Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Juli 2013 zu „Connected TV“ (2012/2300(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 167 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention,
– unter Hinweis auf Artikel 11 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten im Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) vom 20. Oktober 2005,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)(1),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie)(2), geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009(3),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie)(4), geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009(5),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)(6), geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie)(7), geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften(8),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)(9),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)(10), geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk(11),
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates 98/560/EG vom 24. September 1998 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industriezweigs der audiovisuellen Dienste und Informationsdienste durch die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in Bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2010 zum Internet der Dinge(13),
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Kultur und Bildung (A7-0212/2013),
A. in der Erwägung, dass Fernsehgeräte ursprünglich zum Empfang linearer Rundfunksignale entwickelt wurden, dass audiovisuelle Inhalte aufgrund ihrer Suggestivkraft auch im digitalen Umfeld eine erhebliche Aufmerksamkeit beim Publikum im Verhältnis zu anderen elektronischen Medienangeboten erreichen und dass deshalb ihre herausgehobene Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung weiterhin bestehen bleibt;
B. in der Erwägung, dass audiovisuelle Mediendienste, die gleichermaßen Kultur- und Wirtschaftsdienste sind, als Träger von Identitäten, Werten und Meinungen eine herausragende Bedeutung für Gesellschaft und Demokratie besitzen und daher auch in einer zunehmend konvergenten Welt einer spezifischen Regulierung bedürfen;
C. in der Erwägung, dass die lange angekündigte technische Konvergenz der Medien insbesondere für Rundfunk und Internet inzwischen zur Realität geworden ist und die europäische Medien-, Kultur- und Netzpolitik den Regulierungsrahmen an die neuen Gegebenheiten anpassen und dabei sicherstellen muss, dass ein einheitliches Regulierungsniveau auch im Hinblick auf neue Marktteilnehmer aus der Europäischen Union sowie Drittstaaten hergestellt und durchgesetzt werden kann;
D. in Erwägung der raschen Entwicklung des Internets in den letzten 25 Jahren und des Aufkommens intelligenter Geräte, die derzeit die Gewohnheiten und die Art und Weise, wie ferngesehen wird, verändern;
E. in der Erwägung, dass die Akzeptanz von mit dem Internet vernetzten Geräten zunimmt, traditionelle Dienste jedoch weiterhin breite Popularität genießen;
F. in der Erwägung, dass lineare und nicht-lineare audiovisuelle Angebote sowie eine Vielzahl weiterer Kommunikationsdienste bereits heute auf ein und demselben Bildschirm darstellbar, nahtlos kombinierbar und gleichzeitig nebeneinander konsumierbar sind;
G. in der Erwägung, dass wegen der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung linearer Fernseh- und Mediendienste auch zukünftig ein eigenständiger Medienregulierungsrahmen erforderlich ist, weil nur so dieser Bedeutung und der Sicherung der Meinungs- und Medienvielfalt in den Mitgliedstaaten angemessen Rechnung getragen werden kann;
H. in der Erwägung, dass die Ankunft des „Connected TV“ gerade die traditionelle Wertkette radikal verändert, weshalb eine neue Strategie festgelegt werden muss;
I. in der Erwägung, dass Fortschritte in der technologischen Entwicklung unweigerlich zu einer teilweise nur scheinbar größeren Autonomie der Nutzer führen und dass es daher immer wichtiger wird, den Schutz der ausschließlichen Rechte und die Unversehrtheit der Inhalte sicherzustellen;
J. in der Erwägung, dass die Möglichkeiten der Verbreitung (interaktiver) Online-Angebote, die von der Reichweite von Fernsehangeboten profitieren, zunehmen und dass eine flächendeckende Breitbandversorgung Grundvoraussetzung für ein steigendes Verbraucherinteresse an hybriden Empfangssystemen ist;
K. in der Erwägung, dass der Begriff „Connected TV“ im Lichte der fortschreitenden Medienkonvergenz eine dynamische, technologieneutrale und weite Auslegung erfährt, die jegliche, auch mobile Geräte mit umfasst, die den Zugang zu linearen und nicht-linearen Medieninhalten, over-the-top-Angeboten und sonstigen Anwendungen auf ein- und demselben Gerät oder Bildschirm ermöglicht und damit die Welt des Rundfunks mit der Welt des Internets zusammenbringt;
L. in der Erwägung, dass in der konvergenten Medienwelt der Wettbewerb weniger um Übertragungskapazitäten als zunehmend um die Aufmerksamkeit der Nutzer geführt wird, dass es bei steigender Zahl von Angeboten schwieriger wird, zum Nutzer durchzudringen, und dass Zugang, schnelle Auffindbarkeit sowie die Listung und die Empfehlung von Angeboten höchstwahrscheinlich über deren Erfolg entscheiden werden;
M. in der Erwägung, dass die derzeitigen Regelungen der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste – AVMD-RL) auf dem Grundsatz der Technologieneutralität beruhen, dass sie die voranschreitende technische Verschmelzung noch nicht abbilden und insbesondere die abgestufte Regulierung, die zwischen Fernsehprogramm (inklusive Webcasting und Livestreaming) und audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf differenziert, in der bestehenden Form an Bedeutung verlieren könnte, obwohl unterschiedlich regulierte Informations- und Kommunikationsdienste – auch jene, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) fallen, sondern in den Bereich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, oder bei außereuropäischen Angeboten keiner EU-Medienregulierung unterliegen – auf ein und demselben Gerät verfügbar sind, was sowohl zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und inakzeptablen Diskrepanzen beim Schutz der Nutzer führen kann als auch neue Fragen bezüglich des Zugangs, der Art der Verbreitung und der Auffindbarkeit von Inhalten, unabhängig ihrer Mediengattung, aufwirft;
N. in der Erwägung, dass diese neuen Marktteilnehmer zu den herkömmlichen Akteuren der Branche in direktem Wettbewerb stehen werden, da sie einerseits exklusive Inhalte erwerben und andererseits selbst neue Angebote unterbreiten werden;
O. in der Erwägung, dass die Regulierungsziele der AVMD-RL, insbesondere die Sicherung und Förderung der Meinungs- und Medienvielfalt, der Schutz der Menschenwürde und der Jugendschutz, die Aufgabe, die Anbieter von Mediendiensten zu ermuntern, den Zugang von seh- und hörbehinderten Menschen zu gewährleisten, die Sicherung eines fairen Wettbewerbs sowie die qualitative, inhaltsbezogene Werberegulierung, im Grundsatz ihre gesellschaftliche Bedeutung und regulatorische Rechtfertigung beibehalten, aber gleichzeitig die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dieser Schutzvorschriften wegen der durch Hybrid-Empfangssysteme eröffneten Nutzungsmöglichkeiten zunehmend an Grenzen stößt;
P. in der Erwägung, dass die Übertragung von „Connected TV“-Diensten von hoher Qualität seitens der Telekommunikationsbetreiber die Bereitstellung einer ausreichenden Übertragungsrate zwischen den Streaming-Servern und den Abonnenten voraussetzt;
Q. in der Erwägung, dass die Anwendungsmöglichkeiten hybrider Geräte zentrale Grundsätze der AVMD-RL, wie das Gebot zur Trennung von Werbung und Programm oder Regelungen zur Unterbrecherwerbung in Frage stellen;
R. in der Erwägung, dass das alleinige, zufällige Vorhandensein einer großen Zahl von Angeboten nicht automatisch zur Sicherung der genannten Regulierungsziele führt und dass daher zu evaluieren ist, ob es weiterhin eines spezifischen Regulierungsrahmens zum Erreichen der Ziele bedarf und dieser Rahmen mögliche Fehlentwicklungen von vornherein verhindern könnte;
S. in der Erwägung, dass die Entwicklung des „Connected TV“ im Verlauf seiner Durchsetzung auf dem Markt zu einem Verschmelzen des herkömmlichen Fernsehens mit dem Internet führen kann, wie es vor einigen Jahren bei Mobilfunk und Internet der Fall war;
T. in der Erwägung, dass jeder Schritt, mit dem sich der Markt anpassen ließe, um in Europa kreatives Schaffen und Innovation zu begünstigen, gefördert werden sollte;
U. in der Erwägung, dass die Entwicklung hybrider Systeme, die Fernsehen und Internet miteinander vermischen, es den Nutzern ermöglichen wird, unterschiedslos zwischen den Fernsehkanälen und den Internetdiensten einschließlich illegaler Websites, die audiovisuelle Inhalte anbieten, hin- und herzuschalten;
V. in der Erwägung, dass die Netzneutralität durch Transparenz und Wettbewerb bekanntlich nur ungenügend geschützt ist;
W. in der Erwägung, dass das Sendelandsprinzip der Ursprungs-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ einen Meilenstein für die Informationsfreiheit und die Entwicklung eines gemeinsamen Marktes im Bereich der Dienstleitungen darstellt, indem die Mitgliedsstaaten sich auf qualitative Mindeststandards verpflichtet haben und im Gegenzug dem Ursprungslandsprinzip in Form des Sendelandsprinzips Geltung verschafft haben;
1. fordert die Kommission auf zu evaluieren, inwieweit es erforderlich ist, die AVMD-RL und weitere bestehende Vorgaben aus der Netz- und Medienregulierung (z.B. TK-Paket) hinsichtlich der Regelungen zur Auffindbarkeit und des diskriminierungsfreien Zugang zu Plattformen, für Inhalteanbieter und Inhalteentwickler sowie für Nutzer, unter Erweiterung des Plattformbegriffs und zur Anpassung der vorhanden Instrumentarien an neue Konstellationen; fordert, dass dafür gesorgt wird, dass mit dem Regelungsrahmen sichergestellt wird, dass Verbraucher von einer größeren Auswahl und dem Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten profitieren können und dass Inhalteanbieter mehr Wahlmöglichkeiten haben, wie sie ihren Inhalt verbreiten und gleichzeitig den Kontakt zu ihren Zuschauern aufrechterhalten;
2. ist der Auffassung, dass bei regulatorischen Maßnahmen für Plattformbetreiber darauf geachtet werden muss, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Plattformen zu gewährleisten, um Rundfunkveranstaltern und anderen, oftmals auch kleineren, Anbietern eine gleichberechtigte Marktteilnahme zu ermöglichen;
3. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den in Artikel 1 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) definierten Begriff des Mediendienstes so umzusetzen, dass die Notwendigkeit einer Regulierung durch die Mitgliedstaaten stärker an den gesellschaftspolitischen Wirkungsspezifika und -potenzialen der Angebote, insbesondere an ihrer Relevanz für Meinungsbildung und Meinungsvielfalt, sowie an der redaktionellen Verantwortung anknüpft;
4. fordert die Kommission auf, vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Auftrages redaktionell verantworteter Medienangebote und sonstige Inhalte, zu prüfen, ob eine strengere Regulierung von TV-Plattformen noch angemessen und erforderlich ist oder ob nicht ein allgemeines Diskriminierungsverbot ausreichend ist;
5. fordert die Kommission auf, mit Blick auf eine mögliche Überprüfung der Richtlinie 2010/13/EU oder in jeder anderen kommenden Rechtsvorschrift ihre Bemühungen um die Wahrung der Pressefreiheit fortzusetzen;
6. fordert die Kommission auf, auf der Basis der Ergebnisse ihres Konsultationsverfahrens „Vorbereitung auf eine vollständig konvergente audiovisuelle Welt – Wachstum, Schöpfung und Werte“ aufzuschlüsseln, welche Regulierungsmechanismen vor dem Hintergrund der Konvergenz noch notwendig und sinnvoll sind und welche möglicherweise neu geschaffen werden sollten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Inhalte- und Diensteanbieter unter Berücksichtigung nachfolgender Mindestanforderungen und unter Beibehaltung der bisherigen übergreifenden Regulierungsziele zu schaffen, um einen fairen Wettbewerb der Inhalteanbieter sicherzustellen und um für den Nutzer die größtmöglichen Vorteile und die chancengleiche, vollkommen transparente und diskriminierungsfreie Auswahl aus einem qualitätvollen, vielfältigen Angebot zu sichern, wobei besonders darauf zu achten ist, dass frei empfangbare Angebote und Angebote öffentlich-rechtlicher Anbieter erhalten bleiben;
7. fordert die Kommission auf, im Fall einer Überprüfung der AVMD-RL gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Inhalteanbieter zu gewährleisten;
8. unterstreicht, dass die Entwicklungsstrategie dieser neuen Akteure einen Zuwachs im Angebot nach sich ziehen wird, das sich gleichzeitig aus auf herkömmlichen Fernsehkanälen verfügbaren Inhalten und dem Angebot, das im Internet dargeboten wird, zusammensetzt;
9. weist diesbezüglich nachdrücklich auf die Gefahr hin, dass dieser neue Wettbewerb unausgeglichen zugunsten dieser neuen Akteure – in Anbetracht ihres wirtschaftlichen Gewichts und ihrer internationalen Entwicklung – und zulasten der traditionellen europäischen Akteure ausgeht;
10. betont, dass es erwägenswert scheint, einen abgestuften Regulierungsrahmen für Mediendienste beizubehalten, ihn aber nicht primär von einer Differenzierung zwischen nicht-linearen und linearen Diensten abhängig zu machen, sondern vor allem an das Wirkungspotenzial des jeweiligen Mediendienstes und die redaktionelle Verantwortung für diesen Mediendienst anzuknüpfen, und dabei gleichzeitig einen angemessenen mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum einzuräumen;
11. gibt zu bedenken, ob die von der Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk niedergelegten Vorschriften für aufwendige Beurteilungs- und Prüfungsverfahren für audiovisuelle Dienste von öffentlich-rechtlichen Anbietern, die über die übliche Rundfunktätigkeit hinausgehen und die auf neuen Verbreitungsplattformen angeboten werden, im Zuge der fortschreitenden Konvergenz der Technik noch angemessen sind, zumal die Nutzer zunehmend nicht mehr unterscheiden können, ob es sich um ein klassisches lineares Rundfunkangebot, um einen Dienst auf Abruf oder ein sonstiges audiovisuelles Angebot handelt;
12. fordert die Kommission auf, die künftigen Herausforderungen des „Connected TV“ im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit im Sektor im Auge zu behalten, indem sie die Flexibilisierung quantitativer Werbevorgaben ermöglicht, und die Vor- und Nachteile darzustellen;
13. betont, dass im Interesse eines europaweit einheitlichen Schutzes von Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen sowie Minderheiten, qualitative Beschränkungen von audiovisuellen Mediendiensten überprüft und auf hohem Niveau für alle Weiterverbreitungsformen angepasst werden sollten;
14. fordert dazu auf, das Verbot der Verletzung der Menschenwürde, das Verbot der Aufstachelung zum Hass, den Schutz vor Diskriminierung sowie das Gebot der Barrierefreiheit für alle Medieninhalte gleichermaßen gelten zu lassen;
15. gibt dabei zu bedenken, ob der Grundsatz der Trennung von Werbung und Programminhalt über alle Medienformen hinweg aufrecht erhalten werden kann oder mittels klarer Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit von Werbung und Programminhalt das Gebot über alle Medienformen hinweg sein Schutzziel besser entfaltet;
16. ist der Auffassung, dass neue oder die Erweiterung bestehender Werbeverbote und andere Eingriffe in das Finanzierungsinstrument Werbung verhindert werden sollte um neue Geschäftsmodelle in der digitalen TV-Welt zu ermöglichen;
17. unterstreicht, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass der öffentlich-rechtliche Sektor nicht nur von der Werbefinanzierung abhängt, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Anstrengungen zur Finanzierung dieses Sektors zu unterstützen;
18. unterstreicht, dass neue Werbestrategien, die sich auf die neuen Technologien stützen, um ihre Wirksamkeit zu steigern (Screenshots, Erstellung von Verbraucherprofilen, Multi-Screen-Strategien) die Frage des Schutzes der Verbraucher, ihrer Privatsphäre und ihrer personenbezogenen Daten aufwerfen; beharrt daher auf der Notwendigkeit, über ein schlüssiges Regelwerk nachzudenken, um sie zu steuern;
19. fordert die europäischen Akteure der Branche der audiovisuellen Medien auf, die Entwicklung kohärenter und attraktiver Angebote, unter anderem online, fortzusetzen, um das europäische Angebot an audiovisuellen Inhalten zu bereichern;
20. fordert die Kommission auf zu prüfen, ob und wie denjenigen Inhalteanbietern eine angemessene Vorrangstellung bei der Auffindbarkeit auf First-Screen-Geräten, wie beispielsweise TV-Geräten mit Internet-Anschluss, eingeräumt werden kann, denen die Mitgliedstaaten entweder einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zuweisen oder die einen Beitrag zur Förderung von Zielen im allgemeinen Interesse, insbesondere zur Sicherung des Medienpluralismus und der kulturellen Vielfalt leisten oder sich nachprüfbar durch Selbstbindungen dauerhaft verpflichten, solche Pflichten im öffentlichen Interesse einzuhalten, die der Qualität und Unabhängigkeit der Berichterstattung sowie der Förderung der Meinungsvielfalt dienen;
21. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in Ergänzung zu solchen „Must-be-found-Regelungen“ zu prüfen, inwieweit durch eine medienregulatorische Umsteuerung hin zu Anreiz- und Zertifizierungssystemen und einer Stärkung ko- und selbstregulatorischer Ansätze sich die benannten Regulierungsziele der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), insbesondere beim Jugendschutz und beim Schutz der Menschenwürde, nachhaltig sichern lassen und gleichzeitig die notwendige Flexibilität für einen fairen Wettbewerb der Mediendiensteanbieter untereinander gewahrt bleibt; betont, dass eventuelle Ko- und Selbstregulierungsmaßnahmen gesetzliche Regelungen ergänzen können und ihre Einhaltung und Evaluierung einer unabhängigen Aufsicht zu unterstellen sind;
22. empfiehlt daher, um jegliche Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, für gleiche Dienste unabhängig vom Trägermedium dieselben Vorschriften anzuwenden;
23. ist in diesem Zusammenhang des gesteigerten Wettbewerbs außerdem besorgt über die Präsenz internationaler Akteure, die nicht den europäischen Vorschriften und Verpflichtungen unterliegen;
24. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass diese Plattformen unter Berücksichtigung der Marktbedingungen und des allgemeinen Interesses im fairen Wettbewerb entsprechend der Nachfrage auf Seiten der Verbraucher auf der Basis offener, interoperabler Standards betrieben werden und verhindert wird, dass einer oder mehrere Anbieter ihre Schlüsselposition missbrauchen;
25. beharrt in diesem Zusammenhang darauf, dass über die Weiterentwicklung des Regelungsrahmens, über Wege zur Regulierung von „Connected TV“ und über Systeme zur Referenzierung der Inhalte nachgedacht werden muss;
26. ruft zu einer Regulierung der Connected TV-Plattformen auf, die den Zugang zu Inhalten von Fernsehsendern und ihre Integrität, die Transparenz für die Verbraucher und die Anwendung elementarer berufsethischer Regeln (Jugendschutz und Schutz der Privatsphäre) gewährleistet;
27. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Medienkompetenz aller EU-Bürger – insbesondere durch Initiativen und koordinierte Aktionen, die auf ein besseres Verständnis der linearen und nicht-linearen Mediendienste abzielen– zu fördern;
28. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass insbesondere vonseiten der Gerätehersteller und Diensteanbieter Maßnahmen getroffen werden, um den Zugang zu linearen und nicht-linearen Mediendiensten für ältere Menschen und Menschen mit einer Behinderung, wie schwerhörige und sehbehinderte Personen, zu verbessern;
29. ist der Auffassung, dass Plattform- und Portaldienste interoperabel gestaltet sein sollten, um Dritten unabhängig vom Übertragungsweg diskriminierungsfrei die Herstellung und den Betrieb eigener Anwendungen zu erlauben;
30. fordert die Kommission auf, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass in Netzen und auf Plattformen alle Inhalte grundsätzlich in gleicher Qualität zugänglich gemacht werden;
31. fordert die Kommission auf, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass Datenpakete durch Netzbetreiber bei der Übertragung vom Sender zum Empfänger grundsätzlich gleich zu behandeln sind, also durch den Netzbetreiber keine Prioritisierung z. B. nach Herkunft, Inhalt, Anwendungsart oder Nutzerentgelt erfolgt, da dies das Ziel des fairen Zugangs zu Diensten für alle, Datenschutzbestimmungen, das Verbot von Datenmanipulation, den Grundsatz der Integrität von Inhalten sowie das Ziel der Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen konterkarieren könnte;
32. weist nachdrücklich auf die Folgen der Unterschiedlichkeit zwischen den Mehrwertsteuersystemen auf europäischer Ebene hin, die mit der Ankunft des Connected TV noch verschärft wird;
33. fordert die Kommission auf, EU-Vorschriften vorzuschlagen, mit denen die Netzneutralität garantiert wird;
34. fordert die Kommission auf, die Integrität linearer und nicht-linearer Angebote auf Hybridplattformen gesetzlich abzusichern und insbesondere die Überblendung oder Skalierung dieser Angebote durch Plattformanbieter oder Dritte mit Inhalten oder sonstigen Diensten zu untersagen, soweit diese nicht vom Nutzer ausdrücklich initiiert wurde und im Fall von Inhalten, die nicht der Individualkommunikation zuzurechnen sind, durch den Inhalteanbieter autorisiert wurden; weist darauf hin, dass der unautorisierte Zugriff auf die Inhalte oder Rundfunksignale eines Anbieters durch Dritte sowie deren unautorisierte Entschlüsselung, Nutzung oder Weiterverbreitung ebenfalls auszuschließen sind;
35. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu prüfen, die darin bestehen, dem Risiko der Referenzierung nicht erlaubter Websites in den Portalen und Suchmaschinen Rechnung zu tragen;
36. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass das durch die besonderen regulatorischen Anforderungen der AVMD-RL generierte Schutzniveau bei audiovisuellen Mediendiensten nicht durch ein unautorisiertes Verfügbarmachen auf anderen Plattformen umgangen wird;
37. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass der Start von Anwendungen aus Portalen nie automatisch erfolgt sondern stets vom Nutzer initiiert werden muss, dass die Rückkehr zum zuvor genutzten Dienst jederzeit einfach und nur mit einem Knopfdruck (z.B. red button-Funktion) möglich ist und deutlich kommuniziert wird sowie beim Verlassen einer Anwendung der zuvor genutzte Dienst wieder vollständig in Bild und Ton angezeigt wird;
38. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass ein Inhalteanbieter gegen solche Anwendungen auf hybriden Plattformen juristisch vorgehen kann, die eine nicht autorisierte Weiterverbreitung des vom Inhalteanbieter bereitgestellten Inhaltes ermöglichen oder fördern;
39. fordert die Kommission auf, dort wo urheberrechtlich relevant, auf einfach handhabbare Rechteklärungssysteme hinzuwirken, die eine unveränderte und vollständige Spiegelung von non-linearen Angeboten der Mediendiensteanbieter auf Drittplattformen ermöglichen;
40. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass die anonyme Nutzung von Fernseh- und Onlinediensten mittels hybrider Endgeräte, die im Unionsgebiet verkauft oder ins Unionsgebiet eingeführt werden, grundsätzlich gewährleistet ist und dass die Vorschriften der Union im Bereich des Schutzes der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten vollständig eingehalten werden;
41. fordert die Kommission auf, audiovisuelle Mediendienste wegen ihrer Doppelnatur und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von einer Liberalisierung bei Verhandlungen über internationale Handelsverträge auszunehmen und zugleich wegen der fortschreitenden Digitalisierung und Medienkonvergenz eine dynamische Weiterentwicklung des Begriffs des „audiovisuellen Mediendienstes“ zu gewährleisten;
42. fordert die Kommission auf, auch beim künftigen Hybridfernsehangebot die Einhaltung der derzeit geltenden Vorschriften im Bereich des Jugendschutzes, des Verbots jeglicher gesundheitsbezogener Werbung, des Verbots der Anstachelung zum Rassenhass, im Bereich der Trennung zwischen Nachrichten und Werbebotschaften, der Eigentumstransparenz, des Schutzes der Privatsphäre usw. zu gewährleisten, die im Übrigen zum gemeinschaftlichen Besitzstand gehören und nicht unter dem Vorwand der technologischen Entwicklung umgangen werden dürfen; fordert insbesondere dazu auf, Anbieter von Hybridfernsehdiensten und –geräten aus Nicht-EU-Staaten darauf hinzuweisen, dass weiterhin das Recht des Landes gilt, indem der Dienst erbracht wird, und nicht das des Landes, in dem der Anbieter seinen Unternehmenssitz hat;
43. fordert die Mitgliedsstaaten bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen dazu auf, die Kürzung der Mittel der Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (GD Connect, CNECT) für die Weiterentwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur von den ursprünglich vorgeschlagenen 9,2 Mrd. Euro auf 1 Mrd. Euro zu überdenken;
44. fordert die Kommission auf, wichtige Fragen des Zuschauerschutzes, wie den Schutz Minderjähriger, gebührend zu berücksichtigen, und vertritt die Ansicht, dass elektronische Programmführer eine mögliche Plattform darstellen könnten, um sich mit diesen Fragen zu befassen;
45. bedauert, dass es immer noch weite Gebiete in Europa mit eingeschränkter Internet-Infrastruktur gibt, und erinnert die Kommission daran, dass der Zugang der Verbraucher zum Hochgeschwindigkeits-Internet für die Erschließung des Potenzials des Connected TV unerlässlich ist;
46. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.