Beschluss des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2012 zu dem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Martin Ehrenhauser (2012/2152(IMM))
Das Europäische Parlament,
– befasst mit einem von der Staatsanwaltschaft Wien mit Datum vom 21. März 2012 übermittelten und am 2. Juli 2012 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Martin Ehrenhauser im Zusammenhang mit der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens,
– nach Anhörung von Martin Ehrenhauser gemäß Artikel 7 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,
– gestützt auf Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,
– in Kenntnis von Artikel 57 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes,
– in Kenntnis der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010 und 6. September 2011(1),
– gestützt auf Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 7 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A7-0332/2012),
A. in der Erwägung, dass die Staatsanwaltschaft Wien die Aufhebung der Immunität von Martin Ehrenhauser, Mitglied des Europäischen Parlaments, beantragt hat, um es den österreichischen Behörden zu ermöglichen, gegen Martin Ehrenhauser Ermittlungen und eine strafbehördliche Verfolgung durchzuführen;
B. in der Erwägung, dass die Aufhebung der Immunität von Martin Ehrenhauser mutmaßliche Delikte im Zusammenhang mit widerrechtlichem Zugriff auf ein Computersystem nach § 118a des österreichischen Strafgesetzbuchs (StGB), der Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses nach § 119 StGB, missbräuchlichem Abfangen von Daten nach § 119a StGB und dem Verdacht des Missbrauchs eines Tonaufnahme- oder Abhörgeräts nach § 120 Absatz 2 StGB sowie einem Verstoß gegen § 51 des Datenschutzgesetzes 2000 betrifft;
C. in der Erwägung, dass nach Artikel 9 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;
D. in der Erwägung, dass nach Artikel 57 Absatz 2 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) Mitglieder des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung – den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens ausgenommen – nur mit Zustimmung des Nationalrates verhaftet werden dürfen und dass desgleichen Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Nationalrates der Zustimmung des Nationalrates bedürfen; in der Erwägung, dass weiter nach Artikel 57 Absatz 3 B-VG Mitglieder des Nationalrates ohne Zustimmung des Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung nur dann behördlich verfolgt werden dürfen, wenn diese offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht, und dass die Behörde nach dieser Vorschrift eine Entscheidung des Nationalrates über das Vorliegen eines solchen Zusammenhanges einzuholen hat, wenn dies der betreffende Abgeordnete oder ein Drittel der Mitglieder des mit diesen Angelegenheiten betrauten ständigen Ausschusses verlangt;
E. in der Erwägung, dass demnach die Immunität von Martin Ehrenhauser aufgehoben werden muss, wenn die Ermittlungen gegen ihn durchgeführt werden sollen;
F. in der Erwägung, dass Martin Ehrenhauser vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments angehört worden ist, wobei er mitgeteilt hat, dass er der Ansicht ist, dass seine Immunität aufgehoben werden sollte;
G. in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt hat, dass die Vorrechte und Befreiungen, „auch wenn [diese] ausschließlich im Interesse der Gemeinschaft gewährt worden sind, [...] jedoch ausdrücklich den Beamten und sonstigen Bediensteten der Organe der Gemeinschaft sowie den Mitgliedern des Parlaments zuerkannt worden [sind]“ und „das Protokoll [...] mithin den darin bezeichneten Personen ein subjektives Recht [verleiht]“(2);
H. in der Erwägung, dass Artikel 9 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und Artikel 57 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes einer Aufhebung der Immunität von Martin Ehrenhauser nicht entgegenstehen;
1. beschließt, die Immunität von Martin Ehrenhauser aufzuheben;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den zuständigen Behörden der Republik Österreich und Martin Ehrenhauser zu übermitteln.