Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2011 zur internationalen Adoption in der Europäischen Union
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, insbesondere auf Artikel 21,
– unter Hinweis auf das Europäische Übereinkommen von 1967 über die Adoption von Kindern,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (unterzeichnet am 29. Mai 1993 in Den Haag) und auf die Europäische Konvention über die Ausübung der Rechte des Kindes vom 25. Januar 1996 (ETS Nr. 160),
– unter Hinweis auf Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 3 Absätze 3 und 5 des EU-Vertrags,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 1996 zur Verbesserung des Rechts und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Adoption von Minderjährigen(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2008 im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie(2),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Wohl jedes Kindes und dessen Gewährleistung von größter Bedeutung sind, und in der Erwägung, dass der Schutz der Rechte der Minderjährigen zu den Zielen der Europäischen Union gehört,
B. in der Erwägung, dass der Bereich Adoption in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, die die entsprechenden Verfahren mit Blick auf das Wohl des Kindes in Gang setzen,
C. in der Erwägung, dass Übereinkommen über den Schutz Minderjähriger und die elterliche Verantwortung existieren, insbesondere das Europäische Übereinkommen von 1967 über die Adoption von Kindern zur Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Adoptionen, bei denen das Kind von einem Land in ein anderes zieht, und das Übereinkommen von 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Haager Übereinkommen),
D. in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Unterzeichner des Haager Übereinkommens sind,
E. in der Erwägung, dass auf der Grundlage des Haager Übereinkommens erhebliche Fortschritte erzielt wurden,
F. in der Erwägung, dass die Familie im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und im Haager Übereinkommen als entscheidende gesellschaftliche Gruppe und als natürliches Umfeld für die Entwicklung und das Wohlergehen des Kindes und in der überwiegenden Zahl der Fälle als erste Wahl für die Kindesfürsorge definiert wird,
G. in der Erwägung, dass Adoption als eine alternative Standardoption zulässig sein sollte, wenn die primäre Fürsorge für die Kinder nicht von der Familie geleistet werden kann, während die institutionelle Fürsorge die allerletzte Option sein sollte,
H. in der Erwägung, dass das Problem der unsicheren Kindheit in Europa, insbesondere ausgesetzter und in Heimen untergebrachter Kinder, eine bedeutende Rolle spielt und äußerst ernst genommen werden sollte,
I. in der Erwägung, dass die Missachtung der Rechte Minderjähriger, Gewalt gegen Minderjährige und der Handel mit Kindern zwecks Adoption, Prostitution, Schwarzarbeit, Zwangsheirat und Betteln auf der Straße oder in jedem anderen illegalen Kontext nach wie vor ein Problem in der EU sind,
J. in der Erwägung, dass es wichtig ist, das Recht eines Kindes auf ein Familienleben zu schützen und sicherzustellen, dass Kinder nicht gezwungen sind, lange in Waisenhäusern leben,
K. in der Erwägung, dass nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Charta der Grundrechte der Europäischen Union rechtsverbindlich geworden ist, in der Erwägung, dass Kinder gemäß Artikel 24 „Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge [haben], die für ihr Wohlergehen notwendig sind“, und in der Erwägung, dass es überdies in Artikel 3 des Vertrags von Lissabon heißt, dass der Schutz der Rechte Minderjähriger zu den Zielen der Union gehört,
1. fordert, dass geprüft wird, ob sich die Strategien, die sich auf das Instrument für die internationale Adoption beziehen, im Einklang mit den internationalen Übereinkommen auf europäischer Ebene koordinieren lassen, um die Unterstützung im Bereich der Informationsdienste, die Vorbereitung Länder überschreitender Adoptionen, die Bearbeitung der Antragsverfahren für internationale Adoptionen und die Dienstleistungen nach der Adoption zu verbessern, wobei zu berücksichtigen ist, dass in sämtlichen internationalen Übereinkommen über den Schutz der Rechte Minderjähriger anerkannt wird, dass Waisenkinder oder ausgesetzte Kinder Anspruch auf eine Familie und Schutz haben;
2. fordert die Kommission auf, die Arbeitsweise der nationalen Systeme auf europäischer Ebene zu prüfen;
3. vertritt die Auffassung, dass nach Möglichkeit und im Interesse des Kindes Adoptionen im Herkunftsland des Kindes oder alternativen Versorgungslösungen, wie Pflegefamilien und Pflegeeltern, oder der Unterbringung in einer Familie mittels internationaler Adoption – im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und internationalen Übereinkommen – Vorrang eingeräumt werden sollte und dass eine Unterbringung in Heimen nur eine Übergangslösung darstellen sollte;
4. hebt hervor, dass die nationalen Rechtsvorschriften des Herkunftslandes der Familien anzuwenden sind, die ein Kind für eine internationale Adoption suchen, damit langfristig für den Schutz der Rechte der Kinder gesorgt ist;
5. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission dringend auf, in Zusammenarbeit mit der Haager Konferenz, dem Europarat und Kinderschutzorganisationen einen Rahmen zu entwickeln, durch den Transparenz und eine wirksame Überwachung des Schicksals ausgesetzter und adoptierter Kinder, einschließlich derer, die ein Verfahren der internationalen Adoption durchlaufen haben, gewährleistet wird und die Maßnahmen in einer Weise zu koordinieren, dass dem Kinderhandel zu Adoptionszwecken vorgebeugt wird;
6. fordert die Organe der EU auf, eine aktivere Rolle auf der Haager Konferenz zu spielen, auf der Konferenz Druck auszuüben, damit die Verfahren für internationale Adoptionen verbessert, rationalisiert und vereinfacht werden, um unnötige Bürokratie abzubauen und sich gleichzeitig zum Schutz der Rechte von Kindern aus Drittländern zu verpflichten;
7. fordert die zuständigen nationalen Behörden auf, dem Herkunftsmitgliedstaat regelmäßig über die Entwicklung der Kinder zu berichten, die ein Verfahren der internationalen Adoption durchlaufen haben;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, die psychologischen, emotionalen, physischen und sozialen bzw. erzieherischen Folgen des Wegzugs eines Kindes von seinem Geburtsort anzuerkennen und den Adoptiveltern und dem adoptierten Kind angemessene Unterstützung zu gewähren;
9. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Kinder mit besonderen Bedürfnissen, beispielsweise Kinder, die medizinische Betreuung benötigen, und behinderte Kinder, besonders zu berücksichtigen,
10. stellt fest, dass Verfahrensgarantien und eine ordnungsgemäße Überprüfung sämtlicher zur Adoption gehörenden Unterlagen, einschließlich Geburtsurkunden, dazu beitragen, Kinder vor Verletzungen ihrer Rechte zu schützen, die in Zweifeln über ihr Alter oder ihre Identität begründet sind; vertritt die Auffassung, dass illegale Adoptionen durch ein sicheres Geburtenregistrierungssystem verhindert werden können; und fordert, dass rechtliche Lösungen zur Förderung der gegenseitigen Anerkennung der Unterlagen, die für eine Adoption notwendig sind, geprüft werden;
11. fordert alle Organe der EU und sämtliche Mitgliedstaaten auf, sich aktiv am Kampf gegen den Kinderhandel zum Zwecke der illegalen Adoption zu beteiligen;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Rat, der Kommission, der Haager Konferenz sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten.