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Verfahren : 2012/2653(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0240/2012

Aussprachen :

PV 24/05/2012 - 15.1
CRE 24/05/2012 - 15.1

Abstimmungen :

PV 24/05/2012 - 16.1

Angenommene Texte :

P7_TA(2012)0227

Angenommene Texte
PDF 124kWORD 40k
Donnerstag, 24. Mai 2012 - Straßburg
Venezuela: Möglicher Rückzug aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission
P7_TA(2012)0227RC-B7-0240/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zum möglichen Austritt Venezuelas aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (2012/2653(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela, insbesondere die Entschließungen vom 24. Mai 2007 zum Fall des Fernsehsenders RCTV(1), vom 23. Oktober 2008 zu dem Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter(2), vom 7 Mai 2009 zum Fall von Manuel Rosales(3), vom 11. Februar 2010 zu Venezuela(4) sowie vom 8. Juli 2010 zum Fall von María Lourdes Afiuni(5),

–  unter Hinweis auf die Amerikanische Deklaration der Rechte und Pflichten des Menschen von 1948, durch die der Beginn des Interamerikanischen Systems zum Schutz der Menschenrechte (IAHRS) formalisiert wurde, und unter Hinweis auf die Einrichtung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im Jahr 1959, der Venezuela seit 1977 angehört, und die statutarische Einsetzung der IACHR im Jahr 1979,

–  unter Hinweis auf die Einrichtung des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Jahr 1979, dessen Mitglied Venezuela seit 1981 ist,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 17. Juni 2010 zu Maßnahmen der EU zugunsten von Menschenrechtsverteidigern(6) und vom 18. April 2012 zur Lage der Menschenrechte in der Welt und über die Politik der Europäischen Union zu diesem Thema, einschließlich der Auswirkungen für die strategische Menschenrechtspolitik der EU(7),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Rupert Colvill, vom 4. Mai 2012, in der er seiner Besorgnis im Hinblick auf den möglichen Austritt Venezuelas aus der IACHR Ausdruck verleiht,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948,

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) als Ergänzung zu bzw. als ein Korrektiv für schwache nationale Justizsysteme ihr eigenes regionales Menschenrechtssystem geschaffen hat, zu dem die 1959 ins Leben gerufene Interamerikanische Menschenrechtskommission und der 1979 errichtete Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof gehören, dessen Urteilen die 1978 in Kraft getretene Amerikanische Menschenrechtskonvention (Pakt von San José) zugrunde liegt;

B.  in der Erwägung, dass die „Grundrechte des Einzelnen“ in der Amerikanischen Deklaration der Rechte und Pflichten des Menschen als eines der Grundprinzipien der OAS genannt werden;

C.  in der Erwägung, dass bisher 24 der 34 Mitglieder der OAS die interamerikanische Konvention für Menschenrechte ratifiziert haben;

D.  in der Erwägung, dass Venezuela Vertragspartei der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte sowie derzeit Mitglied der IACHR ist und der Rechtssprechung des Interamerikanischen Gerichtshofes unterliegt, der für die Auslegung und Durchsetzung der Bestimmungen der Konvention zuständig ist; in der Erwägung, dass Venezuela sich an den Mechanismen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen beteiligt;

E.  in der Erwägung, dass Präsident Chávez am 2. Mai 2012 die Einrichtung eines Ausschusses bekannt gegeben hat, das die Möglichkeit eines Austritts aus der IACHR bewerten soll; in der Erwägung, dass der Außenminister Venezuelas am 3. Mai 2012 andere Regierungen der Region aufgefordert hat, das Gleiche zu tun;

F.  in der Erwägung, dass von 1970 bis 2011 vier Beschlüsse der IACHR Venezuela betrafen, und in der Erwägung, dass der Gerichtshof von 2004 bis 2012 über 12 Fälle entschieden hat; in der Erwägung, dass die OAS Venezuela über die IACHR mehrfach im Zusammenhang mit Verletzungen der Meinungsfreiheit, der persönlichen Sicherheit und der Nichtahndung von Straftaten sowie politischen Rechten verwarnt hat;

G.  in der Erwägung, dass Venezuela in den vergangenen Jahren mehrfach die IACHR und den Gerichtshof kritisiert hat und wiederholt mit dem Argument, dass die IACHR befangen sei und unterschiedliche Maßstäbe anwende, mit dem Austritt gedroht hat; in der Erwägung, dass Venezuela nun erstmals ernsthafte Schritte in Richtung Austritt unternommen hat. in der Erwägung, dass Venezuela seit 2002 alle Ersuchen der IACHR, das Land zu besuchen, abgelehnt hat;

H.  in der Erwägung, dass der Inhalt der Entschließungen des EP, insbesondere der Entschließungen zum Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter für Oppositionsführer und zu politischen Verfolgungen, wie der Schließung des RCTV, durch verschiedene Beschlüsse und Empfehlungen der IACHR bekräftigt wurde; in der Erwägung, dass Präsident Chávez infolge dieser ungünstigen Empfehlungen und deren Missachtung oder Nichtumsetzung durch die staatlichen Stellen Venezuelas den Mechanismus für den Austritt seines Landes aus diesem internationalen Gremium ausgelöst hat;

I.  in der Erwägung, dass sowohl der Präsident des Obersten Strafgerichtshofs als auch der Generalstaatsanwalt der Bolivarischen Republik Venezuela dem Vorschlag von Präsident Chávez, Venezuela solle aus der IACHR austreten, gebilligt haben, was eindeutig beweist, dass die öffentlichen Stellen und insbesondere die Justizbehörden völlig den politischen Entscheidungen des Staatschefs unterworfen sind;

J.  in der Erwägung, dass die IACHR, ein hoch anerkanntes Gremium mit positiven Auswirkungen in der Region, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, dass zahlreichen Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit widerfahren ist, und eine Schlüsselrolle beim Übergang von den zuvor in vielen Ländern der Region herrschenden Diktaturen zur Demokratie, gespielt hat;

K.  in der Erwägung, dass die IACHR als autonomes Gremium mit sieben unabhängigen Mitgliedern, die im eigenen Namen handeln ohne ein bestimmtes Land zu vertreten, Fälle an den Interamerikanischen Gerichtshof überweist, in schweren und dringenden Fällen Mitgliedstaaten der OAS auffordert, „vorsorgliche Maßnahmen“ zur Verhinderung irreparabler Verletzungen der Menschenrechte zu ergreifen, und Beschwerden von Einzelpersonen, die Menschenrechtsverletzungen geltend machen, entgegennimmt, analysiert und untersucht;

L.  in der Erwägung, dass regionale Menschenrechtsgremien eine sehr wichtige Rolle bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechtsmechanismen spielen und allgemeine Menschenrechtsnormen und –verträge stärken, wie auch wiederholt von der Generalversammlung der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, sowie von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidigern anerkannt wurde;

M.  in der Erwägung, dass der Interamerikanische Gerichtshof gemäß Artikel 1 seiner Satzung, ein autonomes Rechtsprechungsorgan ist, dessen Ziel es ist, die Amerikanische Konvention anzuwenden und auszulegen; in der Erwägung, dass seine Urteile für die Unterzeichnerstaaten der Konvention verbindlich sind;

1.  ist besorgt über die Ankündigung Venezuelas, es werde einen staatlichen Ausschuss zur Prüfung der Möglichkeit seines Ausscheidens aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission einrichten, und fordert die Regierung Venezuelas auf, diese Haltung zu überdenken;

2.  befürchtet, dass ein Austritt aus dem Interamerikanischen System zur Isolierung Venezuelas und zu einer weiteren Verschlechterung der Menschenrechtslage führen könnte;

3.  legt der Regierung Venezuelas und allen anderen Staaten in der Region nahe, die Beschlüsse und Empfehlungen der IACHR zur Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Menschenrechtsmechanismen anzuerkennen und umzusetzen, und fordert sie auf, keine Maßnahmen einzuleiten, die den Schutz der Menschenrechte schwächen könnten;

4.  begrüßt die gesamte von der IACHR geleistete Arbeit insbesondere in den Bereichen Meinungsfreiheit, Rechte indigener Völker, Verhinderung von Folter, soziale Rechte und Frauenrechte sowie Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Menschenrechte in der Region, und ermutigt sie, diese Arbeit fortzusetzen, um die umfassende Achtung der Menschenrechte zu erreichen;

5.  unterstützt regionale Menschenrechtgremien als Teil des internationalen Menschenrechtsmechanismus und fordert die EU-Organe auf, den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, die IACHR und die Konvention noch stärker zu unterstützen;

6.  fordert diejenigen Länder, die dem Interamerikanischen System für Menschenrechte noch nicht beigetreten sind, auf, dies umgehend zu tun und sich umfassend daran zu beteiligen, wodurch die institutionelle Autorität dieses Systems gestärkt würde;

7.  fordert die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela auf, die internationalen und regionalen Konventionen und Chartas, die Venezuela unterzeichnet hat, einzuhalten; weist darauf hin, dass gemäß der Verfassung von Venezuela alle unterzeichneten internationalen Konventionen verbindlich sind;

8.  bedauert die Entscheidungen der Legislative und Judikative Venezuelas, die Bestrebungen des Präsidenten zu unterstützen, aus der IACHR auszutreten, was beweist, dass in diesem land der Grundsatz der Gewaltentrennung nicht eingehalten wird Legislative und Judikative völlig den politischen Entscheidungen des Präsidenten unterstehen;

9.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), der Parlamentarischen Versammlung EuroLat und der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela zu übermitteln.

(1) ABl. C 102 E vom 24.04.2008, S. 484.
(2) ABl. C 15 E vom 21.01.2010, S. 85.
(3) ABl. C 212 E vom 05.08.2010, S. 113.
(4) ABl. C 341 E vom 16.12.2010, S. 69.
(5) ABl. C 351 E vom 02.12.2011, S. 130.
(6) ABl. C 236 E vom 12.8.2011, S. 69.
(7) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0126.

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