Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Juli 2013 zu Waffenausfuhren und der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP des Rates (2013/2657(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern(1),
– unter Hinweis auf die derzeitige Überprüfung des Gemeinsamen Standpunkts in der Arbeitsgruppe „Ausfuhr konventioneller Waffen“ des Rates der Europäischen Union (COARM), die gemäß Artikel 15 des Gemeinsamen Standpunkts drei Jahre nach seiner Annahme zu erfolgen hat,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern(2),
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2002/589/GASP des Rates vom 12. Juli 2002 betreffend den Beitrag der Europäischen Union zur Bekämpfung der destabilisierenden Anhäufung und Verbreitung von Handfeuerwaffen und leichten Waffen und zur Aufhebung der Gemeinsamen Aktion 1999/34/GASP(3) sowie auf die Strategie der Europäischen Union zur Bekämpfung der Anhäufung von Kleinwaffen und leichten Waffen und dazugehöriger Munition sowie des unerlaubten Handels damit, die vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 15./16. Dezember 2005 angenommen worden ist(4),
– unter Hinweis auf den dreizehnten(5) und vierzehnten(6) Jahresbericht der COARM,
– unter Hinweis auf den Vertrag der Vereinten Nationen über den internationalen Waffenhandel, in dem verbindliche gemeinsame Standards für den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen festgelegt sind,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juni 2012 zu den Verhandlungen über den Vertrag der Vereinten Nationen über den Waffenhandel(7),
– gestützt auf Artikel 42 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Waffenausfuhren sicherheitspolitische, aber auch entwicklungspolitische Auswirkungen haben können und es daher wichtig ist, die Politik der Europäischen Union zur Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern zu stärken;
B. in der Erwägung, dass der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP einen rechtsverbindlichen Rahmen darstellt, in dem acht Kriterien festgelegt sind und dass bei deren Verletzung eine Ausfuhrgenehmigung verweigert (Kriterien 1–4) oder eine Verweigerung zumindest erwogen werden sollte (Kriterien 5–8);
C. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 3 des Gemeinsamen Standpunkts mit den acht Kriterien lediglich Mindeststandards festgelegt werden und restriktivere Rüstungskontrollmaßnahmen seitens der Mitgliedstaaten hiervon unberührt bleiben; in der Erwägung, dass die Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung einer Waffenausfuhrgenehmigung im Einklang mit den Kriterien in allen Fällen bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt;
D. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 10 des Gemeinsamen Standpunkts zwar je nach Sachlage auch die Auswirkungen geplanter Ausfuhren auf ihre wirtschaftlichen, sozialen, kommerziellen und industriellen Interessen berücksichtigen können, aber diese Faktoren die Anwendung der acht Kriterien nicht beeinträchtigen dürfen;
E. in der Erwägung, dass nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) die Mitgliedstaaten zusammengenommen mit nur geringem Abstand zu den Vereinigten Staaten der weltweit zweitgrößte Waffenexporteur sind und dass ein immer größerer Anteil an Waffen in Länder außerhalb der EU geliefert wird;
F. in der Erwägung, dass die Waffenlieferungen von Mitgliedstaaten hauptsächlich in den Nahen Osten, nach Nordamerika und nach Asien gehen; in der Erwägung, dass die wichtigsten Empfängerländer Saudi-Arabien, die Vereinigten Staaten und die Vereinigten Arabischen Emirate sind;
G. in der Erwägung, dass die europäische Industrie die rückläufige Nachfrage nach Verteidigungsgütern in Europa dadurch auszugleichen versucht, dass sie sich um Zugang zu Märkten in Drittstaaten bemüht, und dass dieses Bestreben bei vielen Politikern und Parteien Rückendeckung findet, da es als Beitrag zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie, des technischen Fachwissens, der Versorgungssicherheit und der Verteidigungsbereitschaft angesehen wird; in der Erwägung, dass sich die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung in der Verteidigungsindustrie in erheblichem Umfang auf zahlreiche zivile Anwendungsbereiche übertragen lassen;
H. in der Erwägung, dass eine Verständigung zwischen den Mitgliedstaaten über die Anwendung und Auslegung der acht Kriterien nach dem Gemeinsamen Standpunkt sehr weit fortgeschritten ist, was insbesondere auf den von der COARM ausgearbeiteten Leitfaden zur Anwendung des Gemeinsamen Standpunkts zurückzuführen ist, in dem die bewährten Verfahren für die Anwendung dieser Kriterien genau festlegt sind;
1. zeigt sich sehr erfreut darüber, dass die EU über einen weltweit einmaligen rechtsverbindlichen Rahmen verfügt, durch den die Waffenausfuhrkontrolle – auch in Krisengebieten und in Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtsbilanz – verbessert wird, und begrüßt in diesem Zusammenhang, dass europäische und außereuropäische Drittstaaten auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunkts dem Kontrollsystem für Waffenausfuhren beigetreten sind; stellt jedoch fest, dass die acht Kriterien in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich streng angewandt und ausgelegt werden; fordert daher eine stärker vereinheitlichte Auslegung und Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts mit all seinen Verpflichtungen und bedauert, dass die EU immer noch keine gemeinsame Politik zu Waffenausfuhren an Drittländer verfolgt;
2. hält daran fest, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und der Gemeinsame Standpunkt keine Widersprüche aufweisen sollten; ist der Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten sowie der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik obliegt, für die Kohärenz des Gemeinsamen Standpunkts und der Außenpolitik zu sorgen;
3. betont das Recht der Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrer nationalen Politik zu handeln, wobei das Völkerrecht und internationale Übereinkommen sowie gemeinsam vereinbarte Bestimmungen und Kriterien umfassend einzuhalten sind und dies gemäß den nationalen Vorschriften kontrolliert wird;
4. ist der Ansicht, dass das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente oder bestimmte parlamentarische Gremien für die Anwendung und Durchsetzung der im Rahmen des Gemeinsamen Standpunkts vereinbarten Standards auf innerstaatlicher und europäischer Ebene und die Einrichtung eines transparenten, überprüfbaren Kontrollsystems Sorge tragen müssen;
5. ist der Auffassung, dass der Wortlaut des Anwenderleitfadens genauer sein und weniger Raum für Interpretationen lassen und auch künftig bei Bedarf aktualisiert werden sollte;
6. fordert, dass die Kriterien gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt sorgfältiger angewandt werden, bevor neue Kriterien vorgeschlagen werden;
7. würdigt die kohärente und konsequente Rolle der EU-Mitgliedstaaten, was die Unterstützung des internationalen Prozesses zur Einführung verbindlicher Bestimmungen für den internationalen Waffenhandel angeht; fordert die EU und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen auf die Staaten zu konzentrieren, die sich den internationalen Vereinbarungen nicht angeschlossen haben;
8. stellt fest, dass die Jahresberichte der COARM mehr Transparenz bei den Waffenausfuhren der Mitgliedstaaten bewirkt haben; hält es jedoch für bedauerlich, dass die Datensätze unvollständig sind und wegen der unterschiedlichen Erhebungs- und Übermittlungsverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten voneinander abweichen; legt den Mitgliedstaaten nahe, der COARM jährlich vollständige Informationen über ihre Waffenausfuhren zu übermitteln, wie es im Gemeinsamen Standpunkt vereinbart und festgelegt wurde;
9. fordert eine Analyse der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts innerhalb der nationalen Systeme; ist der Auffassung, dass die Kapazitäten der COARM zur Analyse von Waffenausfuhren gestärkt werden sollte;
10. ist der Ansicht, dass der Gemeinsame Standpunkt um eine ständig zu aktualisierende und öffentlich zugängliche Liste ergänzt werden sollte, die Aufschluss darüber gibt, inwieweit Ausfuhren in bestimmte Empfängerländer im Einklang mit den acht Kriterien stehen;
11. ist der Ansicht, dass ein verbessertes System geschaffen werden sollte, das einen regelmäßigen und aktualisierten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Waffenlieferungen an Staaten ermöglicht, für die zu einem früheren Zeitpunkt ein Embargo galt;
12. fordert eine jährliche Aussprache im Europäischen Parlament und einen Bericht über die Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts, um auf europäischer Ebene eine angemessene parlamentarische Kontrolle und Transparenz zu gewährleisten;
13. begrüßt, dass unter der Federführung der Vereinten Nationen ein rechtsverbindlicher Vertrag über den Waffenhandel abgeschlossen wurde, der sich auf den internationalen Handel mit konventionellen Waffen erstreckt und mit dem im Wege größerer Transparenz und Rechenschaftspflicht ein wirksames internationales Rüstungskontrollsystem geschaffen wird und die höchsten internationalen Standards festgelegt werden, so dass der unverantwortliche und illegale Einsatz von konventionellen Waffen weiter erschwert wird; würdigt die kohärente und konsequente Rolle der EU und ihrer Mitgliedstaaten, was die Unterstützung des internationalen Prozesses zur Einführung verbindlicher Bestimmungen für den internationalen Waffenhandel angeht;
14. erachtet die wirksame und glaubwürdige Umsetzung des Vertrags über den Waffenhandel als sehr wichtig und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre internationalen Anstrengungen auf einen allgemeinen Beitritt zu dem Vertrag und sein baldiges Inkrafttreten auszurichten;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.