Mitteilung der Kommission über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist,
B. in der Erwägung, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 verbindlich wurde,
C. in der Erwägung, dass die Kommission dem Rat am 26. Mai 2010 ihre Empfehlung vorlegte, die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zu genehmigen,
D. in der Erwägung, dass das Parlament mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ersucht wird, seine Zustimmung zu den Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA beziehungsweise Australien über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen zu erteilen, um diese Abkommen abzuschließen,
E. in der Erwägung, dass das Parlament am 5. Mai 2010 beschloss, die Abstimmung über das Ersuchen um Zustimmung zu den Abkommen mit den USA und Australien zu vertagen,
F. in der Erwägung, dass die Mitteilung der Kommission über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer und die Empfehlungen der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Australien, Kanada beziehungsweise den Vereinigten Staaten wesentliche in den einschlägigen Entschließungen des Europäischen Parlaments zu dem Thema enthaltene Elemente berücksichtigen,
G. in der Erwägung, dass das Abkommen zwischen der EU und Kanada über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen nicht mehr gültig ist, da die Wirkung der Angemessenheitsentscheidung im September 2009 abgelaufen ist, und dass die Übermittlung von Fluggastdatensätzen seitdem auf der Grundlage bilateraler Verpflichtungen Kanadas gegenüber den Mitgliedstaaten stattfindet,
H. in der Erwägung, dass andere Länder bereits um die Übermittlung von Fluggastdatensätzen nachgesucht bzw. angekündigt haben, dass sie beabsichtigen, dies in naher Zukunft zu tun,
I. in der Erwägung, dass Werte wie der Datenschutz, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die persönlichen Rechte sowie das Recht auf Privatsphäre im derzeit herrschenden digitalen Zeitalter eine immer größere Bedeutung erlangen und deshalb mit besonderer Sorgfalt geschützt werden müssen,
J. in der Erwägung, dass in einer Welt, in der Mobilität wesentlich ist, mehr Sicherheit und bessere Maßnahmen zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus mit einem effizienteren, schwerpunktmäßigeren und schnelleren Datenaustausch innerhalb Europas und auf internationaler Ebene einhergehen müssen,
1. verweist auf seine Entschlossenheit, den Terrorismus sowie die organisierte und grenzübergreifende Kriminalität zu bekämpfen, und gleichzeitig auf seine feste Überzeugung, dass die bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte geschützt werden müssen, was die Achtung der Privatsphäre, die informationelle Selbstbestimmung und den Datenschutz einschließt; bekräftigt, dass Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, wie in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgeführt, die entscheidenden Grundsätze sind, um den Erfolg der Terrorismusbekämpfung sicherzustellen;
2. begrüßt die Mitteilung der Kommission über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an Drittländer:
3. begrüßt die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über Abkommen zwischen der Europäischen Union und Australien, Kanada beziehungsweise den Vereinigten Staaten von Amerika über die Übermittlung und Nutzung von Fluggastdatensätzen zur Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger schwerer Kriminalität grenzüberschreitender Art; begrüßt den Beschluss des Rates, alle Verhandlungen gleichzeitig zu beginnen, stellt jedoch fest, dass diese Verhandlungen möglicherweise von unterschiedlicher Dauer sein werden;
4. unterstreicht die Bedeutung der Kooperationsbereitschaft zwischen der Europäischen Union und den USA, Kanada und Australien bei der Bekämpfung des weltweiten Terrorismus und fordert die Europäische Union und die USA, Kanada und Australien auf, weiterhin zu kooperieren, um der Terrorismusgefahr auch künftig entgegenzuwirken;
5. weist darauf hin, dass mit den Abkommen sichergestellt werden soll, dass die Übermittlung der Daten im Einklang mit den europäischen Datenschutznormen erfolgt; betont daher, dass die Rechtsgrundlage Artikel 16 AEUV einschließen muss;
6. weist darauf hin, dass die Verhältnismäßigkeit ein entscheidender Grundsatz der Datenschutzmaßnahmen bleibt und dass jegliches Abkommen beziehungsweise jede politische Maßnahme auch die Prüfung der gesetzlichen Verhältnismäßigkeit bestehen müssen, bei der nachgewiesen wird, dass sie darauf abzielen, Ziele des Vertrags zu erreichen, und nicht über das hinausgehen, was dazu notwendig ist; bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, ihm konkrete Beweise vorzulegen, dass die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen für jeden der genannten Zwecke notwendig ist; bekräftigt außerdem seine Aufforderung an die Kommission, weniger eingreifende Alternativen zu prüfen;
7. bestätigt seinen Standpunkt, dass Fluggastdatensätze unter keinen Umständen für die gezielte Extraktion von Daten oder die Erstellung von Personenprofilen verwendet werden dürfen; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Forderung an die Kommission, die Unterschiede zwischen den Konzepten „Risikoeinschätzung“ und „Erstellung von Personenprofilen“ im Kontext von Fluggastdatensätzen zu erläutern;
8. betont, dass es uneingeschränkt über alle einschlägigen Entwicklungen in Bezug auf Fluggastdatensätze informiert werden muss, um seine Zustimmung zu den zur Verhandlung anstehenden Abkommen erteilen zu können; fordert die Kommission und den Rat daher auf, umfassend die aktuellen Gegebenheiten in Bezug auf bilaterale Abkommen und Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und den USA über den Austausch von Strafverfolgungsdaten und die Teilnahme am US Visa Waiver Programme sowie das Programm der einmaligen Sicherheitskontrolle zu erläutern;
9. betont, dass bilaterale Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und den USA neben Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen entgegenstehen; fordert den Rat auf, weitere Informationen und Rechtssicherheit bezüglich der Rechtsgrundlage und Wirkung bilateraler Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und den USA zum Informationsaustausch im Zusammenhang mit Fluggastdatensätzen zu liefern;
10. begrüßt und unterstützt mit Nachdruck die Empfehlung der Kommission an den Rat zur Genehmigung der Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen; unterstützt das Konzept der Kommission, dass ein solches Rahmenabkommen für alle künftigen und alle bestehenden Abkommen der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen Anwendung finden sollte;
11. betont, dass die verbindlichen Ziele in der Empfehlung der Kommission an den Rat zur Genehmigung der Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen für alle Datenaustauschabkommen mit den USA wesentlich sind, was auch für einen frühzeitigen Start der Verhandlungen über durchsetzbare Datenschutzrechte im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 95/46/EG gilt;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Datenschutzbeauftragten, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung von Kanada, der Regierung von Australien sowie dem Kongress und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu übermitteln.
Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Record ‐ PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security (DHS) (PNR-Abkommen von 2007) (KOM(2009)0702).
Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records PNR) aus der Europäischen Union und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an die australische Zollbehörde (KOM(2009)0701).