Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Februar 2014 zu dem Fortschrittsbericht 2013 über Bosnien und Herzegowina (2013/2884(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das am 16. Juni 2008 unterzeichnete und von allen EU-Mitgliedstaaten und Bosnien und Herzegowina ratifizierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bosnien und Herzegowina andererseits,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. und 20. Juni 2003 und deren Anlage „Agenda von Thessaloniki für die westlichen Balkanstaaten: Auf dem Weg zur Europäischen Integration“,
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 11. Dezember 2012 und 21. Oktober 2013 zu Bosnien und Herzegowina,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 16. Oktober 2013 mit dem Titel „Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2013-2014“ (COM(2013)0700) und des dazugehörigen Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen vom 16. Oktober 2013 mit dem Titel „Bosnien und Herzegowina: Fortschrittsbericht 2013“ (SWD(2013)0415),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, insbesondere die Entschließung vom 23. Mai 2013 zum Fortschrittsbericht 2012 über Bosnien und Herzegowina(1) und die Entschließung vom 22. November 2012 zur Erweiterung: Politiken, Kriterien und die strategischen Interessen der EU(2),
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die EU auch künftig nachdrücklich für ein souveränes und vereintes Bosnien und Herzegowina sowie für die Beitrittsperspektive des Landes einsetzt;
B. in der Erwägung, dass die aus Anhang 4 des Friedensabkommens von Dayton hervorgehende komplexe und ineffiziente institutionelle Architektur sowie die Untätigkeit der führenden Politiker in Bosnien und Herzegowina und deren Unfähigkeit zu Kompromissen weiterhin negative Auswirkungen gehabt haben, was die Fähigkeit des Landes betrifft, Fortschritte auf dem Weg in die EU zu erzielen und das Leben der Bürger zu verbessern; in der Erwägung, dass zur Schaffung eines funktionierenden und integrativen demokratischen Staates eine Verfassungsreform dringend notwendig ist;
C. in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedschaft Bosnien und Herzegowina als einem Staat in Aussicht gestellt wurde;
D. in der Erwägung, dass neue Impulse sowie die Achtung gegenüber den Bürgern und die Einhaltung internationaler Verpflichtungen erforderlich sind, um einen erneuten Stillstand im Vorfeld der allgemeinen Wahlen im Oktober 2014 zu verhindern;
E. in der Erwägung, dass die soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung im Land nach wie vor durch weitverbreitete Korruption, eine äußerst hohe Arbeitslosenquote und fehlende Zukunftsperspektiven für die Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina ernsthaft beeinträchtigt wird;
F. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit mit anderen Ländern in der Region im Geiste gutnachbarschaftlicher Beziehungen eine Grundvoraussetzung für die friedliche Koexistenz und die Aussöhnung innerhalb von Bosnien und Herzegowina und in Südosteuropa ist;
Allgemeine Erwägungen
1. ist zutiefst besorgt darüber, dass es weiterhin an einer gemeinsamen Vision der führenden Politiker der drei Volksgruppen des Landes mangelt; fordert die politischen Gruppierungen auf allen Entscheidungsebenen des Landes auf, die Zusammenarbeit und den Dialog zu intensivieren, um die bestehenden Auseinandersetzungen zu überwinden, damit Fortschritte bei den Reformbemühungen erzielt und die Lebensbedingungen der Menschen in Bosnien und Herzegowina verbessert werden; fordert die Zivilgesellschaft auf, sich bei den Bemühungen zur Reformierung des Landes stärker zu engagieren;
2. begrüßt das am 1. Oktober 2013 in Brüssel erzielte 6-Punkte-Abkommen, bedauert jedoch die Blockierung seiner Umsetzung durch zentralistische Kräfte; betont, wie wichtig es ist, den Grundsätzen des Föderalismus und legitimer Vertretung zu folgen, um sicherzustellen, dass Bosnien und Herzegowina nicht von seinem Pfad abweicht;
3. fordert eine Abkehr von der nationalistischen und ethnozentrischen Rhetorik aus der Führungsriege der drei Staatsvölker in Bosnien und Herzegowina; verurteilt jegliche Form von Segregation und Diskriminierung in einem Land aus religiösen oder ethnischen Gründen;
4. fordert die führenden Politiker mit Nachdruck auf, einen Schwerpunkt auf die Umsetzung des Fahrplans für den Dialog auf hoher Ebene zu legen, um die Anforderungen im Hinblick auf das Inkrafttreten des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens erfüllen zu können;
5. fordert die Regierungen und die zuständigen Behörden auf, die Effizienz und Funktionsfähigkeit ihrer Organe zu stärken und einen wirksamen EU-Mechanismus zur Koordinierung festzulegen, damit der gemeinsame Besitzstand der EU landesweit zum allgemeinen Wohlergehen der Bürger gleichartig umgesetzt und angewandt wird; fordert sie diesbezüglich auf, dafür zu sorgen, dass sie auf gesamtstaatlicher Ebene mit einer Stimme sprechen können; betont, dass der Beitrittsprozess ohne einen solchen Mechanismus weiterhin blockiert bleibt; fordert alle politischen Parteien auf, auf eine Intensivierung des politischen Dialogs und eine Verbesserung der politischen Kultur hinzuwirken;
6. erinnert die Kommission daran, dass die EU-Erweiterung mehr ist als eine bloße Übernahme des gemeinsamen Besitzstands der EU und sich auf ein echtes und umfassendes Bekenntnis zu den europäischen Werten stützen muss; fordert eine Fortführung der Kontakte der EU zu den führenden Politikern in Bosnien und Herzegowina und ein Überdenken der EU-Strategie gegenüber Bosnien und Herzegowina, da die Verhandlungen in Richtung eines EU-Kandidatenstatus im Vergleich zu den Verhandlungen mit anderen Ländern der Region ins Stocken geraten sind; legt der internationalen Gemeinschaft, dem Europäischen Rat und insbesondere den Mitgliedstaaten nahe, ihre Bemühungen zu intensivieren, um die führenden Politiker in Bosnien und Herzegowina dazu zu bewegen, sich darauf zu einigen, die Verfassungsreform und die EU-bezogenen Reformen voranzubringen; fordert den nächsten Vizepräsidenten/Hohen Vertreter und das für die Erweiterung zuständige Kommissionsmitglied auf, Bosnien und Herzegowina nach der Ernennung der nächsten Kommission 2014 höchste Priorität einzuräumen; verweist in diesem Zusammenhang auf die wichtige Rolle und das Engagement der EU-Delegation und des EU-Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina;
7. legt der Kommission nahe, die Anstrengungen zu intensivieren, um eine Einigung über die Umsetzung des Urteils in der Rechtssache „Sejdić / Finci“ zu ermöglichen, das gleiche Rechte für alle Staatsvölker und Bürger sicherstellt, und dazu beizutragen, dass die Ziele der EU-Agenda, einschließlich eines funktionierenden Systems des verantwortlichen Regierungshandelns, der demokratischen Entwicklung und des wirtschaftlichen Wohlstands und der Achtung der Menschenrechte, umgesetzt werden;
8. fordert die Staats- und Regierungschefs und die Außenminister der EU auf, sich stärker persönlich für das Land zu engagieren;
9. fordert die Behörden auf, die noch ausstehenden Zielvorgaben und Bedingungen für die Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten zu erfüllen, um mehr lokale Verantwortlichkeit und Zuständigkeit zu ermöglichen; betont, dass die Auflösung des Büros des Hohen Repräsentanten erst in Erwägung gezogen werden kann, wenn die Bedingungen voll und ganz erfüllt sind;
10. ist äußerst besorgt darüber, dass die vier Jahre lang anhaltende Uneinigkeit zwischen den führenden Politikern den Europarat dazu veranlasst hat, erstmals die Aussetzung des Rechts des Landes auf Vertretung in dieser Organisation zu erwägen, falls vor der Wahl keine wesentlichen Fortschritte bei der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) erzielt werden; betont, dass im Falle einer Nichtumsetzung des Urteils des EGMR die Legitimität der Wahlen für das Amt des Präsidenten und zur Völkerkammer von Bosnien und Herzegowina im Jahr 2014 in Frage gestellt werden wird;
11. bekräftigt, dass die Verfassungsreform weiterhin von entscheidender Bedeutung ist, um Bosnien und Herzegowina in einen effizienten und uneingeschränkt funktionsfähigen Staat umzuwandeln; legt der Föderation nahe, diesbezüglich konkrete Vorschläge zu prüfen, einschließlich des Zusammenschlusses bestimmter Kantone und der Umverteilung von Zuständigkeiten, um ihre komplizierte institutionelle Struktur zu vereinfachen, eine ausgewogenere Vertretung aller Staatsvölker und Bürger sicherzustellen, ethnische Diskriminierung zu beseitigen und den Staat funktionsfähiger und weniger kostspielig zu gestalten und seine Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern zu verstärken; fordert alle politischen Parteien auf, sich konstruktiv und offen an diesem Prozess zu beteiligen und sich dabei die Ratschläge und Orientierungen der Venedig-Kommission zunutze zu machen; begrüßt und unterstützt die Bemühungen von Organisationen der Zivilgesellschaft, Einfluss auf den Prozess der Verfassungsreform zu nehmen;
12. begrüßt, dass die Phase der Auszählung der ersten Volks- und Wohnungszählung seit 1991 reibungslos verlaufen ist und abgeschlossen wurde; ruft die verantwortlichen Behörden auf, sicherzustellen, dass die Zählung eine statistische Übung bleibt und dass sie internationalen Standards entspricht; fordert alle zuständigen Behörden eindringlich auf, eine Zählung, die dazu dient, objektive sozioökonomische Daten zu liefern, nicht zu politisieren;
13. ist ernsthaft besorgt, dass die Finanzhilfe der EU aufgrund der Streitigkeiten über die Aufteilung der Zuständigkeiten beeinträchtigt wird; bedauert, unterstützt jedoch gleichzeitig voll und ganz die Entscheidung der Kommission, aus dem Instrument für Heranführungshilfe IPA-I finanzierte Projekte einzustellen; ist besorgt, dass die Untätigkeit Folgen für die Bereitstellung von Millionen von Euro aus EU-Mitteln für die politische und sozioökonomische Entwicklung im Rahmen von IPA-II zeitigen könnte;
Politische Kriterien
14. ist besorgt, dass die Legislativtätigkeit weiterhin durch politische Positionierungen behindert wird; fordert eine stärkere politische Rechenschaftspflicht der führenden Politiker gegenüber den Menschen in Bosnien und Herzegowina;
15. fordert alle in der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina vertretenen politischen Parteien auf, unverzüglich die erforderlichen Änderungen des Wahlrechts zu beschließen, damit die Parlamentswahlen im Oktober 2014 abgehalten werden können; bekräftigt, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina endgültig und rechtsverbindlich sind und somit umgesetzt werden müssen;
16. ist ernsthaft besorgt, was das leistungsschwache Rechtssystem und das wachsende Unvermögen betrifft, Gerichtsurteile umzusetzen; fordert eindringlich, dass politische Angriffe auf die Justiz unterbunden werden und dass gegen die Fragmentierung der haushaltspolitischen Zuständigkeiten im Justizwesen vorgegangen wird;
17. würdigt den strukturierten Dialog über die Justiz, in dessen Rahmen konkrete Ergebnisse erzielt und eine Reihe von Empfehlungen umgesetzt wurden; begrüßt die Fortschritte, die bei der Verringerung der anhängigen Gerichtsfälle erzielt wurden; wiederholt in Einklang mit den Empfehlungen des strukturierten Dialogs die Aufforderung zur Durchführung struktureller und institutioneller Reformen des Justizsystems, um unter anderem die Fragen in Zusammenhang mit der Harmonisierung der vier verschiedenen Rechtssysteme von Bosnien und Herzegowina anzugehen, einschließlich der Einrichtung eines Obersten Gerichtshofs auf gesamtstaatlicher Ebene, in Einklang mit den Empfehlungen der einschlägigen Stellungnahme der Venedig-Kommission;
18. bekundet Zufriedenheit darüber, dass die Rückstände an unbearbeiteten Rechtssachen betreffend Kriegsverbrechen ebenfalls verringert und die Strafverfolgung bei Fällen der Anwendung von sexueller Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen verbessert wurde; begrüßt die Ernennung von 13 neuen Staatsanwälten bei der Staatsanwaltschaft, die sich hauptsächlich mit der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen befassen werden; fordert eine Intensivierung der Anstrengungen zur Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung dieser Straftatbestände, einschließlich eines angemessenen Zeugenschutzes, die Verabschiedung eines gesamtstaatlichen Programms zur Verbesserung der Stellung der Opfer, einschließlich der Überlebenden von sexueller Gewalt und Folter in kriegerischen Auseinandersetzungen, und Maßnahmen zur Stärkung der einschlägigen Ressourcen auf allen Ebenen;
19. nimmt das Urteil des EGMR im Fall „Maktouf and Damjanović vs. Bosnia and Herzegovina“ sowie dessen Auswirkungen zur Kenntnis, die zu einer Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich anderer vor dem Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina anhängiger Berufungen, unter anderem wegen Anklagen wegen Völkermords, geführt haben, mit der Folge, dass 10 zu langen Haftstrafen verurteilte Angeklagte freigesprochen wurden; bekräftigt, dass das Streben nach Gerechtigkeit für Kriegsverbrechen für die Opfer und ihre Familien von entscheidender Bedeutung ist und dass daher eine gebührende Prüfung stattfinden sollte, bevor solche Freisprüche erfolgen; betont, wie wichtig es ist, dass die innerstaatlichen Behörden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um – wo immer dies erforderlich ist – für die weitere Inhaftierung früher Verurteilter zu sorgen, deren Fall neu untersucht werden soll, sofern ihre Inhaftierung mit den Urteilen des EGMR in Einklang steht, oder sonstige Sicherheitsmaßnahmen zu treffen;
20. ist besorgt über die finanzielle Tragfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und über ihre Zersplitterung und Politisierung sowie über den Mangel an politischem Willen für ihre Reform; begrüßt, dass im Bereich der innerstaatlichen Koordinierung zur Angleichung der Rechtsvorschriften an die EU-Normen gewisse Verbesserungen erzielt wurden, ist allerdings nach wie vor besorgt über die möglichen Auswirkungen der komplexen Verteilung und Zuweisung von Zuständigkeiten auf die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen; ist besorgt, dass für den Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse in die EU erforderliche Einrichtungen für phytosanitäre Untersuchungen nicht hinreichend entwickelt wurden; fordert die Regierung nachdrücklich auf, die Schaffung eines gesamtstaatlichen Ministeriums für Landwirtschaft zu unterstützen;
21. begrüßt, dass sich die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft verbessert, fordert jedoch, dass institutionelle Mechanismen für die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Einrichtungen und Organisationen der Zivilgesellschaft auf gesamtstaatlicher Ebene geschaffen werden und möglichst bald auf der Ebene der Entitäten und Kantone in Betrieb genommen werden können; fordert ferner, dass die Zivilgesellschaft stärker regelmäßig und strukturiert in den Beitrittsprozess einbezogen wird; ruft zu einer verstärkten Zusammenarbeit und Synergien unter den NRO auf;
22. betont, dass Bosnien und Herzegowina die wesentlichen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zu den Arbeitnehmerrechten ratifiziert hat; bedauert, dass Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte nach wie vor eingeschränkt sind, und fordert die Regierung auf, diese Rechte zu gewährleisten;
23. zeigt sich besorgt über das hohe Ausmaß an Korruption in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und über die komplexen Verbindungen zwischen politischen Interessenträgern, Unternehmen und Medien; fordert, dass die Strategie zur Bekämpfung der Korruption zügiger umgesetzt wird und dass Schritte eingeleitet werden, damit Fälle von Korruption wirksamer untersucht und verfolgt und die Beschuldigten verurteilt werden können;
24. begrüßt die Absicht der Regierung der Föderation, ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen in das parlamentarische Verfahren einzubringen; unterstreicht, dass der Bekämpfung von Korruption höchste Priorität beigemessen werden muss, und fordert einen allumfassenden Konsultationsprozess mit allen Beteiligten und betroffenen Institutionen, um den Legislativvorschlag in voller Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Besitzstand der EU und den sich aus dem strukturierten Dialog zum Thema Justiz ergebenden Empfehlungen zu aktualisieren; begrüßt in diesem Zusammenhang die technische Unterstützung seitens der EU-Delegation in Bosnien und Herzegowina;
25. zeigt sich besorgt, dass das organisierte Verbrechen, Geldwäsche und der illegale Handel mit Menschen, Drogen und Waren fortbestehen, da effiziente Institutionen fehlen; würdigt die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und begrüßt in diesem Zusammenhang die Vereinbarung zwischen Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien über die Einrichtung eines gemeinsamen Koordinierungszentrums zur besseren Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität; fordert, dass für strukturelle Verbesserungen bei der Zusammenarbeit zwischen den Grenzkontroll-, Polizei- und Strafverfolgungsbehörden und für wirkungsvollere Folgemaßnahmen der Justiz gesorgt wird; fordert, dass die Strafverfolgungsbehörden systematisch Erkenntnisse sammeln, analysieren und nutzen; erwartet positive Entwicklungen infolge des Inkrafttretens des vor kurzem angenommenen Zeugenschutzgesetzes, dessen technische Harmonisierung noch aussteht;
26. drückt sein Bedauern darüber aus, dass Bosnien und Herzegowina nach wie vor ein Herkunfts-, Transit- und Bestimmungsland des Frauenhandels ist; begrüßt die Annahme einer neuen Strategie und eines Aktionsplans zur Bekämpfung des Menschenhandels für 2013-2105; betont, dass ein umfassender, multidisziplinärer und opferorientierter Ansatz bei der Bekämpfung des Menschenhandels erforderlich ist und dass die Identifizierung der Opfer verbessert werden muss;
27. ist besorgt, dass hinsichtlich der Frauenrechte und der Geschlechtergleichstellung trotz der geltenden rechtlichen Bestimmungen nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen sind; fordert, dass die einschlägigen Gesetze und Maßnahmen, auch im Zusammenhang mit dem Wahlrecht, bis zu den nächsten Parlamentswahlen 2014 vollständig umgesetzt werden, und dass konkrete Schritte eingeleitet werden, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie deren Mitwirkung in der Politik zu erhöhen;
28. fordert die zuständigen Stellen auf, die Rechte von Minderheiten und schutzbedürftigen Gruppen aktiv zu schützen, die Vorschriften und Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung umzusetzen und eine landesweite Antidiskriminierungsstrategie zu entwickeln; besteht darauf, dass sich die politischen Parteien und die Zivilgesellschaft von der Diskriminierung distanzieren und eine inklusive und tolerante Gesellschaft fördern; ist besorgt über Hassreden, Bedrohungen, Belästigungen und Diskriminierungen, die insbesondere gegen lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen gerichtet sind; ist zutiefst entsetzt über den brutalen Anschlag beim „Merlinka“-Filmfestival in Sarajevo am 1. Februar 2014; fordert die Behörden diesbezüglich auf, eine umfassende Untersuchung durchzuführen und dafür zu sorgen, dass ähnliche Veranstaltungen künftig einen angemessenen Polizeischutz erhalten; fordert die EU-Delegation, die Behörden von Bosnien und Herzegowina und die politischen Parteien auf, den Opfern dieses Anschlags offen ihre Unterstützung zu bekunden und derartige Aktionen zu verurteilen;
29. fordert, dass Anstrengungen unternommen werden, um den Medienpluralismus zu gewährleisten und zu fördern; ist besorgt über den zunehmenden politischen und finanziellen Druck auf die Medien und über die gegen Journalisten gerichteten Drohungen; betont, dass eine transparente und freie Medienlandschaft unabdingbar für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ist; fordert Maßnahmen für ein sicheres Arbeitsumfeld für Journalisten; fordert die Behörden nachdrücklich auf, die politische, institutionelle und finanzielle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften sicherzustellen und den digitalen Umstieg zu vollenden; fordert weitere Anstrengungen, um den gleichen Zugang zu Informationen in allen Amtssprachen sicherzustellen und im Bereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gleiche Rechte für alle Staatsvölker sicherzustellen;
30. fordert die Behörden auf, ausreichende Mittel für die frühkindliche Erziehung und Bildung sowie Dienste für Familien von Kindern mit Behinderungen bereitzustellen und sich mit der Gewalt gegen Kinder zu befassen;
31. legt den zuständigen Stellen auf allen Ebenen in ganz Bosnien und Herzegowina nahe, die Bildungsreform zur Verbesserung der Bildungsstandards entschieden voranzubringen, ein inklusives und diskriminierungsfreies Bildungssystem zu fördern und der ethnischen Trennung im Bildungssektor (zwei Schulen unter einem Dach) ein Ende zu bereiten; ersucht sie, die Weiterbildung von Lehrkräften zum Erwerb von Zusatzqualifikationen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, interethnisch gemischtes Lernen zu fördern, und langfristige Programme zum Aufbau von Kapazitäten voranzutreiben; empfiehlt, dass in den Medien von Bosnien und Herzegowina eine integrierte Bildung gefördert wird; legt der Konferenz der Bildungsminister nahe, einen kohärenteren Rechtsrahmen im Bereich der Bildung in ganz Bosnien und Herzegowina zu schaffen, einschließlich einer zunehmenden Vereinheitlichung von Lehrplänen und Standards als Voraussetzung für die Annäherung der ethnischen Gemeinschaften; bedauert, dass keine nationale Einrichtung in Bosnien und Herzegowina in irgendeiner Form am EU-Programm für lebenslanges Lernen teilgenommen hat; fordert die zuständigen Stellen nachdrücklich auf, eine solche Einrichtung zu schaffen, die es dem Land ermöglichen würde, an dem daran anknüpfenden Programm „Erasmus+“ teilzunehmen;
32. fordert die Behörden auf, Roma-Kindern den gleichen Zugang zu Bildungsdiensten zu garantieren, mit den einschlägigen NRO zusammenzuarbeiten, um Roma-Familien zu ermutigen, den Zugang ihrer Kinder zu Bildung zu unterstützen, und die wirksame Integration von Roma-Kindern im Bildungswesen unter anderem durch Programme zur Förderung der Schulreife voranzubringen;
33. begrüßt den Beschluss des zuständigen Ministeriums der Föderation, vorübergehend die Verantwortung für die Finanzierung kultureller Einrichtungen wie der Nationalbibliothek und dem Museum für Geschichte zu übernehmen; fordert die zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina auf, dafür zu sorgen, dass Anstrengungen zu einer sofortigen Lösung des Status der sieben nationalen Kultureinrichtungen – Nationalmuseum, Kunstgalerie, Historisches Museum, Museum für Literatur und Theater, Filmarchiv, Nationalbibliothek und Bibliothek für Blinde –, unternommen werden, damit diese einen ordnungsgemäßen Rechts- und Finanzstatus erhalten; fordert eine langfristige Lösung für die Finanzierung dieser Einrichtungen;
34. fordert, dass die Koordinierung auf lokaler Ebene intensiviert, der Dialog zwischen Gebern, Interessenträgern und Behörden vor Ort ausgebaut und ein Schwerpunkt auf nachhaltige Maßnahmen zugunsten von Rückkehrern gelegt wird; fordert Anstrengungen zur Sicherstellung der Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in alle betroffenen Gebiete; fordert das Land auf, sich mit dem ungelösten humanitären Anliegen der 7 886 Fälle von Personen, die seit dem Krieg als vermisst gelten, zu befassen und die Arbeitsbedingungen für das Institut für vermisste Personen zu verbessern;
35. zollt den über 430 Männern, Frauen und Kindern Respekt, die während des Krieges getötet wurden und deren sterbliche Überreste im September in dem Massengrab in Tomasica in der Nähe von Prijedor in der Republika Srpska gefunden wurden, und bekundet ihren Familien sein Mitgefühl; fordert eine vollständige und umfassende Untersuchung der Gräueltaten; appelliert an alle Personen, denen Hinweise auf unentdeckte Massengräber vorliegen, die Behörden ebenso wie im Fall des Grabs in Tomasica zu informieren;
Sozioökonomische Fragen
36. fordert die zuständigen Stellen auf, die wirtschaftspolitische Koordinierung im Land zu stärken, um das Wirtschaftswachstum voranzubringen, sowie weitere Strukturreformen einzuleiten, die Haushaltsdisziplin aufrechtzuerhalten und die Entwicklung der Einnahmen zu verbessern; fordert sie ferner auf, die Zusammensetzung und Effizienz der öffentlichen Ausgaben und des großen ineffektiven öffentlichen Sektors – mit seinen zahlreichen Kompetenzüberschneidungen – zu verbessern und die Stabilität des Finanzsektors durch eine Stärkung des rechts- und ordnungspolitischen Rahmens sicherzustellen; ist besorgt über die mangelhafte Durchsetzung der Rechtsvorschriften und der Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption, wodurch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinträchtigt und ausländische Investitionen abgehalten werden und zum Entstehen eines großen informellen Sektors beigetragen wird; bekräftigt, dass ein einheitlicher Wirtschaftsraum geschaffen werden muss und der ins Stocken geratene Privatisierungsprozess wieder aufgenommen und beschleunigt werden muss, um die Haushaltslage zu verbessern und den Wettbewerb anzukurbeln; fordert die zuständigen Stellen auf, den Umweltschutz in Einklang mit den EU-Normen zu verbessern;
37. ist darüber besorgt, dass die Sozialschutzregelungen des Landes trotz hoher öffentlicher Ausgaben ineffizient sind; betont die Notwendigkeit einer Harmonisierung und Reform der fragmentierten Sozialschutzsysteme, um die Gleichbehandlung aller Bürger, einschließlich Menschen mit Behinderungen, zu gewährleisten; fordert die Regierungen mit Nachdruck auf, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und Reformen des Arbeitsmarkts umzusetzen, um mit konkreten wirtschaftlichen Maßnahmen gegen die sehr hohe Arbeitslosigkeit vorzugehen, die die makroökonomische Stabilität gefährdet; fordert, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Beteiligung der zahlreichen jungen Arbeitslosen am Arbeitsmarkt des Landes zu erleichtern;
Regionale Zusammenarbeit
38. würdigt die konstruktive Rolle von Bosnien und Herzegowina bei der regionalen Zusammenarbeit und fordert das Land auf, sich weiterhin um eine Lösung der ungelösten Grenz- und Eigentumsfragen mit seinen Nachbarstaaten zu bemühen; fordert zur weiteren Entwicklung der Beziehungen mit anderen am europäischen Integrationsprozess beteiligten Staaten auf;
39. begrüßt ausdrücklich, dass sich Bosnien und Herzegowina und Serbien verpflichtet haben, die bilateralen Beziehungen zu verbessern, wozu auch die Unterzeichnung der Auslieferungs- und Rücknahmeabkommen sowie eines Protokolls über die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord gehört; begrüßt die bilateralen Grenzabkommen mit Kroatien; fordert Bosnien und Herzegowina zur weiteren Zusammenarbeit mit der Kommission hinsichtlich der Anpassung des Interimsabkommens/Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens insbesondere in Bezug auf den grenzüberschreitenden Handel auf; um sicherzustellen, dass traditionelle Handelsströme zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Partnerländern des Zentraleuropäischen Freihandelsabkommens nicht unterbrochen werden; fordert mit Nachdruck, dass die Reisedokumente von Bürgern des Kosovo akzeptiert werden und ihnen eine Einreise in das Land ermöglicht wird;
40. bekräftigt seine Unterstützung der Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten, die als wichtige Säule in ihrem europäischen Integrationsprozess fungiert; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Asylverfahren für Bürger der westlichen Balkanstaaten, die visumfreien Reiseverkehr mit dem Schengen-Raum als wirksames Mittel zur Verringerung der Zahl unbegründeter Asylanträge genießen, zu verkürzen, den Asylbewerbern jedoch nach wie vor das Recht zu gewähren, ihren Fall in einer ausführlichen Befragung darzulegen; begrüßt darüber hinaus die in ihrem Koalitionsvertrag mit Bezug auf ihre nationalen Asylgesetze festgehaltene Absicht der neuen Regierungskoalition in Deutschland, Bosnien und Herzegowina zu einem „sicheren Herkunftsstaat“ zu erklären, um eine raschere Bearbeitung dieser Anträge zu ermöglichen;
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41. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem Staatspräsidium und dem Ministerrat von Bosnien und Herzegowina, der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina sowie den Regierungen und Parlamenten der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska zu übermitteln.