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Verfahren : 2012/2061(INL)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A7-0390/2012

Eingereichte Texte :

A7-0390/2012

Aussprachen :

PV 14/01/2013 - 20
CRE 14/01/2013 - 20

Abstimmungen :

PV 15/01/2013 - 9.5
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2013)0005

Angenommene Texte
PDF 269kWORD 50k
Dienstag, 15. Januar 2013 - Straßburg
Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, Antizipation und Management von Umstrukturierungen
P7_TA(2013)0005A7-0390/2012
Entschließung
 Anlage

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zu Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, Antizipation und Management von Umstrukturierungen (2012/2061(INL))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  gestützt auf Artikel 9 und 151 sowie Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe e des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,,

–  in Kenntnis der Artikel 14, 27 und 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  in Kenntnis der Bewertung des europäischen Mehrwerts einer Unions-Maßnahme zu Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, Antizipation und Management von Umstrukturierungen, die vom Referat „Europäischer Mehrwert“ des Europäischen Parlaments durchgeführt und dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten am 19. November 2012 vorgelegt wurde,(1)

–  in Kenntnis des Textes „Strategie für den industriellen Wandel“ - Abschlussbericht der Gruppe hochrangiger Sachverständiger für die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen industrieller Wandlungsprozesse, die vom Beschäftigungsgipfel im November 1997 in Luxemburg eingesetzt wurde(2),

–  in Kenntnis der Empfehlung 92/443/EWG des Rates vom 27. Juli 1992 zur Förderung der Beteiligung der Arbeitnehmer an den Betriebserträgen (einschließlich Kapitalbeteiligung)(3),

–  in Kenntnis der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE)(4),

–  in Kenntnis der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen(5),

–  in Kenntnis der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(6),

–  in Kenntnis der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen(7),

–  in Kenntnis der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer(8),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft(9),

–  in Kenntnis der Richtlinie 2003/72/EG des Rates vom 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer(10),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote(11),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten(12),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen(13),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 31. März 2005 mit dem Titel „Umstrukturierung und Beschäftigung – Umstrukturierungen antizipieren und begleiten und die Beschäftigung fördern: die Rolle der Europäischen Union“ (COM(2005)0120) und der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 14. Dezember 2005(14),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über die Sozialpolitische Agenda (COM(2005)0033),

–  in Kenntnis der Entscheidung 2010/707/EU des Rates vom 21. Oktober 2010 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten(15),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung – Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit“ (COM(2010)0614),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ (COM(2010)0608 endg./2),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ (COM(2010)0682),

–  in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission über Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen: Lehren aus den jüngsten Erfahrungen? (COM(2012)0007),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2011 über die Halbzeitüberprüfung der Strategie der Europäischen Union für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007–2012(16),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten“ (COM(2012)0173),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. Mai 2005 zu der sozialpolitischen Agenda für den Zeitraum 2006-2010(17),

–  in Kenntnis der Initiativstellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 25. April 2012 zum Thema „Genossenschaften und Umstrukturierung“(18),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Mai 2007 zur Stärkung der europäischen Rechtsvorschriften im Bereich der Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern(19),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2011 zu einer Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung(20),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 20. September 2011 mit dem Titel „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ (COM(2011)0571),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 8. März 2011 mit dem Titel „Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050“ (COM(2011)0112),

–  in Kenntnis der Ergebnisse der Untersuchungen und Erhebungen der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen,

–  gestützt auf die Artikel 42 und 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A7-0390/2012),

A.  in der Erwägung, dass es sich bei der Umstrukturierung nicht um ein neues Phänomen handelt, sondern um eine Praxis, die aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage häufiger vorkommt, sowie in der Erwägung, dass sie sich in den letzten Jahren immer stärker ausgedehnt, sich in einigen Sektoren verschärft und neue Sektoren erfasst hat, mit unvorhersehbaren Folgen für das wirtschaftliche und soziale Gefüge der Mitgliedstaaten;

B.  in der Erwägung, dass die Unternehmen und ihre Beschäftigten aufgrund der 2008 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise die erforderlichen Änderungen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze vornehmen müssen, und in der Erwägung, dass sich die Krise durch die Finanzspekulationen im Finanzsektor erheblich verschärft hat, indem der Wandel sich immer schneller vollzogen hat und dadurch der Druck auf die Arbeitnehmer, die Gebiete und alle Regierungsebenen, strukturelle Anpassungen vorzunehmen, in Besorgnis erregendem Maße zugenommen hat;

C.  in der Erwägung, dass aufgrund tiefgreifend veränderter Wirtschaftsstrategien in den letzten 30 Jahren eine massive Umverteilung von der Real- hin zur Finanzwirtschaft vollzogen wurde, sowie in der Erwägung, dass die Situation derjenigen, die zwar alle Güter und Dienstleistungen schaffen, aber alle Nachteile alleine tragen, verbessert werden muss;

D.  in der Erwägung, dass sich die Akteure mit Umstrukturierungen erst spät auseinandersetzen, meist im Zusammenhang mit geplanten Entlassungen;

E.  in der Erwägung, dass sich bei Umstrukturierungen die größte Aufmerksamkeit auf die unmittelbaren und leicht erkennbaren Folgen für die Beschäftigung richtet, während die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und Gesundheit der Arbeitnehmer nicht angemessen berücksichtigt und bekämpft werden;

F.  in der Erwägung, dass die unterschiedlichen und vielfältigen an einer Umstrukturierung beteiligten Akteure einzeln agieren und nur selten langfristig zusammenarbeiten;

G.  in der Erwägung, dass durchgängig in verschiedenen Strategiepapieren der Kommission, insbesondere der Strategie Europa 2020 und der Mitteilung zur Industriepolitik vom 28 Oktober 2010, Folgendes hervorgehoben wurde: „Eine bessere Antizipierung und Durchführung von Umstrukturierungen würde es Arbeitnehmern und Unternehmen erleichtern, sich den Umstellungen anzupassen, die durch Überkapazitäten, Modernisierung und strukturelle Anpassung hervorgerufen werden. […] Die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter sind die Hauptakteure, die sich auf der Unternehmensebene über Restrukturierungsstrategien verständigen müssen. Interventionen seitens der Politik sollten solche Restrukturierungen flankieren, um soziale Härten zu vermeiden und neue Fertigkeiten und Arbeitsplätze zu fördern, und auf diese Weise Massenentlassungen, den Niedergang ganzer Regionen oder die Verlagerung ganzer Wirtschaftszweige auf ein Mindestmaß beschränken und gleichzeitig die wirtschaftliche Umstellung und die beruflichen Übergänge erleichtern“;

H.  in der Erwägung, dass die Krise auf Unionsebene – durch den Jahreswachstumsbericht und das Semester – zu einer neuen Wirtschaftsaufsicht geführt hat, und in der Erwägung, dass diese neue wirtschaftspolitische Steuerung ihrerseits zu einer Umstrukturierung führen kann, weshalb die Sozialpartner einbezogen werden müssen;

I.  in der Erwägung, dass die Arbeitnehmer rechtzeitig auf den Übergang zu einer ressourcenschonenden, umweltfreundlichen Wirtschaft vorbereitet werden müssen und dass diese Entwicklung ein sehr großes Beschäftigungspotenzial birgt, aber zur Umstrukturierung nicht nachhaltiger Sektoren und Unternehmen führen wird;

J.  in der Erwägung, dass die Anzahl der Arbeitsplätze, die verloren gegangen sind, fast doppelt so hoch ist wie die Zahl der im dritten Quartal 2011 geschaffenen Arbeitsplätze, wobei diese Tendenz angesichts der in strategischen Bereichen angekündigten größeren Umstrukturierungen wahrscheinlich noch zunehmen wird;

K.  in der Erwägung, dass in den Sektoren Bau und Fertigung in der Zeit zwischen 2008 und 2011 über 6,4 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen sind;

L.  in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten, in denen es während der Krise verhältnismäßig wenige Entlassungen gegeben hat, über sehr gut ausgeprägte Systeme der Arbeitsbeziehungen verfügen, die den Arbeitnehmern und ihren Vertretern verhältnismäßig viele Rechte im Bereich der Anhörung, Information und Mitbestimmung gewähren, die zu gemeinsamen Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene geführt haben, deren Voraussetzungen auf Gesetzen und Tarifverträgen beruhen;

M.  in der Erwägung, dass es im „Jahreswachstumsbericht: Gesamtkonzept der EU zur Krisenbewältigung nimmt weiter Gestalt an“ heißt: „Die positive Exportleistung einiger Mitgliedstaaten zeigt, dass der Erfolg auf globalen Märkten auch von anderen Faktoren abhängt, wie z. B. sektororientierte Produktspezialisierung, Innovation und Qualifikationsniveaus, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen“; in der Erwägung, dass Unternehmen in manchen Mitgliedstaaten gerade in der Krise einen langfristigen Ansatz verfolgt und alles unternommen haben, damit ihre gut ausgebildeten und mit einem hohen Erfahrungswissen ausgestatteten Arbeitnehmer nicht entlassen werden;

N.  in der Erwägung, dass Unternehmen in der Union nicht über einen bloßen Preis-Unterbietungswettbewerb auf den Weltmärkten erfolgreich sein werden, sondern nur über gute Produkte, Verfahren und Dienstleistungen;

O.  in der Erwägung, dass in nichtnachhaltigen Sektoren beschäftigte Arbeitnehmer Unterstützung und Ausbildung erhalten sollten, damit sie zu „grünen“ Berufen überwechseln können;

P.  in der Erwägung, dass die Gefahr besteht, dass gute Erfahrungen, die infolge der Krise insbesondere von der ILO gesammelt werden konnten, nicht ausreichend berücksichtigt und bei künftigen Krisen nicht genutzt werden, und daher in der Erwägung, dass solche guten Maßnahmen von Institutionen der Union untersucht und dokumentiert werden sollten, um sie auch für die Situation einer Restrukturierung nutzen zu können;

Q.  in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ vom 23. November 2010 auch einräumt, dass „die Anpassungsfähigkeit und das vorausschauende Aktivwerden bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen und/oder Beschäftigungsmöglichkeiten durch Unsicherheit beeinträchtigt werden können, da Übergänge ein potenzielles Risiko der Arbeitslosigkeit, geringerer Löhne und der sozialen Unsicherheit bergen“; in der Erwägung, dass positive Übergänge in den Laufbahnen der Menschen deshalb entscheidend sind, um eine ständige Anpassung zu ermöglichen, wodurch die Beschäftigungsfähigkeit aufrechterhalten und verbessert wird, während gleichzeitig die Sicherheit für den Einzelnen und die Fluidität der Arbeitsmärkte gewährleistet werden;

R.  in der Erwägung, dass bei Umstrukturierungen, in deren Zusammenhang Entlassungen unvermeidbar sind, schutzbedürftige Gruppen von Arbeitnehmern, darunter jüngere und ältere Arbeitnehmer, häufiger von Entlassung betroffen sind als andere Altersgruppen, auch wenn dies gemäß den einschlägigen Unions-Rechtsvorschriften Diskriminierung aus Altersgründen darstellt;

S.  in der Erwägung, dass, wie in der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ dargelegt, die „mitunter festzustellende Binnenmarktmüdigkeit sich unter anderem dadurch erklären lässt, dass die sukzessiven Liberalisierungen in der Wahrnehmung vieler Bürger auf Kosten der von verschiedenen Wirtschaftsakteuren erworbenen sozialen Rechte eingeführt wurden.“; „Der “Lissabon-Vertrag und das Bekenntnis zu einer „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ als einem Schlüsselziel verpflichten„ die Union, “eine umfassendere Vision des Binnenmarkts zu entwickeln. Die wirtschaftlichen Freiheiten und das Recht auf Kollektivmaßnahmen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Eine Wiederbelebung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern ist hier von grundlegender Bedeutung und könnte dazu führen, dass häufiger von der im Lissabon-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften „durch die Sozialpartner für die Sozialpartner“ Gebrauch gemacht wird.„; “Über die Initiativen, die eine reine Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzkrise darstellen, hinaus haben Antizipationsstrategien es den Unternehmen ermöglicht, soziale Konflikte abzuwenden, indem Umstrukturierungsmaßnahmen proaktiv und im Wege von Verhandlungen vorbereitet wurden. Dies ist gleichermaßen eine Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg wie auch ein soziales Gebot, denn auf diese Weise wird es möglich, Ressourcen in aufstrebende Branchen umzulenken und Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz in Gefahr ist, neue Chancen zu eröffnen.„; in der Erwägung, dass ein europäischer Rechtsakt für Umstrukturierungen es ermöglichen würde, Rahmenbedingungen zu schaffen, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt sind;

T.  in der Erwägung, dass ein weiterer Ausbau des Binnenmarkts zu einem verschärften Wettbewerb führt, durch den Umstrukturierungen angeregt werden können; in der Erwägung, dass die Union Verantwortung für diesen Prozess übernehmen sollte, indem sie einen Rahmen für die Abmilderung der sozialen Auswirkungen vorgibt;

U.  in der Erwägung, dass im Anschluss an den von den Sozialpartnern im Oktober 2003 verfassten „Orientierungsleitfaden für die Bewältigung des Wandels und dessen soziale Konsequenzen“ jedoch keine gesetzgeberischen Maßnahmen eingeleitet wurden, obwohl im Anschluss zwei Seminarzyklen auf nationaler Ebene von den Sozialpartnern im Rahmen ihrer mehrjährigen Arbeitsprogramme durchgeführt wurden; in der Erwägung, dass dieser nicht nur den Organisationen nationaler und branchenspezifischer Sozialpartner, sondern, was noch wichtiger ist, auch den Unternehmen und ihren Arbeitnehmervertretern noch immer weitgehend unbekannt ist; in der Erwägung, dass die rechtzeitige und wirksame Einhaltung der Grundsätze, die durch diesen Orientierungsleitfaden wie durch die Ergebnisse zahlreicher anderer Untersuchungen und Berichte zum Ausdruck kommen, aber von wesentlicher Bedeutung wäre; in der Erwägung, dass, da die Unternehmen in ihren Verfahren in diesem Bereich häufig eher reaktiv als proaktiv sind, erst zu spät in den Entscheidungsprozess eingreifen und keine externen Stellen einbeziehen, die in ausreichendem Maße oder rechtzeitig einen Beitrag zur Abmilderung ihrer sozialen Auswirkungen leisten können;

V.  in der Erwägung, dass die Kommission mit ihrem Grünbuch „Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen: Lehren aus den jüngsten Erfahrungen“ anerkennt, dass „technologische Veränderungen und Innovationen die Unternehmen und Arbeitnehmer zu Anpassungsstrategien zwingen (können), doch gibt es auch Anzeichen dafür, dass Innovationen – wenn sie mit Forschungs- und Bildungsmaßnahmen kombiniert werden – für Europa eine effektive Möglichkeit zur Überwindung der Krise darstellen können“;

W.  in der Erwägung, dass die Genossenschaften Umstrukturierungen sozial verantwortlich bewältigen und dass sie aufgrund des besonderen genossenschaftlichen Verwaltungsmodells, das auf Gemeinschaftseigentum, demokratischer Teilhabe und Kontrolle durch die Mitglieder beruht, sowie dank ihrer Fähigkeit, sich auf ihre eigenen Finanzmittel und Fördernetzwerke zu stützen, bei der Bewältigung von langfristigen Umstrukturierungen und bei der Schaffung neuer Unternehmen flexibler und innovativer sind;

X.  in der Erwägung, dass die Kommission ungeachtet der weiter oben aufgeführten eindeutigen Erklärungen enttäuschend auf Entschließungen des Parlaments zu Unterrichtung, Anhörung und Umstrukturierung, in denen die Notwendigkeit dringender und konkreter Maßnahmen in diesem Bereich betont wurde, und auf Ersuchen anderer relevanter wirtschaftlicher und sozialer Akteure reagiert hat;

Y.  in der Erwägung, dass diese Entschließung Verpflichtungen im Bereich der Unterrichtung aufgrund anderer Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten unberührt lässt; in der Erwägung, dass die Unterrichtungsverfahren, sofern Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten dies so vorsehen, zur Umsetzung der in dieser Entschließung niedergelegten Empfehlungen uneingeschränkt befolgt werden sollten;

Z.  in der Erwägung, dass diese Entschließung auf nationales Recht zurückzuführende Verpflichtungen im Bereich des Arbeitsschutzes und der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen unberührt lässt;

AA.  in der Erwägung, dass derzeit erhebliche Unterschiede bei den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu den Pflichten der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern bei der Durchführung von Umstrukturierungen bestehen; in der Erwägung, dass die europäischen Sozialpartner in den letzten zehn Jahren zweimal angehört wurden;

AB.  in der Erwägung, dass eine ordnungsgemäße und effiziente Unterrichtung und Anhörung in Bezug auf Umstrukturierungen bedeutet, dass sie mehrere Monate vor dem geplanten Umstrukturierungsbeschluss erfolgen, dass sie auch die abhängigen Unternehmen betreffen und dass sie zur schnellen Einführung von Ausbildungs- und Umschulungsmaßnahmen führen, um dazu beizutragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Union zu erhöhen und in Krisenzeiten ein Signal der Sicherheit und Transparenz an die Unionsbürger und an die Investoren zu senden;

AC.  in der Erwägung, dass die Unternehmen, die es nicht schaffen, sich an die wechselnden Bedingungen anzupassen, auf lange Sicht nicht mit ihren Wettbewerbern Schritt halten können; in der Erwägung, dass die Unternehmen, die Arbeitnehmer und Sektoren selbst meist am besten wissen, wo sie Umstrukturierungsbedarf haben; in der Erwägung, dass jeder Mitgliedstaat unterschiedliche Umstrukturierungsprozesse durchläuft und dass deren Auswirkungen in jedem Mitgliedstaat verschieden sind;

AD.  in der Erwägung, dass die Kommission, um Arbeitnehmer und Unternehmen dabei zu unterstützen, den Wandel effizient zu antizipieren, tiefgreifende Untersuchungen und Analysen sowohl zum Phänomen der Umstrukturierungen selbst als auch zur Überwachung der Wirtschaftszweige, einschließlich einer Reihe von Studien zum Wandel der Beschäftigung zwischen heute und 2020, in die Wege geleitet hat(21); in der Erwägung, dass diese prospektive Analyse in Zusammenarbeit mit unabhängigen Forschern, Sozialpartnern und anderen Unionseinrichtungen wie dem Europäischen Parlament, den Agenturen und Einrichtungen der Union wie der Europäischen Stelle zur Beobachtung des industriellen Wandels(22), der Europäischen Stiftung für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und dem Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung durchgeführt wird;

AE.  in der Erwägung, dass die Verordnung (EG) Nr. 1927/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung(23) derzeit überprüft wird;

1.  fordert die Kommission gemäß Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf, ihm so bald wie möglich und nach Anhörung der Sozialpartner entsprechend der als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen einen Vorschlag für einen Rechtsakt über Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern, Antizipation und Management von Umstrukturierungen zu unterbreiten;

2.  stellt fest, dass die genannten Empfehlungen mit den Grundrechten und dem Grundsatz der Subsidiarität in Einklang stehen; bekräftigt ferner, dass die Empfehlungen in Einklang mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Unternehmensfreiheit und dem Eigentumsrecht stehen;

3.  unterstreicht die Bedeutung eines auf gegenseitiges Vertrauen und geteilte Verantwortung gestützten, starken sozialen Dialogs als bestes Instrument für die Suche nach einvernehmlichen Lösungen und gemeinsamen Zielsetzungen bei der Vorwegnahme, Vorbereitung und Organisation der Umstrukturierungsprozesse;

4.  fordert die Kommission auf, zu untersuchen, ob die Notwendigkeit besteht, auf Unionsebene Maßnahmen zur Überwachung der Tätigkeiten der Unternehmen zu treffen, um jegliche Form des Missbrauchs, der vor allem den Arbeitnehmern schaden würde, zu vermeiden;

5.  fordert die Kommission auf, zu gewährleisten, dass erst als letzte Option, nachdem alle möglichen Alternativen in Betracht gezogen wurden, auf die Kündigung zurückgegriffen wird, ohne dass dies die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigt;

6.  vertritt die Auffassung, dass der verlangte Vorschlag keine finanziellen Auswirkungen haben wird;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat zu übermitteln.

(1) http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/empl/dv/eava_info_of_workers_with_annexes_/eava_info_of_workers_with_annexes_en.pdf
(2) ABl. C 258 vom 10.9.1999, S. 1.
(3) ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 53.
(4) ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 1.
(5) ABl. L 225 vom 12.8.1998, S. 16.
(6) ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
(7) ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16.
(8) ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 22.
(9) ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29.
(10) ABl. L 207 vom 18.8.2003, S. 25.
(11) ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 12.
(12) ABl. L 310 vom 25.11.2005, S. 1.
(13) ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28.
(14) ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 58.
(15) ABl. L 308 vom 24.11.2010, S. 46.
(16) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0589.
(17) ABl. C 117 E vom 18.5.2006, S. 256.
(18) ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 24.
(19) ABl. C 76 E vom 27.3.2008, S. 138.
(20) ABl. C 199 E vom 7.7.2012, S. 131.
(21) SEC(2008)2154 Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Umstrukturierung und Beschäftigung Beitrag der Europäischen Union.
(22) 2001 wurde einer der Vorschläge der Gyllenhammar-Sachverständigengruppe umgesetzt. In diesem Zusammenhang wurde auch das Europäische Zentrum zur Beobachtung des Wandels (EMCC) als Einrichtung von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Sitz in Dublin, gegründet. Das EMCC leitet insbesondere den European Restructuring Monitor (ERM) zur Erfassung von Daten zu Umstrukturierungsmaßnahmen spezifischen Ausmaßes.
(23) ABl. L 406 vom 30.12.2006, S. 1.


ANLAGE

AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

   gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe e, ist der Auffassung, dass der anzunehmende Rechtsakt die nachstehenden Aspekte enthalten sollte:

Empfehlung 1

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.  Bei der frühzeitigen Erkennung, Vorbereitung und Bewältigung von Umstrukturierungen handeln die Unternehmen, die Arbeitnehmervertreter, die staatlichen Behörden und die anderen Akteure gemäß ihrer jeweiligen Eigenschaft und Zuständigkeit sowie zu einem Zeitpunkt nach Maßgabe ihrer jeweiligen Zuständigkeit in einem Geist der Zusammenarbeit auf der Grundlage rechtzeitiger und umfassender Anhörung und Unterrichtung und erkennen dabei an, dass diese Prozesse darauf abzielen, sowohl die Interessen der Unternehmen in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als auch die Interessen ihrer Arbeitnehmer zu schützen.

2.  Für eine wirtschaftlich erfolgreiche Umstrukturierung mit sozialer Verantwortung ist die Einbindung in eine langfristige Strategie erforderlich, die darauf abzielt, die langfristige Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten und zu stärken. Zudem müssen die Humanressourcen in den Mittelpunkt der strategischen Entwicklung des Unternehmens gerückt werden.

3.  Die Arbeitgeber berücksichtigen bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung, insbesondere auf dem Gebiet der Altersdiskriminierung.

4.  Frühzeitige Erkennung, Vorbereitung und Bewältigung des Wandels erfolgen im Kontext einer Stärkung des sozialen Dialogs sowie im Hinblick auf das Ziel, den Wandel auf eine Weise zu fördern, dass dieser mit der Aufrechterhaltung der vorrangigen Ziele Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte vereinbar ist.

5.  Maßnahmen betreffend die Situation des Unternehmens und die voraussichtliche Entwicklung der Beschäftigung und der Arbeitsbedingungen müssen in Betracht gezogen, vorangetrieben und intensiviert werden, vor allem wenn diese bedroht sind.

6.  Die Umstrukturierung wird erleichtert und die Auswirkungen werden abgefedert, wenn die Unternehmen die Qualifikationen und Fähigkeiten ihrer Arbeitnehmer weiterentwickeln und damit die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer verbessern und deren betriebsinterne und externe Mobilität steigern.

7.  Anpassungsfähige Unternehmen und widerstandsfähige Arbeitnehmer konzipieren in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer, den staatlichen Stellen und anderen einschlägigen Organisationen Mechanismen, anhand derer der künftige Bedarf an Arbeitskräften und Qualifikationen antizipiert und geplant werden können. Sie erkennen das Recht jedes Arbeitnehmers an, geeignete Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitnehmer erkennen an, dass Bildung und lebenslanges Lernen notwendig sind, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu stärken.

8.  Aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Unternehmen haben Umstrukturierungen Auswirkungen über den Umkreis eines einzelnen Unternehmens hinaus, weshalb die Einrichtung multilateraler Foren immer notwendiger wird, um einen Austausch zu sozialen Fragen zu ermöglichen.

9.  Gute Umstrukturierungsmethoden erfordern eine möglichst früh in die Wege geleitete Vorbereitung, die eingeleitet werden muss, sobald die Notwendigkeit einer Umstrukturierung das erste Mal in Betracht gezogen wurde, damit die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, Umwelt- und territorialen Auswirkungen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden können.

10.  Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass jede Umstrukturierung, insbesondere eine größere Umstrukturierung, die erhebliche Auswirkungen hat, den Beteiligten erklärt und begründet werden sollte, wobei die Wahl der in Betracht gezogenen Maßnahmen im Verhältnis zu den Zielen und zu alternativen Möglichkeiten erläutert und die uneingeschränkte und angemessene Einbindung der Arbeitnehmervertreter auf allen Ebenen beachtet werden sollte; dies sollte rechtzeitig vorbereitet werden, damit die Akteure sich auf die Anhörungen vorbereiten können, bevor das Unternehmen eine Entscheidung fällt.

11.  In ihren ernsthaften Bemühungen zur Begrenzung der Auswirkungen der Umstrukturierung dürfen die Unternehmen Entlassungen ausschließlich als letztes Mittel in Betracht ziehen und nur dann, wenn sie alle anderen möglichen alternativen Optionen geprüft und/oder mögliche Stützungsmaßnahmen durchgeführt haben.

12.  Die aktive Zusammenarbeit und Unterstützung seitens der Behörden auf der relevanten Ebene bei der Vorbereitung und Bewältigung während der Umsetzung der Umstrukturierungsmaßnahmen trägt erheblich zur wirtschaftlichen Umstellung und zum Verbleib der Arbeitnehmer bei. Lokale Wirtschaftsakteure, insbesondere KMU, die sich infolge von Lieferverträgen oder Untervergabe in einer Situation der Abhängigkeit gegenüber dem umzustrukturierenden Unternehmen befinden, sollten ebenfalls einbezogen werden.

13.  Vorhandene Systeme zur finanziellen Unterstützung, die über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder den Europäischen Sozialfonds (ESF) im Rahmen der neuen Finanziellen Vorausschau 2014-2020 abgewickelt werden, sollten keine auf nationaler Ebene eingerichteten Anreize auf der Grundlage frühzeitiger Erkennung, Vorbereitung und verantwortungsvoller Verwaltung ersetzen. Der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) sollte mit verstärktem Einsatz weitergeführt werden, um vorübergehend in reaktiver oder deeskalierender Weise tätig werden zu können.

14.  Die Unternehmen müssen zusammen mit den Arbeitnehmervertretern Instrumente zur regelmäßigen Bewertung und Berichterstattung über ihre Tätigkeiten in Bezug auf die frühzeitige Erkennung von Umstrukturierungen unter Beachtung der einzelstaatlichen Gesetze oder Verfahren einführen.

15.  Der neue Schwerpunkt der wirtschaftspolitischen Steuerung konzentriert sich auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und bedroht durch die Beschränkungen der öffentlichen Hand die Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen von Restrukturierungen abzumildern.

16.  Jede Unionsvorschrift sollte auf Unternehmen oder Unternehmensgruppen, sowohl in öffentlichem als auch privatem Eigentum, nach EU-Recht und nationalem Recht und/oder Tarifverträgen Anwendung finden, in jedem Fall aber auf die wichtigsten Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmen und Unternehmensgruppen Anwendung finden, von denen entweder eine hohe Zahl von Arbeitnehmern oder ein hoher Prozentsatz der Beschäftigten in diesen Unternehmen innerhalb kurzer Frist betroffen sind.

17.  Jeder Unionsrahmen zu frühzeitiger Erkennung, Vorbereitung und Bewältigung des Wandels und der Umstrukturierung sollte eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und seinen Arbeitnehmervertretern auf lokaler Ebene fördern und einer solchen Vereinbarung Vorrang verleihen. Nur wenn keine Einigung erzielt wird, finden die Standardvorschriften Anwendung.

Empfehlung 2: das Ziel

1.  Zweck ist die Förderung und Erleichterung von Unterrichtung und Anhörung bei wirtschaftlichem Wandel und die Verbesserung der Art und Weise, in der Unternehmen, Arbeitnehmervertreter, staatliche Stellen und andere wichtige Akteure, denen jeweils unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche in verschiedener Abfolge im Prozess der Umstrukturierung obliegen, in der gesamten Union Unternehmensumstrukturierungen sozial und umweltpolitisch verantwortlich antizipieren, vorbereiten und bewältigen.

2.  Zu diesem Zweck erkennen Unternehmen und Arbeitnehmervertreter, wenn sie mit der Umstrukturierung befasst sind, in einem Geiste der Zusammenarbeit an, dass diese Prozesse darauf abzielen, sowohl die Interessen der Unternehmen in Bezug auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als auch die Interessen ihrer Arbeitnehmer in Bezug auf soziale Sicherheit und Beschäftigung, Gesundheit und Arbeitsbedingungen zu schützen.

Empfehlung 3: Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich

1.  Im Sinne dieser Akte gelten folgende Definitionen:

   a) „Unternehmen“ sind Unternehmen oder Unternehmensgruppen, sowohl in öffentlichem als auch privatem Eigentum, nach EU-Recht und nationalem Recht und/oder Tarifverträgen;
   b) „abhängige Unternehmen“ sind Gesellschaften und Unternehmen, die sich in einer Situation der hohen Abhängigkeit gegenüber den oben genannten Unternehmen befinden infolge von Untervergabe, Lieferverträgen und sonstigen Verträgen;
   c) „Arbeitnehmervertreter“ sind die Vertreter, die nach einzelstaatlichem Recht und/oder nach mitgliedsstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind;
   d) „Vereinbarungen“ sind Vereinbarungen, die auf der relevanten Ebene (europäischer, einzelstaatlicher, sektorbezogener, regionaler oder Unternehmensebene) zwischen Vertretern der Unternehmen oder ihrer Organisationen auf der einen Seite und Vertretern der Arbeitnehmer auf der anderen Seite abgeschlossen werden, die ermächtigt sind, nach einzelstaatlichem Recht oder nach mitgliedsstaatlichen Gepflogenheiten oder nach von den zuständigen Gewerkschaftsverbänden auf europäischer Ebene festgelegten Verfahren Tarifvereinbarungen abzuschließen.
   e) „Arbeitnehmer“ sind die Arbeitnehmer der Unternehmen, unabhängig von der Art des Arbeitsvertrags;
   f) „staatliche Stellen“ sind Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung auf der relevanten Ebene, wie von den Mitgliedstaaten benannt, einschließlich lokale Arbeitsverwaltungen;
   g) „Umstrukturierung“ ist jede Veränderung, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien über Massenentlassungen oder Betriebsübergang fällt;
   h) „Beschäftigungsfähigkeit“ ist die Fähigkeit des Arbeitnehmers, entsprechend seinen Qualifikationen, seiner Erfahrung und seiner Ausbildung einen Arbeitsplatz zu erhalten oder zu wechseln.
   i) „Anhörung und Beratung“ wird gemäß den einschlägigen europäischen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich definiert.

2.  Jeder Unionsrechtsakt sollte auf Unternehmen oder Unternehmensgruppen, sowohl in öffentlichem als auch privatem Eigentum, nach Unions- und nationalem Recht und/oder Tarifverträgen Anwendung finden, in jedem Fall aber auf die wichtigsten Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmen und Unternehmensgruppen Anwendung finden, von denen entweder eine hohe Zahl von Arbeitnehmern oder ein hoher Prozentsatz der Beschäftigten in diesen Unternehmen innerhalb kurzer Frist betroffen sind.

Empfehlung 4: langfristige strategische Planung, Anpassungsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit

1.  Jede Umstrukturierung wird in eine langfristige Strategie eingebunden, die darauf abzielt, die langfristige Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten und zu stärken, um eine innovationsorientierte Kultur zu fördern, wobei sich gezeigt hat, dass Unternehmen in den meisten Fällen aufgrund unvorhergesehener Veränderungen der Marktbedingungen oder technologischer Entwicklungen zu Umstrukturierungen gezwungen sind.

2.  Eine langfristige Strategie umfasst wirtschaftliche Entwicklung sowie personelle, Beschäftigungs- und Qualifikationsziele, bei denen der Schwerpunkt auf die dauerhafte Weiterentwicklung der Qualifikationen und Fähigkeiten der Arbeitskräfte gelegt wird, damit die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit sowie die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens verbessert und die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhöht werden, um den Wechsel von Arbeitnehmern zu erleichtern und ihre betriebsinterne und externe Mobilität zu erhöhen.

3.  Zu diesem Zweck legen die Mitgliedstaaten den Unternehmen nahe, dafür zu sorgen, dass jeder Arbeitnehmer Zugang zu Weiterbildung hat, um die Entwicklung der Arbeitsplätze in den Unternehmen zu antizipieren. Die Arbeitnehmer erkennen an, dass Bildung und lebenslanges Lernen notwendig sind, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen und nehmen die einschlägigen Weiterbildungsangebote an.

4.  Die vorgeschlagenen Weiterbildungen stellen eine echte langfristige Investition dar, die unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers ist. Es handelt sich insbesondere um den Bedarf in Spitzenindustriezweigen, im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft oder im Bereich der Gesundheitsleistungen und im weiteren Sinne in den Sektoren, die am besten zur Umsetzung der Ziele der Strategie Europa 2020 geeignet sind.

Empfehlung 5: frühzeitige Erkennung des Bedarfs an Arbeitskräften und Qualifikationen

1.  Die Unternehmen konzipieren in Abstimmung mit den Vertretern der Arbeitnehmer mit dem Willen zur Verständigung unter Beachtung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten und gegebenenfalls mit den staatlichen Stellen und anderen wichtigen Akteuren Pläne zur Entwicklung von Humanressourcen, die auf ihre individuellen Umstände abgestimmt sind sowie Mechanismen für die Antizipierung und zukunftsgerichtete Planung in Bezug auf den Bedarf an Arbeitskräften und Qualifikationen.

2.  Zu diesem Zweck legen die Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer und anderen wichtigen Akteuren Folgendes fest:

   a) Mechanismen für die langfristige Strategie des quantitativen und qualitativen Bedarfs an Arbeitskräften und Qualifikationen im Zusammenhang mit Innovations- und Entwicklungsstrategien, mit denen der vorhersehbaren positiven und negativen Entwicklung der Wirtschaft, der Beschäftigung und der beruflicher Fähigkeiten und Arbeitsbedingungen Rechnung getragen wird, sowie Mechanismen zur Ermittlung des aktuellen Qualifikationsstandes der einzelnen Arbeitnehmer;
  b) mehrjährige Pläne zur Entwicklung der Beschäftigung, der Qualifikationen und Arbeitsbedingungen in den wichtigsten Bereichen, zum Beispiel:
   - Identifizierung und frühzeitige Erkennung des Kompetenz- und Qualifikationsbedarfs;
   - Unterstützung bei der Schaffung einer Lernkultur, die den Arbeitnehmern dabei helfen soll, geeignete Weiterbildungsmaßnahmen zu absolvieren;
   regelmäßige Bewertung der Fertigkeiten des Einzelnen, auf deren Grundlage individuelle Weiterbildungskonzepte ausgearbeitet werden;
   regelmäßige Bewertungen der Arbeitsbedingungen, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsorganisation;
   individuelle Weiterbildungspläne mit quantitativen Zielvorgaben;
   ein jährlicher Fortbildungsetat;
   individuelle Fortbildungskonten;
   - Ausbildungsprogramme, sowohl intern als auch extern;
   - Urlaub zu Bildungszwecken;
   besondere Fortbildungsmaßnahmen zum Umgang mit ermittelten Problemen.

3.  Jedem Arbeitnehmer wird eine bestimmte Zahl von Fortbildungsstunden pro Jahr angeboten; diese Zahl wird gesetzlich oder im Rahmen von Tarifvereinbarungen festgelegt. Der Fortbildungsbedarf sollte jedoch hauptsächlich über die Bewertung von Qualifikationen ermittelt werden, um festzustellen, ob die Beschäftigungsfähigkeit weiterhin gegeben ist.

4.  Der Fortbildungsbedarf der einzelnen Arbeitnehmer ist regelmäßig zu überprüfen, gegebenenfalls sind angemessene Fortbildungsmaßnahmen anzugeben.

5.  Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 beziehen sich nicht auf Unternehmen und Arbeitnehmer, die unter eine Vereinbarung fallen, die auf einer relevanten Ebene mit relevanten Parteien zu den Verfahren über die Antizipierung von Qualifikationen oder Bewertung in Bezug auf den Bedarf an Arbeitskräften und Qualifikationen geschlossen wurde.

6.  Wann immer dies möglich und angemessen ist,

   a) konzipieren die Unternehmen die Mechanismen und Pläne gemäß Absatz 2 in enger Zusammenarbeit mit externen Akteuren, darunter regionalen Behörden, Hochschulen und sonstigen Anbietern im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung, Technologieinstituten;
   b) beteiligen sich die Unternehmen an externen Beobachtungsstellen, Partnerschaften, Netzwerken und sonstigen einschlägigen Initiativen in Bezug auf Beschäftigung und Qualifikationen in der jeweiligen Region und/oder im betreffenden Sektor, Innovationszentren und Entwicklungsagenturen;

7.  Die konkrete Umsetzung wird in einer Vereinbarung zwischen den betroffenen Parteien festgehalten.

8.  Abhängige Unternehmen werden von den gemäß Absatz 2 vorgesehenen Änderungen und Plänen in Kenntnis gesetzt. Auf ihre Arbeitnehmer können diese Mechanismen und Pläne auf Antrag des abhängigen Unternehmens Anwendung finden, das seinen Antrag damit begründet, dass diese Mechanismen und Pläne für dessen eigene Anpassung und Entwicklung notwendig oder sinnvoll sind. Dies schließt abhängige Unternehmen nicht davon aus, ihre eigenen Mechanismen zu entwickeln.

Empfehlung 6: frühzeitige Vorbereitung

1.  Außer in den Fällen, in denen die Umstrukturierung durch unvorhergesehene oder plötzlich auftretende Ereignisse ausgelöst wurde, geht jeder Umstrukturierung, insbesondere jener, die bedeutende negative Auswirkungen haben kann, eine angemessene Vorbereitung mit allen Beteiligten nach Maßgabe ihrer jeweiligen Zuständigkeiten voraus, mit dem Ziel, die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und lokalen Auswirkungen abzufedern.

2.  Umstrukturierungen werden im Allgemeinen durch außergewöhnliche Umstände aufgrund von Marktveränderungen oder technologischen Entwicklungen ausgelöst. Es liegt im Interesse aller Betroffenen, dass Geschäftsführung und Arbeitnehmer solche außergewöhnlichen Umstände bei deren Auftreten zeitnah auf der Grundlage rechtzeitiger und umfassender Anhörung und Unterrichtung nach Maßgabe der vorhandenen Unionsrechtsvorschriften erörtern.

3.  Alle vorgeschlagenen Umstrukturierungsmaßnahmen sind den Arbeitnehmervertretern zu übermitteln und umfassend darzulegen, um sie in die Lage zu versetzen, eine tiefgreifende Bewertung vorzunehmen und sich gegebenenfalls auf Anhörungen vorbereiten zu können.

4.  Diese Vorbereitung wird so bald wie möglich durchgeführt und beginnt, sobald die Notwendigkeit einer Umstrukturierung in Erwägung gezogen wurde, unter Berücksichtigung der Methoden und Verfahren, die für den Sektor, die Region oder gegebenenfalls die betreffende Gesellschaft ausgehandelt wurden. Außer in den außergewöhnlichen Umständen im Sinne des oben stehenden Absatzes 1 wird sie innerhalb einer Frist durchgeführt, die die gründliche Verständigung aller Beteiligten sowie die Annahme von Maßnahmen ermöglicht, mit denen die negativen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und lokalen Auswirkungen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden können.

5.  Die lokalen Wirtschaftsakteure, insbesondere die Unternehmen und ihre Arbeitnehmer, die sich in einer Position der Abhängigkeit gegenüber des sich in der Umstrukturierung befindlichen Unternehmens befinden, sollten ebenfalls von Anfang an aktiv an über die vorgesehene Umstrukturierung informiert werden.

6.  Die Transparenz und die rechtzeitig erfolgende Information der Arbeitnehmer über die Lage der Unternehmen sind von entscheidender Bedeutung, um sie in die Umstrukturierung und die Prozesse der Antizipierung des Wechsels einzubeziehen. Die Beschäftigten müssen in einem frühen Stadium in die Gespräche einbezogen werden, damit sie sich an den Umstrukturierungsprozessen der Unternehmen beteiligen oder die mögliche Übernahme des Unternehmens im Falle einer Schließung planen können.

7.  Es wird verlangt, dass bei jeder Umstrukturierung vorrangig deren Auswirkung auf Entlassungen geprüft wird, verbunden mit einem klaren und eindeutigen Engagement der Unternehmen für die Arbeitsplätze.

Empfehlung 7: Unterrichtung und Anhörung bei betrieblichen Entscheidungen

1.  Jede Umstrukturierung, insbesondere jene, die negative Auswirkungen hinsichtlich des Verlusts von Arbeitsplätzen haben können, muss den relevanten Akteuren vor der Umsetzung von konkreten Maßnahmen frühzeitig mitgeteilt und begründet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Umstrukturierung auf der Grundlage langfristiger strategischer Ziele und Erfordernisse oder kurzfristiger Sachzwänge erfolgen soll und ob die Entscheidung zur Umstrukturierung vom Unternehmen oder von einer das Unternehmen beherrschenden Gruppe getroffen wird.

2.  Die in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen umfassen die Begründung der Wahl der in Betracht gezogenen Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele nach Prüfung anderer Optionen im Interesse aller Beteiligten.

3.  Die Unternehmen unterrichten die staatlichen Stellen und die Arbeitnehmervertreter auf der relevanten Ebene, insbesondere auf lokaler Ebene, rechtzeitig und von Anfang an und binden sie so viel wie möglich in die Umsetzung der Umstrukturierung ein.

4.  Die lokalen Wirtschaftsakteure, insbesondere die Unternehmen und ihre Arbeitnehmer, die sich in einer Position der Abhängigkeit gegenüber des sich in der Umstrukturierung befindlichen Unternehmens befinden, werden ebenfalls so bald wie möglich über die Umstrukturierung informiert.

5.  Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter auf nationaler Ebene vergleichbar geregelt sind.

Empfehlung 8: Minimierung der betriebsinternen Kosten mithilfe eines Sozialplans

1.  Wenn die Umstrukturierung notwendig ist, ziehen die Unternehmen Entlassungen erst als letztes Mittel in Betracht, und nur dann, wenn sie alle anderen Möglichkeiten geprüft und Stützungsmaßnahmen ermittelt und wenn möglich durchgeführt haben.

2.  Die Unternehmen ziehen insbesondere alle entsprechenden Optionen als Alternativen zu Entlassungen in Betracht und treten mit internen und externen Akteuren in einen Dialog, um sie an der Lösungsfindung zu beteiligen, zum Beispiel:

   a) stufenweise Einführung von geplanten Maßnahmen;
   b) Verringerung der Arbeitsintensivierung;
   c) vorübergehende und/oder dauerhafte Arbeitszeitverkürzung oder Neuorganisation;
   d) Neuaushandlung der Arbeitsbedingungen;
   e) betriebsinterne oder externe Umsetzung innerhalb der Unternehmensgruppe oder auch anderer Unternehmen, die nicht zur selben Gruppe gehören;
   f) Insourcing externer Tätigkeiten;
   g) nach Konsultationen beschlossene Abgänge; und
   h) natürliche Abgänge.

3.  Wenn Entlassungen nicht vermieden werden können oder wenn sie Teil eines Pakets sind, das im Rahmen alternativer Lösungen durchgeführt wird, beteiligen sich die Unternehmen, unterstützt durch lokale Gebietskörperschaften und öffentliche/private Arbeitsverwaltungen, daran, den betroffenen Arbeitnehmern die Unterstützung anzubieten, die unter den gegebenen Umständen geeignet ist und die darauf abzielt, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen und ihnen dabei zu helfen, so schnell wie möglich und auf nachhaltige Weise auf den Arbeitmarkt zurückzukehren.

4.  Unbeschadet ihrer Verpflichtungen gemäß den europäischen und nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ziehen die Unternehmen die folgenden Beschäftigungsmaßnahmen in Betracht, soweit sich diese als nützlich erweisen oder die Auswirkungen der Umstrukturierung begrenzen:

   Bereitstellung von Informationen an von Entlassung bedrohte oder betroffene Arbeitnehmer über den Arbeitsmarkt, ihre Rechte und die im Zuge der Umstrukturierung aushandelten Bedingungen;
   Einrichtung von Umsetzungs- und/oder Mobilitätsstellen;
   Aus- und Weiterbildung;
   individuelle berufliche Beratung;
   Unterstützung bei der Stellensuche, einschließlich bezahlter Freistellung zu diesem Zweck;
   faire Ausgleichsleistungen;
   Förderung der Gründung eigener Unternehmen und Genossenschaften sowie unterschiedlicher Formen der finanziellen Beteiligung;
   Überwachung, Beobachtung und Beratung zur Vermeidung oder Reduzierung der nachteiligen physischen und psychosozialen Auswirkungen der Umstrukturierung sowohl auf gegebenenfalls entlassene als auch verbliebene Arbeitnehmer;
   Recht auf Wiedereinstellung für entlassene Arbeitnehmer;
   Förderung der Übertragung von Unternehmen, auch die Übertragung von Unternehmen an die Beschäftigten in Form einer Genossenschaft;
   gegebenenfalls psycho-soziale Betreuung.

Empfehlung 9: Vereinbarungen über die Bewältigung von Umstrukturierungen

1.  Unternehmen und die Vertreter ihrer Arbeitnehmer handeln gegebenenfalls Tarifverträge zur Regelung der sich aus der vorgesehenen Umstrukturierung ergebenden Probleme aus.

2.  Die Bestimmungen der Empfehlungen 6 und 7 beziehen sich nicht auf Unternehmen und Arbeitnehmer, die unter eine Vereinbarung fallen, die auf relevanter Ebene und mit den relevanten Parteien über die Verfahren und Mechanismen zur Vorbereitung, sozial verantwortungsvollen Verwaltung und Minimierung der betriebsinternen Kosten der Umstrukturierung geschlossen wurde.

Empfehlung 10: Minimierung der externen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Kosten

1.  Wenn eine Umstrukturierung einschneidende lokale Auswirkungen hat, versuchen die Unternehmen, Komplementaritäten und Synergien zwischen ihren vorbereitenden Maßnahmen und den Maßnahmen aller anderen Beteiligten zu entwickeln, mit dem Ziel, die Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer zu maximieren, um die wirtschaftliche, soziale und ökologische Umstellung zu fördern und neue, hochwertige Arbeitsplätze schaffende, nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten auf umweltfreundliche Weise zu entwickeln, durch den Abschluss von Vereinbarungen zwischen Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweigs oder der gleichen geografischen Region für die Wiederbeschäftigung von entlassenen Arbeitnehmern.

2.  Im Sinne von Absatz 1 informieren die Unternehmen die regionalen oder lokalen Behörden und sonstige wichtige Akteure über die entsprechend Empfehlung 8 ausgearbeiteten Maßnahmen. Sie beteiligen sich an und/oder leisten einen Beitrag zu speziellen Arbeitsgruppen oder Netzwerken, die auf regionaler oder sektoraler Ebene eingerichtet wurden, um die Auswirkungen der Umstrukturierung auf ein Minimum zu beschränken.

3.  Soweit erforderlich, konzipieren die Unternehmen in Übereinstimmung mit nationalen oder regionalen Bestimmungen Strategien zur Sanierung und/oder Umwidmung von Betriebsstätten, die aufgegeben werden sollen, und setzen diese in Form von Umweltmaßnahmen, zwecks Anziehung neuer Aktivitäten oder als Möglichkeit, einen Teil der verloren gehenden Arbeitsplätze aufzufangen, um.

4.  Die in Empfehlung 8 genannten Maßnahmen gelten so weit wie möglich für die Arbeitnehmer von Unternehmen, die abhängig sind. Abhängige Unternehmen und ihre Arbeitnehmer werden auf jeden Fall über solche Maßnahmen informiert, wenn solche Informationen für ihre eigene Anpassung und für die Bewältigung der Umstrukturierung in diesen Unternehmen notwendig oder nützlich sind.

Empfehlung 11: Unterstützung aus öffentlichen Mitteln

1.  Ferner stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Behörden und alle Organe in eigener Zuständigkeit die Hilfe oder Beratung gewähren, die zur Erleichterung und Unterstützung eines reibungslosen Verlaufs der Umstrukturierung erforderlich ist, damit ihre Auswirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben.

2.  Die staatlichen Stellen und Arbeitsverwaltungen auf den verschiedenen Ebenen greifen antizipierend und lenkend mit folgenden Maßnahmen ein:

   a) Förderung des Dialogs sowie der Koordinierung und Zusammenarbeit mit den externen Akteuren;
   b) Unterstützung der Antizipierung von Prozessen und insbesondere Umstrukturierungen mit dem Ziel, ihre wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltauswirkungen abzufedern.

3.  Die staatlichen Stellen und Arbeitsverwaltungen unterstützen oder beraten in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen der Sozialpartner auf der jeweiligen Ebene die Mechanismen für langfristige Planung und mehrjährige Pläne in Bezug auf den Bedarf an Arbeitsplätzen und Qualifikationen, die im Betrieb entwickelt werden, vor allem durch die Veranlassung einer Qualifikationsbeurteilung für alle betroffenen Arbeitnehmer.

4.  In Gebieten, die vom Strukturwandel betroffen sind, sorgen die staatlichen Stellen in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen der Sozialpartner auf der jeweiligen Ebene gegebenenfalls für:

   a) Einsetzung ständiger Gremien, Netzwerke oder Beobachtungsstellen, um Änderungsprozesse zu antizipieren, und Durchführung unentgeltlicher Qualifikationsbeurteilungen, vorrangig für Arbeitnehmer mit mangelnder Beschäftigungsfähigkeit;
   b) Förderung territorialer Beschäftigungspakte, die auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Anpassung ausgerichtet sind, unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten der Kleinst- und Kleinunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen;
   c) Förderung oder Einführung von Mechanismen zur Erleichterung des Beschäftigungsübergangs, auch durch die Vernetzung von Unternehmen und den Austausch bewährter Verfahren;
   d) Durchführung von Schulungen für kleine und mittlere Unternehmen und deren Arbeitnehmer und Unterstützung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen ihnen und großen Unternehmen;
   e) Förderung der regionalen Beschäftigung und der wirtschaftlichen, sozialen sowie ökologischen Umstellung.
   f) Förderung der technologischen Innovationsmöglichkeiten insbesondere im Rahmen der Verringerung der CO2-Emissionen.

Empfehlung 12: finanzielle Unterstützung

1.  Unbeschadet der sich aus Unionsrecht, einzelstaatlichem Recht oder mitgliedstaatlichen Gepflogenheiten ergebenden Verpflichtungen der Unternehmen stellen die staatlichen Stellen gegebenenfalls Finanzmittel und andere Hilfsmittel zur Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern bereit, die in Unternehmen beschäftigt sind, die sich in einer Umstrukturierung befinden, sofern diese Art der Unterstützung notwendig oder angemessen ist, damit sie schnell auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können.

2.  Gemäß den Verordnungen über die Fonds der Union, insbesondere den EFRE und den ESF, können diese zur Unterstützung von integrierten Maßnahmen verwendet werden, mit denen Umstrukturierungen antizipiert und vorbereitet werden, sowie zur Unterstützung der Arbeitnehmer, damit sie sich zu den Zwecken gemäß Absatz 1 und 2 an den Wandel anpassen können.

3.  Unbeschadet jeglicher sich aus Unionsrecht oder einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ergebenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten oder Arbeitgeber kann der EGF unter Einhaltung der für ihn geltenden Bestimmungen zur finanziellen Unterstützung bei der schnellen Wiedereingliederung entlassener Arbeitnehmer in die Beschäftigung nützlich sein.

Empfehlung 13: Benennung der relevanten staatlichen Stellen

Die Mitgliedstaaten benennen die staatlichen Stellen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene, die für die Anwendung dieses Rechtsakts zuständig sind.

Empfehlung 14

1.  Die Unternehmen entwickeln Instrumente zur regelmäßigen Bewertung und Berichterstattung über ihre Umstrukturierungsmethoden, in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer und gegebenenfalls mit den externen Organisationen, die an diesem Prozess beteiligt sind.

2.  Die Mitgliedstaaten arbeiten mit der Europäischen Stiftung für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zusammen, indem sie statistische Informationen über Umstrukturierungen bereitstellen.

3.  Dieser Rahmen berührt nicht die aus dem EU-Recht resultierenden Rechte und Pflichten im Bereich der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Es bleibt den Mitgliedstaaten jedoch unbenommen, Vorschriften anzunehmen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger sind.

4.  Dieser Rahmen berührt nicht die Verpflichtungen im Bereich des Arbeitsschutzes im Zusammenhang mit Ausgleichszahlungen bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Durchführung darf unter keinen Umständen einen Grund zur Rechtfertigung einer Senkung des allgemeinen Schutzniveaus für Arbeitnehmer vor Diskriminierung darstellen, das bereits von den Mitgliedstaaten geboten wird.

5.  Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass Unternehmen in bestimmten Fällen und gemäß den nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Bedingungen und Einschränkungen nicht verpflichtet sind, Informationen weiterzuleiten, wenn diese Informationen nach objektiven Kriterien ihre Funktionsfähigkeit beeinträchtigen oder ihnen zum Nachteil gereichen würden. Ein Mitgliedstaat kann festlegen, dass eine solche Ausnahmegenehmigung vorheriger administrativer oder gerichtlicher Zustimmung bedarf.

6.  Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Arbeitnehmervertreter und alle anderen Personen, die Zugang zu Informationen haben, die ihnen ausdrücklich infolge dieser Rechtsakte erteilt wurden, nicht befugt sind, diese Informationen offenzulegen, wenn sie auf der Grundlage der Vertraulichkeit gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Praktiken übermittelt wurden.

7.  Die Mitgliedstaaten sollten Unternehmen, die das Unionsrecht nicht einhalten, von staatlichen Beihilfen aus den einzelstaatlichen Haushalten ausnehmen.

8.  Unbeschadet des Absatzes 7 schließt nichts die Verwendung von Mitteln aus dem Gesamthaushalt der Europäischen Union und aus den einzelstaatlichen Haushalten zum unmittelbaren Vorteil der Arbeitnehmer der in diesem Absatz genannten Unternehmen aus.

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