Beschluss des Europäischen Parlaments vom 21. Mai 2013 über den Antrag auf Schutz der Immunität und der Vorrechte von Gabriele Albertini (2012/2240(IMM))
Das Europäische Parlament,
– befasst mit einem von Gabriele Albertini am 19. Juli 2012 übermittelten und am 10. September 2012 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Schutz seiner Immunität im Zusammenhang mit einem vor dem Gerichtshof in Mailand (Italien) anhängigen Verfahren,
– nach Anhörung von Gabriele Albertini gemäß Artikel 7 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf Artikel 68 der Verfassung der Italienischen Republik in der durch das Verfassungsgesetz Nr. 3 vom 29. Oktober 1993 geänderten Fassung,
– gestützt auf Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union im Anhang zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäische Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments,
– in Kenntnis der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010 und 6. September 2011(1),
– gestützt auf Artikel 6 Absatz 3 und Artikel 7 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A7-0149/2013),
A. in der Erwägung, dass ein Mitglied des Europäischen Parlaments, Gabriele Albertini, den Schutz seiner parlamentarischen Immunität im Zusammenhang mit einem bei einem italienischen Gericht anhängigen Verfahren beantragt hat,
B. in der Erwägung, dass der Antrag von Gabriele Albertini im Hinblick auf eine im Namen von Alfredo Robledo gegen ihn bei dem Gericht von Mailand eingereichte Klageschrift im Zusammenhang mit Äußerungen gestellt wurde, die Gabriele Albertini im Rahmen eines von der italienischen Zeitung „l Sole 24 Ore“ am 26. Oktober 2011 veröffentlichten ersten Interviews und eines von der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ am 19. Februar 2012 veröffentlichten zweiten Interviews abgegeben hatte;
C. in der Erwägung, dass die in diesen Interviews erfolgten Äußerungen in der Klageschrift als Beleidigung betrachtet werden und zu einem Antrag auf Schadensersatz führen;
D. in der Erwägung, dass die in beiden Interviews erfolgten Äußerungen sich auf den „Prozess über die Derivatverträge“ in Bezug auf Ermittlungen von Fakten beziehen, die auf das Jahr 2005 zurückgehen und die Stadt Mailand betreffen zu einem Zeitpunkt, zu dem Gabriele Albertini Bürgermeister dieser Stadt war;
E. in der Erwägung, dass beide Interviews zu einem Zeitpunkt gegeben wurden, zu dem Gabriele Albertini Mitglied des Europäischen Parlaments war, nach seiner Wahl anlässlich der Wahlen zum Europäischen Parlament in den Jahren 2004 und 2009;
F. in der Erwägung, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 8 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden dürfen;
G. in der Erwägung, dass gemäß der bestehenden Praxis des Parlaments die Tatsache, dass ein Gerichtsverfahren zivil- oder verwaltungsrechtlicher Art ist oder bestimmte Aspekte enthält, die in den Bereich des Zivil- oder Verwaltungsrechts fallen, nicht per se die von diesem Artikel verliehene Immunität von der Anwendung ausschließt,
H. in der Erwägung, dass aus dem Sachverhalt nach den Angaben in der Vorladung und in den von Gabriele Albertinis im Rechtsausschuss abgegebenen mündlichen Erklärungen hervorgeht, dass die getätigten Äußerungen nicht in einem unmittelbaren und offenkundigen Zusammenhang mit der Ausübung seines Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments durch Gabriele Albertini stehen;
I. in der Erwägung, dass Gabriele Albertini, als er die beiden Interviews im Zusammenhang mit dem Prozess über die Derivatverträge gab, daher nicht in Ausübung seines Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments handelte;
1. beschließt, die Immunität und die Vorrechte von Gabriele Albertini nicht zu schützen.
2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss unverzüglich der zuständigen Behörde der Italienischen Republik und Gabriele Albertini zu übermitteln.
Urteil vom 12. Mai 1964 in der Rechtssache 101/63, Wagner/Fohrmann und Krier (Slg. 1964, S. 419); Urteil vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 149/85, Wybot/Faure und andere (Slg. 1986, S. 2403); Urteil vom 15. Oktober 2008 in der Rechtssache T-345/05, Mote/Parlament (Slg. 2008, S. II-2849); Urteil vom 21. Oktober 2008 in den verbundenen Rechtssachen C-200/07 und C-201/07, Marra/De Gregorio und Clemente (Slg. 2008, S. I-7929); Urteil vom 19. März 2010 in der Rechtssache T-42/06, Gollnisch/Parlament (Slg. 2010, S. II-1135); Urteil vom 6. September 2011 in der Rechtssache C-163/10, Patriciello (Slg. 2011, S. I-7565).