Index 
Angenommene Texte
Donnerstag, 24. Mai 2012 - Straßburg
Allgemeine Bestimmungen für Makrofinanzhilfen an Drittländer ***I
 Die Lage in der Ukraine und der Fall Julia Timoschenko
 Bekämpfung von Homophobie in Europa
 Ressourcenschonendes Europa
 Initiative „Chancen für junge Menschen“
 Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit
 Schweizer Quoten bei der Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen, die Staatsangehörigen aus Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn erteilt werden
 Venezuela: Möglicher Rückzug aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission
 Aserbaidschan
 Lage nordkoreanischer Flüchtlinge
 Fortgesetzte und verstärkte Unterstützung von Impfungen in Entwicklungsländern

Allgemeine Bestimmungen für Makrofinanzhilfen an Drittländer ***I
PDF 412kWORD 189k
Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen für Makrofinanzhilfen an Drittländer (COM(2011)0396 – C7-0187/2011 – 2011/0176(COD))(1)
P7_TA(2012)0220A7-0157/2012

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Vorschlag der Kommission   Geänderter Text
Abänderung 1
Vorschlag für eine Verordnung
Titel
Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen für Makrofinanzhilfen an Drittländer

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen für Makrofinanzhilfen an Drittländer und Gebiete

Abänderung 2
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 1 a (neu)
(1a)  Die Makrofinanzhilfe der Union sollte eingesetzt werden, um Drittländern, die sich vorübergehenden Zahlungsbilanzschwierigkeiten gegenübersehen, eine Sonderfinanzhilfe zu gewähren. Im Unterschied zu anderen Instrumenten der Union, die ihre Außenpolitik direkt unterstützen (wie das Instrument für Heranführungshilfe*, das Europäische Nachbarschaftsinstrument**, das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit usw.), sollte Makrofinanzhilfe weder als eine regelmäßige Finanzhilfe eingesetzt werden noch das vorrangige Ziel verfolgen, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Empfängerländer zu unterstützen. Makrofinanzhilfe sollte auch nicht ähnlich wie an Bedingungen geknüpfte Zuschüsse für Schuldenerlasse verwendet werden.
* Verordnung Nr. … des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA II) (ABl. …).
** Verordnung Nr. … des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschaftsinstruments (ABl. …).
Verordnung Nr. … des Europäischen Parlaments und des Rates vom … zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (ABl. …).

Abänderung 3
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 2
(2)  Gegenwärtig basieren Makrofinanzhilfen für Drittländer auf länderspezifischen Ad-hoc-Beschlüssen des Europäischen Parlaments und des Rates. Dies schmälert die Effizienz und Wirksamkeit der Hilfe, da unnötige Verzögerungen zwischen den Ersuchen um Makrofinanzhilfe und deren tatsächlicher Durchführung entstehen.
(2)  Ziel der Rahmenverordnung ist es, die Regeln zu präzisieren und die Effizienz und Wirksamkeit der Hilfe der Union zu verbessern, unter anderem durch die verstärkte Anwendung von Vorbedingungen, die Verbesserung der Transparenz und die Formalisierung der politischen Bewertung durch die Kommission und durch die Verbesserung der demokratischen Wirksamkeit und der demokratischen Kontrolle.
Abänderung 4
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 3
(3)  Ein Rahmen für die Umsetzung der Makrofinanzhilfen für Drittländer, mit denen die Union bedeutende politische, wirtschaftliche und kommerzielle Beziehungen unterhält, sollte die Wirksamkeit der Hilfe erhöhen. Insbesondere sollte es möglich sein, Drittländern Makrofinanzhilfen zur Verfügung zu stellen, um sie zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu ermutigen, die geeignet sind, eine Zahlungsbilanzkrise zu beheben.
(3)  Ein Rahmen für die Umsetzung der Makrofinanzhilfen für Drittländer sollte sie zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen ermutigen, die geeignet sind, eine Zahlungsbilanzkrise zu beheben.
Abänderung 5
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 5
(5)  Der Erlass einer allgemeinen Verordnung für Makrofinanzhilfen auf der Grundlage der Artikel 209 und 212 lässt die Bestimmungen des Artikels 213 des Vertrags über umgehende finanzielle Hilfe für Drittländer und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte des Rates unberührt.
entfällt
Abänderung 6
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 7
(7)  In seinen Schlussfolgerungen vom 8. Oktober 2002 stellte der Rat Kriterien (die so genannten Genval-Kriterien) für die Makrofinanzhilfeoperationen der EU auf. Es ist angebracht, diese Kriterien in einem Rechtsakt, der sowohl vom Parlament als auch vom Rat angenommen wird, förmlich niederzulegen und sie dabei gleichzeitig zu aktualisieren und zu präzisieren.
(7)  In seinen Schlussfolgerungen vom 8. Oktober 2002 stellte der Rat Kriterien (die so genannten Genval-Kriterien) für die Makrofinanzhilfeoperationen der Union auf. Es ist angebracht, diese Kriterien in einem Rechtsakt, der vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen wird, zu aktualisieren und zu präzisieren, unter anderem in Bezug auf die Kriterien für die Festlegung der angemessenen Form der Hilfe (Darlehen, Zuschuss oder eine Kombination von beiden).
Abänderung 7
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 8
(8)  Es sollten im Voraus geeignete Verfahren und Instrumente vorgesehen werden, damit die Union Makrofinanzhilfen vor allem dann zügig bereitstellen kann, wenn die Umstände ein sofortiges Handeln erfordern. Dies würde auch die Klarheit und Transparenz der für die Durchführung von Makrofinanzhilfen geltenden Kriterien erhöhen.
(8)  Es sollten im Voraus geeignete Verfahren und Instrumente vorgesehen werden, um die Union in die Lage zu versetzen, Makrofinanzhilfen vor allem dann zügig bereitzustellen, wenn die Umstände ein sofortiges Handeln erfordern, und die Klarheit und Transparenz der für die Durchführung von Makrofinanzhilfen geltenden Kriterien zu erhöhen.
Abänderung 8
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 9
(9)  Die Kommission sollte sicherstellen, dass Makrofinanzhilfen mit den Grundprinzipien, den Zielen und den Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Außenpolitik und den anderen relevanten Politikbereichen der Union in Einklang stehen.
(9)  Die Kommission sollte in ihrer Auswahl der Empfängerländer und in Bezug auf den Inhalt des Memorandum of Understanding sicherstellen, dass Makrofinanzhilfen mit den Grundprinzipien, den Zielen und den Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen der Außenpolitik und den anderen relevanten Politikbereichen der Union in Einklang stehen.
Abänderung 9
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 9 a (neu)
(9a)  Makrofinanzhilfen sind auch ein Instrument der Außenpolitik der Union und sollten zur Verstärkung der Sichtbarkeit und des Einflusses der Union über ihre Grenzen hinaus dienen. Die enge Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) zum Zwecke der Koordinierung und der Kohärenz der Außenpolitik der Union sollte während der gesamten Makrofinanzhilfeoperation gewährleistet sein.
Abänderung 10
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 10
(10)  Makrofinanzhilfen sollten das Bekenntnis der Empfängerländer zu den gemeinsamen Werten der Union, unter anderem zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, guter Regierungsführung, Achtung der Menschenrechte, nachhaltiger Entwicklung und Bekämpfung der Armut, sowie zu den Grundsätzen eines offenen, regelbasierten und fairen Handels unterstützen.
(10)  Makrofinanzhilfen sollten Maßnahmen enthalten, die das Bekenntnis der Empfängerländer zu gemeinsamen Werten mit der Union, unter anderem zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, guter Regierungsführung, zur Achtung der Menschenrechte, zur Bekämpfung der Zwangsarbeit von Kindern, zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung und Bekämpfung der Armut, sowie zu den Grundsätzen eines offenen, regelbasierten und fairen Handels stärken. Die Verwirklichung dieser Ziele sollte von der Kommission regelmäßig überwacht werden.
Abänderung 11
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 13
(13)  Makrofinanzhilfen sollte die vom Internationalen Währungsfonds und anderen multilateralen Finanzinstitutionen bereitgestellten Mittel ergänzen und es sollte eine faire Lastenteilung mit anderen Gebern bestehen. Makrofinanzhilfen sollte den zusätzlichen Nutzen einer Beteiligung der Union sicherstellen.
(11a)   Im Allgemeinen sollten Makrofinanzhilfen die vom Internationalen Währungsfonds und anderen europäischen oder multilateralen Finanzinstitutionen bereitgestellten Mittel ergänzen, und es sollte eine faire Lastenteilung mit diesen Institutionen und anderen Gebern bestehen. Makrofinanzhilfen sollten bereitgestellt werden, wenn sie den zusätzlichen Nutzen einer Beteiligung der Union sicherstellen.
Abänderung 12
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 13 a (neu)
(13a)  Damit die Makrofinanzhilfen dem Bedarf entsprechen können, der durch akute Wirtschaftskrisen verursacht wird, sollte die Union sicherstellen, dass in ihren Haushaltsplan ausreichende finanzielle Mittel eingestellt werden. Ferner muss gewährleistet werden, dass die Makrofinanzhilfen allen in Betracht kommenden Ländern unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Größe zur Verfügung stehen und sie in angemessener Weise in Verbindung mit den anderen externen Finanzierungsinstrumenten der Union zur Anwendung kommen.
Abänderung 13
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 14 a (neu)
(14a)  Um ein Gleichgewicht zwischen der erforderlichen Effizienz und Wirksamkeit der Hilfe der Union auf der einen Seite und größerer Kohärenz, Transparenz und demokratischer Kontrolle auf der anderen Seite zu erzielen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zu den in Betracht kommenden Ländern und Gebieten und zur Gewährung von Hilfe an bestimmte Länder und Gebiete zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.
Abänderung 14
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 15
(15)  Um im Hinblick auf die Bewilligung und Verwaltung der Makrofinanzhilfeoperationen in den Empfängerländern einheitliche Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ausgeübt werden.
(15)  Um einheitliche Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ausgeübt werden.
Abänderung 15
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 16
(16)  Für den Erlass von Durchführungsbeschlüssen, mit denen Betrag, Form, Dauer und allgemeine Bedingungen einzelner Makrofinanzhilfeoperationen festgelegt werden, sollte das Prüfverfahren angewandt werden, da derartige Beschlüsse erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt haben.
entfällt
Abänderung 16
Vorschlag für eine Verordnung
Erwägung 17
(17)  Für die Annahme des Memorandum of Understanding (MoU), in dem die mit der Makrofinanzhilfe der Union verbundenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen festgelegt werden, sollte das Beratungsverfahren angewandt werden, da es sich bei dem MoU weder um einen Durchführungsrechtsakt von allgemeiner Tragweite noch um einen Rechtsakt mit Auswirkungen auf den Haushalt oder mit über den Beschluss zur Gewährung der Hilfe hinausreichenden Auswirkungen auf Drittländer handelt –
entfällt
Abänderung 17
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 1 – Absatz 1
(1)  In dieser Verordnung werden allgemeine Bestimmungen für die Gewährung von Makrofinanzhilfen an Drittländer und Gebiete, die gemäß Artikel 2 hierfür in Betracht kommen, festgelegt.
(1)  In dieser Verordnung werden allgemeine Bestimmungen für die Gewährung von Makrofinanzhilfen der Union an Drittländer und Gebiete, die gemäß Artikel 2 (die „Empfängerländer“) hierfür in Betracht kommen, festgelegt.
Abänderung 18
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 1 – Absatz 2
(2)  Makrofinanzhilfen sind ein in Ausnahmefällen zum Einsatz kommendes Finanzinstrument in Form einer ungebundenen und nicht zweckgewidmeten Zahlungsbilanzhilfe für als Empfänger in Betracht kommende Drittländer und Gebiete. Ziel ist die Wiederherstellung einer tragfähigen Außenbilanz in Ländern, die mit Außenfinanzierungsproblemen konfrontiert sind. Mit der Finanzhilfe wird die Durchführung entschlossener Anpassungs- und Strukturreformmaßnahmen zur Lösung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten unterstützt.
(2)  Makrofinanzhilfen sind ein in Ausnahmefällen zum Einsatz kommendes Finanzinstrument in Form einer ungebundenen und nicht zweckgewidmeten Zahlungsbilanzhilfe für Empfängerländer. Ziel ist die Wiederherstellung einer tragfähigen Außenbilanz in Empfängerländern, die mit Außenfinanzierungsproblemen konfrontiert sind. Mit der Finanzhilfe wird die Durchführung einschlägiger bilateraler Abkommen und Programme mit der Union seitens der Empfängerländer unterstützt. Sie zielt auf entschlossene Anpassungs- und Strukturreformmaßnahmen zur Lösung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten ab.
Abänderung 19
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 1 – Absatz 3
(3)  Eine Makrofinanzhilfe kann unter der Voraussetzung gewährt werden, dass nach Bereitstellung von Mitteln durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und andere multilaterale Einrichtungen und trotz Umsetzung entschlossener wirtschaftlicher Stabilisierungs- und Reformprogramme eine beträchtliche Außenfinanzierungslücke verbleibt, die gemeinsam mit den multilateralen Finanzinstitutionen festgestellt wurde.
(3)  Eine Makrofinanzhilfe kann unter der Voraussetzung gewährt werden, dass nach Bereitstellung von Mitteln durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und andere europäische oder multilaterale Finanzinstitutionen und trotz Umsetzung entschlossener wirtschaftlicher Stabilisierungs- und Reformprogramme seitens des jeweiligen Empfängerlandes eine beträchtliche Außenfinanzierungslücke in dem jeweiligen Empfängerland verbleibt, die gemeinsam mit den europäischen oder multilateralen Finanzinstitutionen festgestellt wurde.
Abänderung 20
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 2 – Überschrift
Für eine Finanzhilfe in Betracht kommende Länder

Für eine Finanzhilfe in Betracht kommende Länder und Gebiete

Abänderung 21
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 2 – Einleitung
Für die Gewährung einer Makrofinanzhilfe in Betracht kommen folgende Drittländer und Gebiete:

(1)  Für die Gewährung einer Makrofinanzhilfe in Betracht kommen folgende Drittländer und Gebiete, sofern sie die Konditionalitätskriterien gemäß Artikel 6 (die „Empfängerländer“) erfüllen:
Abänderung 22
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 2 – Absatz 1 – Buchstabe c
c) sonstige Drittländer in außergewöhnlichen und begründeten Fällen. Die betreffenden Länder müssen mit der Europäischen Union politisch, wirtschaftlich und geografisch eng verbunden sein.
c) sonstige Drittländer, die eine ausschlaggebende Rolle für die regionale Stabilität spielen und von strategischer Bedeutung für die Union sind, in außergewöhnlichen und begründeten Fällen. Die betreffenden Länder müssen mit der Union politisch, wirtschaftlich und geografisch eng verbunden sein.
Abänderung 23
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 2 – Absatz 1 a (neu)
(1a)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte nach Artikel 14a zur Änderung der Nummern 1 und 2 von Anhang I zu erlassen, um diesen nach den entsprechenden politischen Beschlüssen über den Status der Länder als Kandidatenländer oder potenzielle Kandidatenländer oder bezüglich der Reichweite der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu aktualisieren.
Abänderung 24
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 2 – Absatz 1 b (neu)
(1b)  Der Kommission wird die Befugnis übertragen, nach Artikel 14a delegierte Rechtsakte zu erlassen, um diese Verordnung gegebenenfalls um in Betracht kommende Länder zu ergänzen, die die Kriterien des Absatzes 1 Buchstabe c dieses Artikels erfüllen.
Abänderung 25
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 4 – Absatz 1
(1)  Die Höhe der aufgrund dieser Verordnung als Zuschuss gewährten Makrofinanzhilfen entspricht den dafür im mehrjährigen Finanzrahmen eingestellten Mitteln.
(1)  Die Höhe der aufgrund dieser Verordnung in Form eines Zuschusses gewährten Makrofinanzhilfen entspricht den dafür im mehrjährigen Finanzrahmen eingestellten Mitteln.
Abänderung 26
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 4 – Absatz 2
(2)  Für die aufgrund dieser Verordnung als Darlehen gewährten Makrofinanzhilfen werden gemäß der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über den Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen entsprechende Beträge in den Fonds eingestellt.
(2)  Für die aufgrund dieser Verordnung in Form eines Darlehens gewährten Makrofinanzhilfen werden gemäß der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 480/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über den Garantiefonds für Maßnahmen im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen entsprechende Beträge in den Fonds eingestellt.
Abänderung 27
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 4 – Absatz 3
(3)  Die jährlichen Mittel werden von der Haushaltsbehörde innerhalb der Grenzen des Finanzrahmens bewilligt. Die entsprechenden Referenzbeträge für den Zeitraum 2011 bis 2013 sind Anhang II zu entnehmen.
(3)  Die jährlichen Mittel werden von der Haushaltsbehörde innerhalb der Grenzen des mehrjährigen Finanzrahmens bewilligt.
Abänderung 28
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 5 – Absatz 1
(1)  Die Höhe der Finanzhilfe richtet sich nach dem verbleibenden Außenfinanzierungsbedarf des Empfängerlandes. Dieser wird von der Kommission in Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitutionen auf der Grundlage einer umfassenden und ausreichend dokumentierten quantitativen Bewertung festgestellt. Dabei stützt sich die Kommission insbesondere auf die jüngsten Zahlungsbilanzprojektionen des IWF für das betreffende Land unter Berücksichtigung des zu erwartenden Finanzbeitrags multilateraler Geber.
(1)  Die vorgeschlagene Höhe der Finanzhilfe richtet sich nach dem verbleibenden Außenfinanzierungsbedarf des Empfängerlandes. Dieser wird von der Kommission in Zusammenarbeit mit dem IWF und anderen europäischen oder multilateralen Finanzinstitutionen auf der Grundlage einer umfassenden und ausreichend dokumentierten quantitativen Bewertung festgestellt. Dabei stützt sich die Kommission insbesondere auf die jüngsten Zahlungsbilanzprojektionen des IWF und anderer europäischer oder multilateraler Finanzinstitutionen für das betreffende Empfängerland unter Berücksichtigung des zu erwartenden Finanzbeitrags multilateraler Geber sowie des vorherigen Einsatzes anderer externer Finanzierungsinstrumente der Union in dem betreffenden Empfängerland.
Abänderung 29
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 5 – Absatz 2
(2)  Bei der Festsetzung der Höhe der Makrofinanzhilfe wird außerdem der Notwendigkeit einer fairen Lastenteilung mit anderen Gebern Rechnung getragen.
(2)  Bei der Festsetzung der Höhe der Makrofinanzhilfe wird außerdem der Notwendigkeit einer fairen Lastenteilung zwischen der Union und den anderen Gebern Rechnung getragen. Der Beitrag der Union sollte ausreichend sein, um zu garantieren, dass die Union einen zusätzlichen Nutzen stiftet, und er sollte normalerweise nicht unter 20 % liegen.
Abänderung 30
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 5 – Absatz 3
(3)  Sollte sich der Finanzierungsbedarf des Empfängerlandes während des Zeitraums der Auszahlung der Makrofinanzhilfe wesentlich verringern, kann die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 2 beschließen, die im Rahmen der Finanzhilfe bereitgestellten Beträge zu kürzen oder deren Auszahlung auszusetzen oder einzustellen.
(3)  Sollte sich der Finanzierungsbedarf des Empfängerlandes während des Zeitraums der Auszahlung der Makrofinanzhilfe wesentlich verringern, bewertet die Kommission die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Empfängerlandes neu und es wird ihr auf der Grundlage dieser Bewertung die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte nach Artikel 14a zur Änderung von Anhang IIa zu erlassen, um die im Rahmen der Finanzhilfe bereitgestellten Beträge zu kürzen oder deren Auszahlung auszusetzen oder einzustellen.
Abänderung 31
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 6 – Absatz 1
(1)  Eine der Vorbedingungen für die Gewährung einer Makrofinanzhilfe ist, dass das Empfängerland über wirksame demokratische Mechanismen verfügt, einschließlich parlamentarischer Mehrparteiensysteme, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte.
(1)  Eine der Vorbedingungen für die Gewährung einer Makrofinanzhilfe ist, dass das Empfängerland über wirksame demokratische Mechanismen verfügt, einschließlich parlamentarischer Mehrparteiensysteme, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Diese Bewertung wird dem EAD in Zusammenarbeit mit der Kommission übertragen und berücksichtigt die vom Europäischen Parlament angenommenen Entschließungen und Berichte betreffend die Empfängerländer. Die Bewertung kann politische Empfehlungen zur Stärkung demokratischer Institutionen und der Menschenrechte, zur Erhöhung der Transparenz und zur Verstärkung der Bekämpfung von Korruption enthalten. Dieser Bericht wird jedem einzelnen delegierten Rechtsakt nach Artikel 7 Absatz 3 angefügt. Um die demokratischen Werte und Interessen der Union zu schützen und die Einhaltung der Grundrechte seitens der Empfängerländer zu verstärken, enthält das Memorandum of Understanding länderspezifische Empfehlungen, die im Einklang mit der Außenpolitik der Union stehen, die auf die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschen- und Arbeitnehmerrechte, die Erhöhung von Transparenz und die Verstärkung der Bekämpfung von Korruption abzielt.
Abänderung 32
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 6 – Absatz 2
(2)  Die Gewährung einer Makrofinanzhilfe ist an die Auflage geknüpft, dass ein IWF-Programm existiert, auf dessen Grundlage IWF-Mittel bereitgestellt werden.
(2)  Die Gewährung einer Makrofinanzhilfe ist an die Auflage geknüpft, dass ein IWF-Programm, auf dessen Grundlage IWF-Mittel bereitgestellt werden, oder ein Programm einer anderen europäischen oder multilateralen Finanzinstitution existiert.
Abänderung 33
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 6 – Absatz 3
(3)  Voraussetzung für die Auszahlung der Finanzhilfe sind zufriedenstellende Fortschritte bei der Umsetzung desIWF-Programms. Eine weitere Voraussetzung ist die Durchführung – innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens – einer Reihe klar definierter, auf Strukturreformen abstellender wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die zwischen Kommission und Empfängerland zu vereinbaren und in einem Memorandum of Understanding festzulegen sind.
(3)  Voraussetzung für die Auszahlung der Finanzhilfe sind zufriedenstellende Fortschritte bei der Umsetzung eines Programms des IWF oder einer anderen europäischen oder multilateralen Finanzinstitution und bei der Einhaltung der politischen, auf Werten basierenden Kriterien. Eine weitere Voraussetzung ist die Durchführung – innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens – einer Reihe klar definierter, auf Strukturreformen abstellender wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die zwischen Kommission und Empfängerland zu vereinbaren und in einem Memorandum of Understanding festzulegen sind.
Abänderung 34
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 7 – Absatz 2
(2)  Sind die in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 genannten Bedingungen erfüllt, stellt die Kommission die Makrofinanzhilfe im Einklang mit Artikel 14 Absatz 2 bereit.
(2)  Nach Eingang des Antrags prüft die Kommission, ob die in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 genannten Bedingungen für die Gewährung der Makrofinanzhilfe erfüllt sind. Sind diese Bedingungen erfüllt, legt die Kommission in ihrem Beschluss den Betrag und die Form der Hilfe fest, die unter den in den Artikeln 5 bzw. 3 genannten Bedingungen gewährt wird.
Abänderung 35
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 7 – Absätze 3 und 3a (neu)
(3)  In dem Beschluss über die Gewährung eines Darlehens werden der Darlehensbetrag, die maximale durchschnittliche Laufzeit und die maximale Anzahl der Tranchen der Makrofinanzhilfe angegeben. In dem Beschluss über die Gewährung eines Zuschusses werden der Zuschussbetrag und die maximale Anzahl der Tranchen angegeben. In beiden Fällen wird der Zeitraum festgelegt, während dessen die Makrofinanzhilfe bereitgestellt wird. In der Regel beträgt der Bereitstellungszeitraum höchstens drei Jahre.
(3)   Für die Zwecke des Absatzes 2 wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 14a delegierte Rechtakte zur Erstellung und Änderung von Anhang IIa zu erlassen, um einem bestimmten Land oder Gebiet Makrofinanzhilfe bereitzustellen. In dem delegierten Rechtsakt gibt die Kommission unter anderem Folgendes an:
a)  In allen Fällen den Empfänger der Hilfe, den Gesamthöchstbetrag der Hilfe, die Form der Hilfe und den Bereitstellungszeitraum der Hilfe.
b)  Im Falle des Beschlusses über die Gewährung eines Darlehens den Darlehensbetrag, die maximale durchschnittliche Laufzeit und die maximale Anzahl der Tranchen der Makrofinanzhilfe.
c)  Im Falle des Beschlusses über die Gewährung eines Zuschusses den Zuschussbetrag und die maximale Anzahl der Tranchen. Dem Beschluss über die Gewährung eines Zuschusses wird eine Begründung für den Zuschuss (oder die Zuschusskomponente) beigefügt.
(3a)  In der Regel beträgt der Bereitstellungszeitraum für die Makrofinanzhilfe höchstens drei Jahre.
Abänderung 36
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 7 – Absatz 4
(4)  Nach Erlass des Beschlusses über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe vereinbart die Kommission im Einklang mit Artikel 14 Absatz 3 mit dem Empfängerland die politischen Maßnahmen nach Artikel 6 Absätze 3, 4, 5 und 6.
(4)  Nach Erlass des delegierten Rechtsakts über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe wird der Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem EAD die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte nach Artikel 14a zu erlassen, um mit dem Empfängerland im Memorandum of Understanding die politischen Maßnahmen nach Artikel 6 Absätze 1, 3, 4, 5 und 6 zu vereinbaren.
Abänderung 37
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 7 – Absatz 5
(5)  Nach Erlass des Beschlusses über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe vereinbart die Kommission mit dem Empfängerland die für die Finanzhilfe geltenden detaillierten finanziellen Bedingungen. Diese werden in einer Zuschuss- bzw. einer Darlehensvereinbarung festgelegt.
(5)  Nach Erlass des delegierten Rechtsakts über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe vereinbart die Kommission mit dem Empfängerland die für die Finanzhilfe geltenden detaillierten finanziellen Bedingungen. Diese werden in einer Zuschuss- bzw. einer Darlehensvereinbarung festgelegt.
Abänderung 38
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 7 – Absatz 6
(6)  Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklungen bei den länderspezifischen Finanzhilfen und stellt ihnen die einschlägigen Dokumente zur Verfügung.
(6)  Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat über die Entwicklungen bei den länderspezifischen Finanzhilfen und stellt ihnen rechtzeitig die einschlägigen Dokumente zur Verfügung.
Abänderung 39
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 9 – Absatz 2
(2)  Die Finanzhilfen werden in aufeinanderfolgenden Tranchen ausgezahlt, vorausgesetzt, dass die in Artikel 6 Absätze 2 und 3 genannten Bedingungen erfüllt sind.
(2)  Die Finanzhilfen werden in aufeinanderfolgenden Tranchen ausgezahlt, vorausgesetzt, dass die in Artikel 6 Absätze 1, 2 und 3 genannten Bedingungen erfüllt sind.
Abänderung 40
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 9 – Absatz 3
(3)  Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die in Artikel 6 Absätze 2 und 3 genannten Bedingungen nach wie vor erfüllt sind.
(3)  Die Kommission überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die in Artikel 6 Absätze 2 und 3 genannten Bedingungen nach wie vor erfüllt sind. Der EAD überprüft regelmäßig und im Falle unvorhergesehener Entwicklungen  unverzüglich, ob die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Bedingungen noch erfüllt sind, und unterrichtet die Kommission hiervon.
Abänderung 41
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 9 – Absatz 4
(4)  Sind die in Artikel 6 Absätze 2 und 3 genannten Bedingungen nicht erfüllt, kann die Kommission die Auszahlung der Finanzhilfe vorübergehend aussetzen, kürzen oder einstellen.
(4)  Sind die in Artikel 6 Absätze 1, 2 und 3 genannten Bedingungen nicht erfüllt, kann die Kommission die Auszahlung der Finanzhilfe in enger Zusammenarbeit mit dem EAD vorübergehend aussetzen, kürzen oder einstellen.
Abänderung 42
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 9 – Absatz 4 a (neu)
(4a)  In diesen Fällen, und wenn die Aussetzung der Auszahlung der Finanzhilfe nach Konsultation des EAD aufgehoben wird, unterrichtet die Kommission das Europäische Parlament und den Rat über die Gründe.
Abänderung 43
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 11 – Absatz 1
(1)  Die Empfängerländer überprüfen regelmäßig die ordnungsgemäße Verwendung der aus dem Unionshaushalt bereitgestellten Mittel, treffen geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten und Betrug und leiten, falls erforderlich, gerichtliche Schritte ein, um aufgrund dieser Verordnung bereitgestellte Mittel, die zweckentfremdet wurden, wiedereinzuziehen.
(1)   Vereinbarungen, die sich aus dieser Verordnung ergeben, enthalten Bestimmungen, mit denen sichergestellt wird, dass die Empfängerländer regelmäßig die ordnungsgemäße Verwendung der aus dem Unionshaushalt bereitgestellten Mittel überprüfen, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten und Betrug treffen und, falls erforderlich, gerichtliche Schritte einleiten, um aufgrund dieser Verordnung bereitgestellte Mittel, die zweckentfremdet wurden, wieder einzuziehen.
Abänderung 44
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 11 – Absatz 3 a (neu)
(3a)  Mit dem Memorandum of Understanding nach Artikel 6 Absatz 3 und jeder anderen Vereinbarung, die sich aus dieser Verordnung ergibt, werden die Rechte der Kommission und des Rechnungshofs nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels während und nach dem Bereitstellungszeitraum der Makrofinanzhilfe gewährleistet.
Abänderung 45
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 12 – Absatz 1
(1)  Die Kommission nimmt regelmäßig eine Bewertung der Ergebnisse und der Effizienz der Makrofinanzhilfe vor, um festzustellen, ob die Ziele erreicht wurden, und um Empfehlungen zur Verbesserung künftiger Maßnahmen erarbeiten zu können.
(1)  Die Kommission nimmt regelmäßig eine Bewertung der Ergebnisse und der Effizienz der Makrofinanzhilfe in Bezug auf jedes einzelne Empfängerland bzw. jedes einzelne Empfängergebiet vor, um festzustellen, ob die Ziele erreicht wurden, und um Empfehlungen zur Verbesserung künftiger Maßnahmen erarbeiten zu können. Bei der Bewertung des Funktionierens der politischen Konditionalität nach Artikel 6 Absatz 1 konsultiert die Kommission den EAD.
Abänderung 46
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 12 – Absatz 2
(2)  Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat Ex-post-Evaluierungsberichte, in denen sie bewertet, inwieweit in jüngster Vergangenheit abgeschlossene Makrofinanzhilfeoperationen zur Verwirklichung der angestrebten Ziele beigetragen haben.
(2)  Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Rechnungshof Ex-post-Evaluierungsberichte, in denen sie bewertet, inwieweit in jüngster Vergangenheit abgeschlossene Makrofinanzhilfeoperationen zugunsten eines bestimmten Empfängerlandes bzw. eines bestimmten Empfängergebietes zur Verwirklichung der angestrebten Ziele beigetragen haben.
Abänderung 47
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 12 – Absatz 2 a (neu)
(2a)  Der Rechnungshof prüft die Verwaltung der Finanzhilfe.
Abänderung 48
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 14 – Absatz 3
(3)  Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.
entfällt
Abänderung 49
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 14 a (neu)
Artikel 14a

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)  Die Befugnis zum Erlass der in Artikel 2 Absatz 1a, Artikel 2 Absatz 1b, Artikel 5 Absatz 3, Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 7 Absatz 4 genannten delegierten Rechtsakte wird der Kommission für die Geltungsdauer dieser Verordnung übertragen.
(2)  Die Befugnisübertragung kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
(3)  Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.
(4)  Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 2 Absatz 1a, Artikel 2 Absatz 1b, Artikel 5 Absatz 3, Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 7 Absatz 4 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
Abänderung 50
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 14 b (neu)
Artikel 14b

Überprüfung

(1)  Spätestens ... * und anschließend alle vier Jahre legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor.
(2)  Der Bericht nach Absatz 1 enthält einen ausführlichen Überblick über die nach dieser Verordnung gewährten Makrofinanzhilfen. Gegebenenfalls wird ihm ein Legislativvorschlag für eine Überprüfung dieser Verordnung beigefügt.
* Vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung.
Abänderung 51
Vorschlag für eine Verordnung
Artikel 15
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2013.

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Abänderung 52
Vorschlag für eine Verordnung
Anhang II
Anhang II entfällt.

Abänderung 53
Vorschlag für eine Verordnung
Anhang II a (neu)

Geänderter Text

ANHANG IIa

MAKROFINANZHILFE FÜR BESTIMMTE LÄNDER UND GEBIETE

Empfänger der Hilfe

Gesamt-höchstbe-trag der Hilfe

Form der Hilfe

Bereit-stellungs-zeitraum

Darlehen

Zuschuss

Betrag in EUR

Maximale durch-schnittliche Laufzeit

Maximale Anzahl der Tranchen

Betrag in EUR

Maximale Anzahl der Tranchen

(1) Der Gegenstand wurde gemäß Artikel 57 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Geschäftsordnung an den federführenden Ausschuss zurücküberwiesen (A7-0157/2012).


Die Lage in der Ukraine und der Fall Julia Timoschenko
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zur Lage in der Ukraine und zum Fall Julia Timoschenko (2012/2658(RSP))
P7_TA(2012)0221RC-B7-0235/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Ukraine und insbesondere auf seine Entschließungen vom 9. Juni 2011(1), 27. Oktober 2011(2) und 1. Dezember 2011(3),

–  unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung Euronest vom 3. April 2012 zur Situation von Julija Tymoschenko,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Vertreterin, Catherine Ashton, vom 26. April 2012 zur Situation von Julija Tymoschenko,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Androulla Vassiliou, für Sport zuständiges Mitglied der Kommission, vom 4. Mai 2012 zur Fußball-Europameisterschaft 2012,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des polnischen Staatspräsidenten Bronisław Komorowski vom 9. Mai 2012, in der er sich für die Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2012 aussprach,

–  in Kenntnis des am 15. Mai 2012 veröffentlichten Fortschrittsberichts über die Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik in der Ukraine(4),

–  unter Hinweis auf die Ergebnisse der Tagung des Kooperationsrates EU-Ukraine vom 15. Mai 2012,

–  unter Hinweis auf die am 7. Mai 2009 auf dem Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft in Prag abgegebene gemeinsame Erklärung,

–  unter Hinweis auf den Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und der Ukraine über das Assoziierungsabkommen, einschließlich der Verhandlungen über eine tiefgreifende und umfassende Freihandelszone und der Paraphierung dieses Abkommens,

–  unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das am 1. März 1998(5) in Kraft getreten ist, und die laufenden Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen, das das PKA ablösen soll,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Ukraine ein für die EU strategisch bedeutsames Land ist; in der Erwägung, dass die Ukraine angesichts ihrer Größe, ihrer Ressourcen, ihrer Bevölkerung und ihrer geografischen Lage eine herausragende Stellung in Europa einnimmt und ein maßgeblicher regionaler Akteur ist, der erheblichen Einfluss auf Sicherheit, Stabilität und Wohlstand des gesamten Kontinents ausübt und daher seinen Teil der politischen Verantwortung tragen sollte;

B.  in der Erwägung, dass die Lage der Menschenrechte sowie die Achtung der bürgerlichen Freiheiten, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine, wozu auch faire, unparteiische und unabhängige rechtliche Verfahren zählen, und die Konzentration auf innerstaatliche Reformen die Voraussetzungen für den weiteren Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine darstellen;

C.  in der Erwägung, dass die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens EU-Ukraine, das auch eine tiefgreifende und umfassende Freihandelszone umfasst, für die europäischen Perspektiven der Ukraine wichtig sein wird; in der Erwägung, dass sich die Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU schrittweise vertiefen werden, je mehr die Ukraine gemeinsame Werte mit der EU teilt und je mehr Reformen sie im Geiste dieses Abkommens durchführt; in der Erwägung, dass es auch von großer Bedeutung für die EU ist, dass sich jenseits ihrer Ostgrenze – ein beträchtlicher Teil davon ist die Grenze mit der Ukraine – ein Raum der Rechtsstaatlichkeit und des Wohlstands erstreckt;

D.  in der Erwägung, dass in der Ukraine bislang weder eine Reform von Teilbereichen der Justiz noch Maßnahmen zur Durchsetzung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit in strafrechtlichen Ermittlungen und bei der Strafverfolgung umgesetzt wurden, wozu auch der Grundsatz fairer, unparteiischer und unabhängiger Gerichtsverfahren zählt; in der Erwägung, dass diese Reformen in enger Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission ausgearbeitet werden müssen; in der Erwägung, dass das Urteil zum Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache Julija Tymoschenko gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts Petschersk in Kiew für den 26. Juni 2012 erwartet wird;

E.  in der Erwägung, dass die Verurteilung der ehemaligen Ministerpräsidentin der Ukraine, Julija Tymoschenko, am 11. Oktober 2011 zu sieben Jahren Haft und die Prozesse gegen andere hohe Bedienstete der ehemaligen Regierung nicht hinnehmbar sind und einen Akt selektiver Justiz darstellen; in der Erwägung, dass schwerwiegende Mängel in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und ein Mangel an Reformen hinsichtlich aller Aspekte des rechtlichen Verfahrens – Strafverfolgung, Gerichtsverfahren, Urteil, Haft und Rechtsmittel – festzustellen sind;

F.  in der Erwägung, dass die EU nach wie vor betont, dass die Rechtsstaatlichkeit geachtet werden muss, was auch faire, unparteiische und unabhängige Gerichtsverfahren einschließt, und dass der Eindruck vermieden werden muss, dass Maßnahmen der Justiz selektiv eingesetzt werden; in der Erwägung, dass die EU diese Grundsätze in einem Land, das engere vertragliche Beziehungen auf der Grundlage einer politischen Assoziierung anstrebt, als besonders wichtig erachtet;

G.  in der Erwägung, dass Korruption und Amtsmissbrauch in der Ukraine nach wie vor weit verbreitet sind und eine unmissverständliche Reaktion der Staatsorgane erfordern, indem die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, in der Erwägung, dass die Strafverfolgung und Ermittlungen unparteiisch und unabhängig sein müssen und nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden dürfen;

H.  in der Erwägung, dass der dänische Helsinki-Ausschuss für Menschenrechte, der das Gerichtsverfahren in der Rechtssache Julija Tymoschenko beobachtet hat, in seinem vorläufigen Bericht grundlegende Mängel in der ukrainischen Strafjustiz ausgewiesen hat, die den Schutz der individuellen Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit beeinträchtigen;

I.  in der Erwägung, dass sich die europäische Perspektive der Ukraine auf eine Politik der systematischen und unumkehrbaren Reformen in einigen wichtigen institutionellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichen stützen muss; in der Erwägung, dass wichtige Reformen bereits durchgeführt wurden oder werden, wohingegen andere noch eingeleitet werden müssen; in der Erwägung, dass der durch das Assoziierungsabkommen geschaffene Rahmen der Ukraine ein entscheidendes Instrument für die Modernisierung, einen Fahrplan für die Durchführung innenpolitischer Reformen und ein Instrument für die nationale Aussöhnung bietet, wodurch das Land dabei unterstützt wird, die aktuellen negativen Tendenzen zu überwinden, die Verwerfungen in der ukrainischen Gesellschaft zu überbrücken und die Ukraine im Hinblick auf ihre Bemühungen um eine europäische Perspektive auf der Grundlage der Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der verantwortungsvollen Staatsführung zu einen;

J.  in der Erwägung, dass die Ukraine und Polen im Juni die Fußball-Europameisterschaft 2012 gemeinsam ausrichten werden; in der Erwägung, dass hochrangige europäische Politiker bereits mitgeteilt haben, dass sie den Spielen in der Ukraine nicht beiwohnen werden, jedoch nicht zu einem Boykott der Spiele im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft aufgerufen haben;

1.  betont, dass eines seiner wichtigsten außenpolitischen Ziele in der Verbesserung und im Ausbau der Beziehungen zur Ukraine und der Stärkung der Europäischen Nachbarschaftspolitik besteht, die darauf ausgerichtet ist, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der betreffenden Länder mit der EU und ihren Mitgliedstaaten zu fördern; hebt hervor, dass die Verbesserung der Menschenrechtslage – einschließlich der Entkriminalisierung politischer Entscheidungen in einem reformierten Strafgesetzbuch – und der Rechtsstaatlichkeit sowie eine Vertiefung der Demokratie durch das Ende der Unterdrückung der politischen Opposition und freie, faire und transparente Wahlen Voraussetzungen für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Assoziierungsabkommens und seine wirksame Umsetzung sind;

2.  betont, dass die aktuellen Probleme in den Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union nur gelöst werden können, wenn die Staatsorgane der Ukraine ihre klare Bereitschaft deutlich machen, die erforderlichen Reformen, insbesondere im Rechts- und Justizsystem, mit dem Ziel durchzuführen und umzusetzen, die Grundsätze der Demokratie uneingeschränkt einzuhalten und die Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Minderheitenrechte und die Rechtsstaatlichkeit zu achten; fordert, dass die Organe der Europäischen Union, der Europarat und seine Venedig-Kommission diesen Reformprozess aktiv und wirksam unterstützen;

3.  erklärt sich erneut besorgt über die Gerichtsverfahren gegen ehemalige und derzeitige hochrangige Regierungsvertreter, die nicht im Einklang mit den europäischen Normen in Bezug auf Fairness, Unparteilichkeit, Transparenz und Unabhängigkeit durchgeführt wurden; fordert die bedingungslose und unverzügliche Freilassung aller aus politischen Gründen verurteilten Häftlinge, einschließlich der Oppositionsführer;

4.  missbilligt das Urteil gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko; betont, dass die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und eine unabhängige Justiz sowie der Beginn einer glaubwürdigen Bekämpfung der Korruption nicht nur für die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine, sondern auch für die Festigung der Demokratie in der Ukraine ausschlaggebend sind;

5.  fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, zwischen politischer und strafrechtlicher Verantwortung zu unterscheiden und das geltende Strafrecht dementsprechend zu ändern; betont, dass der demokratische Wettstreit um politische Entscheidungen im Parlament und durch die Beteiligung der Wähler an freien Wahlen stattfinden muss und nicht durch persönlich oder politisch motivierte Akte strafrechtlicher Verfolgung und manipulierte Urteile in Strafgerichten ausgehöhlt werden darf;

6.  fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, die Situation der aus politischen Gründen verurteilten Häftlinge vor dem Beginn des Wahlkampfs zu klären;

7.  fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, im Einklang mit den in Europa üblichen fairen und gerechten Rechtsnormen und der in Europa üblichen fairen und gerechten Rechtspraxis die Unparteilichkeit und Transparenz des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache Julija Tymoschenko zu gewährleisten, und fordert ein Ende der selektiven Rechtsprechung gegen politische und sonstige Gegner; bedauert, dass der für Straf- und Zivilsachen zuständige Oberste Gerichtshof der Ukraine sein Urteil zu dem Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache Julija Tymoschenko gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts Petschersk in Kiew verschoben hat; nimmt zur Kenntnis, dass die Anhörung im Rechtsmittelverfahren zu der Rechtssache Julija Tymoschenko auf den 26. Juni 2012 vertagt wurde, hält diese Verzögerung für bedauerlich und warnt vor einer Verschleppung des ordentlichen Gerichtsverfahrens;

8.  fordert die ukrainischen Staatsorgane eindringlich auf, die Rechte aller aus politischen Gründen verurteilten Häftlinge – auch von Julija Tymoschenko, Jurij Luzenko und Walerij Iwaschtschenko – auf eine angemessene medizinische Versorgung in einer geeigneten Einrichtung, das Recht auf unbeschränkten Zugang zu ihren Rechtsanwälten und das Recht, von ihren Angehörigen und anderen Personen wie dem Botschafter der EU besucht zu werden, in vollem Umfang zu achten; betont, dass die Ukraine die gesetzlich verankerten Rechte und die Menschenrechte von Beschuldigten und Häftlingen, einschließlich ihres Rechts auf medizinische Versorgung, im Einklang mit internationalen Normen in vollem Umfang achten muss; verurteilt die vom Gefängnispersonal gegenüber Julija Tymoschenko ausgeübte Gewalt und weist erneut auf die Verpflichtung der Ukraine hin, jede Beschwerde betreffend Folter oder andere Formen der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unverzüglich und unparteiisch zu prüfen;

9.  fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, ein unabhängiges und unparteiisches internationales Gremium für Rechtsfragen einzusetzen, das über die mutmaßlichen Verletzungen der Grundrechte und -freiheiten in den Fällen von Julija Tymoschenko und anderer Mitglieder ihrer Regierung berichtet; nimmt das Ergebnis des Treffens des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, mit dem Ministerpräsidenten der Ukraine, Mykola Asarow, mit Zufriedenheit zur Kenntnis und erwartet von den Staatsorganen der Ukraine eine Reaktion auf den angenommenen Vorschlag, indem sie Leitlinien für seine unverzügliche Umsetzung erlassen, damit in Zusammenarbeit mit dem Ärzteteam der Charité und zu dessen Unterstützung eine ordnungsgemäße medizinische Behandlung von Julija Tymoschenko gewährleistet sowie die justizielle Kontrolle durch eine maßgebliche und kompetente Persönlichkeit der EU in den Rechtsmittelverfahren und künftigen Gerichtsverfahren gegen die ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine sichergestellt wird;

10.  begrüßt, dass Julija Tymoschenko auf eigenen Wunsch aus der Justizvollzugsanstalt Katschaniwska in ein Krankenhaus verlegt wurde, und nimmt zur Kenntnis, dass sie vor kurzem von internationalen medizinischen Sachverständigen besucht wurde;

11.  betont mit Nachdruck, dass alle Gerichtsverfahren gegen ehemalige und jetzige hochrangige Regierungsvertreter im Einklang mit europäischen Normen in Bezug auf Fairness, Unparteilichkeit, Transparenz und Unabhängigkeit durchgeführt werden müssen; verurteilt die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit stehende Einleitung neuer politisch motivierter Verfahren gegen Julija Tymoschenko und andere Personen durch die Staatsorgane der Ukraine;

12.  erklärt sich bestürzt über den Zustand der demokratischen Freiheiten und die Praxis der Instrumentalisierung der staatlichen Institutionen für parteipolitische Zwecke und politische Racheakte;

13.  betont die überragende Bedeutung einer freien, fairen und transparenten Parlamentswahl Ende des Jahres in der Ukraine, wozu auch das Recht der führenden Persönlichkeiten der Opposition auf Teilnahme gehört, und erachtet ein nachdrückliches Bekenntnis zu demokratischen Werten und zur Rechtsstaatlichkeit auch zwischen den Wahlgängen als notwendig; fordert das Europäische Parlament auf, eigenständig an einer internationalen Wahlbeobachtungsmission im Zusammenhang mit der anstehenden Parlamentswahl teilzunehmen;

14.  weist die Staatsorgane der Ukraine nochmals darauf hin, dass umfassende Reformen umgesetzt werden müssen, um der Ukraine den Weg für eine Angleichung an europäische Normen und Standards zu bahnen; betont, dass die Annäherung der Ukraine an die EU sich auf das Bekenntnis zu den Werten und Freiheiten der EU stützen sollte; hebt hervor, dass eine unabhängige Justiz der Eckstein dieser Standards sein muss;

15.  betont, dass die vollständige Achtung der Rechtsvorschriften über die Menschenrechte und die Einhaltung der grundlegenden Normen der OSZE die Glaubwürdigkeit des für 2013 vorgesehenen Vorsitzes der Ukraine in der OSZE stärken würde;

16.  wünscht einen erfolgreichen Verlauf der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine, fordert allerdings die europäischen Politiker, die den Spielen in der Ukraine beiwohnen möchten, gleichzeitig auf, ihr Wissen um die dortige politische Lage öffentlich klar kundzutun und nach Möglichkeiten zu suchen, politische Häftlinge im Gefängnis zu besuchen oder die Spiele als Privatpersonen und nicht als VIP zu verfolgen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem EAD, dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, dem Staatspräsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und der OSZE zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0272.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0472.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0545.
(4) SWD(2012)0124.
(5) ABl. L 49 vom 19.2.1998, S. 1.


Bekämpfung von Homophobie in Europa
PDF 138kWORD 50k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zur Bekämpfung von Homophobie in Europa (2012/2657 (RSP))
P7_TA(2012)0222RC-B7-0234/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,

–  unter Hinweis auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 5, die Artikel 6, 7, 21 und 27 des Vertrags über die Europäische Union, die Artikel 10 und 19 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie auf die Charta für Grundrechte der EU;

–  unter Hinweis auf den Maßnahmenkatalog der Arbeitsgruppe „Menschenrechte“ des Rates der Europäischen Union, mit dem die Achtung aller Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen gefördert und geschützt werden soll,

–  in Kenntnis der Resolution 1728 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 29. April 2010 über Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität sowie der Empfehlung des Ministerrates CM/Rec(2010)5 vom 31. März 2010 zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union über „Homophobie, Transphobie und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität“ vom November 2010,

–  unter Hinweis auf seine frühere Entschließung vom 18. April 2012 zur Lage der Menschenrechte in der Welt und zur Politik der EU zu diesem Thema, einschließlich der Auswirkungen auf die strategische Menschenrechtspolitik der EU(1),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Dezember 2011 zu dem bevorstehenden Gipfeltreffen EU-Russland(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. September 2011 zu Menschenrechten, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität im Rahmen der Vereinten Nationen(3),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2011 zur Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in Litauen,(4)

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2009 zu dem litauischen Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen(5),

–  unter Hinweis auf seine bisherigen Entschließungen zu Homophobie, insbesondere die Entschließungen vom 26. April 2007 zu Homophobie in Europa(6), vom 15. Juni 2006 zur Zunahme von rassistischer Gewalt und von Gewalt gegen Homosexuelle in Europa(7) und vom 18. Januar 2006 zu Homophobie in Europa(8),

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass sich die Europäische Union auf die Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte gründet, einschließlich der Rechte von Menschen, die Minderheiten angehören, und dass sie in ihren Beziehungen zur Außenwelt an diesen Werten festhalten und sie fördern muss;

B.  in der Erwägung, dass Homophobie eine auf Vorurteilen basierende irrationale Furcht vor und Abneigung gegen weibliche und männliche Homosexualität und Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen ist, ähnlich wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Sexismus, und in der Erwägung, dass sie im persönlichen und öffentlichen Leben in unterschiedlichen Formen Ausdruck findet, beispielsweise durch das Schüren von Hass und die Aufstachelung zu Diskriminierung, das Lächerlichmachen, verbale, psychische und physische Gewalt sowie Verfolgung und Mord, Diskriminierung unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, ungerechtfertigte und nicht vertretbare Einschränkungen von Rechten, die oft mit Belangen der öffentlichen Ordnung begründet werden, sowie Einschränkungen der religiösen Freiheit und des Rechts auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen;

C.  in der Erwägung, dass in Russland in den Gebieten Riasan im Jahr 2006, Archangelsk im Jahr 2011 sowie Kostroma und St. Petersburg im Jahr 2012 Straf- und Verwaltungsrechtsvorschriften gegen die „Propaganda für Homosexualität“ erlassen wurden und die Gebiete Nowosibirsk, Samara, Kirow, Krasnojarsk und Kaliningrad derzeit solche Rechtsvorschriften prüfen; in der Erwägung, dass diese Rechtsvorschriften verschiedene Strafen in Höhe von bis zu 1 270 EUR für Einzelpersonen und 12 700 EUR für Vereinigungen und Unternehmen vorsehen, und in der Erwägung, dass die Staatsduma ein ähnliches Gesetz prüft;

D.  in der Erwägung, dass das Parlament in der Ukraine zwei 2011 bzw. 2012 vorgelegte Gesetzesentwürfe prüft, die die „Verbreitung von Homosexualität“, einschließlich der „Organisation von Treffen, Paraden, Aktionen, Demonstrationen und Massenveranstaltungen, die auf die beabsichtigte Verbreitung jeglicher positiver Informationen über Homosexualität abzielen“, unter Strafe stellen würden und Geldstrafen sowie Haftstrafen von bis zu fünf Jahren vorsehen, sowie in der Erwägung, dass der Ausschuss für Meinungs- und Informationsfreiheit des ukrainischen Parlaments diese Gesetzesentwürfe billigt;

E.  in der Erwägung, dass in der Republik Moldau die Städte Bălți, Sorochi, Drochia, Cahul, Ceadîr Lunga und Hiliuţi und die Rajons Anenii Noi und Basarabeasca vor kurzem Gesetze angenommen haben, die ein Verbot der „aggressiven Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Ausrichtungen“ und in einem Fall von „religiösen Handlungen von Moslems“ vorsehen, sowie in der Erwägung, dass diese Maßnahmen bereits von der Staatskanzlei in Chetriş für verfassungswidrig erklärt wurden;

F.  in der Erwägung, dass es in Litauen immer noch rechtlich unklar ist, ob öffentliche Informationen die Akzeptanz von Homosexualität nach dem 2010 geänderten Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen fördern dürfen oder nicht;

G.  in der Erwägung, dass in Lettland ein Mitglied des Stadtrates von Riga vor kurzem einen Gesetzesentwurf eingebracht hat, in dem das Verbot der „Propaganda für Homosexualität“ vorgesehen ist, um die Abhaltung der Baltic-Pride-Parade im März 2012 zu verhindern, und in der Erwägung, dass dieser Vorschlag noch nicht geprüft wurde;

H.  in der Erwägung, dass in Ungarn die rechtsextreme Partei Jobbik vor kurzem mehrere Gesetzesentwürfe eingebracht hat, in denen der neue Straftatbestand der „Verbreitung von gestörtem Sexualverhalten“ vorgesehen ist, und die Fidesz-Partei im Stadtrat von Budapest kurz vor der Gay Pride-Parade in Budapest den Entwurf einer Kommunalverordnung vorgelegt hat, mit der „obszöne Paraden eingeschränkt werden“ sollen, sowie in der Erwägung, dass diese Vorschläge in der Folge wieder zurückgezogen wurden;

I.  in der Erwägung, dass die EU-Delegation in der Republik Moldau ihr „tiefes Bedauern“ und ihre „große Besorgnis“ über „diese Anzeichen von Intoleranz und Diskriminierung“ bekundet hat;

J.  unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission, in der sie sich verpflichtet hat, sich für die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der EU einzusetzen, und geäußert hat, dass Homophobie keinen Platz in Europa habe;

K.  in der Erwägung, dass Homophobie in den Mitgliedstaaten und in Drittländern nach wie vor in Erscheinung tritt , sei es durch Morde, Verbote von Paraden zu den Themen „Gay Pride“ und Gleichstellung, öffentliche Hetz-, Droh- und Hassreden oder durch das Versagen der Polizei bei der Gewährung angemessenen Schutzes und durch genehmigte gewalttätige Demonstrationen homophober Gruppen;

L.  in der Erwägung, dass sich das Europäische Parlament weiterhin für Gleichheit und Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität in der EU engagiert, insbesondere für die Annahme der Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, die wegen der Einwände einiger Mitgliedstaaten blockiert ist, für die bevorstehenden Vorschläge für die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit von Personenstandsurkunden, für die bevorstehende Überarbeitung des Rahmenbeschlusses zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zur Einbeziehung von homophoben und transphoben Straftaten und für einen umfassenden Fahrplan für Gleichheit aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität;

Lage in der Europäischen Union

1.  verurteilt scharf jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität und bedauert zutiefst, dass in der Europäischen Union die Grundrechte von LGBT-Personen noch nicht immer umfassend gewahrt werden; fordert deshalb die Mitgliedstaaten auf zu gewährleisten, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen vor homophoben Hassreden und Gewalt geschützt werden und ihnen derselbe Respekt, dieselbe Achtung und derselbe Schutz zuteil wird wie der übrigen Gesellschaft; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, homophobe Hassreden oder Aufstachelung zu Hass und Gewalt scharf zu verurteilen und zu gewährleisten, dass die – von allen Menschenrechtsverträgen garantierte – Demonstrationsfreiheit in der Praxis geachtet wird;

2.  fordert die Kommission auf, den Rahmenbeschluss zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu überarbeiten, um seinen Geltungsbereich so zu stärken und auszuweiten, dass er auch Verbrechen umfasst, die durch den Hass aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität und des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit motiviert sind;

3.  fordert die Kommission auf sicherzustellen, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in allen Bereichen durch die Vervollständigung des auf Artikel 19 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beruhenden Pakets von Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung verboten wird;

4.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Richtlinie 2004/38/EG über die Freizügigkeit ohne jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung umgesetzt wird, und fordert die Kommission auf, Maßnahmen zur gegenseitigen Anerkennung der Gültigkeit von Personenstandsurkunden auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung vorzuschlagen;

5.  weist auf die Erkenntnisse der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union hin, die in ihrem Bericht „Homophobie, Transphobie und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität“ dargelegt werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die in diesem Bericht enthaltenen Auffassungen möglichst umfassend umzusetzen;

6.  fordert die Kommission auf, die künftigen Ergebnisse der LGBT-Umfrage der Agentur für Grundrechte sorgfältig zu prüfen und angemessene Maßnahmen zu ergreifen;

7.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass der Jahresbericht über die Durchsetzung der Grundrechtecharta eine Strategie für die Stärkung des Schutzes von Grundrechten in der EU enthält, einschließlich vollständiger und umfassender Informationen über Zwischenfälle von Homophobie in den Mitgliedstaaten und der Lösungen und Maßnahmen, die zu ihrer Überwindung vorgeschlagen werden;

8.  wiederholt seine Forderung an die Kommission, einen umfassenden Fahrplan für Gleichheit ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität vorzulegen;

9.  ist der Ansicht, dass die Grundrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen besser gewahrt werden dürften, wenn diese Menschen Zugang zu Rechtsinstitutionen wie Lebensgemeinschaft, eingetragene Partnerschaft oder Ehe haben; begrüßt die Tatsache, dass 16 Mitgliedstaaten diese Möglichkeiten derzeit anbieten, und fordert die übrigen Mitgliedstaaten auf, dies ebenfalls in Erwägung zu ziehen;

Homophobe Gesetze und Recht auf freie Meinungsäußerung in Europa

10.  ist zutiefst besorgt über Entwicklungen, die auf der Grundlage irriger Annahmen in Bezug auf Homosexualität und Transgenderismus die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken; ist der Auffassung, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung und dem Schutz der Grundrechte in Europa mit gutem Beispiel vorangehen sollten;

11.  bedauert, dass solche Gesetze bereits dazu genutzt werden, Bürger zu verhaften und ihnen Geldstrafen aufzuerlegen, auch heterosexuellen Bürgern, die Unterstützung, Toleranz und Akzeptanz für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen äußern; bedauert ebenso, dass diese Gesetze Homophobie und zuweilen Gewalt legitimieren, wie das bei dem Gewaltanschlag auf einen Bus mit LGBT-Aktivisten am 17. Mai 2012 in Sankt Petersburg der Fall war;

12.  verurteilt die Gewalt und die Drohungen im Umfeld der Gay-Pride-Parade vom 20. Mai 2012 in Kiew, bei der zwei Organisatoren der Gay-Pride-Parade zusammengeschlagen wurden, was dazu führte, dass die Parade abgesagt wurde; erinnert daran, dass EU-Abkommen an die Achtung der Grundrechte, wie sie in den Verträgen verankert sind, geknüpft sind, und fordert deshalb die Ukraine auf, Rechtsvorschriften einzuführen, durch die Diskriminierung, auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, verboten wird; ist der Meinung, dass die derzeitigen Entwicklungen in der Ukraine mit dieser Anforderung nicht vereinbar sind; fordert die ukrainischen Behörden auf, unverzüglich den entsprechenden Gesetzesentwurf zurückzuziehen, Rechtsvorschriften zum Verbot von Diskriminierung, einschließlich Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, vorzuschlagen, und sich dazu zu verpflichten, eine sichere Pride-Parade in Kiew im nächsten Jahr zu ermöglichen;

13.  weist darauf hin, dass der Begriff „Propaganda“ selten definiert wird; ist besorgt über die Tatsache, dass sich Medien demonstrativ einer Selbstzensur unterworfen haben, Bürger eingeschüchtert werden und Angst haben, ihre Meinung zu äußern, und dass Unternehmen, die schwulen- und lesbenfreundliche Insignien benutzen, wie etwa Regenbogen, verfolgt werden können;

14.  betont, dass diese Gesetze und Entwürfe mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unvereinbar sind, der diskriminierende Gesetze und Praktiken(9), die sich auf die sexuelle Ausrichtung gründen, verbietet und dem Russland, die Ukraine, die Republik Moldau und alle EU-Mitgliedstaaten beigetreten sind; fordert den Europarat auf, diese Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, zu überprüfen, ob sie mit den Verpflichtungen vereinbar sind, die sich aus der Mitgliedschaft im Europarat und der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben, und angemessene Maßnahmen zu ergreifen;

15.  betont ferner, dass Erziehung und Bildung entscheidende Faktoren sind, und weist deshalb darauf hin, dass eine sorgfältige, zugängliche und auf gegenseitiger Achtung beruhende Sexualerziehung erforderlich ist; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission nachdrücklich auf, die Bekämpfung von Homophobie durch Bildungsmaßnahmen sowie durch administrative, juristische und legislative Maßnahmen zu verstärken;

16.  betont schließlich, dass nationale und internationale Gerichte immer wieder bestätigen, dass Gründe der öffentlichen Moral eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigten, was auch für das Recht auf freie Meinungsäußerung gelte; weist auf die überwiegende Mehrheit der Länder in Europa hin, in denen es solche Gesetze nicht gibt und in denen das gesellschaftliche Leben blüht und vielfältig und durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnet ist;

17.  fordert die zuständigen Behörden in Russland, der Ukraine, der Republik Moldau und aller EU-Mitgliedstaaten auf, die Achtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung unter Beweis zu stellen und zu gewährleisten und diese Gesetze und Entwürfe im Lichte internationaler Menschenrechtsnormen und der sich daraus ergebenden Pflichten erneut zu überprüfen;

18.  fordert die Kommission, den Rat und den Auswärtigen Dienst auf, diese Verbote zur Kenntnis zu nehmen und sie zu verurteilen, insbesondere im Zusammenhang mit den Bereichen Innere Angelegenheiten, bilateraler Dialog und Europäische Nachbarschaftspolitik; fordert darüber hinaus den Rat der Europäischen Union und den Auswärtigen Dienst auf, dieses Thema in den entsprechenden internationalen Foren zur Sprache zu bringen, wie etwa dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und den Vereinten Nationen;

o
o   o

19.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat der Europäischen Union, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den nationalen Regierungen und Parlamenten Russlands und der Ukraine, den hier genannten regionalen Parlamenten Russlands und den hier genannten örtlichen Räten der Republik Moldau zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0126.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0575.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0427.
(4) ABl. C 136 E vom 11.5.2012, S. 50.
(5) ABl. C 224 E vom 19.8.2010, S. 18.
(6) ABl. C 74 E vom 20.3.2008, S. 776.
(7) ABl. C 300 E vom 9.12.2006, S. 491.
(8) ABl. C 287 E vom 24.11.2006, S. 179.
(9) Toonen v. Australia, Communication No. 488/1992, UN Doc. CCPR/C/50/D/488/1992 (1994); Young v. Australia, Communication No. 941/2000, UN Doc. CCPR/C/78/D/941/2000 (2003); X v. Columbia, Communication No. 1361/2005, UN Doc. CCPR/C/89/D/1361/2005 (2007)


Ressourcenschonendes Europa
PDF 256kWORD 81k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zum Thema „Ressourcenschonendes Europa“ (2011/2068(INI))
P7_TA(2012)0223A7-0161/2012

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ (COM(2011)0571),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Ressourcenschonendes Europa – eine Leitinitiative innerhalb der Strategie Europa 2020“ (COM(2011)0021),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (COM(2010)2020),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Konkretere Vorteile aus den Umweltmaßnahmen der EU: Schaffung von Vertrauen durch mehr Information und größere Reaktionsbereitschaft der Behörden“ (COM(2012)0095),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. September 2011 zu einer erfolgreichen Rohstoffstrategie für Europa(1),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen, die der Rat „Umwelt“ am 19. Dezember 2011 zu dem Fahrplan der Kommission für ein ressourcenschonendes Europa (18786/11) angenommen hat, auf die Schlussfolgerungen, die der Rat „Wettbewerb“ am 29. September 2011 zu einer wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft angenommen hat, und auf die Schlussfolgerungen, die der Rat „Umwelt“ am 20. Dezember 2010 zu dem Thema „Nachhaltige Materialwirtschaft und Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch: ein maßgeblicher Beitrag für ein ressourcenschonendes Europa“ angenommen hat,

–  unter Hinweis auf den Bericht der EUA mit dem Titel „The European Environment – State and Outlook 2010“ („Die Umwelt in Europa – Zustand und Ausblick“, SOER 2010),

–  unter Hinweis auf die bevorstehende Konferenz der Vereinten Nationen zu dem Thema „Nachhaltige Entwicklung“, die vom 20. bis 22. Juni 2012 in Brasilien stattfinden wird,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Rohstoffe für das zukünftige Wohlergehen Europas nutzbar machen – Vorschlag für eine Europäische Innovationspartnerschaft für Rohstoffe“ (COM(2012)0082),

–  unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2012 zu dem Thema „Schluss mit der Verschwendung von Lebensmitteln – Strategien für eine effizientere Lebensmittelversorgungskette in der EU“(2),

–  gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für internationalen Handel, des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, des Ausschusses für regionale Entwicklung, und des Fischereiausschusses (A7-0161/2012),

A.  in der Erwägung, dass die aktuelle Wirtschafts- Finanz- und Umweltkrise zeigt, dass Europa dringend neue Quellen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum braucht;

B.  in der Erwägung, dass Menschen mit niedrigen Einkommen und die am stärksten benachteiligten Gebiete besonders hart von den Folgen der Ressourcenknappheit, beispielsweise gestiegenen Preisen, betroffen sind und dass deshalb sozial- und umweltpolitische Synergien notwendiger denn je sind;

C.  in der Erwägung, dass die steigende Nachfrage nach und der Raubbau an den natürlichen Ressourcen und die damit verbundenen Landnutzungsänderungen zu einer Schädigung der Umwelt, einer Beschleunigung des Klimawandels und zur Zerstörung des begrenzten Naturkapitals der Erde, beispielsweise zu einem Verlust an biologischer Vielfalt, führen;

D.  in der Erwägung, dass die Ressourcenknappheit infolge der intensiven Nutzung der Ressourcen, die Preisspekulation auf den Grund- und Rohstoffmärkten und der dramatisch gestiegene weltweite Verbrauch die Rohstoffpreise nach oben treiben und konkret einen Preisanstieg um 147 % seit der Jahrhundertwende bewirkt haben; in der Erwägung, dass die EU wahrscheinlich vor erheblichen Herausforderungen stehen wird, um sich den Zugang zu und die ununterbrochene Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu sichern; in der Erwägung, dass der effiziente Einsatz von Rohstoffen von Wirtschaft und Politik als Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderungen anerkannt wird;

E.  in der Erwägung, dass die Umstellung auf eine ressourcenschonende Wirtschaftsweise, bei der die begrenzte Kapazität der Erde sowie der Anstieg der Weltbevölkerung und die Anzahl derjenigen, die in künftigen Industrienationen leben, beachtet wird, bewirkt, dass die Wettbewerbsfähigkeit steigt, im Zuge von Kosteneinsparungen dank Effizienzgewinnen neue Möglichkeiten für Wachstum und Beschäftigung entstehen, Innovationen auf den Markt gebracht werden und die Ressourcen während ihres gesamten Lebenszyklus besser bewirtschaftet werden;

F.  in der Erwägung, dass Recycling mehr ist das Sammeln von recyclingfähigem Abfall und deshalb unbedingt alle Schritte entlang der Wertschöpfungskette in zukünftige Maßnahmen einbezogen werden sollten;

G.  in der Erwägung, dass in einer zukünftigen ganzheitlichen Ressourcenpolitik nicht mehr nur zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen unterschieden werden sollte, sondern auch dauerhafte Werkstoffe einbezogen werden sollten;

H.  in der Erwägung, dass die schonende Nutzung von Ressourcen sowie Produktion und Verbrauch nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit laut Eurobarometer März 2011 zentrale Anliegen der EU-Bürger sind; in der Erwägung, dass sich jedenfalls keine Fortschritte bei der Verwirklichung der Nachhaltigkeit erzielen lassen, wenn die EU-Bürger nicht direkt eingebunden werden und sich dabei die Mentalität und die Gewohnheiten der Gesellschaft in Bezug auf die Nutzung der Ressourcen nicht wandeln;

I.  in der Erwägung, dass die Sicherung des Zugangs zu und die ununterbrochene Versorgung mit Rohstoffen eine immer größere Herausforderung ist, weil Ressourcenverbrauch und Wasser- und Landnutzung zunehmen;

J.  in der Erwägung, dass eine wettbewerbsfähige Wirtschaft neue Investitionen in effizientere Technologien ermöglicht;

Vorrangige Maßnahmen
1. fordert die Kommission auf, für die drei wichtigsten Bereiche – Nahrungsmittel, Wohnen und Mobilität – gemeinsame Arbeitsgruppen einzurichten, die so rasch wie möglich europäische Aktionspläne für die schonende Nutzung von Ressourcen mit klaren Maßnahmen für die Verringerung der Ressourcenverbrauchs ausarbeiten sollten; ist der Ansicht, dass diese Arbeitsgruppen die Tätigkeit der EU-Plattform für den Übergang zur Ressourceneffizienz ergänzen sollten und dass ihnen Sachverständige der Kommission und der Mitgliedstaaten sowie aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft und weitere wichtige Interessenträger angehören sollten, deren Aufgabe es ist, Partnerschaften unter den Akteuren in allen Abschnitten der Wertschöpfungskette zu fördern;

2.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Hemmnisse, die einem funktionierenden europäischen Recycling- und Wiederverwendungsmarkt entgegenstehen, abzubauen und diesen Markt durch die Anregung der Nachfrage nach und durch die Erhöhung der Verfügbarkeit von rezyklierten Werkstoffen und Nebenprodukten anzukurbeln, und zwar durch bis 2013 zu treffende Maßnahmen, zu denen die rasche Weiterentwicklung strenger Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft und das Setzen wirtschaftlicher Anreize zählen, beispielsweise ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf Sekundärwerkstoffe in Bereichen, in denen ein Marktversagen vorliegt, oder die Förderung innovativer Sammlungs- und Trennungstechnologien; betont in diesem Zusammenhang, dass es dringend erforderlich ist, das gesamte geltende Abfallrecht vollständig umzusetzen und seine Durchsetzung und Überwachung zu intensivieren;

3.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Forschung und technologische Innovationen zu fördern, um die Umstellung auf eine ressourcenschonende Wirtschaftsweise zu beschleunigen; betont, dass die Leitinitiative „Innovationsunion“, die das Rahmenprogramm „Horizont 2020“, die Europäische Innovationspartnerschaft für Rohstoffe, den Aktionsplan für Öko-Innovationen und die Wissens- und Innovationszentren umfasst, eine der Triebkräfte für ein ressourcenschonendes Europa ist; fordert die Kommission auf, eine leicht zugängliche Online-Datenbank zu bewährten Verfahren im Bereich Ressourceneffizienz einzurichten;

4.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich bis 2013 auf klare, belastbare und messbare Indikatoren für die Wirtschaftstätigkeit zu einigen, mit denen im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse dem Klimawandel, der biologischen Vielfalt und der schonenden Nutzung von Ressourcen Rechnung getragen wird, beispielsweise in Form eines Korbes von vier Indikatoren für die Ressourcennutzung, d. h. den jeweiligen ökologischen Fußabdruck beim Land-, Wasser- und Werkstoffverbrauch und bei den CO2-Emissionen, und diese Indikatoren als Grundlage für legislative Initiativen und konkrete Senkungsziele heranzuziehen; hebt hervor, dass das diesbezügliche Verfahren transparent sein muss und die wichtigsten Interessenvertreter daran beteiligt sein müssen;

5.  fordert die Kommission auf, die Ausweitung des Geltungsbereichs der Ökodesign-Richtlinie auf nicht energieverbrauchsrelevante Erzeugnisse und zusätzliche Ökodesign-Anforderungen an die Gesamtressourceneffizienz und die Eigenschaften von Erzeugnissen – beispielsweise rezyklierte Inhaltsstoffe, Haltbarkeit, Recyclingfähigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit – vorzuschlagen, um deren Umweltverträglichkeit zu verbessern und die Recyclingmärkte anzukurbeln; betont, dass alle derartigen Vorschläge auf umfassenden Folgenabschätzungen beruhen und mit anderen einschlägigen Rechtsvorschriften im Einklang stehen müssen;

6.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Agenda für Ressourceneffizienz so weit wie möglich in alle anderen Politikbereiche einzubinden, auch in Maßnahmen zur wirtschaftspolitischen Steuerung insgesamt, beispielsweise die Strategie „Europa 2020“, und diese Agenda auf lokaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene umzusetzen;

Agenda für künftiges Wachstum

7.  unterstützt die Leitinitiative für ein ressourcenschonendes Europa, den Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa, die darin beschriebene Vision für 2050 und die dazugehörigen Zwischenziele; fordert die Kommission auf, rasch alle legislativen und sonstigen Initiativen vorzulegen, die zur Verwirklichung der Zwischenziele notwendig sind, und dafür zu sorgen, dass sämtliche Politikbereiche der EU einheitlich darauf ausgerichtet sind, diese Zwischenziele zu erreichen und das Fernziel der EU zu verwirklichen, bis 2050 eine CO2-emissionsarme Wirtschaft zu schaffen, indem unter anderem die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 80–95 % verringert werden; weist erneut darauf hin, dass die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch von wesentlicher Bedeutung ist, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verbessern und seine Ressourcenabhängigkeit zu verringern; vertritt die Ansicht, dass die Kommission weiterhin für einen stabilen Rechtsrahmen sorgen sollte, damit langfristige Investitionen nicht gefährdet werden;

8.  erachtet Ressourceneffizienz im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 als besonders wichtig; ist der Ansicht, dass das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ diesbezüglich eine entscheidende Rolle spielen sollte; fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Zielen des EU-Fahrplans auch nationale Fahrpläne für Ressourceneffizienz mit konkreten Maßnahmen und Zielvorgaben anzunehmen;

9.  fordert die Kommission auf, bis Ende 2012 einen neuen strategischen Rahmen für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch vorzuschlagen und dabei ein Verfahren einzuführen, mit dem ermittelt wird, welche zentralen Produkte und Dienstleistungen am stärksten zum weltweiten Verbrauch der Ressourcen (Wasser, Land, Werkstoffe und Kohlenstoffverbindungen) in wichtigen Bereichen beitragen, und in dem auf die im Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa genannten Verbrauchsindikatoren zurückgegriffen wird; vertritt die Auffassung, dass dazu Legislativvorschläge vorgelegt werden sollten, die – vorrangig bei zentralen Produkten und Dienstleistungen – den Einsatz geeigneter Instrumente vorsehen, beispielsweise Mechanismen, mit denen die schonende Nutzung von Ressourcen in den Versorgungsketten verbessert wird und mit denen im Zuge von Durchführungsmaßnahmen gegebenenfalls Mindestanforderungen festgelegt oder Bestleistungen als Maßstäbe vorgegeben werden;

10.  ist der Ansicht, dass Maßnahmen für eine schonendere Nutzung der Ressourcen nicht auf den öffentlichen Raum beschränkt bleiben dürfen, und fordert deshalb die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Unternehmen auf, ihre wirtschaftlichen Strategien auf eine drastisch verbesserte Ressourceneffizienz zu stützen und dadurch Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch voneinander zu entkoppeln; erachtet es außerdem als notwendig, den Schwerpunkt auf eine sowohl schonende als auch effektive Nutzung der Ressourcen zu legen;

11.  hält es für dringend geboten, jetzt Maßnahmen zu treffen, um Innovationen und Investitionen in neue Verfahren und Geschäftsmodelle, beispielsweise sektorbezogene Strategien in der Wirtschaft und nachhaltige Geschäftsmodelle wie Leasinggesellschaften, zu fördern und Anreize zu setzen, die der Wirtschaft Vorteile bringen; hebt hervor, dass der Privatsektor, zu dem auch KMU zählen, von zentraler Bedeutung ist, wenn es um ein umweltverträgliches Wirtschaftswachstum geht;

12.  betont, dass Europa als Gesellschaft, die dem Recycling-Gedanken verhaftet ist, seinen Abfall zu großen Teilen wiederverwerten und rezyklieren und auf möglichst effiziente Weise Sekundärrohstoffe erzeugen muss;

13.  fordert die Ausarbeitung einer KMU-freundlichen Norm für die Ressourcennutzung auf der Grundlage von Konzepten wie dem Globalen Pakt der Vereinten Nationen;

14.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Ressourceneffizienzziele vollständig in das europäische Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu integrieren; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, im Europäischen Rat zu bekräftigen, dass dies notwendig ist; fordert die Kommission auf, weitere Details dazu vorzulegen, wie die Fortschritte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf mehr Ressourceneffizienz im Rahmen des Europäischen Semesters konkret bewertet werden;

15.  betont, dass sich für diejenigen, die bei der Ressourceneffizienz führend sind, auf Wachstumsmärkten Vorteile ergeben können, und stellt dazu fest, dass die EU etwa ein Drittel des Weltmarkts für Umwelttechnologien beherrscht;

Umgestaltung der Wirtschaft

16.  hält es für dringend erforderlich, den Ressourcenverbrauch zu verringern, um sich bereits abzeichnende Probleme wie Ressourcenknappheit und steigende Ressourcenpreise abzuwenden;

17.  stellt fest, dass der Übergang zu einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise nur gelingen kann, wenn die Marktpreise den Grad der Ressourcenknappheit und alle Produktionskosten vollständig abbilden; hebt hervor, dass auf den Märkten Anreize für die schonende Nutzung von Ressourcen gesetzt werden, wenn in den Preisen die tatsächlichen Kosten der verbrauchten Ressourcen abgebildet werden; fordert die Einbeziehung der gesamten Lebenszyklusanalyse in die Rechnungslegung und die Internalisierung der externen Umweltkosten nach dem Verursacherprinzip;

18.  unterstützt die Zusage der Kommission in dem Fahrplan, marktgestützte Instrumente für die Einbeziehung negativer externer Effekte in die Marktpreise auszuarbeiten, sodass in den Marktpreisen die tatsächlichen Kosten des Ressourcenverbrauchs und dessen Umweltfolgen abgebildet werden;

19.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Anreize auszuarbeiten, mit denen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen darin bestärkt werden, ihren jeweiligen ökologischen Fußabdruck beim Land-, Wasser- und Werkstoffverbrauch und der CO2-Emissionen zu messen, vergleichend zu bewerten und fortlaufend zu verkleinern, und Maßnahmen auszuarbeiten, mit denen der Grundsatz der Verantwortung der Hersteller ausgeweitet und Hindernisse, die der Ressourceneffizienz im Wege stehen, ausgeräumt werden;

20.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Besteuerung auf den Faktor Umwelt zu verlagern, und betont, dass dadurch Senkungen anderer Steuern möglich werden, beispielsweise solcher auf den Faktor Arbeit, die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird und gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden sowie die Entwicklung von Technologien ermöglicht wird; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Auswirkungen dieses Instruments zu überwachen und zu vergleichen;

21.  fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung einer Abfallhierarchie zu prüfen, durch die bei der Ressourcennutzung für eine möglichst hohe Wertschöpfung ohne Umweltbeeinträchtigung gesorgt werden soll;

22.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ohne Verzögerungen und bis 2014 konkrete Pläne anzunehmen, mit denen bis 2020 alle – nach Maßgabe einer klaren Definition – umweltschädlichen Subventionen abgeschafft werden, einschließlich solcher, mit denen Anreize für eine ineffiziente Nutzung erneuerbarer Ressourcen gesetzt werden, und hierüber im Rahmen der nationalen Reformprogramme Bericht zu erstatten;

23.  fordert die Kommission auf, Möglichkeiten zu prüfen, in der gesamten EU Systeme einzuführen, die eine erweiterte Verantwortung der Hersteller vorsehen, um in allen Mitgliedstaaten, auch denen mit einer wesentlich niedrigen Wiederverwendungs- und Recyclingquote als im EU-Durchschnitt, den Erfolg dieser Systeme deutlich zu verbessern;

24.  hebt hervor, dass die Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, einen Wandel herbeizuführen und die Wirtschaft umzugestalten; betont, dass Sensibilisierungsstrategien und Strategien zur Änderung des Verbraucherverhaltens ausgearbeitet und Bumerangeffekte verhindert werden müssen;

25.  hebt hervor, dass die dauerhafte Versorgung Europas mit Rohstoffen gesichert werden muss, damit der Bedarf des wachsenden Recyclingsektors gedeckt werden kann, die offene Wirtschaft Europas wächst und Arbeitsplätze geschaffen werden;

26.  fordert, wie im Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa vorgesehen, strengere Anforderungen an die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge bei Erzeugnissen und Dienstleistungen, die erhebliche ökologische Auswirkungen haben und am stärksten zum Verbrauch der weltweit wichtigsten Ressourcen (Wasser, Land, Werkstoffe und Kohlenstoffverbindungen) beitragen; fordert die Kommission auf, zu prüfen, in welchen Fällen die umweltgerechte Vergabe öffentlicher Aufträge mit von der EU finanzierten Projekten verknüpft werden könnte; fordert bis Ende 2012 Maßnahmen, mit denen die Vergabe gemeinsamer Aufträge und die Vernetzung der Beauftragten für öffentliche Aufträge gefördert werden, wobei öffentlichen Unternehmen daraus kein Wettbewerbsnachteil erwachsen darf;

27.  fordert, Umweltinformationen auch auf herkömmlichen Massenkonsumprodukten anzubringen; unterstützt die testweise Einführung einer Umweltkennzeichnung auf einzelstaatlicher Ebene und legt der Kommission nahe, ein europaweit harmonisiertes Verfahren für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten auszuarbeiten, um die Verbraucher stärker über die Produkte zu informieren, die nicht mit einem der bestehenden Kennzeichen, beispielsweise dem Umweltzeichen, dem Energieetikett oder dem Bio-Logo, versehen sind;

28.  erachtet es als wichtig, in den Produktinformationen im Rahmen einer umfassenden Kennzeichnung unter anderem den Ressourcenverbrauch anzugeben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die geltende Kennzeichnungsregelung durch eine Kombination von Kennzeichen zu verbessern, damit die Verbraucher auf einen Blick Entscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage und im Sinne der Nachhaltigkeit treffen können;

29.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die vollständige Umsetzung des EU-Abfallrechts, einschließlich der Mindestziele, durch nationale Strategien und Pläne für die Abfallvermeidung und -bewirtschaftung sicherzustellen; bekräftigt die Ansicht, dass die bereits geltenden Ziele in Bezug auf die Sammlung und Trennung von Abfällen noch genauer ausgearbeitet werden müssen und in jeder einzelnen Phase die Rückgewinnung möglichst vieler und möglichst hochwertiger Stoffe festgelegt werden muss; hebt dementsprechend hervor, dass gemäß der Abfallrahmenrichtlinie EU-Mittel vorrangig für weiter oben in der Abfallhierarchie angesiedelte Tätigkeiten bereitgestellt werden müssen (beispielsweise haben Recyclinganlagen Priorität gegenüber der Abfallvernichtung); fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die Berechnungsmethoden und die Abfallstatistiken harmonisiert werden müssen, um eine zuverlässige Grundlage für die Förderung des Recyclings zu erhalten;

30.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die illegale Verbringung von Abfällen in Drittstaaten, speziell von gefährlichen Abfällen, wirkungsvoller zu bekämpfen und insbesondere die diesbezüglichen Kontrollsysteme zu verstärken; regt die Schaffung einer „europäischen Abfallaußenpolitik“ an, die darauf abzielt, die besten EU-Vorschriften für die Abfallbehandlung auch außerhalb der EU zu verbreiten;

31.  weist darauf hin, dass über 20 % der Lebensmittel als Abfall entsorgt werden, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gezielte Maßnahmen zu treffen, um die Verschwendung erheblich zu verringern; macht überdies darauf aufmerksam, dass in diesem Zusammenhang nicht nur Lebensmittel, sondern auch Ressourcen in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung und -verpackung verschwendet werden;

32.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, verstärkt auf Information, Wissensvermittlung und Sensibilisierung zu setzen, vor allem in Bezug auf die Abfallsortierung, die Wiederverwendung und das Recycling, da einschlägige Kenntnisse unmittelbare Auswirkungen auf die Gewohnheiten im Zusammenhang mit einer schonenden Nutzung der Ressourcen haben;

33.  fordert die Kommission auf, das EU-Abfallrecht zu straffen und dabei die Abfallhierarchie und die notwendige Verringerung des Restabfallaufkommens auf nahe null zu berücksichtigen; fordert die Kommission deshalb auf, bis 2014 Vorschläge vorzulegen, die darauf abzielen, schrittweise ein generelles Verbot der Abfalldeponierung auf EU-Ebene einzuführen, und fordert, die Verbrennung recyclingfähiger und kompostierbarer Abfälle bis Ende dieses Jahrzehnts endgültig einzustellen; ist der Ansicht, dass dies mit zweckdienlichen Übergangsmaßnahmen einhergehen muss, zu denen auch die Weiterentwicklung gemeinsamer Vorschriften auf der Grundlage der Konzepte der Lebenszyklusanalyse zählt; fordert die Kommission auf, die für 2020 gesetzten Recyclingziele der Abfallrahmenrichtlinie zu überarbeiten; vertritt die Auffassung, dass auch eine Deponiesteuer – wie bereits von einigen Mitgliedstaaten eingeführt – helfen könnte, diese Ziele zu erreichen;

34.  weist darauf hin, dass bestehende Deponien als Rohstoffdepot genutzt werden können (im Zuge der Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abfällen), hierzu jedoch nur wenig Forschungsergebnisse vorliegen;

35.  fordert die Mitgliedstaaten auf, im Europäischen Komitee für Normung stärker an den Leitlinien für die Ausarbeitung von Normen für rezyklierte Werkstoffe mitzuwirken;

36.  fordert die Kommission auf, durch geeignete Maßnahmen eine Kaskadennutzung natürlicher Rohstoffe zu bewirken und einer möglichst hohen Wertschöpfung und der ressourcenschonenden Herstellung von Erzeugnissen Vorrang gegenüber der Energieerzeugung einzuräumen und dabei insbesondere dem Potenzial zur Verringerung der Treibhausgasemissionen Rechnung zu tragen;

37.  fordert die Kommission auf, eine Kaskadennutzung auch bei Biomasse zu fördern, wobei das Recycling, eine möglichst hohe Wertschöpfung und ressourcenschonend hergestellte Erzeugnisse, beispielsweise Erzeugnisse und Industriewerkstoffe aus biologisch erzeugten Grundstoffen, gegenüber der Erzeugung von Bioenergie zu bevorzugen sind;

38.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein Programm für die Sensibilisierung und Beratung von Unternehmen, insbesondere KMU, aufzulegen;

39.  betont, dass eine Lebenszyklusanalyse nur aussagekräftig ist, wenn sie auf einer möglichst genauen Berechnung beruht; fordert in diesem Zusammenhang erneut, dass die Lieferanten bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie einen eigenen Standardwert für Ölsande anwenden sollten;

40.  hebt hervor, dass Forschung, Entwicklung und Innovation für eine raschere Umgestaltung zu einem ressourcenschonenden Europa wichtig sind; stellt fest, dass mehr Innovationen notwendig sind, und zwar insbesondere in den Bereichen umweltfreundliche Werkstofferkundung und -gewinnung, Landwirtschaft, Chemie, Abfallbehandlung und -recycling, Wasserbewirtschaftung, Wiederverwendungspotenzial sowie Ersetzung umweltschädlicher Werkstoffe, Technologien und Designs mit dem Ziel eines geringeren Werkstoff- und Energieverbrauchs, erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz; macht darauf aufmerksam, dass durch mit einem geringeren Ressourcenverbrauch verknüpfte Steuererleichterungen auch Forschung, Entwicklung und Innovation gefördert würden;

41.  weist erneut darauf hin, dass es bei Ressourceneffizienz darum gehen sollte, die technische Leistungsfähigkeit der EU zu fördern, damit Rohstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette (in Bezug auf deren Gewinnung, Verarbeitung, Veredelung und Recycling) besser genutzt werden;

42.  fordert die Kommission auf, zu untersuchen, wie die Ressourceneffizienz der Bergbau- und Verarbeitungsindustrie der EU erhöht werden kann, um Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu fördern – unter anderem, indem die Verbreitung neuer Technologien unterstützt wird und die Herstellung von Nebenerzeugnissen bei unedlen Metallen ausgebaut wird;

43.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Einrichtung von Zentren für Innovationstechnologien zu prüfen, um die Gewinnung, das Recycling und die Wiederverwendung brauchbarer Bestandteile von Bergbauabfall zu fördern und Möglichkeiten zu schaffen, dass Bergbauabfälle aus unterschiedlichen Abfalllagerstätten anschließend in der Bauindustrie verwendet werden und diese Abfalllagerstätten auf eine ökologisch unbedenkliche Art und Weise bewirtschaftet werden;

44.  weist darauf hin, dass sowohl alternative Erzeugnisse, mit denen energie- und materialaufwendige Verbrauchsmuster verändert werden, aber das gleiche Leistungsniveau erreicht wird, als auch alternative Rohstoffe und sonstige Werkstoffe genutzt werden müssen, damit Herstellungsprozesse weniger energieintensiv werden;

45.  fordert die Kommission auf, die Auswirkungen einer Steuer auf Ressourcen und auf Rohstoffe aus noch unerschlossenen Quellen zu prüfen und insbesondere alle Nebeneffekte zu untersuchen, beispielsweise die nicht nachhaltige Substitution, Steuerumgehung oder eine Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit in Drittländer;

46.  betont den hohen Stellenwert von Fachkenntnissen und Schulungsmöglichkeiten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in diesem Zusammenhang einen intensiven Dialog mit den Sozialpartnern, der Wissenschaft und der Wirtschaft zu führen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Zusammenwirken mit Wirtschaft und Wissenschaft die Ressourceneffizienz zu fördern, indem spezielle Studiengänge aufgelegt und entsprechende Stipendien vergeben werden; befürwortet in diesem Zusammenhang außerdem entsprechende Austauschprogramme wie das Mineralien- und Umweltprogramm von Erasmus Mundus.

47.  betont, dass Investitionen in das Recycling von Rohstoffen und Seltenerdmetallen erforderlich sind, da die Gewinnung, die Veredelung und das Recycling von Seltenerdmetallen bei nicht ordnungsgemäßer Handhabung schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt haben;

Naturkapital und Ökosystemleistungen

48.  betont, dass die biologische Vielfalt durch die von ihr bereitgestellten Ökosystemleistungen direkt und indirekt für das Dasein des Menschen und das Wohlergehen von Gesellschaften von wesentlicher Bedeutung ist; begrüßt und unterstützt die Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020 und die darin enthaltenen Ziele und Maßnahmen; hält es für besonders wichtig, dass der Schutz der biologischen Vielfalt in alle Politikbereiche und auch in den Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa eingebunden wird;

49.  begrüßt in dieser Hinsicht die Einleitung spezifischer Maßnahmen gegen invasive Arten und fordert die rasche Durchführung dieser Maßnahmen;

50.  betont, dass Wasser als natürliche Ressource sowohl für die Menschheit als auch für die Ökosysteme lebenswichtig ist; weist erneut darauf hin, dass die Verfügbarkeit und Qualität von unbedenklichen und gesicherten Wasserressourcen aufgrund von Faktoren wie Entwaldung, Verstädterung, Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und Klimawandel immer stärker unter Druck geraten; hebt hervor, dass bei der Bewirtschaftung der Wasserressourcen auf mehreren Ebenen angesetzt werden muss, und betont, dass örtliche und regionale Behörden im Zusammenhang mit der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ eine wichtige Aufgabe haben;

51.  fordert die Kommission auf, auch die Kosten der Umweltschäden zu berechnen und offenzulegen, die als Folge der Agrar- und der Fischereipolitik der EU entstehen;

52.  fordert die Kommission auf, im Bereich der schonenden Nutzung von Ressourcen auf bewährte Verfahren zurückzugreifen, um geeignete Kriterien zu erstellen, und für mehrere Ressourcen, beispielsweise Phosphor, Pilotprojekte einzuleiten, damit bis 2020 eine Wiederverwendungsquote von nahezu 100 % erreicht wird und Nutzung und Recycling dieser Ressourcen optimiert werden; betont, dass solche Pilotprojekte direkt mit EU-Mitteln gefördert werden sollten;

53.  ist der Ansicht, dass die europäischen Ressourcen strategischer und umweltverträglicher bewirtschaftet werden müssen; vertritt die Auffassung, dass größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um vorhandene Ressourcen in der EU, insbesondere Mineralien, Metalle und Holz sowie Energieträger, einschließlich fossiler Brennstoffe, zu bewirtschaften; betont, dass die EU über das Potenzial verfügt, ihren Eigenbedarf an Rohstoffen selbst zu decken, und fordert sie auf, ihre Abhängigkeit von Einfuhren von Rohstoffen, die mit ökologisch nicht nachhaltigen Methoden gewonnen wurden, zu verringern;

54.  vertritt die Auffassung, dass die Wirtschaft in den Mitgliedstaaten in zunehmendem Maße auf heimische Rohstoffe setzen sollte; weist darauf hin, dass bei der Bewirtschaftung heimischer Ressourcen deren Verschwendung unterbunden werden sollte;

55.  hält die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft für sehr wichtig, weil dadurch eine Senkung des Flächenverbrauchs im Ausland und eine Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks Europas bewirkt werden könnte;

56.  ist der Ansicht, dass es für die Verbesserung der Ressourceneffizienz in Bezug auf den Nahrungsmittelverzehr maßgeblich darauf ankommt, die Verbraucher zu sensibilisieren, und unterstützt Initiativen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene, die sich für mehr Nachhaltigkeit beim Nahrungsmittelverzehr einsetzen;

57.  hält erneuerbare natürliche Ressourcen wie Wälder in Bezug auf die schonende Nutzung der Ressourcen für sehr wichtig; fordert die Kommission auf, die Nutzung erneuerbarer, biogestützter, rezyklierbarer und umweltfreundlicher Rohstoffe und sonstiger Werkstoffe zu fördern; weist insbesondere darauf hin, dass die Nutzung erneuerbarer und mit geringen Emissionen verbundener Werkstoffe, wie Holz, in der Bauwirtschaft ressourcenschonend ist;

58.  betont, dass der Schutz der Wälder in der EU und die diesbezüglichen Risikopräventionsmaßnahmen gestärkt werden müssen, da die Forstressourcen und die Umwelteigenschaften von Holz ein bedeutendes natürliches Kapital darstellen; fordert die Einrichtung eines Finanzierungsinstruments für Maßnahmen zur Verhütung von Waldbränden und Schädlingsbefall; fordert die Kommission auf, gemeinsam mit der Holzwirtschaft zu prüfen, inwieweit mit konkreten Maßnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Forstressourcen gesorgt werden kann, insbesondere über Pilotprojekte; tritt für eine bessere Anwendung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen ein, die in den einzelnen Politikbereichen der EU bereits vorgesehen sind, um den wirtschaftlichen Wert der Wälder zu steigern und für eine bessere Verfügbarkeit von Holz zu sorgen, beispielsweise durch Aufforstungsmaßnahmen im Rahmen der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums;

59.  betont, dass bei der landwirtschaftlichen Erzeugung durch das Entweichen von Nährstoffen in die Umwelt erhebliche externe Kosten in Bezug auf die Ökosysteme, die Gesundheit des Menschen und das Klima verursacht werden; fordert die Kommission auf, moderne Nährstoffbewirtschaftungsverfahren einzuführen, um die Nährstoffverluste bei gesteigerter Erzeugungsmenge zu verringern;

60.  weist darauf hin, dass das Reformpaket zur GFP eine der zentralen Komponenten der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ ist; ist der Ansicht, dass der höchstmögliche Dauerertrag, die Unterbindung von Rückwürfen, Motoren mit geringerer Umweltbelastung und höherem Wirkungsgrad, selektivere Fanggeräte, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene und die Überkapazität der Fangflotten Angelegenheiten sind, die im Interesse ökologisch und ökonomisch vertretbarer Fischerei und Aquakultur angegangen werden müssen; hebt überdies die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der kleinen Küstenfischerei hervor;

Steuerung und Überwachung

61.  fordert die Kommission auf, im Einvernehmen mit allen wichtigen Interessenträgern aussagekräftige und leicht verständliche Indikatoren anzunehmen, beispielsweise Indikatoren für den jeweiligen ökologischen Fußabdruck beim Land-, Wasser- und Werkstoffverbrauch und bei den CO2-Emissionen, um die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele zu überwachen; ist der Ansicht, dass diese Indikatoren auf integrierten Bewertungsinstrumenten sowie einheitlichen und weithin akzeptierten Methoden beruhen und außerdem explizit definiert werden sollten, damit sie in der gesamten EU sowohl für Entscheidungsträger als auch für private Akteure gelten; vertritt die Auffassung, dass mit diesen Indikatoren den Auswirkungen während des gesamten Lebenszyklus Rechnung getragen und gemessen werden sollte, welche Ressourcen in den Wirtschaftskreislauf gelangen, damit auf alle Aspekte der Ressourcenknappheit eingegangen werden kann, wodurch auch unsichtbare Ströme einbezogen werden; gibt zu bedenken, dass die als Indikator vorgeschlagene Ressourcenproduktivität nicht die benötigten Informationen liefert;

62.  erachtet es nach wie vor als wichtig, eine Reihe von schlüssigen, messbaren, klaren und überprüfbaren Zielen, einschließlich eines Gesamtziels, zu formulieren, um die Vision und die Zwischenziele des Fahrplans zu verwirklichen; stellt fest, dass das Thema vielschichtig und deshalb eine solide wissenschaftliche Grundlage notwendig ist; fordert die Kommission auf, auf dieser Grundlage spätestens ein Jahr nach der Annahme der diesbezüglichen Indikatoren einen konkreten Vorschlag mit derartigen Zielen für die EU und die Mitgliedstaaten vorzulegen und dafür zu sorgen, dass die Politik der EU in allen Bereichen mit den festgelegten Zielen im Einklang steht; vertritt die Auffassung, dass die Zwischenziele des Fahrplans als Ziele gelten sollten, bis detailliertere Ziele festgelegt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, entsprechende Ziele in ihre Ressourceneffizienzstrategien aufzunehmen;

63.  betont, dass spezifische Ressourceneffizienzindikatoren in allen Politikbereichen von maßgeblicher Bedeutung sind, und fordert die Kommission auf, Ressourceneffizienzindikatoren in sämtliche ihrer Folgenabschätzungen einzubinden; ist zudem der Ansicht, dass auch Eignungsprüfungen, wie sie in der Mitteilung der Kommission COM(2010)0614 skizziert werden, verpflichtend Teil jeder Folgeabschätzung sein sollten;

64.  fordert die Kommission auf, die vollständige Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften durchzusetzen, insbesondere im Hinblick auf die Wassergesetzgebung, um alle Möglichkeiten im größtmöglichen Umfang auszuschöpfen;

65.  begrüßt die Kraftstoffqualitätsrichtlinie der EU als wichtigen Schritt in einem Lebenszyklusansatz zum Ressourcenverbrauch und fordert erneut, dass die Lieferanten bei deren Umsetzung einen eigenen Standardwert für Ölsande anwenden;

66.  ist der Ansicht, dass das siebte Umweltaktionsprogramm den richtigen politischen Rahmen bieten sollte, um die Vision, die Zwischenziele und die Ziele des Fahrplans für ein ressourcenschonendes Europa zu verwirklichen;

67.  fordert die Kommission auf, die Maßnahmen der EU genau zu untersuchen und unter anderem die nationalen Aktionspläne für erneuerbare Energieträger und die Gemeinsame Agrarpolitik daraufhin zu prüfen, wie sie sich auf die Ressourceneffizienz auswirken;

68.  vertritt die Auffassung, dass ein ressourcenschonendes Europa einen angemessenen Rahmen dafür bietet, für alle Bürger im Umweltbereich Arbeitsplätze zu schaffen, die nicht mit Diskriminierung verbunden sind;

69.  betont, dass die schonende Nutzung der Ressourcen häufig durch langwierige Verwaltungsverfahren erschwert wird; fordert die Kommission auf, die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren zu fördern, um die Ressourceneffizienz zu verbessern; begrüßt in dieser Hinsicht die Initiative der Kommission zur Transparenzrichtlinie;

70.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Kampagnen zur Information und Aufklärung der Bürger durchzuführen, um den Nutzungsgrad von Produkten aus rezykliertem Abfall zu erhöhen;

71.  fordert Maßnahmen, mit denen dafür gesorgt wird, dass der möglichst schonenden Nutzung von Ressourcen in der Regionalpolitik zentrale Bedeutung beigemessen wird; betont, dass die schonende Nutzung von Ressourcen auch auf regionaler und lokaler Ebene angegangen werden muss und dabei das Potenzial, die Nachteile und die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Regionen Europas zu berücksichtigen sind; hebt hervor, dass kommunale und regionale Behörden ihre Maßnahmen für eine schonende Nutzung von Ressourcen an der Strategie Europa 2020 ausrichten müssen;

Internationale Dimension

72.  erachtet die effiziente und nachhaltige Nutzung und Zuweisung von Ressourcen als Schlüsselelement der Industriepolitik der EU, das auch die Außenbeziehungen der Union jetzt und in Zukunft prägen sollte; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass der Handel mit Umweltgütern und -leistungen ein Instrument für eine nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft ist, von dem Handel und Umwelt gleichermaßen profitieren;

73.  vertritt die Auffassung, dass ein faires, offenes und diskriminierungsfreies multilaterales Handelssystem und der Umweltschutz sich wechselseitig verstärken und den örtlichen Gemeinschaften zugutekommen sollten, sofern die multilateralen Handelsregeln so reformiert werden, dass sie den umweltpolitischen Herausforderungen und den menschlichen Grundbedürfnissen besser gerecht werden;

74.  fordert die Kommission auf, mit dem Thema Rohstoffe zusammenhängende Angelegenheiten wie Ausfuhrbeschränkungen und Investitionsaspekte stärker in laufende und künftige Verhandlungen über Handelsabkommen einzubeziehen, die die EU auf bilateraler und multilateraler Ebene führt;

75.  hebt hervor, dass durch die faire Öffnung der Weltmärkte für Umweltgüter und -leistungen bei gleichzeitiger Förderung eines nachhaltigen Verbrauchs Ausfuhrmöglichkeiten eröffnet, neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Verbreitung umweltfreundlicher Technologien geschaffen und Innovationen gefördert werden, die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird und bewirkt wird, dass die Preise sinken, die Qualität steigt und den Verbrauchern ein größeres Sortiment angeboten wird;

76.  begrüßt die Ergebnisse der Doha-Runde der Welthandelsorganisation zum Abbau oder zur Beseitigung von tarifären und nichttarifären Hemmnissen für den Handel mit Umweltgütern und -leistungen und fordert die Verhandlungsparteien nachdrücklich auf, unabhängig von der Zukunft der Doha-Runde die Ausarbeitung einer eindeutigen Definition von Umweltgütern und -leistungen fortzusetzen, in die auch die soziale Verantwortung der Unternehmen, die EU-Umweltnormen und die Grundsätze des fairen Handels einbezogen werden sollte;

77.  bekräftigt, dass alle derzeitigen bilateralen und regionalen Handelsabkommen der EU ein ehrgeiziges Kapitel für Nachhaltigkeit umfassen müssen, wie beispielsweise in den unlängst abgeschlossenen Freihandelsabkommen der EU mit der Republik Korea, Kolumbien und Peru sowie Zentralamerika; ist der Ansicht, dass die Kapitel für soziale und ökologische Nachhaltigkeit als ebenso wichtig eingestuft werden sollten wie die handelsbezogenen Aspekte der Vereinbarung, und fordert deshalb die Kommission auf, diese Kapitel in die Bestimmungen zur Beilegung von Streitigkeiten in künftigen Freihandelsabkommen aufzunehmen;

78.  vertritt die Auffassung, dass die Einbeziehung von in sozial verantwortlicher Weise hergestellten Umweltgütern und -leistungen in das Allgemeine Präferenzsystem einen Mehrwert für den Handel der EU mit Entwicklungsländern schaffen und einen weiteren Anreiz dafür bieten könnte, die Ziele der Strategie Europa 2020 und die langfristigen klima- und energiepolitischen Ziele der Union zu verwirklichen;

79.  vertritt die Auffassung, dass im Zusammenhang mit und im Vorfeld der Konferenz Rio+20 eine neue, intensivierte Debatte unter Beteiligung aller VN-Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften stattfinden muss, in der insbesondere auf die Frage einzugehen ist, ob die soziale Verantwortung der Unternehmen auch freiwillig erfolgreich umgesetzt wird;

80.  betont, dass durch Öko-Innovationen der EU mehr Ressourceneffizienz jenseits ihrer Grenzen gefördert wird, wodurch der Raubbau an den globalen Ressourcen vermindert wird; fordert deshalb die Mitgliedstaaten auf, ihre nationalen Strategien für Ressourceneffizienz zu festigen und ihr Wissen auf weltweiter Ebene weiterzugeben, beispielsweise auf dem Gipfeltreffen Rio+20; betont, dass der starke Anstieg des weltweiten Verbrauchs und das allmähliche Versiegen der Rohstoffquellen Investitionen in die weltweite Ressourceneffizienz erfordern;

81.  weist darauf hin, dass der anstehende Weltgipfel Rio+20 ein wichtiges Forum zur Erörterung der Fragen der Ressourcenschonung und der nachhaltigen Entwicklung werden könnte; ist der Ansicht, dass eine neue Reihe von Zielen der nachhaltigen Entwicklung die Lücken der Millennium-Entwicklungsziele schließen könnte und zu einem wirkungsvollen weltweiten Nachfolgeprojekt werden könnte, in dem anerkannt wird, dass die Umwelt und alle Dimensionen der Entwicklung untrennbar miteinander verbunden sind; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, entscheidend und konstruktiv an dieser Konferenz mitzuwirken, um die Schwierigkeiten beim Aufbau einer integrativen und umweltverträglichen Wirtschaft im Weltmaßstab zu überwinden;

o
o   o

82.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0364.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0014.


Initiative „Chancen für junge Menschen“
PDF 232kWORD 56k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zur Initiative „Chancen für junge Menschen“ ((2012/2617(RSP))
P7_TA(2012)0224B7-0233/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die an die Kommission gerichtete Anfrage vom 26. April 2012 zur Initiative „Chancen für junge Menschen“ (O-000106/2012 – B7-0113/2012),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. Juni 2010 zur Strategie „Europa 2020“ und ihren fünf Kernzielen,

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel: Initiative „Chancen für junge Menschen“ (COM(2011)0933),

–  in Kenntnis des von der Kommission am 18. April 2012 unterbreiteten Beschäftigungspakets mit dem Titel „Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten“ (COM(2012)0173),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen – Gemeinsam für neues Wachstum“ (COM(2011)0206),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission zu „Jugend in Bewegung - Eine Initiative zur Freisetzung des Potenzials junger Menschen, um in der Europäischen Union intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen“ (KOM(2010)0477),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Jahreswachstumsbericht 2012“ (COM(2011)0815),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2010 zu der Förderung des Zugangs Jugendlicher zum Arbeitsmarkt, Stärkung des Status von Auszubildenden, Praktikanten und Lehrlingen(1),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2011 zu Mobilität und Integration von Menschen mit Behinderungen und der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010–2020(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2011 zur EU-Strategie zur Integration der Roma(3),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates zur Förderung von Beschäftigung Jugendlicher zur Erreichung der Europa 2020 Ziele, verabschiedet am 17. Juni 2011 in Luxemburg,

–  in Kenntnis der Erklärung der Mitglieder des Europäischen Rates vom 30. Januar 2012 mit dem Titel „Wege zu wachstumsfreundlicher Konsolidierung und beschäftigungsfreundlichem Wachstum“,

–  in Kenntnis des Schreibens des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 31. Januar 2012 an acht Mitgliedstaaten zur Jugendarbeitslosigkeit,

–  in Kenntnis des Arbeitsdokuments des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (SOC)450 vom 28. März 2012 zur Mitteilung der Kommission (COM(2011)0933) an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf,

–  unter Hinweis auf die Artikel 15, 31 und 32 der Europäischen Charta der Grundrechte,

–  unter Hinweis auf Titel XII des AEUV,

–  gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament seine Position zur Förderung des Zugangs Jugendlicher zum Arbeitsmarkt und zur Stärkung des Status von Auszubildenden, Praktikanten und Lehrlingen in seiner oben genannten Entschließung von 2010 erklärt hat und die Kommission, die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner und andere Akteure entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten unter anderem zu Folgendem aufgefordert hat:

   dringend an Strategien, Wirtschaft- und Arbeitsmarktmaßnahmen zu arbeiten, um mehr und bessere Arbeitsplätze für die Jugendlichen zu schaffen und dabei die „Armutsfalle“ für junge Menschen zu verhindern, die aufeinanderfolgende zeitweilige Beschäftigungen und unbezahlte Praktika haben, die zu keiner tatsächlichen Verbesserung in Bezug auf Einkommen und Arbeitsbedingungen oder stabileren Beschäftigungsverhältnissen führen;
   die nationalen Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Schulungsmaßnahmen mit einer Beschäftigungsgarantie für Jugendliche abzusichern, die das Recht jedes jungen Menschen in der EU auf Beschäftigung, eine Lehrstelle, zusätzliche Weiterbildung oder kombinierte Arbeit und Berufsbildung nach höchstens vier Monaten Arbeitslosigkeit gewährleistet;
   die Bemühungen zum Abbau der Zahl der Schulabbrecher zu intensivieren und Lösungsstrategien für junge Menschen zu entwickeln, die weder in Beschäftigung, Ausbildung oder Lehre (so genannte NEET-Jugendliche - not in education, employment or training) sind;
   die Verbindungen zwischen der Bildungs- und der Arbeitswelt zu verbessern, indem die Bildungspläne den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes angepasst werden, qualitative hochwertige Praktika für Studierende mit angemessener Entlohnung und angemessenen Arbeitsbedingungen bereitgestellt werden, indem eine Europäische Qualitätscharta mit Mindestanforderungen für Praktika eingeführt wird, um deren Bildungswert zu sichern und Ausbeutung zu vermeiden sowie sozialen Schutz anzubieten und mehr und bessere Lehrstellen in der Berufsausbildung zu schaffen, um den jungen Menschen den Übergang von der Ausbildung ins Erwerbsleben zu ermöglichen;
   die Bemühungen zu verstärken, um ein europäisches System zur Bescheinigung und Anerkennung der durch formelle und informelle Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten einzurichten und dabei sowohl die nationale als auch die grenzüberschreitende Arbeitsmarktmobilität zu verbessern;
   integrative Maßnahmen zu gewährleisten, um Diskriminierung junger Menschen zu verhindern und die Bedürfnisse von Gruppen anzugehen, die beim Eintritt in den Arbeitsmarkt oft speziellen Hindernissen gegenüberstehen, wie junge Einwanderer, junge Eltern, junge Roma und Menschen mit Behinderungen;

B.  in der Erwägung, dass nach einer mangelnden wirtschaftlichen Erholung seit 2010 die Arbeitslosigkeit wieder ansteigt und eine durchschnittliche Rate von 10% sowie eine Jugendarbeitslosigkeit von über 22% in der Europäischen Union erreicht wird, während Wirtschaftsprognosen auf eine erneute Periode wirtschaftlicher Stagnation mit weiter ansteigenden Arbeitslosenraten ohne Aussichten auf einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung in der nächsten Zukunft hindeuten;

C.  in der Erwägung, dass die Beschäftigungssituation für junge Menschen sich zwischen den Mitgliedstaaten wesentlich unterscheiden, wobei die Arbeitslosenraten zwischen weit unter 10% in einigen Ländern bis zu fast 50% in den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern reicht;

D.  in der Erwägung, dass das Problem der Arbeitslosigkeit nur dann sinnvoll gelöst werden kann, wenn dieses im größeren Zusammenhang der gesamten Beschäftigungslage und allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmen, der den nationalen Arbeitsmarkt bestimmt, analysiert wird;

E.  in der Erwägung, dass ein Grund für das hohe Niveau der Jugendarbeitslosigkeit das Fehlen neuer Arbeitsplätze ist;

F.  in der Erwägung, dass die negativen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise und speziell die Staatsschuldenkrise der Eurozone in Europa noch schwerwiegendere Auswirkungen auf junge Menschen gehabt haben, insbesondere auf diejenigen, die ihre Schulbildung oder höhere Schulbildung noch nicht abgeschlossen haben, die unter Langzeitarbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung leiden und in wirtschaftlich benachteiligten Regionen leben, und junge Menschen schlechter gestellt haben als zuvor;

G.  in der Erwägung, dass der alarmierende Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit die wirtschaftliche und soziale Zukunft vieler junger Menschen in der Europäischen Union gefährdet, in dem sie teuer für die Krise bezahlen müssen;

H.  in der Erwägung, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit mehr Investitionen in Bildung und Ausbildung in der EU erfordert;

I.  in der Erwägung, dass wirksame Maßnahmen die Versetzung von Arbeitnehmern aus schrumpfenden Industriebereichen und –sektoren in aufstrebende Bereiche, eine vorwärtstreibende Innovation und die Schaffung neuer Arbeitsplätze einschließen;

J.  in der Erwägung, dass der Europäische Rat sich am 17. Juni 2010 auf die Strategie Europa 2020 und fünf Kernziele geeinigt hat, wozu unter anderem folgendes gehört:

   „Senkung der Schulabbrecherquote auf unter 10 %“;
   „Anhebung des Anteils von 30-34 jährigen, die das dritte Bildungsniveau abschließen auf mindestens 40%“;
   „Anstrebung einer Beschäftigungsquote von 75% unter den 20- bis 64-jährigen Frauen und Männern, auch durch die vermehrte Einbeziehung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Geringqualifizierten sowie die bessere Eingliederung von legalen Migranten“;
   „Förderung der sozialen Eingliederung insbesondere durch die Verminderung der Armut, wobei angestrebt wird, mindestens 20 Millionen Menschen vor dem Risiko der Armut und der Ausgrenzung zu bewahren“;

K.  in der Erwägung, dass die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung zur Binnenmarktakte richtig feststellt, dass eine weitere Stärkung des Binnenmarktes das Potential in sich birgt, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen, die dringend gebraucht werden, um eine Wirtschaftswende zu erreichen und der aktuellen Wirtschaftkrise entgegenzutreten;

L.  in der Erwägung, dass die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung „Jugend in Bewegung“ den Mitgliedstaaten nahegelegt hat, eine Beschäftigungsgarantie für Jugendliche einzuführen, und schließlich die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, mehr zu unternehmen, um solche Garantien umzusetzen;

M.  in der Erwägung, dass die Mitglieder des Europäischen Rates während ihres Treffens am 30. Januar 2012 eine Erklärung veröffentlicht haben, in der sie die Mitgliedstaaten auffordern, Arbeitsplatzangebote zu verbessern und Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen, und damit schließen, dass das „Ziel … sein (sollte), dass Jugendlichen innerhalb von wenigen Monaten nach dem Verlassen der Schule eine qualitativ hochwertige Arbeitsstelle angeboten wird oder sie eine weiterführende Ausbildung, einen Ausbildungsplatz oder eine Praktikantenstelle erhalten“;

N.  in der Erwägung, dass Präsident Barroso am 31. Januar 2012 an acht Mitgliedstaaten, die beachtlich höhere Jugendarbeitslosigkeitsraten als im EU-Durchschnitt haben, ein Schreiben gesandt hat, und dass in diese Mitgliedstaaten Aktionsteams entsandt wurden, um Pläne für die Beschäftigung junger Menschen auszuarbeiten;

O.  in der Erwägung, dass gemeinsame Faktoren in diesen acht Ländern eine sehr hohe Rate von nach Arbeitsplätzen auf dem Arbeitsmarkt suchenden Schulabbrechern und jungen Menschen mit einem niedrigen Ausbildungsniveau sind;

P.  in der Erwägung, dass die Europäische Kommission im Mai 2012 ihre länderspezifischen Empfehlungen 2012 unterbreiten wird und dass sie in ihrer Mitteilung „Initiative: Chancen für junge Menschen“ feststellt, dass Mitgliedstaaten, vor allem diejenigen mit den höchsten Jugendarbeitslosenquoten entschlossene Maßnahmen treffen sollten, ohne die länderspezifischen Empfehlungen 2012 abzuwarten, um frühzeitige Schulabgänge zu verhindern, Fertigkeiten zu vermitteln, die für den Arbeitsmarkt relevant sind, erste Berufserfahrungen und innerbetriebliche Ausbildung zu unterstützen und Zugang zu einen (ersten) Arbeitsplatz zu ermöglichen;

Q.  in der Erwägung, dass Präsident Barroso auf der Tagung des Europäischen Rates vom 30. Januar 2012 erklärt hat, dass 82 Milliarden Euro des Strukturfondshaushalts noch zuzuweisen sind und umgewidmet werden könnten;

1.  begrüßt die Mitteilung der Kommission „Initiative: Chancen für junge Menschen“, die auf frühere Initiativen der Kommission wie „Jugend in Bewegung“ und „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ und die zahlreichen in der Reihe der Mitteilungen vorgeschlagenen Initiativen aufbaut, hat jedoch ernsthafte Zweifel daran, ob der Umfang der vorgeschlagenen Aktionen der Schwere der in vielen Mitgliedstaaten bestehenden aktuellen Krise in der Jugendarbeitslosigkeit angemessen ist;

2.  betont, dass die Beschäftigungssituation junger Menschen stark von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation abhängig ist; begrüßt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten“ und fordert die Staats- oder Regierungschefs in der EU auf, so bald wie möglich einen europäischen Investitionsplan vorzulegen, der ein integratives, nachhaltiges und arbeitsplatzintensives Wachstum stärkt;

3.  begrüßt die Erklärung des Europäischen Rates, in der die Mitgliedstaaten aufgerufen werden, nationale Programme ähnlich der Beschäftigungsgarantie für Jugendliche einzuführen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, dieses Anliegen mit flexiblen und konkreten Maßnahmen auf nationaler Ebene zu unterstützen, um zu gewährleisten, dass junge Menschen innerhalb von vier Monaten nach dem Schulabschluss entweder einen ordentlichen Arbeitsplatz haben oder sich in Weiterbildung oder Ausbildung befinden.

4.  begrüßt die Initiative der Kommission, die Initiative für eine Beschäftigungsgarantie für Jugendliche zu unterstützen und den Mitgliedstaaten 4 Millionen Euro zuzuweisen, um ihnen zu helfen, Programme für Beschäftigungsgarantien für Jugendliche aufzubauen, was durch aktive Arbeitsmarktmaßnahmen unterstützt werden sollten, um die Lücke zwischen Bildungs- sowie Ausbildungsmarkt und Arbeitsmarkt zu schließen, hat jedoch ernsthafte Zweifel daran, dass diese Summe ehrgeizig genug ist, um den Ländern, die sich mit einer hohen Arbeitslosenquoten zusammen mit Einschränkungen des nationalen Haushalts konfrontiert sehen, dabei zu helfen, diese Art von Garantien einführen zu können;

5.  betont, dass die Beschäftigungsgarantie für Jugendliche die Situation junger Menschen, die weder in Beschäftigung, Ausbildung oder Lehre sind, wirksam verbessern und schrittweise das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in der EU überwinden muss;

6.  begrüßt die in der Mitteilung „Zum Aufschwung mit ausreichenden Arbeitsplätzen“ erklärte Absicht der Kommission, bis Ende 2012 einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zu einem Qualitätsrahmen für Praktika und für eine Empfehlung des Rates zu Beschäftigungsgarantien für Jugendliche vorzulegen und fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, den Vorschlag bis Ende 2012 zu billigen.

7.  stellt fest, dass junge Menschen als Konsequenz aus ihrer heiklen Situation und Zeitarbeitsverträgen in Bezug auf ihren Zugang zu und ihrem Verbleib auf dem Arbeitsmarkt unter Diskriminierung am Arbeitsmarkt leiden und dass diese Situation eine umfassende Befolgung der in den europäischen Rechtsvorschriften verankerten Gleichbehandlung erfordert.

8.  betont, dass junge Mütter auf dem Arbeitsmarkt einer besonderen Diskriminierung ausgesetzt sind, da sie auf Grund von familiären Verpflichtungen ihre Karriere unterbrechen; fordert deshalb die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben zu verstärken, insbesondere durch die weitere Stärkung der Richtlinie zum Mutterschaftsurlaub auf EU-Ebene und durch die Bereitstellung zugänglicher, erschwinglicher und qualitativ guter Dienste für Kinder und abhängige Erwachsene;

9.  ist überzeugt, dass ein wirksamer Weg zur Eingliederung junger Menschen auf den Arbeitsmarkt darin besteht, systemspezifische Reformen zu entwickeln und die strukturelle Arbeitslosigkeit zu bekämpfen;

10.  begrüßt den Geist der Dringlichkeit, der durch die Initiative von Präsident Barroso zum Ausdruck gekommen ist, Aktionsteams in Mitgliedstaaten zu entsenden, die die höchsten Jugendarbeitslosigkeitraten verzeichnen; fordert die Kommission auf, das Parlament über die Zeitpläne und konkreten Ergebnisse dieser Aktivitäten genauestens auf dem Laufenden zu halten; bedauert, dass die Aktionsteams nur ein Mandat der Kommission haben und nur von ihr aufgestellt wurden, und schlägt vor, in der Zukunft das Europäische Parlament und den Rat enger in den Prozess einzubeziehen;

11.  fordert die Kommission auf, die Auswirkung von Arbeitsmarktreformen zusammen mit den durch die Aktionsteams unterbreiteten Vorschlägen auf die Beschäftigungsraten und die Qualitätsnormen der Beschäftigung in den betreffenden Mitgliedstaaten zu bewerten;

12.  fordert die Kommission auf, die Verordnung zum europäischen Qualitätsrahmen 2012 so bald wie möglich zu verabschieden und Mindestnormen festzulegen, die die Bereitstellung und Aufnahme qualitativ hochwertiger Praktika unterstützen;

13.  fordert die Mitgliedsaaten auf, die Qualität und Sichtbarkeit und somit den Status von Berufsausbildung und Lehre zu verbessern, die eine wichtige Alternative zur höheren Bildung sind;

14.  ist überzeugt, dass Mobilität und die Möglichkeit, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, ein wichtiger Schritt für junge Menschen sein können, einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten; begrüßt deshalb die Ausweitung der Initiative „Erasmus für alle“ und empfiehlt, dass in diesem Programm ein besonderer Schwerpunkt auf die im Ausland erlangten Arbeitserfahrungen von Studenten und jungen Menschen in beruflicher Ausbildung gelegt wird;

15.  fordert die Mitgliedstaaten auf, in Übereinstimmung mit den Zielen der Strategie 2020 neue verbindliche, in ihre nationalen Reformprogramme mit einzubeziehende und auf die Jugend bezogene Ziele mit besonderer Berücksichtigung von Qualität und auf Jugendliche ausgerichteter Strategien einzuführen und zu bewerten;

16.  fordert die Kommission auf, die Jugendarbeitslosigkeit durch deren Festlegung als ein Unterziel der Strategie Europa 2020 eindeutig in das Europäische Semester einzubeziehen;

17.  fordert Mitgliedstaaten wie Österreich, die niedrige Arbeitslosenraten haben oder die die Beschäftigungsgarantie für Jugendliche erfolgreich eingeführt haben, auf, mit schwer von Jugendarbeitslosigkeit betroffenen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, in dem sie ihre Kenntnisse und erfolgreichen Modelle übertragen, um die sich weiter vergrößernde Lücke zwischen ihren Arbeitslosenraten zu überbrücken und zusammen bessere und stärker einbeziehende, auf die Jugend ausgerichtete Beschäftigungsmaßnahmen mit einer positiven Auswirkung auf die Basis zu entwickeln;

18.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die besonderen Herausforderungen, denen die Jugendlichen bei ihrem Zugang zum Sozialschutz und beim Risiko sozialer Ausgrenzung gegenüberstehen, zu bewerten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu fördern, um ihren Zugang zu Sozialschutz und Entlohnung zu verbessern;

19.  bedauert, dass nach vier Jahren Krise immer noch 82 Milliarden Euro aus dem Strukturfondshaushalt der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 nicht ausgegeben sind; fordert die Kommission auf, die prioritäre Umwidmung eines wesentlichen Teils der 82 Milliarden Euro auf Projekte für junge Menschen vorzusehen und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), um menschenwürdige Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen zu fördern; fordert die Kommission auf, die Erhöhung der Ko-Finanzierungsraten für die acht Länder, die mit besonders hohen Arbeitslosigkeitsraten kämpfen, zu prüfen;

20.  fordert die Kommission auf, nach weiteren und ehrgeizigeren Finanzierungsquellen zu suchen, um den Mitgliedstaaten zu helfen, das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu lösen;

21.  sieht es als besonders wichtig an, bei der Ausarbeitung des Finanzrahmens für die Jahre 2014-2020 Mittel jungen Menschen zuzuweisen, und sich dabei besonders auf junge Menschen, die weder in Beschäftigung, Ausbildung oder Lehre sind (NEET) zu konzentrieren;

22.  fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass diese Mittel unter umfassender Einbeziehung der Sozialpartner und Jugendorganisationen zugewiesen werden;

23.  begrüßt den Vorschlag der Kommission, die Mobilität junger Arbeitskräfte als Teil des neuen Programms für sozialen Wandel und soziale Innovation zu fördern, um sie zu ermutigen, Arbeitsstellen in Mitgliedstaaten und Regionen zu suchen, in denen es an Fachkräften und allgemein an Arbeitskräften mangelt; fordert in diesem Zusammenhang eine stärkere Konzentration auf die Situation junger Menschen, insbesondere mit Blick auf den Übergang vom Bildungssystem ins Arbeitsleben, auf die Verringerung der Zahl der Schulabbrecher und auf die Qualität von Praktika und Lehrstellen; betont, dass die Förderung der Mobilität der Arbeitskräfte einhergehen muss mit besserem Sozialschutz und mit der Verringerung von Hindernissen für die Mobilität in Bezug auf soziale Rechte und Sozialleistungen, insbesondere für schutzbedürftige junge Arbeitnehmer;

24.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Mobilitätsprogramme zu finanzieren, die sich auf das Training und die Beschäftigung junger Menschen in neuen Bereichen konzentrieren, die einen Aufschwung mit ausreichenden Arbeitsplätzen befördern können, speziell bezogen auf „grüne“ Arbeitsplätze und Arbeitsplätze im Pflegebereich sowohl für junge Männer als auch junge Frauen;

25.  fordert die Mitgliedstaaten auf, duale Bildungssysteme für alle Beschäftigungsverhältnisse, die keine höhere Bildung erfordern, zusammen mit Zielen für Unternehmen unterschiedlicher Größe im Hinblick auf das Angebot von Lehrstellen und auf Anreize zur Beschäftigung junger Menschen, einzuführen;

26.  fordert die Mitgliedstaaten auf, eine stärker koordinierte Strategie zwischen nationalen Bildungs- und Ausbildungsplänen und Bedürfnissen des Arbeitsmarktes zu entwickeln, und zwar nicht nur kurzfristig sondern speziell mittel- und langfristig, um so die Überdimensionierung bestimmter Bereiche zu verhindern, die Entwicklung neuer Nischenmärkte zu unterstützen und Ressourcen aus Bereichen, die Arbeitsplätze verlieren, hin zu sich entwickelnden Bereichen, wie die nachhaltige Wirtschaft, umzuleiten;

27.  legt die Annahme einer europäischen Jugendbeschäftigungsstrategie nahe, die Unternehmen, Wohlfahrtsorganisationen, öffentliche Stellen und andere Arbeitgeber ermutigt, ordentliche und qualitative Arbeitsplätze zu schaffen;

28.  ist besonders hinsichtlich der negativen Auswirkungen besorgt, die die substanziellen Haushaltskürzungen in Bildungsbereichen einiger Mitgliedstaten auf die schwierige Situation, denen sich junge Menschen gegenübersehen, und auf die Umsetzung der Vorschläge der Jugendinitiative haben; fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass Empfehlungen an Mitgliedstaaten zur Wiederherstellung einer finanziellen Nachhaltigkeit nicht Maßnahmen und Programme untergraben, die auf die Förderung der Beschäftigung Jugendlicher und sozialer Einbeziehung und/oder Vermeidung von Marginalisierung und Trennung junger Menschen vom Arbeitsmarkt ausgerichtet sind;

29.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) ABl. C 351 E vom 2.12.2011, S. 29.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0453.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0092.


Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit
PDF 246kWORD 88k
Entschließung
Anlage
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (2011/2285(INI))
P7_TA(2012)0225A7-0160/2012

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf die Artikel 8 und 157 AEUV,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung)(1),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 21. September 2010 „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015“ (KOM(2010)0491),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 5. März 2010 „Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern – eine Frauen-Charta“ (KOM(2010)0078),

–  in Kenntnis des Berichts der Kommission vom Mai 2010 mit dem Titel „Der geschlechtsspezifische Verdienstabstand in Europa aus rechtlicher Sicht“,

–  in Kenntnis des vom Kommissionsnetzwerk unabhängigen Rechtsexperten auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter ausgearbeiteten Berichts vom Februar 2009 mit dem Titel „The Transposition of Recast Directive 2006/54/EC“ (Die Umsetzung der neugefassten Richtlinie 2006/54/EG),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 2007 mit dem Titel „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ (KOM(2007)0424),

–  in Kenntnis des vom Kommissionsnetzwerk unabhängiger Rechtsexperten auf den Gebieten Beschäftigung, Soziales und Gleichstellung von Männern und Frauen ausgearbeiteten Berichts vom Februar 2007 zum Thema „Rechtliche Aspekte des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“,

–  in Kenntnis des vom Rat am 7. März 2011 angenommenen Europäischen Pakts für die Gleichstellung der Geschlechter (2011–2020),

–  in Kenntnis der auf Artikel 157 AEUV basierenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union,

–  in Kenntnis des Berichts vom 5. März 2010 der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit dem Titel „Addressing the gender pay gap: Government and social partner actions“,

–  in Kenntnis des Rahmenprogramms der europäischen Sozialpartner vom 1. März 2005 mit dem Titel „Framework of Actions on Gender Equality“ sowie der nachfolgenden Berichte von 2006, 2007 und 2008 und des endgültigen Evaluierungsberichts von 2009,

–  in Kenntnis der Bestimmungen des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zur Teilzeitarbeit von 1994(2), durch die die Länder verpflichtet sind, in ihre öffentlichen Aufträge eine Klausel über Arbeitsbedingungen einzubeziehen, u. a. auch über gleiche Entlohnung,

–  in Kenntnis des Übereinkommens Nr. 100 der IAO über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit,

–  in Kenntnis des ILO-UN Global Compact Webinar vom März 2011 zum Thema: „Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit: Wie ist dies zu verwirklichen?“,

–  in Kenntnis des Artikels 11 Absatz 1 Buchstabe d der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, die am 18. Dezember 1979 mit der Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. November 2008 zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen(3),

–  in Kenntnis der Reaktion der Kommission vom 3. Februar 2009 zu seiner Entschließung vom 18. November 2008,

–  in Kenntnis des Vorschlags vom 8. März 2010 von 10 seiner Abgeordneten zum Entwurf eines legislativen Initiativberichts über „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ gemäß Artikel 42 der Geschäftsordnung,

–  gestützt auf die Artikel 42 und 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A7-0160/2012),

A.  in der Erwägung, dass den jüngsten vorläufigen und unvollständigen Daten zufolge Frauen in der gesamten Union im Durchschnitt 16,4 % weniger verdienen als Männer in der Union und das geschlechtsspezifische Lohngefälle in den Mitgliedstaaten zwischen 4,4 % und 27,6 % schwankt, und in der Erwägung, dass – trotz der seit knapp 40 Jahren bestehenden maßgeblichen Gesetzgebung, den ergriffenen Maßnahmen und den gewährten Finanzmitteln zur Verringerung dieses Gefälles(4) – nur ein äußerst geringer Fortschritt erkennbar ist (das Missverhältnis auf Unionsebene lag 2006 bei 17,7 %, 2007 bei 17,6 %, 2008 bei 17,4 %, 2009 bei 16,9 % und 2010 bei 16,4 %), und das Lohngefälle sich in einigen Mitgliedstaaten sogar noch verschärft hat; wobei das geschlechtsspezifische Gefälle noch höher ausfallen könnte, da die Daten für drei Mitgliedstaaten noch ausstehen;

B.  in der Erwägung, dass die Gründe für das unverändert hohe geschlechtsspezifische Lohngefälle vielschichtig, mannigfaltig und zumeist miteinander verbunden sind und weit über den Einzelaspekt des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit hinausgehen; in der Erwägung, dass zu diesen Gründen unter anderem die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung zählt wie auch soziale und wirtschaftliche Faktoren, beispielsweise ein nach Berufsfeldern und in hohem Maße horizontal und vertikal segregierter Arbeitsmarkt, die Unterbewertung der Arbeitsleistung der Frau, die fehlende Gleichstellung des Anteils von Berufs- und Privatleben sowie traditionelle und stereotypische Ansichten, unter anderem bei der Wahl des Ausbildungswegs, der schulischen Beratung, dem Zugang zum Beruf und der Berufswahl und demnach der beruflichen Laufbahn, was insbesondere für Mädchen und Frauen gilt, denen typisch weibliche und weniger gut bezahlte Berufe nahe gelegt werden; in der Erwägung, dass nach Angaben von Expertenanalysen etwa die Hälfte des Lohngefälles von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung herrührt;

C.  in der Erwägung, dass das Lohngefälle allzu oft mit kulturellen Vermächtnissen sowie mit rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren, welche die moderne Gesellschaft kennzeichnen, verknüpft ist;

D.  in der Erwägung, dass Frauen im Durchschnitt bis zum 2. März 2012 hätten arbeiten müssen, um genauso viel zu verdienen, wie ihre männlichen Kollegen durchschnittlich im gesamten Jahr 2011 erhalten haben;

E.  in der Erwägung, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung von entscheidender Bedeutung ist; in der Erwägung, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten regelmäßig statistische Daten zusammenstellen und vorlegen sollten, aus denen die durchschnittlichen Stundenlöhne und zudem die Beträge des Arbeitsentgelts von Männern und Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit hervorgehen;

F.  in der Erwägung, dass die Richtlinie 2006/54/EG zwar zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation für Frauen beigetragen hat, jedoch keine grundlegenden Änderungen an der Rechtssetzung zur Nivellierung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles bewirkt hat; in der Erwägung, dass laut Voruntersuchungen von Fachleuten Mitgliedstaaten geringfügige bis gar keine Änderungen an ihrer Rechtssetzung vorgenommen haben und keine Sanktionen gegen Arbeitgeber verhängt wurden; in der Erwägung, dass die Komplexität der Problematik nicht nur eine Verbesserung der Rechtssetzung, sondern auch eine europaweite Strategie im Kampf gegen das geschlechtsspezifische Lohngefälle erfordert und dabei der Union eine starke Führungsrolle bei der Koordination der Maßnahmen, der Förderung bewährter Methoden und dem Einbinden verschiedener Handlungsträger abverlangt;

G.  in der Erwägung, dass aktuelle Entwicklungen darauf hindeuten, dass Gehälter aufgrund mangelnder Informationen und Transparenz des individualisierten Gehaltssystems zunehmend auf individueller Basis ausgehandelt werden und unter Arbeitnehmern auf ähnlicher Stufe zu größeren Lohndiskrepanzen führen und das geschlechtsspezifische Lohngefälle verstärken können; in der Erwägung, dass ein dezentralisierteres und individualisierteres Gehaltssystem daher eher als eine besorgniserregende Entwicklung angesehen werden sollte und der Datenschutz nicht als rechtmäßige Ausrede gelten darf, um statistische Daten zu Gehältern nicht zu veröffentlichen;

H.  in der Erwägung, dass Schülerinnen in allen Mitgliedstaaten eine höhere Bestehensquote als ihre männlichen Kameraden erreichen und ganze 59 % aller Universitätsabsolventen weiblichen Geschlechts sind; in der Erwägung, dass aber Frauen in Bereichen wie der Mathematik und dem Computer Engineering infolge traditioneller und stereotypischer Ansichten in Bezug auf Bildung jedoch eine Minderheit darstellen;

I.  in der Erwägung, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Frauen oftmals unterschätzt werden, ebenso wie Berufe mit einem mehrheitlichen Frauenanteil, ohne dass sich dies unbedingt mit objektiven Kriterien begründen ließe; in der Erwägung, dass die Verbesserung der beruflichen Perspektiven von Frauen und die Änderung von Bildungsmodellen sich positiv auf die Nivellierung des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern auswirken könnte, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Zahl der weiblichen Wissenschaftler und Ingenieure;

J.  in der Erwägung, dass Frauen häufiger einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen und in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle unter Teilzeitkräften beinah doppelt so groß ist wie unter Vollzeitkräften;

K.  in der Erwägung, dass laut Expertenanalysen das geschlechtsspezifische Lohngefälle erst sichtbar wird, nachdem eine Frau aus ihrem ersten Mutterschaftsurlaub auf den Arbeitsmarkt zurückkehrt, sich noch verschärft, wenn Frauen ihre berufliche Laufbahn aufgrund externer Faktoren wie kindbedingter Erwerbsunterbrechungen und Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger mehrmals unterbrechen müssen, und je nach Alter und Bildungsniveau zuzunehmen droht; in der Erwägung, dass das kürzere, sich langsamer entwickelnde und/oder von Unterbrechungen gezeichnete Berufsleben von Frauen zudem einen Geschlechterunterschied hinsichtlich der Beiträge zur Sozialversicherung nach sich zieht und Frauen daher einem erhöhten Risiko von Altersarmut ausgesetzt sind;

L.  in der Erwägung, dass aus entsprechenden Daten hervorgeht, dass sich die von Frauen erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen finanziell weniger auszahlen als im Falle von Männern; in der Erwägung, dass neben dem Konzept des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, das nicht von einem auf Geschlechterklischees basierenden Ansatz verfälscht werden darf, eine Loslösung von gesellschaftlichen Rollen erfolgen muss, die bisher Bildungs- und Berufswege maßgeblich beeinflusst haben; in der Erwägung, dass der Bildungsbereich einen Beitrag zur Beseitigung der Geschlechterklischees leisten kann und muss; ferner in der Erwägung, dass Mutterschafts- und Elternurlaub kein Anlass zur Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sein darf;

M.  in der Erwägung, dass die Arbeitgeber in Wirtschaftszweigen und Berufsfeldern, in denen mehrheitlich Frauen beschäftigt sind, durchschnittlich niedrigere Löhne zahlen und es in diesen in der Regel eine schwächere kollektive Interessenvertretung und einen geringeren Verhandlungsspielraum gibt;

N.  in der Erwägung, dass gemäß der Gesetzgebung und der europäischen Rechtsprechung ein Arbeitgeber auf alle Arbeitnehmer dieselben Beurteilungskriterien anwenden muss, Vergütungsregeln verständlich und transparent formuliert sein müssen, die angewendeten Kriterien der Art der ausgeübten Tätigkeit entsprechen müssen und keine diskriminierenden Punkte enthalten sein dürfen;

O.  in der Erwägung, dass das Lohngefälle bei in mehrfacher Hinsicht benachteiligten Frauen, zum Beispiel bei Frauen mit Behinderungen, bei Frauen, die einer Minderheit angehören, sowie bei Frauen die keine Qualifikationen erworben haben, noch ausgeprägter ist;

P.   in der Erwägung, dass nur wenige Klagen im Zusammenhang mit einer durch ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle entstandenen Diskriminierung bei einem zuständigen Gericht eingereicht werden(5); in der Erwägung, dass es viele Erklärungen für die Seltenheit dieser Fälle gibt, so unter anderem das mangelnde Informationsangebot zu Vergütungen, die problematische Gültigkeit von Vergleichen sowie unzureichende private Mittel vonseiten der Kläger;

Q.  in der Erwägung, dass das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, bei der Analyse der Gründe und bei der Bewertung der Auswirkungen auf die Rechtsverordnung spielen kann;

R.  in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission wiederholt aufgefordert hat, Initiativen, darunter die Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, zu ergreifen, um zum Abbau des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern beizutragen und das Armutsrisiko von Rentnern zu beseitigen, wobei Frauen aufgrund der unmittelbaren Auswirkungen des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern einem höheren Altersarmutsrisiko ausgesetzt sind;

1.  fordert die Kommission auf, bis spätestens 15. Februar 2013 die Richtlinie 2006/54/EG gemäß Artikel 32 zu überprüfen und Änderungen im Sinne von Artikel 157 AEUV unter Beachtung der in dieser Entschließung beigefügten ausführlichen Empfehlungen zumindest in Bezug auf die folgenden Aspekte des geschlechtsspezifischen Lohngefälles vorzuschlagen:

   - Begriffsbestimmungen,
   - Analyse der Situation und Transparenz der Ergebnisse,
   - Arbeitsplatzbewertung und berufliche Einstufung,
   - Gleichstellungsgremien und Rechtsmittel,
   sozialer Dialog,
   - Verhütung von Diskriminierung,
   - Gender Mainstreaming,
   - Sanktionen,
   - Straffung der Unionsregelungen und -politik;

2.  bestätigt, dass die genannten Empfehlungen mit den Grundrechten und dem Grundsatz der Subsidiarität in Einklang stehen;

3.  vertritt die Auffassung, dass der verlangte Vorschlag keine finanziellen Auswirkungen hat;

4.  ist sich darüber im Klaren, dass es vielfältige Gründe für eine Verschärfung des Lohngefälles gibt, und stellt deshalb fest, dass ein Ansatz, der mehrere Ebenen und mehrere Facetten einbezieht, der Union eine starke Führungsrolle bei der Koordination der Maßnahmen, der Förderung bewährter Methoden und dem Einbinden verschiedener Handlungsträger, zum Beispiel der europäischen Sozialpartner und nichtstaatlicher Organisationen, abverlangt und das Ziel verfolgt, eine europaweite Strategie zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu entwickeln;

5.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die neu gefasste Richtlinie 2006/54/EG einheitlich umzusetzen und durchzusetzen, den Privatsektor wie auch den öffentlichen Sektor anzuregen, eine aktivere Rolle beim Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu spielen; ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission die Sozialpartner einschließlich der Arbeitgeber auffordern sollten, Arbeitsbewertungssysteme zu schaffen, die geschlechtsneutral sind, Systeme der beruflichen Einstufung umzusetzen und das Konzept des Arbeitsplatzes mit gleichem Entgelt zu unterstützen;

6.  fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Bekämpfung der Unterschiede im Bereich des Entgelts, von denen Frauen in den öffentlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Unternehmen generell betroffen sind, mit gutem Beispiel voranzugehen;

7.  betont, wie wichtig Tarifverhandlungen und Tarifverträge beim Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen sind, insbesondere in den Bereichen Zugang zur Beschäftigung, Löhne, Arbeitsbedingungen, beruflicher Aufstieg und Berufsbildung;

8.  begrüßt die Initiative der Kommission zur Einführung eines Europäischen Tags der Lohngleichheit, der erstmals am 5. März 2011 stattfand und zum zweiten Mal am 2. März 2012 begangen wurde;

9.  stellt fest, dass Lohnunterschiede, die auf andere Faktoren wie Rasse, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Ausrichtung oder Religion zurückzuführen sind, nicht hingenommen werden dürfen;

10.  begrüßt die Initiative des Rats unter dem belgischen Ratsvorsitz im Jahre 2010 zur Beurteilung und Aktualisierung der quantitativen und qualitativen Indikatoren;

11.  ermutigt die Kommission eine engere Koordinierung unter den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Forschung, Analyse und der bestmöglichen Nutzung der Weitergabe von bewährten Methoden zu stärken;

12.  fordert die Mitgliedstaaten auf, bewährte Verfahren auszutauschen und die Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Konzepte zur Bekämpfung des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern zu intensivieren, und zwar nach Möglichkeit unter Einbindung der Sozialpartner;

13.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern im Rahmen aller relevanten unionsweiten politischen Maßnahmen und einzelstaatlichen Programme, insbesondere der auf Armutsbekämpfung ausgerichteten, entgegenzutreten;

14.  regt an, dass die Mitgliedstaaten eine(n) Beauftragte(n) für gleiches Entgelt ernennen, der/ die die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten verfolgt und den nationalen Parlamenten wie auch dem Europäischen Parlament über die erzielten Fortschritte berichtet;

15.  ruft die Kommission auf, die Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP and EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit(6) mit dem Ziel zu überarbeiten, das geschlechtsspezifische Lohngefälle auszugleichen;

16.  fordert die Sozialpartner auf, die Verantwortung für die Schaffung einer gleichberechtigteren Lohnstruktur für beide Geschlechter auf sich zu nehmen, Kurse für Verhandlungskompetenzen, u.a. im Bereich der Lohn- und Gehaltsverhandlungen, anzubieten, ferner in einem ersten Schritt das Bewusstsein für gleiches Entgelt zu stärken, wobei längerfristig „Lohn-Audits“ vorgeschrieben werden sollen, und die Stellung der Frau in der Struktur der Sozialpartnerschaft, insbesondere in Führungspositionen, zu stärken;

17.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Möglichkeit einer Sammelklage wegen Verstößen gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts vorzusehen als ein Instrument, in dessen Rahmen Einzelpersonen und/oder Vertreterorganisationen einen Fall im Namen von Beschwerdeführern, die darin einwilligen, vor Gericht bringen können und NRO und Gewerkschaften Klagebefugnis erhalten, so dass sie Opfer von Diskriminierung auch in Verwaltungsverfahren vertreten können; fordert die Kommission auf, die Aufnahme von Sammelklagen bei Verstößen gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts in ihren künftigen Vorschlag für eine horizontale Richtlinie über Sammelklagen zu prüfen;

18.  unterstreicht, dass nur sehr wenige Klagen betreffend die Lohndiskriminierung aus Gründen des Geschlechts vor ein zuständiges (ordentliches oder Verwaltungs-)Gericht gebracht wurden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, ihre Sensibilisierungskampagnen fortzusetzen, wozu auch angemessene Informationen über die Beweislast gehören, da diese erheblich dazu beiträgt, den Grundsatz des gleichen Entgelts zu gewährleisten;

19.  vertritt die Auffassung, dass die Verfahren und Mechanismen zur Wahrung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit sowie zum Verbot jeglicher Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts verbessert und vereinfacht werden müssen;

20.  ruft die Mitgliedstaaten sowie die Verbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf, gemeinsam objektive Arbeitsplatzbewertungsinstrumente zu entwickeln, um das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu verringern;

21.  fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, Ziele, Strategien und Fristen für den Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und die Verwirklichung des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit festzulegen;

22.  fordert die Kommission auf, die weitere Erforschung von Flexicurity-Strategien zu fördern, um deren Auswirkungen auf das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu bewerten und ferner zu ermitteln, wie diese Strategien dazu beitragen können, gegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorzugehen;

23.  begrüßt die Schlussfolgerungen des Rats vom 6.Dezember 2010, in denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, umfassende Maßnahmen zu beschließen, die die verschiedenen Ursachen dieser Gehaltsungleichheit beseitigen sollen;

24.  betont, dass die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit von Frauen, vor allem in Führungspositionen, dazu beitragen kann, die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen abzubauen; unterstreicht, dass Frauen aktiver in die Entscheidungsprozesse in der Wirtschaft eingebunden werden müssen, diese dahingehend zu beeinflussen, dass sie eine Gleichstellungsperspektive berücksichtigen; macht auf verschiedene Studien aufmerksam, die zu dem Ergebnis kommen, dass ein enger Zusammenhang zwischen einem größeren Frauenanteil in der Unternehmensführung und einer Steigerung der Gewinne in Bezug auf Eigenkapital, Verkäufe und investiertem Kapital der Unternehmen besteht;

25.  erinnert die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtung, die Auswirkungen der Beschäftigungs- und Steuerpolitik auf das Lohngefälle zu untersuchen;

26.  schlägt vor, dass das Parlament einen Preis „Women & Business in Europe“ ausloben sollte, der den Arbeitgebern (Unternehmen, Institutionen und Behörden), die vorbildlich Frauen fördern, weibliche Führungskräfte unterstützen und „equal pay“ praktizieren, verliehen werden könnte;

27.  beharrt auf der Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die der Förderung und der Entfaltung in Beruf und Karriere unter Bedingungen tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern zugutekommen; weist darauf hin, dass dieser Grundsatz zu der auf internationaler und nationaler Ebene geförderten und in allen Mitgliedstaaten zu entwickelnden sozialen Verantwortung der Unternehmen gehört;

28.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die beigefügten ausführlichen Empfehlungen an die Kommission, den Rat und die Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

ANLAGE

AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES GEFORDERTEN VORSCHLAGS

Empfehlung Nr. 1: BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Die Richtlinie 2006/54/EG enthält eine Definition des Begriffs „gleiches Entgelt“, die aus der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen(7) übernommen wurde. Um über präzisere Kategorien als Instrumente für die Beschäftigung mit dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu verfügen, ist es wichtig, die einzelnen Konzepte genauer zu definieren. Dazu gehören:

   geschlechtsspezifisches Lohngefälle: Die Definition darf nicht allein den Brutto-Stundenlohn abdecken und muss eine Unterscheidung zwischen dem unangepassten und dem „Netto“-Lohngefälle zwischen Männern und Frauen enthalten;
   unmittelbare und mittelbare Lohndiskriminierung;
   Verdienst: Die Definition sollte alle Netto-Löhne und Netto-Gehälter umfassen sowie alle aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden finanziellen Ansprüche und Sachleistungen;
   das Rentengefälle (in unterschiedlichen Pfeilern von Rentensystemen, z. B. in umlagefinanzierten Systemen, bei Betriebsrenten, als Fortsetzung des Lohngefälles im Ruhestand);
   als „gleich“ behandelte Arbeit (in unterschiedlichen Berufskategorien);
   gleichwertige Arbeit, damit die relevanten Faktoren erwähnt werden;
   Arbeitgeber, und zwar so, dass klar festgelegt wird, wer für das Entgelt der Beschäftigten (und ein ggf. ungleiches Entgelt) verantwortlich ist;
   Berufe und Tarifverträge: Es sollte klarer herausgestellt werden, dass unter unterschiedliche Tarifverträge fallende Arbeitsplätze in unterschiedlichen Berufen vor Gericht miteinander verglichen werden können, sofern diese Arbeitsplätze als gleiche Arbeit oder gleichwertige Arbeit vergleichbar sind.

Empfehlung Nr. 2: ANALYSE DER SITUATION UND TRANSPARENZ DER ERGEBNISSE

2.1.  Die mangelnden Informationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über potenziell bestehende Lohngefälle innerhalb ihres Unternehmens sowie ihre unzureichende Sensibilisierung für dieses Thema beeinträchtigt die Anwendung des im Vertrag und in den bestehenden Rechtsvorschriften verankerten Grundsatzes.

2.2.  In Anbetracht der Tatsache, dass keine genauen, vergleichbaren, kohärenten statistischen Daten und auch keine Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle bei Teilzeitarbeiten und zum geschlechtsspezifischen Rentengefälle vorliegen und dass Frauen nach wie vor weniger verdienen, insbesondere in traditionellen Frauenberufen, sollten die Mitgliedstaaten das geschlechtsspezifische Lohngefälle in ihrer Sozialpolitik gebührend berücksichtigen und als ein gravierendes Problem behandeln.

2.3.  Es ist deshalb außerordentlich wichtig, dass regelmäßige „Lohn-Audits“ sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Ergebnisse für Unternehmen (beispielsweise in Unternehmen mit mindestens 30 Arbeitnehmern und mindestens 10 % männlichen und weiblichen Arbeitnehmern) verbindlich vorgeschrieben werden, wobei aber der Schutz personenbezogener Daten zu beachten ist. Dieselbe Verpflichtung kann auch für die Information über Lohnzusätze gelten. Diese Informationen sollten Arbeitnehmern, Gewerkschaften und zuständigen Behörden zugänglich sein (z. B. Arbeitsaufsichten und Gleichstellungsgremien).

2.4.  Die Arbeitgeber sollten den Arbeitnehmern und ihren Vertretern die Ergebnisse in Form von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken zur Verfügung stellen, wobei aber der Schutz personenbezogener Daten zu beachten ist. Diese Daten sollten in jedem Mitgliedstaat auf sektoraler und nationaler Ebene gesammelt werden.

2.5.  Es sollte eine Verpflichtung für Arbeitgeber geben, eine Transparenzpolitik für die Lohnaufstellung und Lohnstrukturen anzunehmen, die Zuschläge, Boni und andere dem Verdienst angerechnete Sonderzahlungen umfassen.

2.6.  Wenn die Lohnstatistik Unterschiede im Entgelt von Gruppen von Arbeitnehmern oder von einzelnen Arbeitnehmern auf der Grundlage des Geschlechts ausweist, müssen die Arbeitgeber diese Unterschiede weiter untersuchen und Maßnahmen ergreifen, um sie zu beseitigen.

Empfehlung Nr. 3: BEWERTUNG DER ARBEIT UND BERUFLICHE EINSTUFUNG

3.1.  Das Konzept des Werts der Arbeit muss auf Qualifikationen, Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen und auf der übernommenen Verantwortung basieren, wobei die Qualität der Arbeit in den Vordergrund zu stellen ist, um die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten. Dieses Konzept sollte nicht von Rollenklischees geprägt sein, die für Frauen ungünstig sind, indem beispielsweise statt Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen die Körperkraft in den Vordergrund gestellt wird, und dass Arbeitsplätze, bei denen man die Verantwortung für Menschen trägt, nicht als geringwertiger als Arbeitsplätze mit Verantwortung für materielle oder finanzielle Ressourcen gelten. Daher sollten Frauen Informationen, Unterstützung und/oder praktische Anleitung bei Lohnverhandlungen, beruflicher Einstufung und Gehaltseinstufung erhalten. Sektoren und Unternehmen sollten ersucht werden können, ihre Systeme zur beruflichen Einstufung auf die obligatorische Geschlechterperspektive hin zu prüfen und die erforderlichen Korrekturen vorzunehmen.

3.2.  Durch die Initiative der Kommission sollte den Mitgliedstaaten nahegelegt werden, Einstufungssysteme einzuführen, die dem Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern entsprechen und es sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern ermöglichen, eine etwaige Lohndiskriminierung auf der Grundlage einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung zu ermitteln. Die Beachtung von nationalen Rechtsvorschriften und Traditionen im Zusammenhang mit dem jeweiligen System zur Regelung der Beziehungen bleibt hierbei wichtig. Derartige Bestandteile der Arbeitsbewertung und Einstufung sollten außerdem transparent sein und allen Beteiligten sowie den Arbeitsaufsichten und Gleichstellungsgremien zur Verfügung gestellt werden.

3.3.  Die Mitgliedstaaten sollten eine gründliche Beurteilung mit dem Schwerpunkt auf überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen vornehmen.

3.4.  Eine geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung sollte basieren auf neuen Systemen der Klassifizierung und Einstufung des Personals und der Arbeitsorganisation, auf Berufserfahrung und Produktivität, die in erster Linie nach qualitativen Gesichtspunkten, u. a. Ausbildung und andere Qualifikationen, geistige und körperliche Anforderungen, Verantwortung für Menschen und materielle Ressourcen, zu bewerten sind, woraus Daten und Bewertungsmaßstäbe zur Bestimmung der Vergütungen gewonnen werden, wobei der Grundsatz der Vergleichbarkeit gebührend zu berücksichtigen ist. Die Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien sollten bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine größere Rolle spielen.

Empfehlung Nr. 4: GLEICHSTELLUNGSGREMIEN UND RECHTSMITTEL

Die Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien sollten bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine größere Rolle spielen. Diese Gremien sollten ermächtigt sein, die Anwendung von Rechtsvorschriften über die Gleichstellung der Geschlechter zu überwachen, darüber zu berichten und diese, soweit möglich, wirksamer und unabhängiger durchzusetzen; sie sollten zudem angemessen finanziert werden. Artikel 20 der Richtlinie 2006/54/EG sollte geändert werden, um das Mandat dieser Gremien zu erweitern durch:

   die Unterstützung und Beratung von Opfern von Lohndiskriminierung;
   die Durchführung unabhängiger Erhebungen in Bezug auf das Lohngefälle;
   die Veröffentlichung unabhängiger Berichte und das Einreichen von Empfehlungen zu allen Aspekten, die mit Lohndiskriminierungen in Zusammenhang stehen;
   rechtliche Befugnisse, um eigene Nachforschungen anzustellen;
   rechtliche Befugnisse, um bei Verstößen gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit Sanktionen verhängen und/oder bei Lohndiskriminierungen Klagen einreichen zu können;
   spezielle Schulungsangebote für Sozialpartner und Rechtsanwälte, Richter und Bürgerbeauftragte, die auf einer Toolbox mit analytischen Instrumenten und gezielten Maßnahmen basieren und die entweder eingesetzt werden können, um Verträge zu verfassen oder um zu überprüfen, ob die Regeln und Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles umgesetzt werden, sowie Schulungen und Ausbildungsmaterialien für Arbeitgeber zum Thema nicht diskriminierende Arbeitsplatzbewertung.

Empfehlung Nr. 5: SOZIALER DIALOG

Die Tarifverträge und die geltenden Lohngruppen und Systeme zur beruflichen Einstufung müssen noch weiter überprüft werden, vor allem hinsichtlich der Behandlung von Teilzeitkräften und Arbeitnehmern mit anderen atypischen Arbeitsregelungen oder zusätzlichen Zahlungen/Boni einschließlich Sachleistungen. Nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Arbeitsbedingungen und betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit (Urlaubsregelungen, Ruhestandsregelungen, Dienstwagen, Kinderbetreuungsregelungen, angepasste Arbeitszeiten, Boni usw.) sollten in diese Überprüfung aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollten – unter Berücksichtigung von nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Praktiken – die Sozialpartner dazu ermutigen, eine geschlechtsneutrale berufliche Einstufung einzuführen, die es sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern ermöglicht, auf einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung basierende etwaige Lohndiskriminierungen zu ermitteln.

Das Management kann eine entscheidende Rolle sowohl bei der Lohngleichheit als auch bei der Schaffung einer Denkweise hin zur gleichberechtigten Verantwortungsteilung bei Betreuungsaufgaben und zu gleichberechtigten beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten für Männer und Frauen spielen.

Die Sozialpartner sollten über Befugnisse verfügen, um Themen zur Lohngleichheit auf die Tagesordnung zu setzen, wobei diese Themen nicht nur in ihrem eigenen Sektor angegangen werden sollten, sondern auch ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Sektoren erstrebenswert ist(8).

Die Kommission sollte einen operativen praxisorientierten und benutzerfreundlichen Leitfaden ausarbeiten, der im Rahmen des Sozialdialogs in den Betrieben und den Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt. Dieser Leitfaden sollte Leitlinien und Kriterien für die Bestimmung des Wertes einer Arbeit und für den Vergleich von Arbeitsplätzen enthalten. Er sollte ferner Vorschläge für mögliche Arbeitsbewertungsmethoden enthalten.

Empfehlung Nr. 6: VORBEUGUNG VON DISKRIMINIERUNG

Artikel 26 der Richtlinie 2006/54/EG (über die Vorbeugung von Diskriminierung) sollte um einen besonderen Verweis auf die Lohndiskriminierung ergänzt werden, damit von den Mitgliedstaaten unter Mitwirkung der Sozialpartner und der Gleichstellungsgremien folgende Maßnahmen eingeführt werden:

   spezifische Maßnahmen im Bereich Ausbildung und berufliche Einstufung, die zur Berufsausbildung in Bezug stehen und darauf ausgerichtet sind, Diskriminierungen bei der Ausbildung, der Einstufung und der wirtschaftlichen Wertung der Fähigkeiten zu verhindern und zu beseitigen,
   spezielle Maßnahmen, die es ermöglichen, das Berufsleben mit dem Familien- und Privatleben in Einklang zu bringen, darunter qualitativ hochwertige und bezahlbare Betreuung von Kindern und anderen abhängigen Personen sowie andere Betreuungsdienste, flexible Arbeitszeitregelungen sowie Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub und Elternzeit,
   von den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien gemäß Artikel 157 Absatz 4 AEUV auf den unterschiedlichen Vertrags- und Sektorebenen umzusetzende konkrete Maßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles und der Geschlechterspaltung, wie z. B.: Förderung von Lohnvereinbarungen zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, Untersuchungen zur Gleichbehandlung bei der Entlohnung für gleiche Arbeit, Festlegung qualitativer und quantitativer Ziele und Benchmarking sowie die Unterstützung des Austauschs bewährter Verfahren,
   eine Klausel in öffentlichen Aufträgen, die die Beachtung der Gleichstellung und des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit vorschreibt.

Empfehlung Nr. 7: GENDER MAINSTREAMING

Gender Mainstreaming sollte verstärkt werden, indem in Artikel 29 der Richtlinie 2006/54/EG präzise Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Grundsatz der Gleichbehandlung beim Entgelt und zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen aufgenommen werden. Die Kommission sollte sich darauf einrichten, den Mitgliedstaaten und den Akteuren bei konkreten Maßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern Unterstützung zu leisten, und zwar durch:

   die Einführung von Berichtsmustern zur Bewertung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern,
   die Einrichtung einer Datenbank über Änderungen bei den Einstufungs- und Klassifizierungssystemen für Arbeitnehmer,
   die Erfassung und Verbreitung von Erfahrungen bei Reformen der Arbeitsorganisation,
   die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (z. B. zu dem IT-Tool LOGIB-D), mit denen das Lohngefälle auch im Rahmen nationaler und sektoraler Tarifverträge überwunden werden kann.
   die Entwicklung eines europäischen Qualitätszertifikats „equal pay“ zusammen mit Sozialpartnern und Verbänden; mit diesem können Institutionen, Unternehmen und Behörden mit der nachgewiesenen Erfüllung bestimmter „equal pay“-Kriterien (z.B. Lohntransparenz) werben,
   die Festlegung spezifischer Leitlinien für die Beobachtung der Lohnunterschiede im Rahmen von Tarifverträgen sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Daten auf einer in mehrere Sprachen übersetzten und für alle Bürger zugänglichen Website.

Empfehlung Nr. 8: SANKTIONEN

8.1.  Die Rechtsvorschriften sind in diesem Bereich aus verschiedenen Gründen offensichtlich weniger wirksam, und – unter Berücksichtigung dessen, dass das Gesamtproblem sich nicht allein durch Rechtsvorschriften lösen lässt – sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten die bestehenden Rechtsvorschriften durch geeignete Arten von wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen verschärfen.

8.2.  Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit den geltenden Rechtsvorschriften entsprechende angemessene Sanktionen verhängt werden.

8.3.  Häufig ist die Überwachungs- und Sanktionstätigkeit bezüglich des Grundsatzes des gleichen Entgelts trotz bestehender einschlägiger Rechtsvorschriften in hohem Maße unzulänglich. Dieser Frage muss Vorrang eingeräumt werden, indem die hierfür zuständigen Stellen und Einrichtung mit angemessenen technischen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

8.4.  Es soll darauf hingewiesen werden, dass Mitgliedstaaten gemäß Richtlinie 2006/54/EG bereits verpflichtet sind, Schadenersatz oder Entschädigungen zu leisten (Artikel 18) sowie Sanktionen zu verhängen (Artikel 25). Diese Bestimmungen sind jedoch nicht ausreichend, um Verstöße gegen den Grundsatz der Lohngleichheit zu vermeiden. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine Studie zur Durchführbarkeit und Wirksamkeit sowie den Auswirkungen der Einführung potenzieller Sanktionen durchzuführen, wie etwa:

   Sanktionen, die Entschädigungszahlungen an das Opfer einschließen müssen;
   Bußgelder (beispielsweise in Fällen mangelnder Bekanntgabe, mangelnder – obligatorischer – Übermittlung oder bei Nichtverfügbarkeit von Analysen und Auswertungen von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken (gemäß Empfehlung 2), wie sie von den Arbeitsaufsichtsbehörden oder den zuständigen Gleichstellungsgremien angefordert werden);
   Ausschluss von staatlichen Vergünstigungen, Zuschüssen (einschließlich der von Mitgliedstaaten verwalteten EU-Mittel) und öffentlichen Ausschreibungsverfahren, wie dies in der Richtlinien 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste(9) und der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge(10) für die Auftragsvergabe bereits vorgesehen ist.
   Bestimmung der Zuwiderhandelnden, deren Namen veröffentlicht werden sollten.

Empfehlung Nr. 9: STRAFFUNG DER UNIONSREGELUNGEN UND -POLITIK

9.1.  Ein Bereich für Sofortmaßnahmen hängt damit zusammen, dass in Verbindung mit Teilzeitarbeit offenbar eine Lohnbenachteiligung besteht. Es ist deshalb eine Evaluierung und möglicherweise eine Überarbeitung der Richtlinie 97/81/EG, die die Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie gezieltere und wirksamere Maßnahmen in Tarifverträgen vorschreibt, erforderlich.

9.2.  Es sollte unverzüglich ein konkretes Ziel für die Verringerung des Lohngefälles in die Beschäftigungsleitlinien aufgenommen werden, auch hinsichtlich des Zugangs zur Berufsausbildung und der Anerkennung von Qualifikationen und Fähigkeiten von Frauen.

(1) ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
(2) http://www.ilo.org/ilolex/cgi-lex/pdconv.pl?host=status01&textbase=iloeng&document=178&chapter=1&query=%23status%3D01&highlight=on&querytype=bool&context=0.
(3) ABl. C 16 E vom 22.1.2010, S. 21.
(4) Nachhaltige Entwicklung in der Europäischen Union: Fortschrittsbericht 2011 zur nachhaltigen Entwicklungsstrategie der EU, Eurostat 2011.
(5) Begleitendes Hintergrunddokument zur Mitteilung der Kommission mit dem Titel: „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015“ SEC(2010)1080, S. 36.
(6) ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 9.
(7) ABl. L 45 vom 19.2.1975, S. 19.
(8) Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen: „Addressing the gender pay gap: Government and social partner actions“, 5. März 2010, Seite 30.
(9) ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1.
(10) ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.


Schweizer Quoten bei der Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen, die Staatsangehörigen aus Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn erteilt werden
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zu Schweizer Quoten bei der Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen, die Staatsangehörigen von Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn erteilt werden (2012/2661(RSP))
P7_TA(2012)0226B7-0248/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf das Freihandelsabkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft(1),

–  unter Hinweis auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit(2), insbesondere dessen Anhang I zur Freizügigkeit und Anhang III zur gegenseitigen Ankerkennung der Berufsqualifikationen,

–  unter Hinweis auf das Protokoll vom 26. Oktober 2004 zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union(3),

–  unter Hinweis auf das Protokoll vom 27. Mai 2008 zu dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. September 2010 zu dem Thema „EWR-Schweiz: Hindernisse für die vollständige Verwirklichung des Binnenmarktes“(5),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Dezember 2010 zu den Beziehungen der EU zu EFTA-Staaten,

–  unter Hinweis auf die Entscheidung des Schweizer Bundesrates vom 18. Mai 2012, in Bezug auf acht EU-Mitgliedstaaten die Schutzklausel anzuwenden,

–  unter Hinweis auf die Anfragen vom 14. Mai 2012 und 16. Mai 2012 an die Kommission zu dem Thema „Schweizer Quoten bei der Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen, die Staatsangehörigen von Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn erteilt werden“ (O-000113/2012 – B7-0115/2012 und O-000115/2012 - B7-0116/2012),

–  gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis darauf, dass der Bundesrat der Schweiz beschlossen hat, zum 1. Mai 2012 zahlenmäßige Beschränkungen in Bezug auf Aufenthaltserlaubnisse der Kategorie B für Aufenthalte bis zu fünf Jahren einzuführen, die Staatsangehörigen von Polen, Litauen, Lettland, Estland, Slowenien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn gewährt werden;

B.  unter Hinweis darauf, dass sich die schweizerischen Staatsorgane bei dieser Entscheidung auf eine sogenannte Schutzklausel berufen haben, die in Artikel 10 des Abkommens von 1999 enthalten ist und ihnen die Möglichkeit gibt, solche zeitweiligen restriktiven Maßnahmen einzuführen, wenn die Zahl der gewährten Aufenthaltsgenehmigungen in einem bestimmten Jahr den Durchschnittswert der vorangehenden Jahre um mindestens 10 % übersteigt; unter Hinweis darauf, das die schweizerischen Staatsorgane erklärt haben, diese Situation sei im Fall von Staatsangehörigen der acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingetreten;

C.  unter Hinweis darauf, dass die von den schweizerischen Staatsorganen angerufene Schutzklausel in Artikel 10 des Abkommens von 1999 keine Differenzierung anhand der Nationalität für den Fall vorsieht, dass Obergrenzen für Aufenthaltsgenehmigungen oder Quoten für deren Anzahl festgelegt werden sollen, und dass darin „Arbeitnehmer und Selbständige der Europäischen Gemeinschaft“ erwähnt werden;

D.  unter Hinweis darauf, dass in Bezug auf die Staatsangehörigen von acht der Mitgliedstaaten, die 2004 der EU beigetreten sind, durch die Schweiz bis zum 30. April 2011 zahlenmäßige Beschränkungen angewandt wurden, wie sie das Protokoll von 2004 zulässt; unter Hinweis darauf, dass am Ende dieser Übergangszeit Artikel 10 Absatz 4 des Abkommens von 1999 Anwendung findet;

E.  in der Erwägung, dass diese Sachlage in einem größeren Zusammenhang zu sehen ist, weil die schweizerischen Staatsorgane Maßnahmen treffen, die die mit der Durchführung der bilateralen Abkommen bereits erreichten Fortschritte gefährden, und gegen die das Parlament bereits in seiner Entschließung vom September 2010 seine Bedenken geäußert hat;

F.  unter Hinweis darauf, dass die Schweiz mehrere sogenannte flankierende Maßnahmen in Bezug auf das Abkommen über den freien Personenverkehr getroffen hat, die die Erbringung von Dienstleistungen durch EU-Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – in der Schweiz behindern können, und dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einige dieser Begleitmaßnahmen nur hinnehmbar sind, wenn sie im Einklang mit der Verhältnismäßigkeit ein allgemeines Interesse schützen, das im Herkunftsstaat der Erbringer der Dienstleistungen nicht bereits geschützt wird;

G.  in der Erwägung, dass ein Teil dieser flankierenden Maßnahmen in einem Missverhältnis zu den angestrebten Zielen steht, etwa die Verpflichtung zur vorherigen Meldung mit achttägiger Wartefrist, die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zu den Vollzugskosten von Dreiparteienkommissionen und die Verpflichtung für ausländische Unternehmen, die länderübergreifende Dienstleistungen erbringen, eine Garantie für finanzielle Bonität zu stellen; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen für KMU, die in der Schweiz Dienstleistungen erbringen wollen, besonders belastend ist;

H.  unter Hinweis darauf, dass die schweizerischen Staatsorgane in Verletzung des Abkommens über den freien Personenverkehr entschieden haben zu verbieten, dass deutsche und österreichische Taxis an Schweizer Flughäfen Fahrgäste übernehmen;

I.  unter Hinweis darauf, dass diese Probleme mehrfach in dem durch das Abkommen über den freien Personenverkehr geschaffenen Gemeinsamen Ausschuss mit der Schweiz erörtert worden ist; in der Erwägung, dass der Gemeinsame Ausschuss sie nicht hat lösen können;

J.  in der Erwägung, dass nur begrenzte Änderungen des Abkommens über den freien Personenverkehr zwecks Anpassung an die Entwicklung des EU-Rechts im Bereich des freien Personenverkehrs zulässig sind; in der Erwägung, dass das Abkommen nicht über einen wirksamen Überwachungs- und Rechtskontrollmechanismus verfügt, wie sie innerhalb der EU und im EWR üblich sind;

Schweizer Quoten bei der Anzahl der Aufenthaltsgenehmigungen für EU-Staatsangehörige

1.  bedauert mit Nachdruck, dass die schweizerischen Staatsorgane entschieden haben, zahlenmäßige Beschränkungen der langfristigen Aufenthaltsgenehmigungen für EU-Bürger wiedereinzuführen, die Staatsangehörige von acht der Mitgliedstaaten sind, die der EU 2004 beigetreten sind, wodurch der freie Personenverkehr, den das Abkommen von 1999 mit der EU vorsieht, eingeschränkt wird;

2.  betrachtet die genannte Entscheidung insofern als diskriminierend und unrechtmäßig, als es keine Rechtsgrundlage in den geltenden Verträgen zwischen der Schweiz und der EU für derartige Differenzierung nach Staatsangehörigkeit gibt; legt den schweizerischen Staatsorganen dringend nahe, ihre Entscheidung zu überprüfen und darauf zu verzichten, sich +auf die Schutzklausel zu berufen;

3.  weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Abkommens von 1999, ergänzt durch das Protokoll von 2004, nicht erfüllt sind;

4.  begrüßt die rechtzeitige, kritische Erklärung der Hohen Vertreterin / Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, in der sie ihre Dienststellen angewiesen hat, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die schweizerischen Staatsorgane um den Widerruf ihrer Entscheidung zu ersuchen;

5.  weist darauf hin, dass die Schweiz 2008 im Protokoll II die Rechte des freien Personenverkehrs auf Bulgarien und Rumänien ausgedehnt hat; bedauert jedoch, dass das Abkommen Übergangszeiten von bis zu sieben Jahren vorsieht; bedauert es, dass die Regierung der Schweiz im Mai 2011 entschieden hat, die Übergangszeit für Bulgaren und Rumänen bis zum 31. Mai 2014 zu verlängern;

6.  vertritt die Auffassung, dass beide Seiten statt der Einführung restriktiver Maßnahmen im gegenwärtigen Rahmen auf die Konzipierung eines angemesseneren, wirkungsvolleren und flexibleren Systems der Zusammenarbeit hinarbeiten sollten, um den freien Personenverkehr zusätzlich zu erleichtern; fordert die Kommission auf, dieses Thema möglichst frühzeitig gegenüber den schweizerischen Staatsorganen zur Sprache zu bringen und es auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des durch das Abkommen geschaffenen Gemeinsamen Ausschusses zu setzen;

Hindernisse für die vollständige Verwirklichung des Binnenmarkts

7.  fordert die Kommission auf, darzulegen, welche Maßnahmen seit der Annahme seiner Entschließung vom 7. September 2010 getroffen worden sind, um die Probleme der flankierenden Maßnahmen zu lösen, die die Erbringung von Dienstleistungen durch KMU der EU in der Schweiz erschweren, und den Staatsorganen der Schweiz nahezulegen, Regelungen aufzuheben, die ausländische Unternehmen, welche länderübergreifend Dienstleistungen erbringen, zur Hinterlegung einer Garantie für finanzielle Bonität verpflichten;

8.  erklärt sich besorgt über die Entscheidung des Schweizer Bundesrats, zusätzliche flankierende Maßnahmen zu prüfen;

9.  gibt erneut seinen Bedenken gegen die Situation an Schweizer Flughäfen Ausdruck, wo in Folge ablehnender Bescheide Schweizer Behörden deutsche und österreichische Taxis keine Passagiere aufnehmen dürfen, und fordert die Kommission auf, die Verträglichkeit dieser Entscheidung mit dem Abkommen über den freien Personenverkehr zu prüfen;

10.  bedauert es, dass das Abkommen nicht der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, Rechnung trägt; verlangt eine dynamischere Anpassung der Abkommen auf binnenmarktbezogenen Gebieten an die Entwicklung des EU-Rechts;

11.  betrachtet es als entscheidend für den weiteren Ausbau der Teilhabe der Schweiz am Binnenmarkt, dass durch Rechtsregeln ein transparenteres und berechenbareres Umfeld für Wirtschaftsakteure beider Seiten geschaffen wird;

12.  verlangt zusätzliche Fortschritte in dem Bemühen um horizontale Lösungen für Probleme, die mit der Notwendigkeit einer dynamischen Anpassung von Abkommen an die Fortentwicklung des EU-Rechts zusammenhängen, eine homogene Auslegung der Abkommen, unabhängige Überwachungs- und Rechtsdurchsetzungsmechanismen, einen Streitbeilegungsmechanismus, der nicht mit Fragmentierung verbunden ist, Transparenz in den Entscheidungsverfahren und Kommunikation zwischen den Gemeinsamen Ausschüssen;

13.  betont, dass Mechanismen zur Konformitätskontrolle, die über rein einzelstaatliche Möglichkeiten hinausgehen, für das gute Funktionieren des Binnenmarkts wichtig sind;

14.  erklärt seine Bereitschaft, eine Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu fördern, um die Herausforderungen, vor denen beide Seiten stehen, zu überwinden;

o
o   o

15.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Schweiz zu übermitteln.

(1) ABl. L 300 vom 31.12.1972, S. 189.
(2) ABl. L 114 vom 30.4.2002, S. 6.
(3) ABl. L 89 vom 28.3.2006, S. 30.
(4) ABl. L 124 vom 20.5.2009, S. 53.
(5) ABl. C 308 E vom 20.10.2011, S. 18.


Venezuela: Möglicher Rückzug aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zum möglichen Austritt Venezuelas aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (2012/2653(RSP))
P7_TA(2012)0227RC-B7-0240/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela, insbesondere die Entschließungen vom 24. Mai 2007 zum Fall des Fernsehsenders RCTV(1), vom 23. Oktober 2008 zu dem Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter(2), vom 7 Mai 2009 zum Fall von Manuel Rosales(3), vom 11. Februar 2010 zu Venezuela(4) sowie vom 8. Juli 2010 zum Fall von María Lourdes Afiuni(5),

–  unter Hinweis auf die Amerikanische Deklaration der Rechte und Pflichten des Menschen von 1948, durch die der Beginn des Interamerikanischen Systems zum Schutz der Menschenrechte (IAHRS) formalisiert wurde, und unter Hinweis auf die Einrichtung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im Jahr 1959, der Venezuela seit 1977 angehört, und die statutarische Einsetzung der IACHR im Jahr 1979,

–  unter Hinweis auf die Einrichtung des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Jahr 1979, dessen Mitglied Venezuela seit 1981 ist,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 17. Juni 2010 zu Maßnahmen der EU zugunsten von Menschenrechtsverteidigern(6) und vom 18. April 2012 zur Lage der Menschenrechte in der Welt und über die Politik der Europäischen Union zu diesem Thema, einschließlich der Auswirkungen für die strategische Menschenrechtspolitik der EU(7),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Rupert Colvill, vom 4. Mai 2012, in der er seiner Besorgnis im Hinblick auf den möglichen Austritt Venezuelas aus der IACHR Ausdruck verleiht,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948,

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) als Ergänzung zu bzw. als ein Korrektiv für schwache nationale Justizsysteme ihr eigenes regionales Menschenrechtssystem geschaffen hat, zu dem die 1959 ins Leben gerufene Interamerikanische Menschenrechtskommission und der 1979 errichtete Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof gehören, dessen Urteilen die 1978 in Kraft getretene Amerikanische Menschenrechtskonvention (Pakt von San José) zugrunde liegt;

B.  in der Erwägung, dass die „Grundrechte des Einzelnen“ in der Amerikanischen Deklaration der Rechte und Pflichten des Menschen als eines der Grundprinzipien der OAS genannt werden;

C.  in der Erwägung, dass bisher 24 der 34 Mitglieder der OAS die interamerikanische Konvention für Menschenrechte ratifiziert haben;

D.  in der Erwägung, dass Venezuela Vertragspartei der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte sowie derzeit Mitglied der IACHR ist und der Rechtssprechung des Interamerikanischen Gerichtshofes unterliegt, der für die Auslegung und Durchsetzung der Bestimmungen der Konvention zuständig ist; in der Erwägung, dass Venezuela sich an den Mechanismen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen beteiligt;

E.  in der Erwägung, dass Präsident Chávez am 2. Mai 2012 die Einrichtung eines Ausschusses bekannt gegeben hat, das die Möglichkeit eines Austritts aus der IACHR bewerten soll; in der Erwägung, dass der Außenminister Venezuelas am 3. Mai 2012 andere Regierungen der Region aufgefordert hat, das Gleiche zu tun;

F.  in der Erwägung, dass von 1970 bis 2011 vier Beschlüsse der IACHR Venezuela betrafen, und in der Erwägung, dass der Gerichtshof von 2004 bis 2012 über 12 Fälle entschieden hat; in der Erwägung, dass die OAS Venezuela über die IACHR mehrfach im Zusammenhang mit Verletzungen der Meinungsfreiheit, der persönlichen Sicherheit und der Nichtahndung von Straftaten sowie politischen Rechten verwarnt hat;

G.  in der Erwägung, dass Venezuela in den vergangenen Jahren mehrfach die IACHR und den Gerichtshof kritisiert hat und wiederholt mit dem Argument, dass die IACHR befangen sei und unterschiedliche Maßstäbe anwende, mit dem Austritt gedroht hat; in der Erwägung, dass Venezuela nun erstmals ernsthafte Schritte in Richtung Austritt unternommen hat. in der Erwägung, dass Venezuela seit 2002 alle Ersuchen der IACHR, das Land zu besuchen, abgelehnt hat;

H.  in der Erwägung, dass der Inhalt der Entschließungen des EP, insbesondere der Entschließungen zum Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter für Oppositionsführer und zu politischen Verfolgungen, wie der Schließung des RCTV, durch verschiedene Beschlüsse und Empfehlungen der IACHR bekräftigt wurde; in der Erwägung, dass Präsident Chávez infolge dieser ungünstigen Empfehlungen und deren Missachtung oder Nichtumsetzung durch die staatlichen Stellen Venezuelas den Mechanismus für den Austritt seines Landes aus diesem internationalen Gremium ausgelöst hat;

I.  in der Erwägung, dass sowohl der Präsident des Obersten Strafgerichtshofs als auch der Generalstaatsanwalt der Bolivarischen Republik Venezuela dem Vorschlag von Präsident Chávez, Venezuela solle aus der IACHR austreten, gebilligt haben, was eindeutig beweist, dass die öffentlichen Stellen und insbesondere die Justizbehörden völlig den politischen Entscheidungen des Staatschefs unterworfen sind;

J.  in der Erwägung, dass die IACHR, ein hoch anerkanntes Gremium mit positiven Auswirkungen in der Region, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, dass zahlreichen Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit widerfahren ist, und eine Schlüsselrolle beim Übergang von den zuvor in vielen Ländern der Region herrschenden Diktaturen zur Demokratie, gespielt hat;

K.  in der Erwägung, dass die IACHR als autonomes Gremium mit sieben unabhängigen Mitgliedern, die im eigenen Namen handeln ohne ein bestimmtes Land zu vertreten, Fälle an den Interamerikanischen Gerichtshof überweist, in schweren und dringenden Fällen Mitgliedstaaten der OAS auffordert, „vorsorgliche Maßnahmen“ zur Verhinderung irreparabler Verletzungen der Menschenrechte zu ergreifen, und Beschwerden von Einzelpersonen, die Menschenrechtsverletzungen geltend machen, entgegennimmt, analysiert und untersucht;

L.  in der Erwägung, dass regionale Menschenrechtsgremien eine sehr wichtige Rolle bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechtsmechanismen spielen und allgemeine Menschenrechtsnormen und –verträge stärken, wie auch wiederholt von der Generalversammlung der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, sowie von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidigern anerkannt wurde;

M.  in der Erwägung, dass der Interamerikanische Gerichtshof gemäß Artikel 1 seiner Satzung, ein autonomes Rechtsprechungsorgan ist, dessen Ziel es ist, die Amerikanische Konvention anzuwenden und auszulegen; in der Erwägung, dass seine Urteile für die Unterzeichnerstaaten der Konvention verbindlich sind;

1.  ist besorgt über die Ankündigung Venezuelas, es werde einen staatlichen Ausschuss zur Prüfung der Möglichkeit seines Ausscheidens aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission einrichten, und fordert die Regierung Venezuelas auf, diese Haltung zu überdenken;

2.  befürchtet, dass ein Austritt aus dem Interamerikanischen System zur Isolierung Venezuelas und zu einer weiteren Verschlechterung der Menschenrechtslage führen könnte;

3.  legt der Regierung Venezuelas und allen anderen Staaten in der Region nahe, die Beschlüsse und Empfehlungen der IACHR zur Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Menschenrechtsmechanismen anzuerkennen und umzusetzen, und fordert sie auf, keine Maßnahmen einzuleiten, die den Schutz der Menschenrechte schwächen könnten;

4.  begrüßt die gesamte von der IACHR geleistete Arbeit insbesondere in den Bereichen Meinungsfreiheit, Rechte indigener Völker, Verhinderung von Folter, soziale Rechte und Frauenrechte sowie Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Menschenrechte in der Region, und ermutigt sie, diese Arbeit fortzusetzen, um die umfassende Achtung der Menschenrechte zu erreichen;

5.  unterstützt regionale Menschenrechtgremien als Teil des internationalen Menschenrechtsmechanismus und fordert die EU-Organe auf, den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, die IACHR und die Konvention noch stärker zu unterstützen;

6.  fordert diejenigen Länder, die dem Interamerikanischen System für Menschenrechte noch nicht beigetreten sind, auf, dies umgehend zu tun und sich umfassend daran zu beteiligen, wodurch die institutionelle Autorität dieses Systems gestärkt würde;

7.  fordert die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela auf, die internationalen und regionalen Konventionen und Chartas, die Venezuela unterzeichnet hat, einzuhalten; weist darauf hin, dass gemäß der Verfassung von Venezuela alle unterzeichneten internationalen Konventionen verbindlich sind;

8.  bedauert die Entscheidungen der Legislative und Judikative Venezuelas, die Bestrebungen des Präsidenten zu unterstützen, aus der IACHR auszutreten, was beweist, dass in diesem land der Grundsatz der Gewaltentrennung nicht eingehalten wird Legislative und Judikative völlig den politischen Entscheidungen des Präsidenten unterstehen;

9.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), der Parlamentarischen Versammlung EuroLat und der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela zu übermitteln.

(1) ABl. C 102 E vom 24.04.2008, S. 484.
(2) ABl. C 15 E vom 21.01.2010, S. 85.
(3) ABl. C 212 E vom 05.08.2010, S. 113.
(4) ABl. C 341 E vom 16.12.2010, S. 69.
(5) ABl. C 351 E vom 02.12.2011, S. 130.
(6) ABl. C 236 E vom 12.8.2011, S. 69.
(7) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0126.


Aserbaidschan
PDF 129kWORD 43k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zur Lage der Menschenrechte in Aserbaidschan (2012/2654(RSP))
P7_TA(2012)0228RC-B7-0252/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Lage in Aserbaidschan, insbesondere die Entschließungen zu den Menschenrechten,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. April 2012 mit den Empfehlung an den Rat, die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst betreffend die Aushandlung des Assoziierungsabkommens EU-Aserbaidschan(1),

–  unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Aserbaidschan, das 1999 in Kraft getreten ist, und die laufenden Verhandlungen zwischen den beiden Seiten über ein neues Assoziierungsabkommen, das das vorhergehende Abkommen ersetzen soll,

–  in Kenntnis der Gemeinsamen Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 15. Mai 2012 mit dem Titel „Umsetzung einer neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik“,

–  unter Hinweis auf das neue Nationale Aktionsprogramm für einen effektiveren Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Republik Aserbaidschan, das am 27. Dezember 2011 vom aserbaidschanischen Präsidenten gebilligt wurde,

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Aserbaidschan aktiv an der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und der Östlichen Partnerschaft mitwirkt und zur Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit, die grundlegende Werte der beiden genannten Initiativen sind, verpflichtet ist; in der Erwägung, dass sich die allgemeine Menschenrechtslage in Aserbaidschan jedoch in den letzten Jahren trotz der im Aktionsplan im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik verankerten Verpflichtungen verschlechtert hat und nichtstaatliche Organisationen und unabhängige Medien zunehmend unter Druck gesetzt und eingeschüchtert werden, was zu einem weit verbreiteten Gefühl der Angst unter Angehörigen der Opposition und Menschenrechtsverteidigern sowie Aktivisten von Jugendorganisationen und sozialen Netzwerken und zur Selbstzensur von Journalisten geführt hat;

B.  in der Erwägung, dass die friedlichen Proteste am 15. Mai 2012 in der Hauptstadt Baku, bei denen die Freilassung politischer Gefangener vor dem Eurovision Song Contest in Aserbaidschan am 26. Mai 2012 gefordert wurde, von der Polizei aufgelöst wurden; in der Erwägung, dass der Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten ein Verhaltensmuster der aserbaidschanischen staatlichen Stellen ist, was eine Nichteinhaltung der Verpflichtungen bedeutet, die Aserbaidschan gegenüber der EU sowie im Rahmen des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingegangen ist;

C.  in der Erwägung, dass unabhängige Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und andere, die versuchen, ihre Meinung zu äußern, Angelegenheiten im öffentlichen Interesse zu untersuchen oder die Regierung in Aserbaidschan zu kritisieren, Gegenstand von tätlichen Angriffen, Einschüchterungen, Bedrohungen oder Verhaftungen wurden, wobei die Fälle der Journalisten İdrak Abbasov und Xədicə İsmayılova besonders besorgniserregend sind;

D.  in der Erwägung, dass der Aktivist und Angehörige der oppositionellen Volksfront-Partei Elnur Məcidli am 16. Mai 2012 aus der Haft entlassen wurde;

E.  in der Erwägung, dass der Eurovision Song Contest 2012 am 26. Mai 2012 in Baku für Aserbaidschan eine Gelegenheit bieten sollte, sein Engagement für Demokratie und Menschenrechte zu beweisen;

F.  in der Erwägung, dass hunderte Grundstücke auf intransparente und unverantwortliche Weise enteignet wurden und tausende Hausbesitzer in Baku im Zuge von Entwicklungsprojekten zum Verlassen ihrer Wohnungen gezwungen wurden, unter anderem in Nachbarschaft des Platzes der Nationalflagge, an dem sich der Kristallpalast von Baku befindet, der als Veranstaltungsort des Eurovision Song Contest 2012 und anderer künftiger Ereignisse dienen wird;

G.  in der Erwägung, dass die Presse- und Medienfreiheit oft missachtet wird; in der Erwägung, dass in der Praxis die uneingeschränkte digitale Freiheit einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit im Internet nicht gewährleistet ist;

H.  in der Erwägung, dass Aserbaidschan im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2012–2013 einen nichtständigen Sitz einnimmt und sich dazu verpflichtet hat, die in der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen verankerten Werte zu achten;

I.  in der Erwägung, dass Aserbaidschan ein Mitglied des Europarates ist und die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat;

1.  fordert die aserbaidschanischen staatlichen Stellen auf, unverzüglich alle Maßnahmen einzustellen, durch die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird, da sie nicht mit den Verpflichtungen Aserbaidschans in Bezug auf Demokratie sowie den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vereinbar sind;

2.  verurteilt den brutalen Übergriff von Angehörigen der Polizei und von Sicherheitskräften der staatlichen Ölfirma SOCAR gegen den Journalisten der Zeitung „Serkalo“ und des „Instituts für die Freiheit und Sicherheit von Reportern“ İdrak Abbasov, der den Abriss von Häusern in der Siedlung Sulutəpə in Baku filmte;

3.  verurteilt die Erpressungs- und Einschüchterungskampagne gegen die Enthüllungsjournalistin Xədicə İsmayılova aufgrund ihrer Recherchen im Zusammenhang mit vermuteten Geschäftsinteressen der Familie von Präsident Əliyev;

4.  nimmt die laufenden Ermittlungen der aserbaidschanischen staatlichen Stellen im Zusammenhang mit den Angriffen auf die Journalisten zur Kenntnis; fordert die staatlichen Stellen auf, dafür zu sorgen, dass diese Vorfälle tatsächlich untersucht werden und die Verantwortlichen für diese Angriffe strafrechtlich belangt werden;

5.  fordert die aserbaidschanischen staatlichen Stellen auf, friedliche Proteste zuzulassen und es den Polizeikräften zu untersagen, die Arbeit von Journalisten zu behindern, die über Demonstrationen berichten;

6.  verurteilt die Schikanen, die Einschüchterung und die Gewalt gegen Journalisten und andere, die ihrer Meinung auf friedliche Weise Ausdruck verleihen; fordert die staatlichen Stellen auf, unverzüglich alle politischen Gefangenen aus der Haft bzw. Untersuchungshaft zu entlassen, unter anderem sechs Journalisten – Anar Bayramlı, Ramil Dadaşov, Vüqar Qonaqov, Zaur Quliyev, Aydın Caniyev und Əvəz Zeynallı –, den Aktivisten im Bereich der sozialen Medien Bəxtiyar Hacıyev, den Rechtsanwalt und Leiter einer nichtstaatlichen Organisation Vidadi İsgəndərov, den Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwalt Taleh Xasməmmədov und die Aktivisten, die unter verschiedenen politisch motivierten Anklagen im Zusammenhang mit den friedlichen Protesten im April 2011 festgenommen wurden;

7.  bekräftigt seinen Standpunkt, wonach das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Aserbaidschan, das derzeit ausgehandelt wird, Klauseln und Bezugspunkte zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte enthalten sollte, insbesondere im Hinblick auf die Medienfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die die in der Verfassung Aserbaidschans verankerten Grundsätze und Rechte und die Verpflichtungen Aserbaidschans im Rahmen des Europarates und der OSZE widerspiegeln;

8.  bekundet seine Solidarität mit den Veranstaltern der Kampagne „Sing for Democracy“, die anlässlich des Eurovision Song Contest in Baku ins Leben gerufen wurde, und hofft, dass ihre Aktionen einen Beitrag dazu leisten können, die unerlässlichen demokratischen Reformen und eine wesentliche Verbesserung der Menschenrechtslage im Land herbeizuführen;

9.  bekundet seine Besorgnis über die Zwangsräumungen und den Abriss von Häusern in Verbindung mit einem umfassenden Sanierungsplan für Baku, der zum Teil im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Eurovision Song Contest steht; fordert die aserbaidschanischen staatlichen Stellen auf, dafür zu sorgen, dass die laufenden Bauarbeiten für neue Gebäude in Baku im Einklang mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften stehen und die Umsiedlung von Menschen im Zuge transparenter rechtlicher Verfahren und mit einer angemessenen Entschädigung erfolgt;

10.  begrüßt die Freilassung des Mitglieds der oppositionellen Volksfront-Partei Elnur Məcidli; fordert die aserbaidschanische Regierung auf, dem Sonderberichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für politische Gefangene ein Visum auszustellen, damit er entsprechend seinem Mandat das Land besuchen kann;

11.  fordert die aserbaidschanischen Regierungsstellen auf, die digitalen Freiheiten einschließlich des unzensierten Zugangs zu Informations- und Kommunikationsdiensten zu gewährleisten, da es sich um universelle Rechte handelt, die für die Menschenrechte wie freie Meinungsäußerung und Zugang zu Information sowie für die Gewährleistung von Transparenz und Rechenschaftspflicht im öffentlichen Leben unerlässlich sind;

12.  fordert die aserbaidschanischen staatlichen Stellen auf, den Gesetzesentwurf über Verleumdung anzunehmen, in dem die Abschaffung der strafrechtlichen Haftung für Verleumdung und Beleidigung vorgesehen ist; begrüßt die Debatte über die Annahme eines solchen Gesetzes in der aserbaidschanischen Gesellschaft, die enge Zusammenarbeit mit der OSZE in diesem Zusammenhang und die Absicht der aserbaidschanischen staatlichen Stellen, den Gesetzesentwurf vor Jahresende anzunehmen;

13.  fordert die aserbaidschanischen staatlichen Stellen auf, die Rechtsvorschriften über Wahlen, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Medienfreiheit an die internationalen Standards anzupassen und deren umfassende Umsetzung zu gewährleisten;

14.  fordert die aserbaidschanische Regierung auf, ihre Anstrengungen in Bezug auf die Reformierung aller Aspekte des Rechtssystems, also Strafverfolgung, Strafverfahren, Verurteilung, Haft und Rechtsmittel, zu verstärken;

15.  fordert die aserbaidschanischen Regierungsstellen auf, sich an alle Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betreffend Aserbaidschan zu halten;

16.  fordert die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik / Vizepräsidentin der Kommission, den Rat und die Kommission auf, die Lage in Bezug auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten in Aserbaidschan nach dem Eurovision Song Contest genau zu überwachen; fordert den Rat auf, bei anhaltenden Menschrechtsverletzungen die Möglichkeit gezielter Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Erwägung zu ziehen;

17.  verurteilt entschieden die Drohungen radikaler islamistischer Organisationen und Einzelpersonen gegen die Teilnehmer am bevorstehenden Eurovision Song Contest, insbesondere jene, die der LGBT-Gemeinschaft angehören; unterstützt vorbehaltlos die säkulare Identität Aserbaidschans und sein Recht auf eine freie Entscheidung über seine außenpolitische Orientierung;

18.  verurteilt entschieden Terrorismus in all seinen Formen und Ausprägungen und würdigt insbesondere den Beitrag Aserbaidschans zur Bekämpfung des Terrorismus und Extremismus auf regionaler und internationaler Ebene;

19.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem EAD, den Regierungen und Parlamenten der Republik Aserbaidschan und der EU-Mitgliedstaaten sowie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0127.


Lage nordkoreanischer Flüchtlinge
PDF 124kWORD 39k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zur Lage nordkoreanischer Flüchtlinge (2012/2655(RSP))
P7_TA(2012)0229RC-B7-0241/2012

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Nordkorea (Demokratische Volksrepublik Korea – DVRK), insbesondere die Entschließung vom 8. Juli 2010(1),

–  unter Hinweis auf das Gipfeltreffen EU-China vom 14. Februar 2012 und den 29. Menschenrechtsdialog EU-China vom 29 Juni 2010 in Madrid, bei denen das Thema der nordkoreanischen Flüchtlinge erörtert wurde,

–  unter Hinweis auf den Bericht über die DVRK, der zur 6. Sitzung der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats der VN für die allgemeine regelmäßige Überprüfung (30. November bis 11. Dezember 2009) vorgelegt wurde,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters vom 21. Februar 2011 zur Lage der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea, in der er Besorgnis darüber äußert, dass die Demokratische Volksrepublik Korea bislang keinerlei Zusagen zur Umsetzung der Empfehlungen und abschließenden Feststellungen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung gemacht hat,

–  unter Hinweis auf die vom Menschenrechtsrat der VN am 19. März 2012 einvernehmlich verabschiedete Resolution A/HRC/19/L.29, in der er ganz erhebliche Besorgnis über die fortdauernden schwerwiegenden, weit verbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Volksrepublik Korea zum Ausdruck bringt, und auf die am 29. März 2012 angenommene Resolution A/RES/66/174 der Generalversammlung der VN,

–  unter Hinweis auf den Bericht der nationalen Menschenrechtskommission Südkoreas vom Mai 2012 über Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea, der auf rund 800 Befragungen von Flüchtlingen – unter ihnen mehrere Hundert Überläufer, die die Gefangenenlager überlebt haben – beruht,

–  unter Hinweis auf den Erlass des Ministers für öffentliche Sicherheit der DVRK von 2010, der das Überlaufen zum Straftatbestand des „Verrats am Volk“ erklärt,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Staatsführung der DVRK. vom Dezember 2011, in der sie ihre Absicht bekannt gibt, bis zu drei Generationen einer Familie zu liquidieren, wenn ein Familienmitglied während der 100-tägigen Staatstrauer anlässlich des Todes von Kim Jong-il den Staat verlässt,

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass in der genannten Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen die schwerwiegenden, weit verbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea verurteilt werden, insbesondere die Anwendung der Folter bei politischen Gefangenen und zurückgeführten Bürgern der DVRK und deren Inhaftierung in Arbeitslagern; unter Hinweis darauf, dass die staatlichen Behörden systematisch Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil, willkürliche Inhaftierungen und Verschleppungen vornehmen;

B.  unter Hinweis darauf, dass große Teile der Bevölkerung vom Hungertod bedroht sind und dass nach Meldungen des Welternährungsprogramms vom September 2009 ein Drittel der nordkoreanischen Frauen und Kinder unterernährt waren;

C.  unter Hinweis darauf, dass als unmittelbare Folge der Politik der Regierung der DVRK und trotz der Gefahren Schätzungen zufolge bis zu 400 000 Nordkoreaner im Lauf der Jahre aus dem Land geflohen sind, von denen viele im angrenzenden China als „illegale Migranten“ leben;

D.  unter Hinweis darauf, dass die meisten Flüchtlinge aus der DVRK nicht beabsichtigen, in China zu bleiben, sondern China durchqueren müssen, um nach Südkorea oder in andere Teile der Welt zu kommen;

E.  unter Hinweis darauf, dass China auf der Grundlage seines mit Nordkorea 1986 geschlossenen Rückführungsabkommens unter Verletzung der VN-Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Protokoll von 1967, dem die Volksrepublik China beigetreten ist, Nordkoreaner am Zugang zu Asylverfahren des UNHCR hindert; unter Hinweis darauf, dass die Volksrepublik China nach Schätzungen nichtstaatlicher Organisationen alljährlich bis zu 5000 nordkoreanische Flüchtlinge verhaftet und zwangsweise in die DVRK zurückführt;

F.  in der Erwägung, dass ein großer Teil der nordkoreanischen Flüchtlinge in China Frauen sind, von denen viele zu Opfern von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Zwangsverheiratung werden, und dass die Kinder, deren Existenz Folge solcher Handlungen ist, in China als Staatenlose gelten und sich selbst überlassen oder demselben Schicksal wie ihre Mütter anheim gegeben werden;

G.  unter Hinweis darauf, dass Kim Jung-hwan und drei weitere Aktivisten des in Seoul ansässigen Netzes für Demokratie und Menschenrechte in Nordkorea am 29. März 2012 in der chinesischen Stadt Dalian (Provinz Liaoning) verhaftet wurden und ihnen Gefährdung der nationalen Sicherheit Chinas zur Last gelegt wird, nachdem sie angeblich versucht haben, nordkoreanischen Überläufern zu helfen;

H.  in der Erwägung, dass Flüchtlinge, die zwangsweise nach Nordkorea zurückgeführt werden, Augenzeugenberichten zufolge systematisch Folter und Gefangenschaft in Konzentrationslagern durchmachen und möglicherweise sogar hingerichtet werden, dass schwangere Frauen angeblich zur Abtreibung gezwungen werden und dass Neugeborene mit chinesischen Vätern von Tötung bedroht sind; in der Erwägung, dass infolge der Praxis der Sippenhaft ganze Familien einschließlich der Kinder und Großeltern eingesperrt werden;

I.  in der Erwägung, dass Satellitenaufnahmen und Berichte nordkoreanischer Überläufer belegen, dass die DVRK mindestens sechs Konzentrationslager und zahlreiche „Umerziehungslager“ mit möglicherweise bis zu 200 000 überwiegend politischen Häftlingen unterhält;

1.  wiederholt seine Aufforderung an die DVRK, die anhaltenden schwerwiegenden, weit verbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen, die sie an ihrem eigenen Volk begeht und die Nordkoreaner veranlassen, aus dem Land zu fliehen, unverzüglich zu beenden;

2.  fordert die Staatsorgane der DVRK auf, den Empfehlungen in dem Bericht der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrates für die allgemeine regelmäßige Überprüfung nachzukommen und als ersten Schritt die Inspektion von Hafteinrichtungen jeder Art durch unabhängige internationale Sachverständige zuzulassen;

3.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den europäischen und internationalen Schutz für aus ihrem Land fliehende Nordkoreaner systematischer zu organisieren, und fordert die Kommission auf, weiterhin zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen, die nordkoreanischen Flüchtlingen helfen;

4.  hält es für sehr bedauerlich, dass die zuständigen chinesischen Behörden im Fall von Kim Jung-hwan und den übrigen Aktivisten Meldungen zufolge erstmals die Beschuldigung der Gefährdung der nationalen Sicherheit erhoben haben, die die Todesstrafe nach sich ziehen kann; fordert die genannten Behörden auf, den vier inhaftierten Aktivisten uneingeschränkten Zugang auf der konsularischen Ebene zu staatlichen Behörden Südkoreas und Rechtsbeistand zu gewähren und sie zügig freizulassen;

5.  fordert die Volksrepublik China auf, ihren Verpflichtungen aufgrund des internationalen Rechts, insbesondere der Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Protokoll von 1967 sowie des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 nachzukommen und nordkoreanische Bürger nicht mehr in die DVRK zurückzuführen, weil zurückgeführte Personen und ihre Angehörigen der erheblichen Gefahr des Missbrauchs und sogar der Hinrichtung ausgesetzt sind;

6.  legt deshalb der Volksrepublik China dringend nahe, das Abkommen mit Nordkorea von 1986 über die Rückführung von Flüchtlingen aufzukündigen, und begrüßt aktuelle Berichte, wonach China eine Änderung seiner Politik beabsichtigen könnte; weist darauf hin, dass Bürger Nordkoreas ohne Einschränkung als Staatsangehörige der Republik Korea betrachtet werden, und fordert die Volksrepublik China auf, ihnen die sichere Durchreise nach Südkorea oder in andere Drittstaaten zu gewähren;

7.  richtet einen Appell an die staatlichen Behörden Chinas, nordkoreanische Überläufer als „Flüchtlinge an Ort und Stelle“ zu behandeln, dem UNHCR Zugang zwecks Feststellung ihres Status zu gewähren und ihre sichere Neuansiedlung zu unterstützen, alle derzeit in Haft gehaltenen Überläufer freizulassen, diejenigen, die aus humanitären Gründen Flüchtlingen helfen wollen, nicht als Straftäter einzustufen und nordkoreanischen Frauen, die mit Chinesen verheiratet sind, den Status von Personen mit legalem Aufenthalt zu gewähren;

8.  fordert China auf, nicht mehr mit nordkoreanischen Sicherheitsbeamten zusammenzuarbeiten, um nordkoreanische Flüchtlinge zwecks Festnahme aufzuspüren; fordert stattdessen die Volksrepublik China auf, nichtstaatlichen Organisationen und kommunalen Dienstleistern aus humanitären Gründen Zugang zu nordkoreanischen Flüchtlingen und Asylsuchenden in China zu gewähren, auch zu dem Zweck, ihnen Lebensmittel, medizinische Behandlung und Bildung sowie juristische und andere Dienstleistungen zukommen zu lassen;

9.  fordert die Vizepräsidentin / Hohe Vertreterin und die Kommission auf, die Menschenrechtslage in der DVRK und das Thema der nordkoreanischen Flüchtlinge in der Volksrepublik China in allen Gesprächen auf hoher Ebene zwischen der EU und China und im Rahmen des Menschenrechtsdialogs EU-China anzusprechen;

10.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik, den Mitgliedstaaten, dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Republik Korea, der Demokratischen Republik Korea und der Volksrepublik China, dem Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, dem Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Lage der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1) ABl. C 351E vom 2.12.2011, S. 132.


Fortgesetzte und verstärkte Unterstützung von Impfungen in Entwicklungsländern
PDF 71kWORD 31k
Erklärung des Europäischen Parlaments vom 24. Mai 2012 zu dem Thema „Fortgesetzte und verstärkte Unterstützung von Impfungen in Entwicklungsländern“
P7_TA(2012)0230P7_DCL(2012)0004

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 123 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass durch Impfungen verhütbare Krankheiten, wie Hepatitis, Masern, die Pneumokokkenerkrankung, durch den Rotavirus verursachte Durchfallerkrankungen, Polio und Gelbfieber, in den Entwicklungsländern eine der Haupttodesursachen im Kindesalter sind;

B.  in der Erwägung, dass es durch das Auftreten von Krankheiten erschwert wird, eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung zu erreichen;

C.  in der Erwägung, dass bekannt ist, dass durch Impfungen verhütbare Krankheiten bei Männern und Frauen unterschiedlich verlaufen;

D.  in der Erwägung, dass Frauen die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen und es unmöglich ist, Entwicklung und Gesundheit zu erreichen, wenn ignoriert wird, was sie zu sagen haben;

E.  in der Erwägung, dass eine medizinische Grundversorgung – in Krankenhäusern, durch Ärzte, Pflegepersonal, mit medizinischen Geräten usw. – von entscheidender Bedeutung ist und nicht vernachlässigt werden darf;

F.  in der Erwägung, dass die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) in Bezug auf die Verwirklichung entwicklungspolitischer und humanitärer Ziele als hocheffiziente Plattform anerkannt wurde;

G.  in der Erwägung, dass die GAVI in den letzten zehn Jahren, was die Rettung von Menschenleben und die Ausdehnung des Impfschutzes in den ärmsten Ländern der Welt betrifft, große Fortschritte erzielt hat, und dass infolgedessen 288 Millionen Kinder mehr immunisiert worden sind und mehr als 5 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindert werden konnten;

H.  in der Erwägung, dass trotz dieser Fortschritte nach wie vor jedes Jahr 1,7 Millionen Kinder an durch Impfungen verhütbaren Krankheiten sterben;

1.  beglückwünscht die Kommission zu der Unterstützung, die sie der GAVI über das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit und den Europäischen Entwicklungsfonds zwischen 2003 und 2012 zukommen lassen hat;

2.   fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich im Rahmen ihres künftigen auswärtigen Handelns auch weiterhin dafür einzusetzen, dass im Falle durch Impfungen verhütbarer Krankheiten die Zahl der Todesfälle zurückgeht;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Erklärung zusammen mit den Namen der Unterzeichner(1) den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) Die Liste der Unterzeichner wird in Anlage 1 des Protokolls vom 24. Mai 2012 veröffentlicht (P7_PV(2012)05-24(ANN1)).

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