Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. September 2011 zur Zukunft des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 17. Mai 2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung (IIA)(1), mit der der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) eingerichtet wurde,
– gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1927/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung(2),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 546/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1927/2006 zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung(3),
– gestützt auf die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften(4),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Ein Haushalt für Europa 2020“ (KOM(2011)0500),
– unter Hinweis auf die Jahresberichte der Kommission über die Maßnahmen im Rahmen des EGF,
– unter Hinweis auf die von der Kommission im Januar und März veranstalteten Konferenzen der Interessensträger unter Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Vertreter der Sozialpartner über die Zukunft des EGF,
– unter Hinweis auf die Entschließungen, die es seit Januar 2007 zur Inanspruchnahme des EGF angenommen hat, einschließlich der Anmerkungen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) zu den diesbezüglichen Anträgen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. September 2010 zur Finanzierung und Arbeitsweise des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung(5), einschließlich der Stellungnahme des EMPL-Ausschusses vom 25. Juni 2010,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juni 2011 zu dem Thema „Investition in die Zukunft: Ein neuer mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) für ein wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und inklusives Europa“(6),
– unter Hinweis auf die Beratungen der Sonderarbeitsgruppe des EMPL-Ausschusses zum EGF,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der EGF eingerichtet wurde, um Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeitnehmer zu ermöglichen, die am stärksten von Massenentlassungen aufgrund der Globalisierung oder der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen sind, um ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern;
B. in der Erwägung, dass der EGF überwiegend im Fall von Entlassungen aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in Anspruch genommen wurde;
C. in der Erwägung, dass die Kommission vorschlägt, die befristete Ausnahmeregelung bis Ende 2013 zu verlängern, nach der der EGF zur Unterstützung von aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise entlassenen Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden kann;
D. in der Erwägung, dass der EGF als Soforthilfeinstrument für den Fall von Massenentlassungen geschaffen wurde, um Langzeitarbeitslosigkeit unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen entgegenzuwirken; in der Erwägung, dass es das ursprünglich mit dem Instrument des EGF verfolgte Ziel war, innerhalb einer kurzen Zeitspanne, dringende und unvorhergesehene Probleme am Arbeitsmarkt durch die Entlassung einer großen Zahl von Arbeitnehmern durch große Unternehmen oder KMU in einem bestimmten Sektor oder einer bestimmten Region zu mildern; in der gleichzeitigen Erwägung, dass die langfristig mit der Strategie Europa 2020 verfolgten Ziele der Steigerung der Beschäftigung und der Beschäftigungsfähigkeit aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) unterstützt werden;
E. in der Erwägung, dass das langwierige Verfahren zur Inanspruchnahme der EGF als bedeutender Mangel der betreffenden Verordnung erkannt worden ist;
F. in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Mühe bei der Inanspruchnahme des EGF hatten, da es schwierig war, eine entsprechende nationale Gegenfinanzierung zu finden;
G. in der Erwägung, dass der EGF zur Steuerung innovativer Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern beigetragen hat;
H. in der Erwägung, dass die EGF-Verordnung sich als ausreichend flexibel erwiesen hat, um in unterschiedlichen Arbeitsmarktsystemen und -zusammenhängen in der EU Anwendung zu finden;
I. in der Erwägung, dass aus dem EGF ergänzende Maßnahmen zu den aus dem ESF finanzierten Maßnahmen, darunter Zuwendungen im Zuge von Schulungen und Umschulungen, finanziert wurden;
1. weist darauf hin, dass der EGF mit dem Ziel eingerichtet wurde, Solidarität mit den Arbeitnehmern zu bekunden, die von Massenentlassungen aufgrund der Globalisierung betroffen waren, und dass er 2009 im Rahmen des Konjunkturprogramms auf Entlassungen aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgeweitet wurde;
2. anerkennt den Mehrwert des EGF als Soforthilfeinstrument mit begrenztem Wirkungsbereich zur Kofinanzierung aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen, mit denen Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt unterstützt werden sollen; betont auch, dass der Schwerpunkt in Zukunft auf nachhaltigen Arbeitsmarktmaßnahmen liegen sollte; ermutigt die Mitgliedstaaten, den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zu nutzen, um die Ziele der EU zu verfolgen und neue Kompetenzen, darunter auch im Zusammenhang mit der Schaffung neuer, zukunftsfähiger, hochqualifizierter und ökologischer Arbeitsplätze, zu fördern;
3. begrüßt, dass 10 Prozent aller im Zeitraum 2009-2010 in der EU entlassenen Arbeitnehmer aus dem EGF unterstützt werden konnten, und stellt fest, dass 40 Prozent der im Jahr 2009 aus dem EGF unterstützten Arbeitnehmer trotz der negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Arbeitsmärkte erfolgreich in den Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden konnten;
4. unterstützt den Vorschlag der Kommission, den EGF auch über den derzeitigen MFR hinaus fortzuführen, und fordert eine dringende Klarstellung im Hinblick auf Landwirte und Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen;
5. fordert, dass ein erneuerter EGF eng an einen zur Vorausplanung und Bewältigung der Transformation erforderlichen europäischen Rahmen für Umstrukturierungen angebunden wird;
6. ist der Ansicht, dass der größte Mehrwert eines erneuerten EGF in einer wirksamen Unterstützung der Schulung und Umschulung von Arbeitnehmern mit Blick auf ihre Wiedereingliederung in die Beschäftigung unter schwierigen Arbeitsmarktbedingungen aufgrund der Umstrukturierung von Unternehmen oder Sektoren, aus der sich qualifikationsbezogene Missverhältnisse ergeben, liegen kann; betont, dass ein derartiges Instrument eine wertvolle Ergänzung der aus dem ESF finanzierten Maßnahmen darstellen würde, die in erster Linie auf die Bewältigung globaler Herausforderungen im Hinblick auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ausgerichtet sind; betont ferner, dass dieses Instrument einerseits die Solidarität der EU mit von Umstrukturierungen nachteilig betroffenen Arbeitnehmern gewährleisten würde, und sein schneller, zielgenauer und maßgeschneiderter Einsatz zur Verhinderung der Langzeitarbeitslosigkeit andererseits allen Mitgliedstaaten zugute kommen könnte;
7. ist der Ansicht, dass die Einführung schnellerer Einsatzverfahren, mit denen eine effizientere und schnellere Inanspruchnahme des EGF möglich wäre, die größte Herausforderung für die Zukunft darstellt;
8. nimmt die Bemühungen der Kommission zur Ausarbeitung tragfähiger Lösungen im Hinblick auf eine Verkürzung des Antrags- und Inanspruchnahmeverfahrens auf höchstens sechs Monate vom Datum der Antragstellung bis zur Übertragung der Mittel an den betroffenen Mitgliedstaat im Einklang mit den derzeit für den EGF geltenden Legislativ- und Haushaltsverfahren zur Kenntnis; stellt jedoch fest, dass in den vier Jahren, in denen der EGF betrieben wird, kein Fortschritt erzielt worden ist, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, seine Arbeitsweise durch eine Vorziehung der Maßnahmen in seinem Wirkungsbereich zu beschleunigen, ohne die Mitgliedstaaten, die vor Haushaltsproblemen stehen, zu benachteiligen;
9. fordert mit Nachdruck, dass der Schwerpunkt des EGF in Zukunft im Einklang mit den mit der Strategie Europa 2020 verfolgten Zielen auf der Innovation liegt, und ersucht die Kommission, Vorschläge zu unterbreiten, nach denen eine lokale, regionale oder nationale Krise, die zu einem bedeutenden Verlust an Arbeitsplätzen führt, ebenfalls für den EGF in Betracht kommt;
10. betont, dass die Kommission sicherstellen muss, dass die ergriffenen Maßnahmen kohärent und mit den mit der Strategie Europa 2020 verfolgten Zielen vereinbar sind, und einen Teil ihrer Haushaltsmittel für technische Hilfe zur Förderung und Verbreitung bewährter Verfahrensweisen und gegenseitigen Lernens unter den Mitgliedstaaten nutzen muss;
11. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, Kohärenz zwischen dem Einsatz des EGF und auf Unternehmen und Sektoren ausgerichteten Maßnahmen im Bereich der Wettbewerbsbestimmungen und der Industriepolitik sicherzustellen;
12. fordert eine Verbesserung in der zukünftigen EGF-Verordnung, mit der gewährleistet wird, dass der Fonds kein systematisches Fehlverhalten seitens multinationaler Unternehmen hervorruft;
13. betont, dass die Sozialpartner und die lokalen Behörden in das Verfahren der Antragstellung und vor allem in die Gestaltung eines koordinierten Maßnahmenpakets stark eingebunden sein sollten; bekräftigt, dass die Sozialpartner an der Überwachung der Umsetzung und an der Bewertung der Auswirkungen für die Arbeitnehmer teilnehmen sollten;
14. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, nach Lösungen zu suchen, mit denen sichergestellt wird, dass eine Finanzierung aus dem EGF nicht indirekt durch multinationale Unternehmen, die einen Nettogewinn aufweisen, genutzt wird, um Umstrukturierungen sozial verträglich zu gestalten und ihrer Verantwortung zu entgehen; fordert die Kommission zur Einrichtung eines EU-Rahmens für die Vorausplanung und Bewältigung von Wandel und Umstrukturierung auf, in dem diese Unternehmen für Wiederbeschäftigungsmaßnahmen finanziell zur Verantwortung gezogen werden;
15. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Gründe festzustellen, aus denen einige Mitgliedstaaten trotz Massenentlassungen den EGF noch nicht genutzt haben, und entsprechende Lösungsvorschläge zu unterbreiten, um sicherzustellen, dass die Finanzierung aus dem EGF im Einklang mit den von der Union verfolgten Zielen der Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts und der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten (Artikel 3 EUV) gewährt wird;
16. betont, dass aus dem EGF weiterhin nur Arbeitsmarktmarktmaßnahmen finanziert werden sollten, die nach einzelstaatlichem Recht im Fall von Massenentlassungen vorgesehene Maßnahmen ergänzen; schlägt ferner vor, dass aus dem EGF finanzierte Zuwendungen in Zukunft immer an ebenfalls aus dem EGF finanzierte Schulungs- oder Umschulungsmaßnahmen gebunden werden und Zuwendungen, die sich aus einzelstaatlichen oder Gemeinschaftsvorschriften oder Kollektivverträgen ergeben, nicht ersetzen;
17. fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer Anpassung des Kofinanzierungsanteils des EGF an den für die Strukturfonds in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Anteil zu untersuchen;
18. fordert, dass Anträge Angaben über Kofinanzierungsquellen enthalten;
19. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, das Verfahren der Umsetzung stärker zu überwachen, um sicherzustellen, dass die Wirkung der Maßnahmen allen Arbeitnehmern gleichermaßen zugute kommt, und eine Datenbank mit bewährten Verfahrensweisen und Modellen zu erstellen;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.