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Verfahren : 2013/2600(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0167/2013

Aussprachen :

PV 18/04/2013 - 10.2
CRE 18/04/2013 - 10.2

Abstimmungen :

PV 18/04/2013 - 11.2
CRE 18/04/2013 - 11.2

Angenommene Texte :

P7_TA(2013)0190

Angenommene Texte
PDF 209kWORD 25k
Donnerstag, 18. April 2013 - Straßburg
Menschenrechtslage in Kasachstan
P7_TA(2013)0190RC-B7-0167/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. April 2013 zur Lage der Menschenrechte in Kasachstan (2013/2600(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Kasachstan, einschließlich derjenigen vom 15. März 2012 zu Kasachstan(1), vom 15. Dezember 2011 zu dem Stand der Umsetzung der EU-Strategie für Zentralasien(2) und vom 17. September 2009 zu dem Fall Jevgenij Zhovtis in Kasachstan(3),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. November 2012 zu den Empfehlungen des Europäischen Parlaments an den Rat und an die Kommission zu den Verhandlungen für ein vertieftes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen(4),

–  in Kenntnis der Erklärung des Sprechers der Hohen Vertreterin Catherine Ashton vom 9. Oktober 2012 zu dem Gerichtsverfahren gegen Wladimir Koslow in Kasachstan und die Erklärung der Hohen Vertreterin zu den Parlamentswahlen vom 17. Januar 2012 in Kasachstan,

–  in Kenntnis des Rechtsgutachtens der Internationalen Juristen-Kommission vom 13. Februar 2013 zu den Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte in Kasachstan,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des OSZE-Vertreters für Medienfreiheit vom 25. Januar 2012 zur Lage der Medien in Kasachstan,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Direktors des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte vom 1. Februar 2012 zum gewaltsamen Vorgehen gegen die Opposition in Kasachstan,

–  in Kenntnis der Erklärung der International Partnership for Human Rights (IPHR) vom 20. März 2013 mit dem Titel „Overview of Human Rights concerns in Kazakhstan“ (Übersicht über Menschenrechtsangelegenheiten in Kasachstan),

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass das Bezirksgericht Almaty am 21. Dezember 2012 nach einem vom Generalstaatsanwalt Kasachstans am 20. November 2012 eingeleiteten Prozess die nicht registrierte Oppositionspartei „Alga!“ wegen des Vorwurfs des Extremismus verboten hat; in der Erwägung, dass in dem Verbot Alija Turusbekowa, die Ehefrau von Wladimir Koslow, persönlich haftbar gemacht wird;

B.  in der Erwägung, dass zahlreiche Oppositionsmedien, darunter acht kasachische Zeitungen und 23 Nachrichtenportale im Internet, die von der Staatsanwaltschaft als „ein vereinigtes Medienunternehmen Respublika“ bezeichnet wurden, am 25. Dezember 2012 wegen des Vorwurfs des Extremismus verboten wurden; in der Erwägung, dass diese Entscheidung vom Berufungsgericht am 22. Februar 2013 bestätigt wurde, was dazu führte, dass den betroffenen Journalisten die Ausübung ihres Berufs untersagt wurde;

C.  in der Erwägung, dass Kasachstan ein wichtiger internationaler Akteur und von überragender Bedeutung für die politische und sozioökonomische Entwicklung sowie für die Sicherheitslage in der gesamten Region ist; in der Erwägung, dass es in Zentralasien eine positive Rolle spielt, indem es sich bemüht, gutnachbarliche Beziehungen zu den Nachbarländern aufzubauen, die regionale Zusammenarbeit wiederaufzunehmen und alle bilateralen Fragen friedlich zu lösen; in der Erwägung, dass die EU ein vitales Interesse an der Intensivierung der politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit der Region durch starke und offene Beziehungen zwischen der EU und Kasachstan hat;

D.  in der Erwägung, dass Kasachstan schon seit langem zentrale bürgerliche und politische Rechte, wie etwa die Versammlungs-, die Meinungs- und die Religionsfreiheit, einschränkt; in der Erwägung, dass seit zwei Jahren eine Abnahme der Achtung der Grundfreiheiten und im Jahr 2012 – im Anschluss an die Gewaltausbrüche von Schangaösen im Dezember 2011 – eine unverhohlene Unterdrückung von Regierungskritikern festzustellen ist;

E.  in der Erwägung, dass mehrere Oppositionsführer, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Akteure der Zivilgesellschaft in den letzten Monaten Schikanen und strafrechtlichen Verfolgungen ausgesetzt waren, die in mehreren Fällen zu Haftstrafen geführt haben;

F.  in der Erwägung, dass der Kassationshof am 13. März 2013 die Zulassung der Berufung im Fall Wladimir Koslow abgelehnt hat, der zu siebeneinhalb Jahren Haft und der Einziehung von Vermögenswerten wegen des Vorwurfs der „Anstachelung zum sozialen Unfrieden“ verurteilt worden war, weil er „die gewaltsame Abschaffung der verfassungsmäßigen Ordnung gefordert“ habe und „eine organisierte Gruppe mit dem Ziel, Straftaten zu begehen, gegründet und angeführt“ habe; in der Erwägung, dass Koslow derzeit Berufung beim Obersten Gerichtshof als letzte Berufungsinstanz in seiner Rechtssache einlegt;

G.  in der Erwägung, dass der Menschenrechtsverteidiger Wadim Kuramschin am 7. Dezember 2012 zu 12 Jahren Haft wegen Erpressung des Assistenten des Bezirksstaatsanwalts verurteilt wurde; in der Erwägung, dass dieses Urteil vom Berufungsgericht am 14. Februar 2013 bestätigt wurde; in der Erwägung, dass Wadim Kuramschin, nachdem er im Anschluss an ein früheres Verfahren im August 2012 freigelassen worden war, bei seiner Rückkehr von der OSZE-Konferenz in Warschau im September 2012 erneut verhaftet wurde;

H.  in der Erwägung, dass die Regierung Kasachstans in Betracht zieht, die Arbeit an einem neuen nationalen Aktionsplan für Menschenrechte für 2013–2020 aufzunehmen;

I.  in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Generalstaatsanwalts eingesetzt haben, die das Strafgesetzbuch reformieren soll; in der Erwägung, dass am 15. und 16. März 2013 ein Rundtischgespräch zu dem Thema „Reform des Strafgesetzbuchs Kasachstans auf der Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien“ organisiert wurde, an dem eine Delegation der Venedig-Kommission als Berater für die Reform teilnahm; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament die Staatsorgane Kasachstans nachdrücklich aufgefordert hat, das Strafrecht des Landes mit internationalen Standards in Einklang zu bringen, und dabei auch Artikel 164 über die „Anstachelung zum sozialen Unfrieden“ zu reformieren;

J.  in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kasachstans den Vorwurf der „Anstachelung zum sozialen Unfrieden“ mehrmals als vagen und zu weit gefassten Vorwurf benutzt haben, mit dem die rechtmäßige Ausübung der Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit kriminalisiert werden kann, die nach den internationalen Menschenrechtsnormen geschützt sind;

K.  in der Erwägung, dass Kasachstan sein dreijähriges Mandat als Mitglied des UNHRC (Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen) am 1. Januar 2013 angetreten hat;

L.  in der Erwägung, dass sich Kasachstan als Mitglied der OSZE, deren Vorsitz es im Jahr 2010 innehatte, verpflichtet hat, die Grundprinzipien dieser Organisation zu achten und umzusetzen;

M.  in der Erwägung, dass Verleumdung nach wie vor ein Straftatbestand ist und gleichzeitig durch das Gesetz vom 10. Juli 2009 über die Einführung von Änderungen und Ergänzungen der Vorschriften über Informations- und Kommunikationsnetze Internet-Ressourcen (Websites, Chaträume, Blogs, Diskussionsforen) mit Massenmedien gleichgestellt werden und somit diese Ressourcen und ihre Eigentümer für die gleichen Vergehen haftbar gemacht werden;

N.  in der Erwägung, dass die HR/VP Catherine Ashton im November 2012 nach Zentralasien gereist ist und Kasachstan besuchte, als das gesetzliche Verbot der Opposition und der Medien erging; in der Erwägung, dass sie während ihres Besuchs keine Erklärung zu der Angelegenheit abgegeben hat, sondern erst hinterher im Dezember 2012;

O.  in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navi Pillay, im Juli 2012 im Anschluss an ihren zweitägigen Besuch in Kasachstan die Staatsorgane aufforderte, eine unabhängige internationale Untersuchung der Ereignisse in Schangaösen sowie ihre Ursachen und Folgen zu genehmigen;

1.  betont, dass die Beziehungen zwischen der EU und Kasachstan wichtig sind und die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit in allen Bereichen ausgebaut werden muss; betont das große Interesse der EU an tragfähigen Beziehungen zu Kasachstan im Hinblick auf die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit;

2.  kritisiert scharf die Gerichtsentscheidung, Oppositionsparteien, einschließlich der nicht registrierten Oppositionspartei „Alga!“, wegen des Vorwurfs des Extremismus und entscheidende unabhängige Medienakteure zu verbieten, da dies einen Verstoß gegen die Grundsätze der Meinungs- und Versammlungsfreiheit darstellt und zu großer Besorgnis über die künftige Unterdrückung unabhängiger Medien und der Opposition Anlass gibt;

3.  fordert die staatlichen Stellen auf, die Grundsätze und Verpflichtungen der OSZE-Standards zur Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzuhalten; empfiehlt Kasachstan, Kritik nicht als Bedrohung, sondern als konstruktives Instrument zu sehen, durch das die Politik und die Einbeziehung aller Seiten verbessert werden können;

4.  betont, dass Alija Turusbekowa nicht für die Taten Dritter haftbar gemacht werden kann;

5.  fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, sich um Garantien zu bemühen, mit denen Journalisten, Oppositionsaktivisten und Menschenrechtsverteidiger und ihre Familien – insbesondere diejenigen, die die EU-Organe besuchen, um Menschenrechtsfragen zu erörtern – gegen jegliche nachfolgende persönliche Bedrohung, Einschüchterung und Verfolgung geschützt werden;

6.  bekräftigt seine Besorgnis darüber, dass Oppositionsführer, Journalisten und Rechtsanwälte auf der Grundlage von Gerichtsverfahren inhaftiert sind, die internationalen Standards nicht entsprechen, und verleiht seiner Forderung Nachdruck, alle Personen freizulassen, die auf der Grundlage vager strafrechtlicher Vorwürfe verurteilt wurden, die man als politisch motiviert ansehen könnte, darunter u. a. Wladimir Koslow, Wadim Kuramschin und Rosa Tuletajewa; äußert seine Bedenken gegen die Fairness der Gerichtsverfahren und bekräftigt seine Forderung, Transparenz und internationale Standards in Gerichtsverfahren zu gewährleisten, den Verurteilungen auf der Grundlage dieser vagen strafrechtlichen Vorwürfe ein Ende zu setzen und für die Unabhängigkeit der Justiz zu sorgen;

7.  fordert die staatlichen Stellen Kasachstans auf, Haftbedingungen, die internationalen Standards entsprechen, zu gewährleisten und eine angemessene medizinische Behandlung aller Häftlinge zuzulassen, auch des Oppositionsführers Wladimir Koslow; fordert die uneingeschränkte Umsetzung der Verbesserungen, die in der jüngsten Reform des Vollzugsystems enthalten sind, und weitere Verbesserungen, um internationalen Standards zu genügen;

8.  betont nachdrücklich, dass der legitime Kampf gegen Terrorismus und Extremismus nicht als Vorwand verwendet werden sollte, um Oppositionstätigkeiten zu unterbinden, die Meinungsfreiheit zu beeinträchtigen und die Unabhängigkeit der Justiz zu behindern;

9.  betont, dass Kasachstan als internationaler Partner in der Region an Bedeutung gewinnt, was sowohl für die Zusammenarbeit mit der NATO als auch die Unterstützung der E3+3-Gespräche mit Iran oder die Einrichtung einer internationalen Brennstoff-Bank in Kasachstan gilt; begrüßt den Anspruch Kasachstans, sich aktiv als Mittler/Förderer in internationalen Sicherheitsfragen, die die Großregion betreffen, zu betätigen; fordert die kasachische Regierung nachdrücklich auf, ihre internationalen Zusagen einzuhalten, einschließlich derjenigen, die die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz betreffen;

10.  fordert Kasachstan auf, – auch durch notwendige Gesetzesreformen – ein Klima zu schaffen, in dem Oppositionsaktivisten, Journalisten und Rechtsanwälte ihre Tätigkeit frei ausüben können; betont, dass die EU fest entschlossen ist, Kasachstan bei diesen Bemühungen zu unterstützen;

11.  fordert Kasachstan auf, seine Rechtsvorschriften über Religionsangelegenheiten zu überprüfen und die Auflagen für die Registrierung von Religionsgemeinschaften und die Religionsausübung zu lockern;

12.  erachtet es als sehr wichtig, im Einklang mit den Pflichten Kasachstans im Rahmen internationaler Menschenrechtsnormen das Recht von Arbeitnehmern, unabhängige Gewerkschaften zu gründen, Streiks durchzuführen und Tarifverhandlungen mit Arbeitgebern zu führen, zu achten und zu fördern;

13.  begrüßt den Dialog mit der Delegation der Venedig-Kommission über das neue Strafverfahrensrecht und fordert dazu auf, die Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission fortzusetzen, um die Erfahrung der Kommission in möglichst großem Umfang zu nutzen; betont, dass die Reform darauf abzielen sollte, die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit sowie die Einhaltung internationaler Standards zu stärken; bekräftigt seine Forderung nach einer Reform von Artikel 164 über die „Anstachelung zum sozialen Unfrieden“ und fordert den EAD auf, die Reform und den Inhalt des neuen Gesetzes genau im Auge zu behalten;

14.  bekräftigt seine Forderung an die Staatsorgane Kasachstans, bei der Durchsetzung des Aktionsplans für Menschenrechte nicht nachzulassen und sich dabei unter Rückgriff auf die technische Hilfe der EU im Rahmen der Rechtsstaatlichkeitsinitiative auf die Empfehlungen der Venedig-Kommission zu stützen; bestärkt und unterstützt Kasachstan bei seinen Bemühungen um die Ausarbeitung eines neuen Aktionsplans für Menschenrechte für 2013–2020; empfiehlt den staatlichen Stellen Kasachstans, mit nichtstaatlichen Organisationen zusammenzuarbeiten;

15.  begrüßt die regelmäßigen Menschenrechtsdialoge EU/Kasachstan; erachtet die Menschenrechtsdialoge zwischen der EU und den Staatsorganen Kasachstans als wichtig und begrüßt den konstruktiven Ansatz der kasachischen Seite; fordert eine Intensivierung der Dialoge, die der Einrichtung eines Forums förderlich sind, in dem Themen offen behandelt werden können; betont, dass die Gespräche effektiv und ergebnisorientiert sein und möglichst Akteure der Zivilgesellschaft in sie einbezogen werden sollten;

16.  begrüßt die Programme für einen internationalen Austausch von Schülern und Studierenden, die von der kasachischen Regierung eingeführt wurden; hebt die grundlegende Wirkung hervor, die solche Auslandsaufenthalte bei Schülern und Studierenden aus Kasachstans im Hinblick auf die Vermittlung der Demokratie zeitigen; begrüßt die Unterstützung, die die staatlichen Stellen Kasachstans diesen Schülern und Studierenden bei ihrer Rückkehr anbieten;

17.  fordert die EU und insbesondere den EAD auf, die Entwicklungen in Kasachstan genau zu beobachten, erforderlichenfalls bedenkliche Angelegenheiten bei den Staatsorganen Kasachstans zur Sprache zu bringen, Hilfe anzubieten und dem Parlament regelmäßig Bericht zu erstatten; fordert auch die EU-Delegation in Astana auf, bei der Beobachtung der Situation in stärkerem Maße vorausschauend tätig zu werden, auch bei der Verfolgung von Gerichtsverfahren und Besuchen in Gefängnissen;

18.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Sonderbeauftragten der EU für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und der Regierung und dem Parlament Kasachstans zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0089.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0588.
(3) ABl. C 224 E vom 19.8.2010, S. 30.
(4) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0459.

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