Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2012 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung gemäß Nummer 28 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung (Antrag EGF/2012/002 DE/manroland, Deutschland) (COM(2012)0493 – C7-0294/2012 – 2012/2230(BUD))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2012)0493 – C7-0294/2012),
– gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 17. Mai 2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung(1) (IIV vom 17. Mai 2006), insbesondere auf Nummer 28,
– gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1927/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung(2) (EGF-Verordnung),
– unter Hinweis auf das in Nummer 28 der IIV vom 17. Mai 2006 vorgesehene Trilog-Verfahren,
– in Kenntnis des Schreibens des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten,
– in Kenntnis des Berichts des Haushaltsausschusses (A7-0346/2012),
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union die geeigneten Legislativ- und Haushaltsinstrumente geschaffen hat, um zusätzliche Unterstützung für Arbeitnehmer bereitzustellen, die von den Folgen weitreichender Strukturveränderungen im Welthandelsgefüge betroffen sind, und um Hilfestellung bei ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu leisten;
B. in der Erwägung, dass der Anwendungsbereich des EGF für ab dem 1. Mai 2009 gestellte Anträge erweitert wurde und nun auch die Unterstützung von Arbeitnehmern umfasst, die als direkte Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen worden sind;
C. in der Erwägung, dass die finanzielle Unterstützung der Union für entlassene Arbeitnehmer im Einklang mit der in der Konzertierungssitzung vom 17. Juli 2008 angenommenen Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission sowie unter gebührender Beachtung der IIV vom 17. Mai 2006 hinsichtlich der Annahme von Beschlüssen zur Inanspruchnahme des EGF dynamischen Charakter haben und so zügig und effizient wie möglich bereitgestellt werden sollte;
D. in der Erwägung, dass Deutschland Unterstützung für 2 284 Entlassungen bei dem Druckmaschinenhersteller manroland AG, zwei seiner Tochterunternehmen und einem Zulieferer beantragt hat, von denen 2 103 für eine Unterstützung vorgesehen sind;
E. in der Erwägung, dass der Antrag die in der EGF-Verordnung festgelegten Kriterien für die Förderfähigkeit erfüllt;
1. stimmt der Kommission zu, dass die Kriterien gemäß Artikel 2 Buchstabe a der EGF-Verordnung erfüllt sind und Deutschland daher Anspruch auf einen finanziellen Beitrag gemäß dieser Verordnung hat;
2. stellt fest, dass der Antrag auf finanzielle Beihilfen aus dem EGF von den deutschen Behörden am 4. Mai 2012 eingereicht und die Beurteilung der Kommission am 13. September 2012 vorgelegt wurde; begrüßt das zügige Bewertungsverfahren;
3. nimmt zur Kenntnis, dass drei verschiedene Regionen in Deutschland von diesen Entlassungen betroffen sind, nämlich Augsburg (Bayern), Offenbach (Hessen) und Plauen (Sachsen), wobei auch angrenzende Städte wie Aschaffenburg, Wiesbaden, Darmstadt und Frankfurt am Main von der Schließung und den Entlassungen betroffen sind, wobei die schwächste der betroffenen Regionen Plauen in Ostdeutschland ist, mit einer geringen Einwohnerzahl, aber einer starken Abhängigkeit von Sozialleistungen, der infolge der Insolvenz von manroland (vor der Schließung: 700 Beschäftigte) nun der drittgrößte Arbeitgeber verlorengeht, einer von dreien, die ausreichend groß für Tarifverträge mit den Arbeitskräften sind.
4. begrüßt die Tatsache, dass die Sozialpartner einen Sozialplan für die entlassenen Arbeitnehmer der manroland AG beschlossen haben, sowie den Umstand, dass zwei Transfergesellschaften das koordinierte Paket personenbezogener Dienstleistungen ausarbeiten und verwalten werden;
5. stellt fest, dass manroland vor seiner Insolvenz 6 500 Angestellte beschäftigte und ein moderner Maschinenhersteller mit modernem Know-how und attraktiven Löhnen war; ist der Auffassung, dass die Zerschlagung des Unternehmens (mit einem Abbau von einem Drittel der Belegschaft) zu einem Verlust an Qualifikationen führen wird, der auch andere Arbeitgeber und die jeweiligen Regionen betreffen kann; ist der Auffassung, dass ehemalige Angestellte von manroland, die eine neue Stelle finden, ein geringeres Lohnniveau werden akzeptieren müssen, was wiederum ihre Kaufkraft und den Cashflow in der lokalen Wirtschaft senkt; ist darüber hinaus der Meinung, dass die drei Regionen einen der einflussreichsten Arbeitgeber verlieren werden, ohne dass in der näheren Zukunft ein gleichwerter Nachfolger in Sicht ist;
6. stellt fest, dass mehr als die Hälfte der EGF-Unterstützung für Beihilfen ausgegeben wird: wie es heißt, erhalten 2001 Mitarbeiter während ihrer aktiven Teilnahme an den Maßnahmen ein Transferkurzarbeitergeld (geschätzte Kosten: 2.727,67 EUR pro Mitarbeiter für eine Dauer von 6-8 Monaten), mit dem die von den Agenturen für Arbeit auf Grundlage des zuvor verdienten Nettogehalts ausgezahlte Beihilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts ergänzt wird; stellt zudem fest, dass in dem Antrag ein einmaliger Betrag zwischen jeweils 4.000 und 1.000 EUR als Aktivierungsprämie für 430 Mitarbeiter vorgesehen ist, die einen Arbeitsvertrag mit einem geringeren Gehalt als das ihres vorigen Arbeitsverhältnisses annehmen;
7. begrüßt die Tatsache, dass mit der Umsetzung des koordinierten Pakets personenbezogener Dienstleistungen am 1. August 2012, also deutlich vor der Entscheidung der Haushaltsbehörde, EGF-Unterstützung zu gewähren, begonnen wurde; stellt fest, dass die entlassenen Arbeitskräfte vor ihrer Teilnahme an den EGF-Maßnahmen auch Unterstützung aus dem ESF genossen haben; stellt fest, dass die deutschen Behörden bestätigt haben, dass die notwendigen Vorkehrungen getroffen wurden, um eine Doppelfinanzierung aus EU-Mitteln zu vermeiden;
8. weist darauf hin, dass EGF-Unterstützung vor allem für die Arbeitssuche und für Fortbildungsmaßnahmen gewährt werden sollte, anstatt direkte Geldleistungen zu ergänzen; ist der Auffassung, dass die EGF-Unterstützung – sofern sie in das Paket aufgenommen wird – ergänzender Art sein sollte und nicht an die Stelle von Maßnahmen treten sollte, für die die Mitgliedstaaten oder die Unternehmen aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften oder gemäß den Tarifvereinbarungen verantwortlich sind;
9. weist darauf hin, wie wichtig es ist, die Beschäftigungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern durch eine adäquate Fortbildung sowie die Anerkennung der während der beruflichen Laufbahn erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern; erwartet, dass die im koordinierten Maßnahmenpaket angebotenen Fortbildungsmaßnahmen nicht nur den Bedürfnissen der entlassenen Arbeitnehmer, sondern auch dem tatsächlichen Geschäftsumfeld entsprechen;
10. begrüßt die Tatsache, dass die Sozialpartner und andere Interessenvertreter von Beginn an in die Vorbereitung und Durchführung des Antrags eingebunden waren;
11. begrüßt die Tatsache, dass mit dem koordinierten Paket personenbezogener Maßnahmen die grenzüberschreitende Mobilität durch die Förderung der internationalen Arbeitssuche verbessert werden soll;
12. unterstreicht die Tatsache, dass aus der Vorbereitung und Umsetzung dieser und anderer Anträge in Bezug auf Massenentlassungen Lehren gezogen werden sollten;
13. weist darauf hin, dass nach Aussage der deutschen Behörden das koordinierte EGF-Paket personenbezogener Dienstleistungen einen erheblichen Mehrwert darstellt, der über die Möglichkeiten der nationalen und der ESF-Mittel hinausgeht;
14. fordert die beteiligten Organe auf, die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um die Verfahrens- und Haushaltsvorschriften zu verbessern und die Inanspruchnahme des EGF somit zu beschleunigen; räumt ein, dass die Kommission infolge der Forderung des Parlaments nach Beschleunigung der Freigabe der Finanzhilfen ein verbessertes Verfahren eingeführt hat, in dessen Rahmen der Haushaltsbehörde die Bewertung der Kommission hinsichtlich der Förderfähigkeit eines EGF-Antrags zusammen mit dem Vorschlag zur Inanspruchnahme des Fonds vorgelegt wird; hofft, dass weitere Verbesserungen bezüglich des Verfahrens in die neue Verordnung über den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (2014–2020) einfließen und ein höheres Maß an Effizienz und Transparenz sowie eine bessere Wahrnehmbarkeit des EGF erreicht werden;
15. verweist auf die von den Organen eingegangene Verpflichtung, ein reibungsloses und zügiges Verfahren für die Annahme von Beschlüssen über die Inanspruchnahme des EGF zu gewährleisten und eine einmalige, zeitlich begrenzte und personenbezogene Unterstützung für Arbeitnehmer zu leisten, die infolge der Globalisierung und der Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen wurden; betont den Stellenwert, den der EGF bei der Wiedereingliederung von entlassenen Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt einnehmen kann;
16. unterstreicht, dass gemäß Artikel 6 der EGF-Verordnung sichergestellt werden sollte, dass aus dem EGF die Wiedereingliederung einzelner entlassener Arbeitnehmer in das Arbeitsleben unterstützt wird; betont ferner, dass aus Mitteln des EGF nur aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen kofinanziert werden dürfen, die zu einer dauerhaften und langfristigen Beschäftigung führen; weist erneut darauf hin, dass die Unterstützung aus dem EGF kein Ersatz für Maßnahmen sein darf, die gemäß innerstaatlichem Recht oder den Tarifverträgen den Unternehmen obliegen, oder für Maßnahmen zur Umstrukturierung von Unternehmen oder Industriebereichen; bedauert, dass der EGF für Unternehmen einen Anreiz darstellen könnte, ihre Vertragsbeschäftigten durch flexiblere und vertraglich kurzfristiger gebundene Arbeitskräfte zu ersetzen;
17. stellt fest, dass die übermittelten Angaben über das aus dem EGF zu finanzierende koordinierte Paket personenbezogener Dienstleistungen Informationen über die Komplementarität mit Maßnahmen einschließen, die aus den Strukturfonds finanziert werden; fordert die Kommission erneut auf, in ihren Jahresberichten eine vergleichende Bewertung dieser Angaben vorzulegen, um die uneingeschränkte Einhaltung der bestehenden Verordnungen sicherzustellen und zu gewährleisten, dass von der Union finanzierte Dienstleistungen einander nicht überschneiden;
18. begrüßt die Tatsache, dass im Anschluss an Forderungen des Parlaments im Haushaltsplan 2012 Zahlungsermächtigungen in Höhe von 50 000 000 Mio. EUR in der EGF-Haushaltslinie 04 05 01 veranschlagt sind; weist darauf hin, dass der EGF als eigenständiges spezifisches Instrument mit eigenen Zielsetzungen und Fristen geschaffen wurde und daher zweckgebundene Mittel rechtfertigt, wodurch Mittelübertragungen aus anderen Haushaltslinien, wie sie in der Vergangenheit erfolgt sind, vermieden werden, die sich negativ auf die Verwirklichung der verschiedenen politischen Ziele des EGF auswirken könnten;
19. bedauert den Beschluss des Rates, die Verlängerung der „Krisenausnahmeregelung“ zu blockieren, in deren Rahmen nicht nur Arbeitnehmer, die wegen Veränderungen im Welthandelsgefüge ihren Arbeitsplatz verloren haben, sondern auch Arbeitnehmer, die infolge der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise entlassen wurden, finanziell unterstützt werden können und die Kofinanzierungsrate der Programmkosten seitens der Union für Anträge, die nach dem 31. Dezember 2011 gestellt wurden, auf 65 % erhöht wird; fordert den Rat auf, diese Maßnahme unverzüglich wieder einzuführen;
20. billigt den dieser Entschließung beigefügten Beschluss;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss mit dem Präsidenten des Rates zu unterzeichnen und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;
22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung einschließlich der Anlage dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung gemäß Nummer 28 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 17. Mai 2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung (Antrag EGF/2012/002 DE/manroland, Deutschland)
(Der Text dieser Anlage ist hier nicht wiedergegeben; er entspricht dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss 2012/732/EU.)