Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 zur sexuellen Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter (2013/2103(INI))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Artikel 4 und 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1949 zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer,
– in Kenntnis des Artikels 6 des Übereinkommens von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), das auf die Abschaffung jeder Form des Frauenhandels und der Ausbeutung der Prostitution von Frauen abzielt,
– in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes,
– in Kenntnis der Erklärung der Vereinten Nationen von 1993 über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, in deren Artikel 2 es heißt, dass als Gewalt gegen Frauen unter anderem folgende Handlungen gelten: „körperliche, sexuelle und psychologische Gewalt im Umfeld der Gemeinschaft, einschließlich Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung und Einschüchterung am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen und andernorts, Frauenhandel und Zwangsprostitution“,
– in Kenntnis des Protokolls von Palermo von 2000 zur Verhinderung, Bekämpfung und Strafverfolgung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, welches das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ergänzt und diesem als Anhang beigefügt ist,
– in Kenntnis des strategischen Ziels D.3 der Aktionsplattform von 1995 und der Erklärung von Peking,
– in Kenntnis des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Zwangs- oder Pflichtarbeit, in dessen Artikel 2 Zwangsarbeit definiert ist,
– in Kenntnis der Brüsseler Erklärung (11) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, in der eine umfassende, multidisziplinäre und effektiv koordinierte Strategie gefordert wird, die Akteure aus allen betroffenen Bereichen einbezieht,
– in Kenntnis der einschlägigen Empfehlungen des Europarates, wie z. B. der Empfehlung R (2000) 11 über die Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Empfehlung R (2002) 5 über den Schutz von Frauen vor Gewalt und der Empfehlung (2002) 1545 zu Kampagnen gegen den Frauenhandel,
– unter Hinweis auf die Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel,
– unter Hinweis auf den Entwurf einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit dem Titel „Criminalising the purchase of sex to combat the trafficking of people for sexual exploitation“ (Kriminalisierung des Kaufs von Sex zur Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung), Dok. 12920 vom 26. April 2012,
– in Kenntnis des Beschlusses Nr. 1 des OSZE-Ministerratstreffens 2000 in Wien (12) über die Verstärkung der Bemühungen der OSZE und des Aktionsplans der OSZE zur Bekämpfung des Menschenhandels (Beschluss Nr. 557 von 2003),
– gestützt auf Artikel 2 und 13 des Vertrags über die Europäische Union,
– in Kenntnis des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels,
– unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2011/36/EU des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002,
– in Kenntnis der Entschließung des Rates über Initiativen zur Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels(1),
– unter Hinweis auf die Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 1995 zur Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking „Gleichstellung, Entwicklung und Frieden“(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. April 1997 zur Mitteilung der Kommission über illegale und schädliche Inhalte im Internet(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 1997 zur Notwendigkeit einer Kampagne in der Europäischen Union zur vollständigen Ächtung der Gewalt gegen Frauen(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Oktober 1997 zum Grünbuch der Kommission über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. November 1997 zu der Mitteilung der Kommission über die Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch und zu dem Memorandum zum Beitrag der Europäischen Union zur Verstärkung des Kampfes gegen Kindesmissbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Dezember 1997 zu der Mitteilung der Kommission zum Thema „Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung“(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Mai 1998 zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Gewährleistung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 1998 zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Februar 1999 zur Harmonisierung der den Flüchtlingsstatus ergänzenden zusätzlichen Schutzmaßnahmen in der Europäischen Union(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. März 2000 zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. April 2000 zur Initiative der Republik Österreich zur Annahme des Beschlusses des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Mai 2000 zu den Folgemaßnahmen im Anschluss an die Aktionsplattform von Peking(13),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2000 zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels“(14),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2000 zu der Mitteilung der Kommission über Opfer von Straftaten in der Europäischen Union: Überlegungen zu Grundsätzen und Maßnahmen(15),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Juni 2001 zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels(16),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2006 zu den Strategien zur Verhinderung des Handels mit Frauen und Kindern, die durch sexuelle Ausbeutung gefährdet sind(17),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 2. Februar 2006 zu der derzeitigen Lage bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und künftige Maßnahmen(18),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. März 2006 zur Zwangsprostitution im Rahmen internationaler Sportereignisse(19),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2009 zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen(20),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(21),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Februar 2013 zur 57. Tagung der VN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zum Thema: „Beseitigung und Verhütung aller Arten von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“(22),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen(23),
– unter Hinweis auf die Sensibilisierungskampagne „Not for sale“ (Nicht käuflich) der Europäischen Frauenlobby,
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses (A7-0071/2014),
A. in der Erwägung, dass Prostitution und Zwangsprostitution geschlechtsspezifische Phänomene von globaler Dimension sind, von denen weltweit 40-42 Millionen Menschen betroffen sind und bei dem die überwiegende Mehrheit der Prostituierten Frauen und Mädchen und fast alle Kunden Männer sind, und dass sie daher sowohl Ursache als auch Folge der Ungleichbehandlung der Geschlechter ist;
B. in der Erwägung, dass Prostitution und Zwangsprostitution Formen der Sklaverei darstellen, die mit der Menschenwürde und den Grundrechten unvereinbar sind;
C. in der Erwägung, dass der Menschenhandel, insbesondere der Handel mit Frauen und Kindern, zum Zwecke der sexuellen oder anderer Formen der Ausbeutung, zu den eklatantesten Verletzungen der Menschenrechte gehört; in der Erwägung, dass der Menschenhandel durch die Zunahme des organisierten Verbrechens und dessen Einträglichkeit weltweit zunimmt;
D. in der Erwägung, dass Arbeit in hohem Maße zur Selbstverwirklichung der Menschen beiträgt und diese durch ihre Arbeit einen solidarischen Beitrag für das Allgemeinwohl leisten;
E. in der Erwägung, dass Prostitution und Zwangsprostitution untrennbar mit der Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Gesellschaft verbunden sind und Auswirkungen auf den Status von Frauen und Männern in der Gesellschaft sowie die Wahrnehmung ihrer Beziehungen untereinander und der Sexualität haben;
F. in der Erwägung, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit durch eine gesunde Herangehensweise an Sexualität – in gegenseitiger Achtung – gefördert wird;
G. in der Erwägung, dass die Richtlinie 2011/36/EU des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und rigorose Opferschutzvorschriften enthält;
H. in der Erwägung, dass alle Strategien im Bereich der Prostitution sich auf die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung auswirken, das Verständnis für geschlechtsbezogene Fragen beeinflussen und der Gesellschaft, insbesondere der Jugend, Botschaften und Regeln übermitteln;
I. in der Erwägung, dass Prostitution wie ein Unternehmen funktioniert und einen Markt schafft, auf dem verschiedene Akteure interagieren und auf dem die Zuhälter entsprechend rechnen und handeln, um ihren Marktanteil auszubauen und ihre Gewinne zu maximieren, und dass die Kunden, die Sex käuflich erwerben, eine Schlüsselrolle spielen, da sie die Nachfrage in diesem Markt darstellen;
J. in der Erwägung, dass der WHO zufolge sexuelle Gesundheit sowohl eine positive, respektvolle Herangehensweise an Sexualität und sexuelle Beziehungen als auch die Möglichkeit für lustvolle und sichere sexuelle Erfahrungen, frei von Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt erfordert;
K. in der Erwägung, dass in der Prostitution alle intimen Handlungen auf einen Marktwert reduziert und Menschen dadurch zu Waren oder Gegenständen degradiert werden, die dem Kunden zur Verfügung stehen;
L. in der Erwägung, dass die überwiegende Mehrheit der Prostituierten aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen stammt;
M. in der Erwägung, dass Zuhälterei und organisierte Kriminalität eng miteinander in Verbindung stehen;
N. in der Erwägung, dass im Umfeld der Prostitution organisiertes Verbrechen, Menschenhandel, schwere Gewaltverbrechen und Korruption gedeihen und dass die Zuhälter den größten Nutzen aus der Legalisierung ziehen, die dadurch zu „Geschäftsleuten“ werden;
O. in der Erwägung, dass die Prostitutionsmärkte den Frauen- und Mädchenhandel anheizen(24);
P. in der Erwägung, dass der Menschenhandel ein Mittel ist, um das Angebot an Frauen und Mädchen am Prostitutionsmarkt zu erhöhen;
Q. in der Erwägung, dass die derzeitigen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels EU-Daten zufolge nicht effizient sind und es Probleme bei der Identifizierung und strafrechtlichen Verfolgung von Menschenhändlern gibt, so dass die Ermittlungsarbeit zu Fällen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von Menschenhändlern verstärkt werden müssen;
R. in der Erwägung, dass immer mehr junge Menschen, darunter erschreckend viele Kinder, zur Prostitution gezwungen werden;
S. in der Erwägung, dass der Zwang zur Ausübung von Prostitution entweder direkt und physisch oder indirekt durch Druck beispielsweise auf die Familie im Heimatland ausgeübt werden kann, etwa in Gestalt eines schleichenden, psychologischen Zwanges;
T. in der Erwägung, dass die Hauptverantwortung für die Bekämpfung des Menschenhandels bei den Mitgliedstaaten liegt, im April 2013 allerdings erst sechs Mitgliedstaaten die vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels gemeldet haben, deren Umsetzungsfrist am 6. April 2013 abgelaufen ist;
U. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2010-2015) erklärt: „Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern stellen Grundrechtsverstöße dar“;
V. in der Erwägung, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede beim Umgang mit der Prostitution bestehen, wobei es im Wesentlichen zwei Ansätze gibt: einerseits wird die Prostitution als Verletzung der Rechte der Frauen – als Form der sexuellen Sklaverei – angesehen, die zu geschlechtsspezifischer Ungleichheit zulasten von Frauen führt oder zu deren Fortdauer beiträgt; andererseits wird davon ausgegangen, dass die Prostitution der Gleichstellung der Geschlechter förderlich ist, indem das Recht der Frau propagiert wird, nach eigenem Ermessen über ihren Körper zu verfügen; in beiden Fällen ist es Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, wie sie mit dem Thema Prostitution umgehen;
W. in der Erwägung, dass es einen Unterschied zwischen „Zwangsprostitution“ und „freiwilliger Prostitution“ gibt;
X. in der Erwägung, dass das Thema Prostitution mit Weitblick und unter der Perspektive der Gleichstellung der Geschlechter angegangen werden muss;
1. vertritt die Auffassung, dass Prostitution, Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung stark geschlechtsspezifisch determiniert sind und Verstöße gegen die Menschenwürde sowie einen Widerspruch gegen die Menschenrechtsprinzipien wie beispielsweise die Gleichstellung der Geschlechter darstellen und daher mit den Grundsätzen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, einschließlich des Ziels und des Grundsatzes der Gleichstellung der Geschlechter, unvereinbar sind;
2. betont, dass die Gesundheitsrechte aller Frauen respektiert werden müssen, darunter auch das Recht auf ihren Körper und auf Sexualität ohne Zwang, Diskriminierung und Gewalt;
3. betont, dass es vielfältige Verflechtungen zwischen Prostitution und Menschenhandel gibt und ist sich bewusst, dass die Prostitution weltweit und europaweit dem Handel mit Frauen und Mädchen in prekärer sozialer Lage, von denen viele zwischen 13 und 25 Jahre alt sind, Vorschub leistet; weist mit Nachdruck darauf hin, dass nach Angaben der Kommission der Menschenhandel bei den meisten der Opfer (62 %) zum Zweck der sexuellen Ausbeutung erfolgt und dass 90 % der ermittelten und mutmaßlichen Opfer Frauen und Mädchen sind;
4. erkennt jedoch an, dass der Prostitutionsmarkt aufgrund des Mangels an zuverlässigen, genauen und unter den Ländern vergleichbaren Daten, der hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass Prostitution und Menschenhandel illegal sind und häufig im Verborgenen stattfinden, undurchsichtig ist und politische Entscheidungen dadurch erschwert werden, zumal alle Zahlen ausschließlich auf Schätzungen beruhen;
5. betont, dass die Prostitution auch ein Gesundheitsproblem ist, da sie nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit der im Bereich der Prostitution tätigen Personen hat, die etwa unter sexuellen, physischen und psychischen Krankheiten, Drogen- und Alkoholsucht und Verlust der Selbstachtung leiden und eine höhere Sterblichkeitsrate haben als die Bevölkerung im Allgemeinen; fügt hinzu und betont, dass viele Sexkäufer ungeschützten kommerziellen Sex fordern, wodurch das Risiko negativer Auswirkungen auf die Gesundheit der im Bereich der Prostitution tätigen Personen und auch der Käufer steigt;
6. betont, dass Zwangsprostitution, Prostitution und Ausbeutung in der Sexindustrie – abgesehen davon, dass sie sowohl Ursache als auch Folge der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern sind und Geschlechterklischees und stereotype Denkweisen über Frauen, die Sex verkaufen, zementieren, wie zum Beispiel die Ansicht, dass die Körper von Frauen und Mädchen zum Verkauf anstehen, um die männliche Nachfrage nach Sex zu befriedigen – verheerende und dauerhafte psychologische und physische Folgen für die beteiligten Personen haben können, besonders für Kinder und Jugendliche, selbst nach dem Ausstieg aus der Prostitution;
7. fordert zudem die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit nationalem Recht regelmäßige, vertrauliche Beratungs- und Gesundheitstermine für Prostituierte außerhalb der Prostitutionsstätten einzuführen;
8. stellt fest, dass Prostituierte einem hohen Risiko der Infektion mit HIV oder anderen Geschlechtskrankheiten ausgesetzt sind;
9. fordert die Mitgliedstaaten auf, bewährte Verfahren auszutauschen, um die Gefahren im Zusammenhang mit der Straßenprostitution zu verringern;
10. ist sich bewusst, dass Prostitution und Zwangsprostitution Auswirkungen auf Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen haben können, da Untersuchungen zu Sexkäufern zeigen, dass Männer, die Sex kaufen, ein herabsetzendes Frauenbild haben(25); regt daher an, dass die zuständigen nationalen Behörden eine Kampagne zur Sensibilisierung von Männern und zum Verbot von Sexkäufen durchführen;
11. betont, dass Prostituierte sozial, wirtschaftlich, physisch, psychisch, emotional und hinsichtlich ihrer Familienbindungen besonders schutzbedürftig und stärker Gewalt ausgesetzt sind oder eher zu Schaden kommen können als Personen, die eine andere Tätigkeit ausüben; ist der Auffassung, dass die nationalen Polizeibehörden daher aufgefordert werden sollten, unter anderem gegen die niedrige Zahl von Verurteilungen für die Vergewaltigung von Prostituierten vorzugehen; weist mit Nachdruck darauf hin, dass Prostituierte öffentlichen Schmähungen und sozialer Stigmatisierung auch noch ausgesetzt sind, wenn sie nicht mehr der Prostitution nachgehen;
12. weist auf die Tatsache hin, dass im Bereich der Prostitution tätige Frauen ein Recht auf Mutterschaft sowie auf die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder haben;
13. betont, dass die Normalisierung der Prostitution Auswirkungen auf Gewalt gegen Frauen hat; weist insbesondere darauf hin, dass Daten belegen, dass Männer, die Sex kaufen, eher Frauen sexuell misshandeln oder andere Gewalttaten gegen Frauen begehen und frauenfeindliche Verhaltensweisen zeigen;
14. stellt fest, dass 80-95 % aller Prostituierten in irgendeiner Form Gewalt erlitten haben (Vergewaltigung, Inzest, Pädophilie), bevor sie anfingen, sich zu prostituieren, dass 62 % der betreffenden Personen vergewaltigt wurden und 68 % unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden – was in etwa dem Anteil von Folteropfern entspricht, die entsprechende Störungen aufweisen(26);
15. weist mit Nachdruck darauf hin, dass Kinderprostitution nie freiwillig sein kann, da Kinder von Rechts wegen nicht in Prostitution einwilligen können; fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, Kinderprostitution (Prostitution Minderjähriger) so entschieden wie möglich zu bekämpfen, da diese Art der Prostitution die schlimmste Form der Zwangsprostitution ist; fordert dringend eine Null-Toleranz-Strategie, die auf Prävention, Opferschutz und strafrechtlicher Verfolgung der Kunden beruht;
16. stellt fest, dass Kinderprostitution und die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger zunehmen, auch über die sozialen Netzwerke, in denen häufig Betrug und Einschüchterung zum Einsatz kommen;
17. weist darauf hin, dass es immer mehr minderjährige Prostituierte gibt, dass die Prostitution Minderjähriger nicht mit sexuellem Missbrauch gleichzusetzen ist, und das dies aus schlechten Einkommensverhältnissen und mangelnder elterlicher Aufsicht rührt;
18. betont, dass effiziente politische Maßnahmen erforderlich sind, um schwerpunktmäßig nicht nur minderjährige Prostituierter „vom Markt nehmen“, sondern sie auch von diesem Markt fernhalten sowie Tätigkeiten, die den Zielen des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und dessen Fakultativprotokoll widersprechen, bekämpfen zu können;
19. vertritt die Auffassung, dass der Kauf von sexuellen Dienstleistungen von Prostituierten unter 21 Jahren eine Straftat darstellen sollte, die Dienstleistungen von Prostituierten hingegen nicht strafbar sein sollten;
20. weist auf das „Grooming“ hin, also die Prostitution von Mädchen, die minderjährig sind, oder Frauen, die gerade die Volljährigkeit erreicht haben, gegen Luxusartikel und/oder geringe Geldsummen, die sie zur Deckung von alltäglichen Ausgaben aufwenden, und/oder damit eine Ausbildung finanzieren;
21. weist die Mitgliedstaaten darauf hin, dass Bildung eine wichtige Rolle bei der Prävention von Prostitution und der mit ihr verbundenen organisierten Kriminalität spielt, weswegen die Durchführung altersgerechter spezieller Aufklärungskampagnen in schulischen Einrichtungen zur Sensibilisierung und Prävention empfohlen wird, und fordert, dass Aufklärungsmaßnahmen über Gleichstellung bei der Bildung junger Menschen ein grundlegendes Ziel sein sollten;
22. weist darauf hin, dass Anzeigen für Sexdienstleistungen in Zeitungen und in den sozialen Medien der Unterstützung von Menschenhandel und Prostitution Vorschub leisten können;
23. lenkt die Aufmerksamkeit auf die wachsende Bedeutung des Internets und der sozialen Netzwerke bei der Anwerbung von neuen, jungen Prostituierten durch Menschenhändlerringe; ruft zur Durchführung von Präventionskampagnen auch im Internet auf, um diese schutzbedürftige Zielgruppe der Menschenhändlerringe zu erreichen;
24. verweist auf einige vorwiegend negative Auswirkungen der Massenmedien und der Pornografie, die vor allem online ein abfälliges Frauenbild verbreiten, das zur Missachtung der menschlichen Persönlichkeit von Frauen beitragen könnte, und sie als Ware darstellen; warnt auch davor, dass sexuelle Freiheit nicht als Freibrief zur Missachtung von Frauen ausgelegt werden darf;
25. betont, dass die Normalisierung der Prostitution Auswirkungen darauf hat, wie junge Menschen Sexualität und die Beziehungen zwischen Frauen und Männern wahrnehmen;
26. betont, dass Prostituierte nicht kriminalisiert werden sollten, und fordert alle Mitgliedstaaten auf, repressive Rechtsvorschriften gegen Prostituierte aufzuheben;
27. fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, die Kriminalisierung und die Bestrafung von Prostituierten zu unterlassen und Programme zu entwickeln, um Prostituierte/Sexarbeiter dabei zu unterstützen, aus ihrem Beruf auszusteigen, wenn sie das möchten;
28. ist der Ansicht, dass die Senkung der Nachfrage Teil einer integrierten Strategie der Mitgliedstaaten gegen Menschenhandel bilden sollte;
29. vertritt die Auffassung, dass eine Methode, den Handel mit Frauen und Mädchen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu bekämpfen und die Geschlechtergleichstellung zu verbessern, das in Schweden, Island und Norwegen umgesetzte und derzeit in verschiedenen europäischen Ländern geprüfte Modell (das sogenannte „Nordische Modell“) ist, nach dem der Kauf von sexuellen Dienstleistungen eine Straftat darstellt, die Dienstleistungen von Prostituierten hingegen nicht strafbar sind;
30. hebt hervor, dass Prostitution ein grenzüberschreitendes Problem ist und die Mitgliedstaaten deshalb Verantwortung für die Bekämpfung des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen übernehmen sollten, wenn er außerhalb des eigenen Landes erfolgt;
31. betont, dass einige Daten die abschreckende Wirkung des „Nordischen Modells“ auf den Menschenhandel in Richtung Schweden bestätigt haben, wo keine Zunahme von Prostitution und Sexhandel zu verzeichnen ist, und dass dieses Modell in zunehmendem Maße von der Bevölkerung, insbesondere von jungen Menschen unterstützt wird, was ein Beleg dafür ist, dass die betreffenden Rechtsvorschriften zu einem Mentalitätswandel geführt haben;
32. erkennt die Ergebnisse eines aktuellen Berichts der finnischen Regierung an, in dem die uneingeschränkte Kriminalisierung des Kaufs von Sex gefordert wird, da sich der finnische Ansatz, die Käufer von Sexdienstleistungen von Opfern des Menschenhandels zu kriminalisieren, zur Bekämpfung des Menschenhandels als unwirksam erwiesen hat;
33. ist der Ansicht, dass Rechtsvorschriften eine Möglichkeit sind, klarzustellen, welche Normen für eine Gesellschaft akzeptabel sind, und eine Gesellschaft zu schaffen, die diese Werte widerspiegelt;
34. vertritt die Auffassung, dass die Einstufung der Prostitution als legale „Sexarbeit“, die Entkriminalisierung der Sexindustrie im Allgemeinen und die Legalisierung der Zuhälterei keine Lösung darstellen, wenn es darum geht, schutzbedürftige Frauen und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, sondern dass sie diese im Gegenteil der Gefahr schlimmerer Gewalt aussetzen, den Prostitutionsmarkt fördern und so die Anzahl der misshandelten Frauen und Mädchen sogar erhöhen;
35. verurteilt alle politischen Verstöße und Diskussionen, die davon ausgehen, dass die Prostitution eine Lösung für Frauen mit Migrationshintergrund in Europa darstellen kann;
36. fordert daher die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit nationalem Recht anlassunabhängige Zutritts- und Kontrollrechte der Polizei und der zuständigen Behörden für Prostitutionsstätten einzuführen;
37. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Mittel und Instrumente zur Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung und zur Verringerung der Prostitution bereitzustellen, die einen Verstoß gegen die Grundrechte von Frauen und vor allem von minderjährigen Frauen und gegen die Gleichstellung der Geschlechter darstellen;
38. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates insbesondere im Hinblick auf den Opferschutz schnellstmöglich in nationales Recht umzusetzen;
39. fordert die Kommission auf, die Wirkung, die der europäische Rechtsrahmen zur Beseitigung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung bislang gezeigt hat, zu bewerten, die Formen von Prostitution und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und die Zunahme des Sextourismus in der EU weiter zu untersuchen, vor allem in Bezug auf Minderjährige, und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern;
40. betont, dass die Kommission weiterhin Projekte und Programme zur Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung finanzieren sollte;
41. fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Prostitution zu planen und umzusetzen, um sicherzustellen, dass alle maßgeblich Beteiligten wie beispielsweise NRO, die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden sowie soziale und medizinische Dienste unterstützt und einbezogen werden und zusammenarbeiten;
42. stellt fest, dass die meisten Prostituierte gerne aussteigen würden, sich aber nicht dazu in der Lage fühlen; weist mit Nachdruck darauf hin, dass diese Personen angemessen begleitet werden müssen, vor allem in psychologischer und sozialer Hinsicht, damit sie aus dem Netz der sexuellen Ausbeutung und der oftmals damit verbundenen Abhängigkeit aussteigen können; schlägt daher den zuständigen Behörden vor, in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen Programme für den Ausstieg aus der Prostitution einzuführen;
43. hebt nachdrücklich die Bedeutung einer angemessenen und umfassenden Ausbildung der Polizeidienste und Justizbediensteten in Bezug auf die verschiedenen Facetten sexueller Ausbeutung hervor, einschließlich der geschlechtsspezifischen Dimension und des Faktors Immigration; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Polizeibehörden nahezulegen, mit den Opfern zusammenzuarbeiten und sie dazu anzuregen, als Zeugen auszusagen, die Einrichtung spezialisierter Stellen innerhalb der Polizeibehörden zu fördern und Polizistinnen einzustellen; hält es für notwendig, dass die Mitgliedstaaten juristisch zusammenarbeiten, um die Menschenhändlerringe in Europa besser bekämpfen zu können;
44. weist die nationalen Behörden auf die Auswirkungen hin, die der Konjunkturrückgang auf immer mehr Frauen und Mädchen, auch Migrantinnen, hat, die gezwungen werden, sich zu prostituieren;
45. weist darauf hin, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten und Armut die Hauptursachen für Prostitution bei jungen Frauen und Mädchen sind, und dass geschlechtsspezifische Präventionsstrategien, nationale und europaweite Kampagnen, die speziell auf gesellschaftlich ausgegrenzte Gruppen ausgerichtet sind und auf Personen, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind (zum Beispiel Menschen mit Behinderung und Jugendliche, die noch unter den Kinderschutz fallen), Maßnahmen zur Linderung der Armut und zur Sensibilisierung sowie der Austausch bewährter Verfahren bei der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen, insbesondere Migrantinnen, eine maßgebliche Rolle spielen; empfiehlt der Kommission, eine „europäische Woche zur Bekämpfung des Menschenhandels“ auszurufen;
46. betont, dass soziale Ausgrenzung ein entscheidender Faktor dafür ist, dass benachteiligte Frauen und Mädchen besonders leicht Opfer von Menschenhandel werden; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise zu Arbeitslosigkeit geführt hat, wodurch die schutzbedürftigsten Frauen, darunter auch Frauen aus höheren sozialen Schichten, oft gezwungen waren, als Prostituierte zu arbeiten bzw. in das Sexgeschäft einzusteigen, um Armut und soziale Ausgrenzung zu überwinden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die zugrunde liegenden sozialen Probleme anzugehen, die Männer, Frauen und Kinder zur Prostitution zwingen;
47. fordert die Mitgliedstaaten auf, vor Ort tätige Organisationen, die Hilfe und Ausstiegsstrategien bieten, finanziell zu unterstützen, den Opfern von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung, auch Migrantinnen und Frauen ohne Aufenthaltspapiere, innovative Sozialdienstleistungen bereitzustellen, und die individuellen Bedürfnisse und Risiken zu bewerten, um ihnen angemessene Unterstützung und entsprechenden Schutz bieten zu können, und – im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes und mithilfe der verschiedenen Polizei-, Einwanderungs-, Gesundheits- und Bildungsbehörden –Maßnahmen zu treffen, mit denen schutzbedürftige Frauen und Minderjährige unterstützt werden sollen, wenn sie aus der Prostitution aussteigen wollen, wobei gleichzeitig darauf zu achten ist, dass diese Programme auf einer gesetzlichen Grundlage fußen und mit den erforderlichen Finanzmitteln zur Erreichung des genannten Zieles ausgestattet sind; misst der psychologischen Betreuung und der notwendigen sozialen Wiedereingliederung der Opfer sexueller Ausbeutung große Bedeutung bei; weist darauf hin, dass dieser Prozess Zeit braucht und den Aufbau eines Lebensentwurfs erfordert, der eine glaubwürdige und lebensfähige Alternative für die ehemaligen Prostituierten darstellt;
48. betont, dass zusätzliche Analysen und statistische Daten erforderlich sind, um zu beurteilen, mit welchem Modell der Handel mit Frauen und Mädchen zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung am wirksamsten bekämpft werden kann;
49. fordert die Mitgliedstaaten auf, sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen der Kriminalisierung des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen auf die Verringerung von Prostitution und Menschenhandel zu bewerten;
50. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, geschlechtsspezifische Präventionsstrategien in Form von Sanktionen, Sensibilisierungskampagnen und Aufklärung in den Herkunftsländern zu entwickeln für Personen, die aufgrund von Menschenhandel zur Prostitution gezwungen wurden, die sich sowohl an die Käufer von Sex als auch an Frauen und Minderjährige richten;
51. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu treffen, um die Praktiken des Sextourismus in und außerhalb der EU zu bekämpfen;
52. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Prostitution in Konfliktgebieten zu verhindern, in denen EU-Streitkräfte stationiert sind;
53. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
In ihrem Bericht von 2006 wies die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über den Menschenhandel, insbesondere den Frauen- und Mädchenhandel, Sigma Huda, darauf hin, dass sich die Prostitutionspolitik unmittelbar auf das Ausmaß des Menschenhandels auswirkt.
Farley, M., ‘Violence against women and post-traumatic stress syndrome’, Women and Health, 1998; Damant, D. et al., ‘Trajectoires d’entrée en prostitution : violence, toxicomanie et criminalité“, Le Journal International de Victimologie, Nr. 3, April 2005.