Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Juli 2013 zur Lage in Nigeria (2013/2691(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. Juni 2013 zur Presse- und Medienfreiheit in der Welt(1), vom 11. Dezember 2012 zu einer digitalen Freiheitsstrategie in der Außenpolitik der EU(2), vom 5. Juli 2012 zu Gewalt gegen Lesben und LGBT-Rechte in Afrika(3) und vom 15. März 2012 zur Lage in Nigeria(4),
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vom 22. Januar 2012 zu den Bombenanschlägen in Kano, vom 11. März 2013 zur Tötung der Geiseln, vom 2. Juni 2013 zum nigerianischen Gesetz auf dessen Grundlage gleichgeschlechtliche Ehen und Partnerschaften zu Straftaten erklärt werden und vom 25. Juni 2013 zu Hinrichtungen in Nigeria,
– unter Hinweis auf den Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Nigeria, der im März 2013 in Abuja stattgefunden hat, und die Ministertagung zwischen Nigeria und der EU vom 16. Mai 2013 in Brüssel, in deren Rahmen festgestellt wurde, dass ein Gegengewicht zu den Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus mit den damit einhergehenden Verlusten von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung und der Zerstörung öffentlicher Infrastruktur geschaffen werden muss;
– unter Hinweis auf die Entschließung der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zur Lage in Nigeria bei ihrer Tagung im Mai 2013 in Horsens (Dänemark),
– unter Hinweis auf die Leitlinien des Rates der Europäischen Union zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen (LGBTI),
– unter Hinweis auf das Cotonou-Abkommen von 2000 und seine Überarbeitungen von 2005 und 2010 (letztere wurde von Nigeria am 27. September 2010 ratifiziert) und insbesondere auf die Artikel 8 und 9 betreffend die politische Dimension und Menschenrechte sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, vom 16. Mai 2013 zur anhaltenden Gewalt und der sich verschlechternden Sicherheitslage im Nordosten Nigerias und vom 22. April 2013 betreffend die hohe Zahl von zivilen Opfern und zerstörten Wohnhäusern in Nigeria infolge der Zusammenstöße zwischen den Regierungstruppen und der Rebellengruppe Boko Haram,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navi Pillay, vom 3. Mai 2013 als Reaktion auf die gewaltsamen Zusammenstöße von April 2013, in der die Sicherheitskräfte aufgefordert werden, die Menschenrechte einzuhalten und bei ihren Einsätzen überzogene Gewaltanwendungen zu vermeiden, und auf die Erklärung vom 17. Mai 2013 zur möglichen Anklage von Mitgliedern von Boko Haram wegen Kriegsverbrechen,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 27. Dezember 2011 zu Anschlägen der terroristischen Gruppierung Boko Haram in Nigeria,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Beseitigung jeglicher Form von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder des Glaubens von 1981,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Außenminister der G8 vom 12. April 2012 zur anhaltenden Gewalt in Nigeria,
– unter Hinweis auf das von Nigeria am 16. Mai 2003 ratifizierte Übereinkommen der Afrikanischen Union über die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und auf das diesbezügliche Zusatzprotokoll, das von Nigeria am 22. Dezember 2008 ratifiziert wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung von Lamamra Ramtane, für Frieden und Sicherheit zuständiger Kommissar der Afrikanischen Union, vom14. Juli 2012, in der das Vorgehen und die Menschenrechtsverletzungen von Boko Haram verurteilt werden, sowie die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck aufgefordert wird, Nigeria bei seinem Widerstand gegen diese terroristische Gruppierung zu unterstützen, und die von Boko Haram ausgehende Bedrohung der regionalen und internationalen Sicherheit hervorgehoben wird,
– unter Hinweis auf das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Golfs von Guinea über die Sicherheit auf See, das am 24. Juni 2013 in Jaunde (Kamerun) stattgefunden hat,
– unter Hinweis auf die am 29. Mai 1999 verabschiedete Verfassung der Bundesrepublik Nigeria, insbesondere auf die Bestimmungen in Kapitel IV über den Schutz der Grundrechte, darunter das Recht auf Leben, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf Menschenwürde und der Schutz der freien Meinungsäußerung, Pressefreiheit sowie Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit,
– unter Hinweis auf Artikel 3 der Genfer Konventionen, die von Nigeria am 20. Juni 1961 ratifiziert wurden, und auf das am 10. Oktober 1988 von Nigeria ratifizierte Zusatzprotokoll II, in denen die Einhaltung des Völkerrechts bei nicht internationalen bewaffneten Konflikten gefordert wird,
– unter Hinweis auf die am 22. Juni 1983 von Nigeria ratifizierte Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und der Völker von 1981,
– gestützt auf den von Nigeria am 29. Oktober 1993 ratifizierten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan am 14. und 15. Mai 2013 als Reaktion auf die Aktivitäten von Boko Haram in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Ausnahmezustand verhängt und zusätzliche Streitkräfte mobilisiert hat;
B. in der Erwägung, dass die Stadt Baga im April 2013 nach Kämpfen zwischen nigerianischen Streitkräften und Kämpfern von Boko Haram zerstört wurde, wobei laut Angaben von Sprechern lokaler Gemeinschaften Tausende von Wohnungen dem Erdboden gleichgemacht wurden und Hunderte Zivilisten ums Leben kamen; in der Erwägung, dass eine von der nigerianischen Menschenrechtskommission eingeleitete unabhängige Untersuchung zu den Morden in Braga bis Ende Juli abgeschlossen sein wird;
C. in der Erwägung, dass Boko Haram von der nigerianischen Bundesregierung im Rahmen des „Terrorism Prevention Act“ von 2011 aufgeführt wird, damit Einzelpersonen, die mit der Gruppe in Verbindung gebracht werden oder diese unterstützen, verfolgt werden können;
D. in der Erwägung, dass Boko Haram seit 2009 für den Tod von 4 000 Menschen verantwortlich ist; in der Erwägung, dass allein in diesem Jahr mehr als 700 Nigerianer bei über 80 Angriffen, die Boko Haram zugeschrieben werden, ums Leben kamen und die Vereinigten Staaten in einem aktuellen Bericht Boko Haram als die terroristische Vereinigung mit der zweithöchsten Zahl von Todesopfern weltweit eingestuft haben; in der Erwägung, dass die Verbindung zwischen Boko Haram und Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) eine ernsthafte Gefahr für Frieden und Sicherheit in der erweiterten Sahelzone und im westlichen Afrika allgemein darstellt; in der Erwägung, dass Staats- und Sicherheitsbedienstete nach wie vor ein Angriffsziel von Boko Haram bilden, so auch am 7. Mai 2013 bei ihrem Überfall auf eine Haftanstalt in Bama, bei dem ungefähr 55 Menschen ums Leben gekommen und etwa 105 Insassen befreit worden sind;
E. in der Erwägung, dass die Beteiligung von Boko Haram an Anschlägen auf Polizeiwachen, Militäreinrichtungen, Kirchen, Schulen, landwirtschaftliche Betriebe und Banken von Human Rights Watch, Amnesty International, Freedom House und weiteren Menschenrechtsorganisationen dokumentiert wurde; in der Erwägung, dass nunmehr auch Zivilisten ein Anschlagsziel von Boko Haram bilden, wobei am 16. und 17. Juni 2013 Anschläge auf zwei weiterführende Schulen in Borno and Yobe verübt wurden und dabei sechzehn Schüler und zwei Lehrer ums Leben kamen; in der Erwägung, dass infolge dieser Anschläge mehrere Tausend Schüler den Schulbesuch aussetzen mussten; in der Erwägung, dass Drohungen gegen die Zivilbevölkerung 19 000 Landwirte veranlasst haben, ihre Höfe zu verlassen und ihre Felder aufzugeben, was zu einem Verlust an landwirtschaftlicher Produktivität geführt und zur Verknappung von Lebensmitteln beigetragen hat;
F. bekundet seine zunehmende Besorgnis darüber, dass Boko Haram beschlossen hat, im Rahmen seiner militanten Guerilla-Aktionen Frauen und Kinder zu entführen; in der Erwägung, dass ausländische Arbeitnehmer in Nigeria ebenfalls von Aufständischen entführt, angegriffen und getötet wurden;
G. in der Erwägung, dass das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen vor einer Flüchtlingskrise gewarnt hat; in der Erwägung, dass in den zurückliegenden Wochen etwa 6 000 Flüchtlinge aus Nigeria in Niger ankamen und zwischen dem 11. und 13. Juni 2013 etwa 3 000 Nigerianer die Grenze zu Kamerun überquert haben; in der Erwägung, dass Flüchtlinge auch die Grenze zum Tschad überqueren; in der Erwägung, dass derartige Zwangsumsiedlungen den spärlichen lokalen Lebensmittel- und Wasserressourcen weiter zusetzen, insbesondere in Niger, das selbst unter einer jahrelangen Dürre mit Ernährungsunsicherheit leidet; in der Erwägung, dass die Nachbarländer Nigerias nicht in der Lage sind, die Anzahl von Menschen aufzunehmen, die im Falle einer umfassenden humanitären Katastrophe infolge massiver Gewalt vertrieben werden könnte;
H. in der Erwägung, dass im Fokus von Boko Haram nach wie vor Christen, gemäßigte Muslime und andere religiöse Gruppierungen stehen, die gezwungen werden, den Norden des Landes, der mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, zu verlassen;
I. in der Erwägung, dass als Reaktion auf die Gewalttaten von Boko Haram zahlreiche mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung durch die nigerianische Polizei und das Militär gefangen genommen und ohne Gerichtsverfahren hingerichtet wurden und dass insbesondere junge Männer aus Dörfern im Norden gefangen genommen wurden; in der Erwägung, dass viele dieser Inhaftierten in Isolationshaft – ohne Anklage oder Gerichtsverfahren und in manchen Fällen unter menschenunwürdigen Bedingungen – festgehalten werden; in der Erwägung, dass einige dieser Inhaftierten körperlich misshandelt wurden, während andere in der Haft verschwunden oder verstorben sind; in der Erwägung, dass von der nigerianischen Regierung und ranghohen Militärs unzuverlässige Schätzungen bezüglich der zivilen Opfer und den an Wohnhäusern verursachten Schäden vorgelegt wurden; in der Erwägung, dass die Reaktion der nigerianischen Streitkräfte in den zurückliegenden Monaten von Human Rights Watch, Freedom House und weiteren Menschenrechtsorganisationen als zunehmend brutal und undifferenziert beschrieben wird, was dazu führt, dass die Zivilbevölkerung in unverhältnismäßiger Weise von der Gewalt zwischen den beiden Seiten betroffen ist;
J. in der Erwägung, dass die Meinungs- und Pressefreiheit in Gefahr ist, da Personen, die eine kritische Berichterstattung gegenüber den nigerianischen Behörden verfolgen, mit Haft, Einschüchterungen, Gewalt und sogar mit dem Tod bedroht werden; in der Erwägung, dass Boko Haram wiederholt gedroht hat, Medien, die kritisch über die Gruppierung berichtet haben, anzugreifen;
K. in der Erwägung, dass weite Teile der Bundesstaaten im Nordosten infolge der Verhängung des Ausnahmezustands für Hilfsorganisationen, Journalisten und Reporter nicht mehr zugänglich sind; in der Erwägung, dass die Regierung in mehreren Regionen Mobiltelefondienste gesperrt hat, um die Kommunikation der Kämpfer zu unterbinden;
L. in der Erwägung, dass die nigerianische Regierung ihr siebenjähriges Moratorium über die Todesstrafe unlängst gebrochen und im Bundestaat Edo vier Gefangene hingerichtet hat, die zum Tode verurteilt wurden, als Nigeria noch unter der Herrschaft einer Militärdiktatur stand; in der Erwägung, dass der UN-Sonderberichterstatter für Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren, Massenhinrichtungen oder willkürliche Exekutionen, Christof Heyns, die nigerianischen Behörden am 26. Juni 2013 aufgefordert hat, die bevorstehende Hinrichtung eines fünften Gefangenen auszusetzen; in der Erwägung, dass Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge im Jahr 2012 in Nigeria 56 Menschen in Nigeria zum Tode verurteilt wurden und derzeit etwa 1 000 Menschen auf ihre Hinrichtung warten;
M. in der Erwägung, dass das nigerianische Parlament am 30. Mai 2013 ein Gesetz verabschiedet hat, das gleichgeschlechtliche Ehen untersagt und eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren für Personen (nicht nur nigerianische Staatsangehörige, sondern auch Touristen, ausländische Arbeitskräfte und Diplomaten), die eine Person des gleichen Geschlechts heiraten oder mit dieser verheiratet sind, sowie eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren für die Anmeldung bzw. das Betreiben sozialer Treffpunkte oder nichtstaatlicher Organisationen, die sich für die Menschenrechte lesbischer, schwuler, bisexueller, transsexueller und intersexueller (LGBTI) Personen einsetzt, vorsieht;
N. in der Erwägung, dass die Probleme im Norden des Landes auf die fehlende wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind und die Spannungen auf die seit Jahrzehnten andauernden Ressentiments zwischen den verschiedenen indigenen Bevölkerungsgruppen zurückzuführn sind, bei denen es sich meist um Christen oder Animisten handelt, die mit Migranten und Siedlern aus dem hausasprachigen muslimischen Norden um die Kontrolle von fruchtbarem Ackerland konkurrieren; in der Erwägung, dass die Konflikte durch den Klimawandel und das Vordringen der Wüste verschärft werden; in der Erwägung, dass die Eskalation bewaffneter Konflikte und die anhaltenden sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen die Radikalisierung – einschließlich der Manipulation und der Rekrutierung durch fundamentalistisch islamistischer Gruppen wie Boko Haram – vermutlich begünstigen;
O. in der Erwägung, dass die EU der wichtigste Geldgeber für Nigeria ist; in der Erwägung, dass die Kommission und die Bundesregierung von Nigeria am 12. November 2009 das Nigeria-EG-Länderstrategiepapier und das nationale Richtprogramm für den Zeitraum 2008-2013 unterzeichnet haben, in deren Rahmen die EU Projekte finanziert werden, die unter anderem auf Frieden und Sicherheit sowie auf Menschenrechte ausgerichtet sind; in der Erwägung, dass sich die von der EU bereitgestellten Finanzhilfen für Nigeria während dieses Zeitraums auf insgesamt 700 Mio. EUR belaufen, von denen ein Teil umverteilt wird, um auf die immer problematischere Sicherheitslage im Norden Nigerias zu reagieren;
P. in der Erwägung, dass die EU gemäß Artikel 8 und 9 des geänderten Cotonou-Abkommens einen regelmäßigen politischen Dialog mit Nigeria über Menschenrechte und demokratische Grundsätze aufgenommen hat und dass in diesem Zusammenhang auch ethnische, religiöse und rassistische Diskriminierung thematisiert wird;
Q. in der Erwägung, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Navi Pillay, darauf hingewiesen hat, dass die bei Angriffe durch Boko Haram als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet werden können; in der Erwägung, dass die Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, im Juli 2012 nach Abuja reiste; in der Erwägung, dass ihre Anklagebehörde im November 2012 einen Bericht veröffentlichte, demzufolge es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Boko Haram Straftaten begangen hat, bei denen es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt;
R. in der Erwägung, dass nahezu 60 % der Bevölkerung Nigerias ihren Lebensunterhalt mit weniger als einem Dollar pro Tag bestreiten müssen, obwohl das Land einer der größten Erdölproduzenten der Welt ist; in der Erwägung, dass es für eine friedliche Lösung des Konflikts auch eines gerechten Zugangs zu Ressourcen und einer Umverteilung der Erträge über den Staatshaushalt bedarf;
1. verurteilt die Eskalation der Gewalt durch Boko Haram und den tragischen Tod unschuldiger Menschen in den Unruheregionen Nigerias, und bekundet sein Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer und die Verwundeten; äußert seine Besorgnis über die anhaltenden Spannungen, bei denen die Gemeinschaften sowohl Täter als auch Opfer sind;
2. fordert die Regierung Nigerias nachdrücklich auf, die Sicherheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten, sie vor der Gewalt durch Boko Haram zu schützen, von weiteren Angriffen und Vergeltungsmaßnahmen abzusehen, ihren Verpflichtungen gemäß den international anerkannten Menschenrechtsnormen nachzukommen und im Einklang mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu agieren;
3. verurteilt den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt durch das Militär Nigerias bei seinen Zusammenstößen mit Boko Haram, insbesondere bei seinen Angriffen auf Baga am 16. und 17. April 2013;
4. fordert die Regierung und die Akteure unterhalb der nationalen Ebene auf, Zurückhaltung zu üben und sich um friedlichen Lösungen zur Beilegung der Differenzen zwischen religiösen und ethnischen Gruppen in Nigeria zu bemühen; hebt in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig ein funktionierendes, unabhängiges, unparteiliches und zugängliches Justizsystem ist – insbesondere während der bewaffneten Konflikte – um der Straffreiheit ein Ende zu setzen, für eine stärkere Achtung der Rechtstaatlichkeit zu sorgen und die Grundrechte der Bevölkerung zu schützen;
5. fordert die nigerianische Regierung auf, eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern, und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit und das Wohlbefinden von Zivilisten zu legen; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die während des Konflikts verursachte Zerstörung und Beschädigung von Wohnhäusern, öffentlicher Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen negative Folgen für die Bevölkerung hat;
6. fordert die Regierung Nigerias und Boko Haram auf, die Presse- und Medienfreiheit zu achten und Journalisten und Reportern Zugang zum Kampfgebiet zu gewähren, da Presse und Medien eine wichtige Rolle für die Stärkung der Rechenschaftspflicht und bei der Dokumentierung von Menschenrechtsverletzungen spielen können;
7. verurteilt die Hinrichtung von Daniel Nsofor durch die nigerianischen Behörden aufgrund von Verbrechen, die er vor dem vollendeten 18. Lebensjahr begangen hat; empfiehlt den Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die UN-Kinderrechtskonvention und die Abschlussbemerkungen zu Nigeria von 2010 umzusetzen – insbesondere, indem sie dafür sorgen, dass die Definition des Kindes in der innerstaatlichen Gesetzgebung und auf staatlicher Ebene im Einklang mit der in der Kinderrechtskonvention festgelegten Definition steht –, die Akten aller Gefangenen zu überprüfen, die für Verbrechen zum Tode verurteilt wurden, die sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen haben, und die Todesstrafe für alle Personen unter 18 Jahren aus der innerstaatlichen Gesetzgebung zu streichen;
8. verurteilt die Hinrichtung von vier Gefangenen in Nigeria im Juni 2013 entschieden; fordert die nigerianischen Behörden auf, sich an die Verpflichtungen zu halten, die sie unlängst im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Nigeria eingegangen sind: die Aufrechterhaltung des De-facto-Moratoriums für Hinrichtungen; fordert Nigeria auf, die Todesstrafe abzuschaffen und zu diesem Zweck seine Gesetzgebung zu ändern;
9. fordert die nigerianischen Behörden auf, mit Unterstützung der Europäischen Kommission und von Unicef ihre Reformbemühungen im Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention zu beschleunigen, insbesondere was das Jugendstrafrecht und Geburtenregistrierungssysteme betrifft; empfiehlt Nigeria, seine Bemühungen um eine kostenlose und verbindliche Geburtenregistrierung für alle Kinder fortzusetzen und zu intensivieren und der Öffentlichkeit die Bedeutung von Geburtenregistrierungen und des geltenden Rechts zu verdeutlichen;
10. erkennt an, dass Mobiltelefone ein wichtiges Kommunikationsmittel für militante Regierungsgegner sind; fordert die Regierung Nigerias jedoch auf, nicht dazu überzugehen, das gesamte Netz zu sperren, da es dadurch auch für die Bürger unmöglich wird, zu kommunizieren;
11. hebt hervor, wie wichtig regionale Zusammenarbeit ist, um gegen die Bedrohung durch eine Verbindung zwischen Boko Haram und AQMI vorzugehen; fordert die Länder der Region auf, ihre Zusammenarbeit untereinander und mit den Ländern der Sahelzone zu vertiefen, um ein weiteres Zusammengehen von Boko Haram, AQIM und der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MOJWA) zu verhindern; fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten sowie die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (Ecowas) auf, diese regionalen Bemühungen zu unterstützen und Bedrohungen durch den Terrorismus, die Verbreitung leichter Waffen und grenzübergreifende Kriminalität zu bekämpfen;
12. nimmt mit Besorgnis die zunehmende Bedrohung durch Piraterie im Golf von Guinea und den Bedarf an einer stärkeren Koordinierung von Maßnahmen zur Kenntnis; begrüßt in diesem Zusammenhang die regionalen Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen durch die Piraterie, auf die sich die Staats- und Regierungschefs am 24. Juni 2013 in Jaunde (Kamerun) auf dem Golf-von-Guinea-Gipfeltreffen über die Sicherheit auf See geeinigt haben;
13. fordert eine umfassende Untersuchung der dem Konflikt zugrundeliegenden Ursachen, einschließlich gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ethnischer Spannungen, und ist der Ansicht, dass allzu vage und einfache Erklärungen, die sich ausschließlich auf die Religion beziehen, vermieden werden müssen, da sie nicht die Grundlage für eine langfristige und dauerhafte Lösung der Probleme dieser Region schaffen können; fordert die nigerianische Regierung auf, eine friedliche Lösung auszuarbeiten und die Ursache des Konflikts anzugehen, um für einen fairen Zugang zu den Ressourcen, eine nachhaltige Entwicklung auf regionaler Ebene und eine Umverteilung der Einnahmen durch den Staatshaushalt zu sorgen;
14. fordert, dass Menschenrechtsverletzungen von unabhängiger Seite untersucht werden und dass die Schuldigen unter Einhaltung der internationalen Normen für ein faires Verfahren vor Gericht gebracht werden;
15. äußert seine Besorgnis darüber, dass durch eine Eskalation des Konflikts in Nigeria die Flüchtlingskrise in den Nachbarländern Niger und Kamerun verstärkt wird; fordert die Regierung Nigerias auf, sich mit den Regierungen der Nachbarländer bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms zu koordinieren;
16. Fordert die VP/HV, Catherine Ashton, auf, von der Regierung Nigerias zu fordern, bei ihren Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung die Menschenrechte zu achten; bringt seine Bereitschaft zum Ausdruck, die Entwicklung der Situation in Nigeria genau zu verfolgen, und schlägt vor, im Falle einer Nichteinhaltung des Cotonou-Abkommens, insbesondere der Artikel 8 und 9, restriktive Maßnahmen zu ergreifen; fordert die Kommission auf, die Situation ebenfalls im Auge zu behalten;
17. bedauert zutiefst die Annahme des Gesetzes, das gleichgeschlechtliche Ehen untersagt, wodurch das Leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, der Einsatz für die Rechte der LGBTI-Gemeinschaft, das Betreiben schwulenfreundlicher Veranstaltungsorte und das Zeigen von Zuneigung zwischen zwei Menschen des gleichen Geschlechts kriminalisiert werden; fordert den Präsidenten von Nigeria daher auf, das vom Parlament verabschiedete Gesetz nicht zu unterzeichnen, da durch dieses sowohl einheimische als auch ausländische Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft einem hohen Risiko von Gewalt und Inhaftierung ausgesetzt wären;
18. ersucht die nigerianischen Behörden darum, Homosexualität zu entkriminalisieren und die LGBTI-Gemeinschaft sowie die Verteidiger ihrer Menschenrechte zu beschützen;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, der der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Bundesregierung von Nigeria, den Organen der Afrikanischen Union und der ECOWAS, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie dem Panafrikanischen Parlament (PAP) zu übermitteln.