Index 
Angenommene Texte
Donnerstag, 27. Februar 2014 - Straßburg
SOLVIT
 Europäische Ermittlungsanordnung ***I
 Visumpflicht für Staatsangehörige von Drittländern ***I
 Freiwilliges Partnerschaftsabkommen EU-Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die EU ***
 Personenkontrollen an den Außengrenzen ***I
 Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind ***I
 Lage in der Ukraine
 Lage im Irak
 Einsatz bewaffneter Drohnen
 Grundrechte in der Europäischen Union (2012)
 Europäischer Haftbefehl
 Freiwilliges Partnerschaftsabkommen EU-Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die EU
 Lage in Venezuela
 Zukunft der EU-Visumpolitik
 Spezifische Maßnahmen in der Gemeinsamen Fischereipolitik für die Entwicklung der Rolle der Frauen
 Abgaben für Privatkopien

SOLVIT
PDF 227kWORD 57k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu SOLVIT (2013/2154(INI))
P7_TA(2014)0164A7-0059/2014

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission vom 17. September 2013 zu den Grundsätzen für SOLVIT(1),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 17. September 2013 mit dem Titel „Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen besser für die Wahrnehmung ihrer Rechte im Binnenmarkt ausrüsten: Aktionsplan zur Verbesserung und Weiterentwicklung von ‚Ihr Europa‘ in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten“ (COM(2013)0636),

–  in Kenntnis des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen vom 24. Februar 2012 mit dem Titel „Reinforcing effective problem-solving in the Single Market - unlocking SOLVIT's potential at the occasion of its 10th anniversary“ (Verstärkung wirksamer Problemlösungen im Binnenmarkt – Freisetzung des Potentials von SOLVIT aus Anlass seines 10-jährigen Bestehens) (SWD(2012)0033),

–  in Kenntnis des ersten Berichts der Kommission vom 28. November 2012 über das Thema „Stand der Binnenmarktintegration 2013 – Beitrag zum Jahreswachstumsbericht 2013“ (COM(2012)0752),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 8. Juni 2012 mit dem Titel „Bessere Governance für den Binnenmarkt“ (COM(2012)0259),

–  in Kenntnis des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen vom 24. Februar 2012 mit dem Titel „Die Leistung des Binnenmarkts steigern – Governance-Test 2011“ (SWD(2012)0025),

–  in Kenntnis des am 4. Juli 2013 veröffentlichten Binnenmarktanzeigers,

–  unter Hinweis auf seine im Juli 2013 erschienene Studie „A European Single Point of Contact“ (Eine zentrale europäische Anlaufstelle), die von seinem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben wurde,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Februar 2013 zur Governance des Binnenmarktes(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Juni 2012 mit dem Titel „Die Binnenmarktakte und die nächsten Schritte für das Wachstum“(3),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. April 2011 zu Wirtschaftslenkung und Partnerschaft im Binnenmarkt(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2010 zu SOLVIT(5),

–  gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A7‑0059/2014),

A.  in der Erwägung, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen im Binnenmarkt effektiv wahrgenommen und die EU-Rechtsvorschriften zum Schutz dieser Rechte effektiv durchgesetzt werden müssen, um sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Unternehmen einen Nutzen aus dem Potenzial des Binnenmarktes ziehen;

B.  in der Erwägung, dass die Information der Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte sowie eine Hilfestellung bei der Wahrnehmung dieser Rechte zu einem besseren Funktionieren des Binnenmarkts beitragen;

C.  unter Hinweis darauf, dass SOLVIT derzeit ca. 1300 Fälle pro Jahr bearbeitet und für ca. 90 % seiner Kunden innerhalb einer Frist von 70 Tagen Lösungen findet;

D.  in der Erwägung, dass das Interesse und die Nutzung von „Ihr Europa“ rapide zunimmt und das Portal dem Binnenmarktanzeiger zufolge im Jahr 2012 mehr als 11 000 Besucher täglich zählte, verglichen mit 6500 im Jahr davor;

E.  in der Erwägung, dass es wiederholt eine weitere Verstärkung des SOLVIT-Netzes und die Verfügbarkeit von mehr und besseren Informationen über EU-Rechte gefordert hat;

F.  in der Erwägung, dass SOLVIT eine wichtige Rolle als zentrales Problemlösungsinstrument und damit als Instrument zur Sicherstellung einer besseren Einhaltung der EU-Binnenmarktvorschriften zukommt; in der Erwägung, dass SOLVIT trotzdem noch immer zu wenig genutzt wird und seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden;

G.  in der Erwägung, dass SOLVIT, wenn es in vollem Umfang genutzt wird, in vielen Fällen ein nützliches Instrument sein kann, durch das die übermäßige Nutzung des Rechtssystems eingeschränkt werden kann, das oft sehr kompliziert ist, was die Lösung der Probleme von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen erschwert;

H.  in der Erwägung, dass den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen gemäß seiner in Auftrag gegebenen Studie „A European Single Point of Contact“ (Eine zentrale europäische Anlaufstelle) zwar ein breites Spektrum an Online-Informationen, Beratung und Unterstützung zur Verfügung steht, die Bekanntheit dieser Dienste aber sehr gering ist und 91,6 % der Befragten keine Kenntnis von einem Online-Dienst haben, an den sie sich bei Problemen in Bezug auf den Binnenmarkt wenden können;

I.  in der Erwägung, dass eine wirksame Hilfeleistung durch die SOLVIT-Stellen in großem Umfang von der guten Schulung des Personals abhängt;

J.  in der Erwägung, dass größere Bemühungen unternommen werden sollten, um SOLVIT besser in die auf nationaler und Unionsebene zur Verfügung stehenden Unterstützungsdienste und Durchsetzungsinstrumente einzubinden;

K.  in der Erwägung, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sich ihrer Rechte im Binnenmarkt bewusst sein müssen und dass es immer noch notwendig ist, den Kenntnisstand in Bezug auf dieses Thema zu erweitern, damit sie auftretende Probleme richtig erkennen und lösen können;

Einleitung: effektive Wahrnehmung von Rechten und Möglichkeiten im Binnenmarkt

1.  bekräftigt, dass das Potenzial des Binnenmarkts nur freigesetzt werden kann, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen ihrer Rechte und Möglichkeiten bewusst und in der Lage sind, diese effektiv wahrzunehmen; erinnert daran, dass diese Ziele nur erreicht werden können, wenn die Mitgliedstaaten die wirksame Durchsetzung der den Binnenmarkt betreffenden Rechtsvorschriften sicherstellen und wenn hochwertige Informationen und effiziente Problemlösungsmechanismen bereitgestellt werden;

2.  betont, dass viele Probleme des Binnenmarkts durch Überregulierung, späte oder fehlerhafte Durchführung durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten oder nationale Vorschriften, die den Rechtsvorschriften der Union zuwiderlaufen, entstehen; fordert die Kommission diesbezüglich nachdrücklich auf, Druck auf diejenigen Mitgliedstaaten auszuüben, die die Binnenmarktvorschriften nicht einhalten;

3.  weist darauf hin, dass viele mit der Durchführung der Binnenmarktvorschriften verbundenen Probleme über das SOLVIT-Netz erkannt werden, und lobt den Beitrag von SOLVIT zu Änderungen in den Bereichen Verwaltung und Regulierung, um diese Probleme zu beheben; fordert den Rat nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltungen zu ergreifen, um die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Kommission zu verbessern;

4.  betont, dass es notwendig ist, dass SOLVIT über einen wirksamen Mechanismus verfügt, mit dem es die Kommission über Probleme auf dem Binnenmarkt informieren kann, die mit der mangelnden Umsetzung von EU-Recht zusammenhängen, über die es Kenntnis erlangt hat;

5.  betont, dass die ordnungsgemäße Durchführung und Durchsetzung sowie die Einhaltung der den Binnenmarkt betreffenden Rechtsvorschriften von größter Bedeutung für europäische Verbraucher und Unternehmen und daher auch für die Wirtschaft als Ganzes sowie für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Funktionsweise des Binnenmarktes sind; betont auch die diesbezügliche gesetzliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten;

6.  bekräftigt seine Forderungen nach einer Weiterentwicklung der geltenden Vertragsverletzungsverfahren, unter anderem durch die Sicherstellung einer strengeren Anwendung solcher Verfahren bei Verletzungen der Unionsvorschriften für den Binnenmarkt und durch die Anwendung schnellerer Verfahren;

7.  unterstreicht außerdem, wie wichtig es ist, alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass Probleme der Durchsetzung verhindert, erkannt oder behoben werden, bevor eine Einleitung formeller Vertragsverletzungsverfahren notwendig wird;

8.  hebt die Anwendung von Null-Toleranz bei Nichteinhaltung und von Peer Review bei der Durchführung und Durchsetzung der Dienstleistungsrichtlinie als Methoden hervor, um eine wirksame Anwendung der Binnenmarktvorschriften sicherzustellen;

SOLVIT: Einzelpersonen und Unternehmen bei der Problemlösung helfen

9.  begrüßt die neue Empfehlung der Kommission zu den Grundsätzen für SOLVIT, die den Weg für SOLVIT 2.0 bereitet;

10.  stellt fest, dass das SOLVIT-Netz konkrete Ergebnisse erzielt und sich als nützlich erwiesen hat; stellt jedoch fest, dass großer Verbesserungsbedarf besteht, insbesondere im Hinblick auf die Beilegung unternehmensbezogener Streitigkeiten und den Zeitrahmen für die Klärung von Anfragen;

11.  begrüßt den Ansatz der Kommission, die erfolgreiche Arbeit des SOLVIT-Netzes zur informellen, schnellen und bürgernahen Problemlösung bei grenzübergreifenden Streitfällen zu Fragen des Binnenmarkts – ein Werkzeug, um bei einer fehlerhaften Anwendung nach der Umsetzung eingreifen zu können – weiter zu optimieren, und schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten eng mit der Kommission zusammenarbeiten, um das SOLVIT-System als kostenlose, benutzerfreundliche Dienstleistung zu verbessern;

12.  ist der Auffassung, dass die Leistung der SOLVIT-Stellen fortlaufend verbessert werden sollte, vor allem in Bezug auf Sozialversicherungsfälle, und ermutigt zu einer besseren Koordinierung der nationalen Sozialversicherungssysteme;

13.  fordert, dass insbesondere alle grenzübergreifenden Fragen in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, soziale Rechte und Gleichbehandlung in den Mittelpunkt gestellt werden, wobei auf die Fragen im Zusammenhang mit Renten und Pensionen, EU-Arbeitnehmern und entsendeten Arbeitnehmern besonderes Augenmerk zu richten ist;

14.  hebt insbesondere die Bedeutung von SOLVIT für mobile Arbeitnehmer im Hinblick auf Fragen der Gleichbehandlung und auf die Lösung grenzübergreifender Probleme hervor;

15.  stellt fest, dass die große Mehrheit der SOLVIT-Kunden Bürgerinnen und Bürger sind; betont, dass das große Potenzial von SOLVIT als Problemlösungsinstrument für Unternehmen freigesetzt werden muss; betont, dass mehr getan werden muss, um Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, stärker auf SOLVIT aufmerksam zu machen, ihnen seine Möglichkeiten nahezubringen und sie zu befähigen, besser davon Gebrauch zu machen; begrüßt die jüngste Aktualisierung des Portals „Ihr Europa – Unternehmen“ als positiven Schritt in diese Richtung;

16.  fordert eine Intensivierung der SOLVIT-Öffentlichkeitsarbeit, um den Bekanntheitsgrad des Netzes deutlich zu erhöhen; fordert die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Mitglieder des Europäischen Parlaments (in ihren Wahlkreisen) auf, mittels Aufklärungskampagnen die Rolle von „Ihr Europa“ und SOLVIT zu fördern; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, SOLVIT auf regionaler Ebene weitergehend zu fördern, wobei jedoch die Fallbearbeitung auf nationaler Ebene zu erfolgen hat;

17.  stellt fest, dass das Netz immer noch die Anlaufstelle für viele Fälle ist, für die es nicht vorgesehen ist, wodurch der Bearbeitungsprozess von Beschwerden, die mit SOLVIT zusammenhängen, verlangsamt wird; betont gleichzeitig die Notwendigkeit der Stärkung des Bewusstseins von Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern in Bezug auf die Kompetenzen von SOLVIT;

18.  fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass unter Bezugnahme auf die in der Empfehlung der Kommission vom 17. September 2013 aufgeführten Bedingungen für die Organisation der SOLVIT-Stellen ausreichende Mittel zur Aufrechterhaltung des SOLVIT-Netzes bereitgestellt werden;

19.  betont, wie wichtig es ist, die Qualität der von SOLVIT angebotenen Dienstleistung trotz Haushaltsbeschränkungen und begrenzter personeller Mittel aufrechtzuerhalten; betont, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass SOLVIT-Stellen über ausreichend gut geschultes Personal mit geeignetem juristischem Fachwissen und Kenntnis der relevanten EU-Sprachen verfügt, und dass das Personal entsprechend geschult wird, um seine Qualifikationen ständig zu erweitern;

20.  betont, wie wichtig es ist, eine vergleichbare Qualität der Dienstleistungen durch die SOLVIT-Stellen sicherzustellen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig sind, was für eine wirksame Problemlösung von entscheidender Bedeutung ist;

21.  betont die Bedeutung von schnellen Lösungen bei Problemen, bei denen nur eine Klarstellung des Unionsrechtes erforderlich ist, sowie einer angemessenen Kommunikation mit den Antragstellern in komplizierten Fällen;

22.  fordert eine bessere Abstimmung mit anderen Beschwerdebehandlungsverfahren, insbesondere mit EU-Pilot;

23.  betont, wie wichtig es ist, SOLVIT auf eine verstärkte Bearbeitung unternehmensbezogener Fälle auszurichten; stellt fest, dass hierzu eine größere Bekanntheit von SOLVIT in der Geschäftswelt, eine engere Zusammenarbeit zwischen SOLVIT und Unternehmensverbänden auf europäischer und nationaler Ebene (zum Beispiel in Form einer Arbeitsgruppe, der SOLVIT-Stellen und Unternehmensverbände angehören) sowie die Bereitschaft in einigen SOLVIT-Stellen erforderlich sind, komplexere Fälle zu übernehmen;

24.  bedauert, dass viele unternehmensbezogene Fälle, die von SOLVIT bearbeitet werden könnten, mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie zu komplex seien; vertritt die Auffassung, dass, wenn einige SOLVIT-Stellen solche unternehmensbezogenen Fälle zu komplex finden, um sie zu bearbeiten, dies ein Problem darstellt, das vor Ort in den betreffenden SOLVIT-Stellen angegangen werden muss;

25.  hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Kommission bei der Fallbearbeitung informelle Unterstützung bereitstellt, darunter auch eine informelle Rechtsberatung in komplexen Fällen; fordert die SOLVIT-Stellen auf, von dieser Unterstützung Gebrauch zu machen;

26.  betont, wie wichtig der Informationsaustausch zwischen den SOLVIT-Stellen ist, und empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten in die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen diesen Stellen investieren; tritt dafür ein, dass die SOLVIT-Stellen in der gesamten Europäischen Union einen intensiveren und umfassenderen Austausch bewährter Verfahren initiieren, und betont die Bedeutung des Austauschs zwischen den SOLVIT-Stellen in Bezug auf die Durchführung und Förderung der zur Verfügung gestellten Dienstleistungen;

27.  begrüßt die in der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission erfolgte Klärung in Bezug auf das Mandat von SOLVIT für Fälle, in denen nationale Vorschriften den Rechtsvorschriften der Union zuwiderlaufen (auch bekannt als Strukturfälle); begrüßt die Aufnahme solcher Fälle durch einige SOLVIT-Stellen; fordert alle SOLVIT-Stellen auf, wann immer solche Strukturprobleme auftreten, wirksame Unterstützung zu leisten, indem sie unter anderem helfen, mögliche durch geplante nationale Rechtsvorschriften auftretende Probleme zu erkennen;

28.  fordert die SOLVIT-Stellen zu mehr Entschlossenheit und Effizienz bei der Beantwortung von Beschwerden und insbesondere bei der Bearbeitung komplexerer Fälle auf;

29.  hebt hervor, dass es wichtig ist, dass der Antragsteller, die beteiligten SOLVIT-Stellen und die Kommission während des gesamten Verfahrens miteinander in Kontakt stehen und eng zusammenarbeiten; stellt fest, dass der Antragsteller in vielen Fällen während des Verfahrens nicht konsultiert wird und nur mit der SOLVIT-Stelle in Kontakt steht, wenn er den Antrag einreicht und wenn der Fall abgeschlossen wird;

30.  ist der Auffassung, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen SOLVIT und den nationalen Verwaltungen auf allen Ebenen notwendig ist;

31.  begrüßt ausdrücklich den Schutz personenbezogener Daten durch die SOLVIT-Beratungsstellen und fordert, diesen Schutz fortlaufend zu überwachen und erforderlichenfalls weiter auszubauen, um den Anforderungen der Nutzer an den Datenschutz zu entsprechen;

32.  betont, wie wichtig es ist, die Bekanntheit und Öffentlichkeitswirksamkeit des SOLVIT-Netzes zu erhöhen und es all denen näherzubringen, die es nicht kennen; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gleichberechtigten Zugang zum Beispiel für Menschen mit einer Behinderung und ältere Menschen zu SOLVIT-Beratungsstellen und Online-Portalen sicherzustellen und sämtliche Optionen für die Kontaktaufnahme zwischen Nutzern und SOLVIT-Beratungsstellen in diesem Zusammenhang weiter zu entwickeln; berücksichtigt den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen (COM(2012)0721);

33.  unterstreicht die Notwendigkeit, die SOLVIT-Portale mit anderen zugehörigen Akteuren und Plattformen zu verbinden und zu integrieren, um die Zugänglichkeit und Öffentlichkeitswirksamkeit für alle Nutzer zu erhöhen; schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten eng mit der Kommission zusammenarbeiten, um das SOLVIT-System zu verbessern, indem unionsweit ein kohärenter Ansatz gewährleistet und seine Sichtbarkeit verbessert wird; ist der Auffassung, dass auf den Webseiten aller maßgeblichen europäischen Institutionen ein Link zur Website von „Ihr Europa“ enthalten sein sollte;

34.  hebt hervor, wie wichtig es ist, das Wissen über die Datenbank für SOLVIT-Fälle weiterzugeben, und begrüßt die Empfehlung der Kommission betreffend die Notwendigkeit, in Fällen, die nicht im Rahmen von SOLVIT behandelt werden können, Informationen über alternative Netze zur Beilegung von Problemen oder alternative Informationsquellen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf der Ebene der EU zur Verfügung zu stellen, darunter auch Möglichkeiten für Rechtsbehelfe;

35.  ermutigt die SOLVIT-Stellen, sich vorausschauend zu engagieren, indem sie Eigeninitiative ergreifen, um Kontakte zu Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und nationalen Parlamenten herzustellen;

36.  begrüßt den Binnenmarktanzeiger, der Daten zur Leistung der Mitgliedstaaten in Bezug auf SOLVIT und „Ihr Europa“ sowie zu ihrer Leistung in Bezug auf die für das Funktionieren des Binnenmarkts relevanten EU-Rechtsvorschriften präsentiert;

37.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, weitere Schritte zu unternehmen, um Informationen über die Verfügbarkeit dieser Instrumente unter Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Unternehmern mithilfe von sämtlichen Massenmedien einschließlich des Internets zu verbreiten, damit diese Informationen eine möglichst große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmern erreichen; fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, Informationskampagnen zu organisieren, die auf konkrete Zielgruppen wie z. B. Unternehmen, und insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen, ausgerichtet sind;

38.  fordert die Kommission auf, die Leistung der Problemlösungsmechanismen der Union – insbesondere von SOLVIT – im Rahmen des Jahresberichts zur Binnenmarktintegration und als Teil des Jahreswachstumsberichts weiter zu überwachen; bekräftigt zudem seine Forderung an die Kommission, die Steuerung des Binnenmarkts durch die Errichtung einer spezifischen Säule des Europäischen Semesters einschließlich geeigneter länderspezifischer Empfehlungen zu verstärken;

39.  setzt sich nach wie vor für eine genaue Überwachung der Fortschritte von SOLVIT ein; fordert die Kommission nachdrücklich auf, messbare Etappenziele für die gewünschte Entwicklung von SOLVIT zu setzen; legt den Mitgliedstaaten nahe, außerdem ihre eigenen messbaren Ziele und Fristen für die Entwicklung der Fallbearbeitung in den lokalen SOLVIT-Stellen festzulegen; ist der Ansicht, das seine Trennung von bürger- und unternehmensbezogenen Fällen für den Zweck der Überwachung der Fortschritte ein erfolgversprechender Ansatz sein könnte; ist der Ansicht, dass die Möglichkeit der Ersetzung des informellen Verfahrens durch einen Gesetzgebungsakt in Erwägung gezogen werden sollte, wenn diese Ziele nicht erreicht werden, und zwar unter Berücksichtigung der bestehenden Mechanismen wie beispielsweise gemäß der Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung von Streitigkeiten und der Verordnung (EU) Nr. 524/201 zur Online-Beilegung von Streitigkeiten; fordert den Rat nachdrücklich auf, sich der diesbezüglichen Zielsetzung des Parlaments anzuschließen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Fortschritte bei diesen SOLVIT-Zielen der EU und auf nationaler Ebene im Rahmen des Europäischen Semesters genau zu überwachen;

„Ihr Europa“: besser auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen eingehen

40.  stellt fest, dass die Nutzung des Portals „Ihr Europa“ stetig zunimmt;

41.  hält die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu an, bei der Koordinierung ihrer jeweiligen Kampagnen im Bereich der Öffentlichkeitswirksamkeit eine klare Abgrenzung zwischen „Ihr Europa“ und SOLVIT vorzunehmen;

42.  begrüßt die im Aktionsplan Ihr Europa aufgeführten Ziele, d. h. die Bereitstellung praktischer und hochwertiger Informationen über die EU-Rechte im Binnenmarkt zu vervollständigen und eine enge Partnerschaft zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten zu konkretisieren;

43.  ermutigt die Kommission, wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, um „Ihr Europa“ als ein Instrument für Unternehmen zu positionieren und seine Öffentlichkeitswirksamkeit zu erhöhen, einschließlich durch die bessere Nutzung der sozialen Medien; ist der Auffassung, dass das Portal „Ihr Europa“ durch Markenführung und die Aufnahme von SOLVIT zur zentralen Anlaufstelle für die europäischen Verbraucher und Unternehmen bei auftretenden Problemen oder bei der Suche nach Informationen werden sollte; geht davon aus, dass eine derartige zentrale Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen als Bezugspunkt dienen könnte und ihren Zugang zu verschiedenen Informationswerkzeugen und spezialisierten Problemlösungsmechanismen, einschließlich von SOLVIT, besser ermöglichen könnte;

44.  fordert die Kommission auf, den Anwendungsbereich von „Ihr Europa“ zu vergrößern, damit die Rechte, Pflichten und Chancen im Binnenmarkt vollständig erfasst werden und es so nutzerfreundlich wie möglich gestaltet wird;

45.  fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Informationen über nationale Vorschriften und Verfahren in Bezug auf EU-Rechte bereitzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass diese Informationen praktisch, nicht mit Fachausdrücken überlastet, für alle gleichermaßen zugänglich, aktualisiert und in den relevanten Sprachen verfügbar sind, und ihre nationalen Portale (E-Government) mit „Ihr Europa“ zu verknüpfen;

o
o   o

46.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 249 vom 19.9.2013, S. 10.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0054.
(3) ABl. C 332 E vom 15.11.2013, S. 72.
(4) ABl. C 296 E vom 2.10.2012, S. 51.
(5) ABl. C 349 E vom 22.12.10, S. 10.


Europäische Ermittlungsanordnung ***I
PDF 200kWORD 82k
Entschließung
Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (09288/2010 – C7-0185/2010 – 2010/0817(COD))
P7_TA(2014)0165A7-0477/2013

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis der Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die dem Europäischen Parlament und dem Rat unterbreitet wurde (09288/2010),

–  gestützt auf Artikel 76 Buchstabe b und auf Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Entwurf eines Gesetzgebungsakts unterbreitet wurde (C7‑0185/2010),

–  gestützt auf Artikel 294 Absätze 3 und 15 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die im Schreiben vom 5. Dezember 2013 vom Vertreter des Rates gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf die Artikel 44 und 55 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0477/2013),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 27. Februar 2014 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2014/.../EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen

P7_TC1-COD(2010)0817


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Richtlinie 2014/41/EU.)


Visumpflicht für Staatsangehörige von Drittländern ***I
PDF 204kWORD 35k
Entschließung
Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (COM(2013)0853 – C7-0430/2013 – 2013/0415(COD))
P7_TA(2014)0166A7-0104/2014

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2013)0853),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C7‑0430/2013),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  in Kenntnis der vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 13. Februar 2014 gemachten Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf Artikel 55 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0104/2014),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 27. Februar 2014 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) Nr. .../2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind

P7_TC1-COD(2013)0415


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) Nr. 259/2014.)


Freiwilliges Partnerschaftsabkommen EU-Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die EU ***
PDF 197kWORD 34k
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Freiwilligen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union (11767/1/2013 – C7-0344/2013 – 2013/0205(NLE))
P7_TA(2014)0167A7-0043/2014

(Zustimmung)

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des Entwurfs eines Beschlusses des Rates (11767/1/2013),

–  in Kenntnis des Entwurfs eines Freiwilligen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union (11769/1/2013),

–  in Kenntnis des vom Rat gemäß Artikel 207 Absatz 3 Unterabsatz 1, Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1, Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a Ziffer v und Artikel 218 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreiteten Ersuchens um Zustimmung (C7-0344/2013),

–  gestützt auf Artikel 81 und Artikel 90 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis der Empfehlung des Ausschusses für internationalen Handel sowie der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses (A7-0043/2014),

1.  gibt seine Zustimmung zu dem Abschluss des Abkommens;

2.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Republik Indonesien zu übermitteln.


Personenkontrollen an den Außengrenzen ***I
PDF 206kWORD 36k
Entschließung
Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer vereinfachten Regelung für die Personenkontrollen an den Außengrenzen, die darauf beruht, dass Kroatien und Zypern bestimmte Dokumente für die Zwecke der Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet oder den geplanten Aufenthalt in diesem für eine Dauer von nicht mehr als 90 Tagen binnen eines Zeitraums von 180 Tagen einseitig als ihren einzelstaatlichen Visa gleichwertig anerkennen und zur Aufhebung der Entscheidungen Nr. 895/2006/EG und Nr. 582/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2013)0441 – C7-0186/2013 – 2013/0210(COD))
P7_TA(2014)0168A7-0082/2014

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2013)0441),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 77 Absatz 2 Buchstaben a und b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C7‑0186/2013),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  in Kenntnis der vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 5. Februar 2014 gemachten Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf Artikel 55 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0082/2014),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 27. Februar 2014 im Hinblick auf den Erlass des Beschlusses Nr. .../2014/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer vereinfachten Regelung für die Personenkontrollen an den Außengrenzen auf der Grundlage der einseitigen Anerkennung bestimmter Dokumente durch Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern für die Zwecke der Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet oder den geplanten Aufenthalt in diesem für eine Dauer von nicht mehr als 90 Tagen binnen eines Zeitraums von 180 Tagen als ihren einzelstaatlichen Visa gleichwertig und zur Aufhebung der Entscheidungen Nr. 895/2006/EG und Nr. 582/2008/EG

P7_TC1-COD(2013)0210


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss Nr. 565/2014/EU.)


Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind ***I
PDF 209kWORD 40k
Entschließung
Text
Anlage
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (COM(2012)0650 – C7-0371/2012 – 2012/0309(COD))
P7_TA(2014)0169A7-0373/2013

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2012)0650),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C7‑0371/2012),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  in Kenntnis der vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 5. Februar 2014 gemachten Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf Artikel 55 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0373/2013),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  billigt die dieser Entschließung beigefügte Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission;

3.  nimmt die dieser Entschließung beigefügte Erklärung der Kommission zur Kenntnis;

4.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;

5.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 27. Februar 2014 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) Nr. .../2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind

P7_TC1-COD(2012)0309


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) Nr. 509/2014.)

ANHANG ZUR LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG

Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zur weiteren Bewertung Kolumbiens und Perus

Das Europäische Parlament und der Rat erkennen an, dass weiter geprüft werden muss, ob Kolumbien und Peru die einschlägigen Kriterien einhalten, bevor die Kommission dem Rat Empfehlungen zu Beschlüssen zur Genehmigung der Aufnahme von Verhandlungen über Abkommen über die Aufhebung der Visumpflicht mit diesen Ländern vorlegt.

Die Kommission sagt zu, unverzüglich mit diesen Bewertungen zu beginnen und sie dem Europäischen Parlament und dem Rat so bald wie möglich nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu unterbreiten.

Das Europäische Parlament und der Rat nehmen diese Zusage der Kommission zur Kenntnis.

Erklärung der Kommission zur Unterrichtung des Parlaments

Die Kommission begrüßt, dass das Europäische Parlament und der Rat ihren Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zwecks Aktualisierung der Anhänge mit den Verzeichnissen der Drittländer, deren Staatsangehörige im Besitz eines Visums sein müssen oder von dieser Visumpflicht befreit sind, gebilligt haben.

Gemäß der Rahmenvereinbarung vom 20. Oktober 2010 über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission, insbesondere Nummer 23, bekräftigt die Kommission ihre Zusage, das Europäische Parlament regelmäßig über die von ihr geführten Verhandlungen über Abkommen zur Aufhebung der Visumpflicht zu unterrichten, die sich aus der Überführung bestimmter Länder in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 ergeben. Die Kommission legt den einschlägigen Stellen im Europäischen Parlament mindestens zweimal jährlich eine Aktualisierung vor.


Lage in der Ukraine
PDF 137kWORD 53k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine (2014/2595(RSP))
P7_TA(2014)0170RC-B7-0219/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Europäischen Nachbarschaftspolitik, zur Östlichen Partnerschaft und zur Ukraine, insbesondere auf seine Entschließung vom 6. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine(1),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2013 zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens von Vilnius und zur Zukunft der Östlichen Partnerschaft, vor allem in Bezug auf die Ukraine(2),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Dezember 2013,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) zur Ukraine vom 20. Februar 2014,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass nach der Entscheidung des Präsidenten und der Regierung der Ukraine, die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens auszusetzen, Hunderttausende Menschen landesweit spontan auf die Straße gegangen sind, um für eine europäische Integration zu demonstrieren; in der Erwägung, dass die Demonstranten den Unabhängigkeitsplatz (Majdan Nesaleschnosti) in Kiew friedlich besetzt und eine politische Kehrtwende dahingehend gefordert haben, dass die Regierung ihre Entscheidung überdenkt;

B.  in der Erwägung, dass die Regierung unter Präsident Janukowytsch eindeutig rechtswidrig vorgegangen ist, als sie den Sicherheitskräften die Erlaubnis erteilte, scharfe Munition gegen die Demonstranten einzusetzen, und auf Dächern am und rund um den Unabhängigkeitsplatz, der seit Ende November 2013 das Zentrum der gegen die Regierung gerichteten, proeuropäischen Proteste darstellt, Scharfschützen platzierte; in der Erwägung, dass Demonstranten in den Straßen Kiews hingerichtet wurden, was international Empörung auslöste und verurteilt wurde;

C.  in der Erwägung, dass zur selben Zeit drei Außenminister der EU nach Kiew gereist sind, um zwischen Präsident Janukowytsch und der Opposition zu vermitteln und einen Kompromiss herbeizuführen; in der Erwägung, dass sie bei der Einigung auf einen Fahrplan für einen friedlichen und demokratischen Ausweg aus der Krise erfolgreich vermittelt haben; in der Erwägung, dass auch der russische Sondergesandte zu der Vereinbarung beigetragen, diese jedoch nicht mit unterzeichnet hat;

D.  in der Erwägung, dass die EU daraufhin entschieden hat, gezielte Sanktionen zu erlassen, wie etwa die Einfrierung von Vermögen und Visumsperren für diejenigen, die für die Menschenrechtsverletzungen und die übermäßige Gewaltanwendung verantwortlich sind; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten ferner übereingekommen sind, Ausfuhrgenehmigungen für Ausrüstung, die für interne Repression verwendet werden kann, auszusetzen und Ausfuhrgenehmigungen für Ausrüstung, die vom Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP erfasst wird, zu überprüfen;

E.  in der Erwägung, dass die Bürger von Lwiw und Donezk die Initiative starteten, sich am 26. Februar 2014 in ihren täglichen Geschäften der russischen bzw. der ukrainischen Sprache zu bedienen, um für das ganze Land ein Zeichen der Solidarität und Einheit zu setzen;

F.  in der Erwägung, dass die Werchowna Rada am 21. Februar 2014 eine Entschließung annahm, in der die „Anti-Terror“-Maßnahmen verurteilt und die Sicherheitskräfte aufgefordert wurden, sich aus dem Zentrum von Kiew zurückzuziehen; in der Erwägung, dass das Parlament dadurch seine Entschlossenheit deutlich machte, eine zentrale Rolle zu spielen und die Kontrolle über die Situation im Land zu übernehmen; in der Erwägung, dass es am folgenden Tag für die Absetzung von Präsident Janukowytsch, die Wiedereinführung der Verfassung von 2004, vorgezogene Neuwahlen am 25. Mai 2014 und die Freilassung der ehemaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko stimmte;

1.  spricht denjenigen, die für die europäischen Werte kämpfen und sterben, seine Anerkennung aus und drückt den Familien der Opfer sein tiefstes Mitgefühl aus, verurteilt alle Gewalthandlungen scharf und fordert alle ukrainischen Bürger ebenso wie die führenden Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft auf, in diesem für die Ukraine historischen Moment äußerst verantwortungsbewusst vorzugehen;

2.  verurteilt entschieden das brutale und unverhältnismäßige Vorgehen der Einsatzkräfte, etwa der Bereitschaftspolizei Berkut, der Scharfschützen und anderer, das zu der dramatischen Gewalteskalation geführt hat; bedauert die Toten und Verletzen, die es auf beiden Seiten gab, und spricht den Familien der Opfer ihr tiefes Mitgefühl aus; warnt, dass eine weitere Eskalation der Gewalt verheerende Folgen für die ukrainische Nation hätte und die Einheit und territoriale Integrität des Landes untergraben könnte; betont, dass es nun von größter Bedeutung ist, dass alle Parteien Verantwortung und Zurückhaltung unter Beweis stellen und sich zu einem inklusiven politischen Dialog bekennen und dass von außergerichtlichen Vergeltungsmaßnahmen abgesehen wird; drängt alle politischen Kräfte, in diesem für die Ukraine entscheidenden Moment zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu erleichtern, sich von Extremisten zu distanzieren sowie Provokationen und gewaltsame Maßnahmen zu vermeiden, die separatistischen Bewegungen Auftrieb verleihen könnten;

3.  begrüßt, dass die Werchowna Rada ihrer verantwortungsvollen Rolle bewusst geworden ist, indem sie ihre verfassungsmäßigen Funktionen vollumfänglich wahrgenommen und das politische und institutionelle Vakuum gefüllt hat, das durch den Rücktritt der Regierung und die Amtsaufgabe des Präsidenten, der anschließend vom Parlament für abgesetzt erklärt wurde, entstanden ist; nimmt die vom Parlament bisher ergriffenen Maßnahmen zur Kenntnis, insbesondere die Beschlüsse, zur Verfassung von 2004 zurückzukehren, am 25. Mai 2014 eine Präsidentschaftswahl abzuhalten, die Polizei- und Sicherheitskräfte abzuziehen und Julija Tymoschenko aus dem Gefängnis zu entlassen; weist darauf hin, dass das ukrainische Parlament und seine Mitglieder sich auch weiterhin unbedingt der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlen müssen;

4.  beglückwünscht die ukrainische Bevölkerung zu dem geordneten Machtwechsel und zu ihrem ausdauernden zivilen Widerstand in den letzten Monaten und hebt hervor, dass dieser zivile Bürgerprotest vorbildlich ist und einen Wendepunkt in der Geschichte der Ukraine markieren wird; betont, dass dieser demokratische Sieg der Zivilbevölkerung weder durch Rachegelüste oder Vergeltungsaktionen gegen Kontrahenten noch durch politische Grabenkriege geschmälert werden sollte; betont, dass diejenigen, die Verbrechen an den Bürgern der Ukraine begangen und die Staatsmacht missbraucht haben, vor unabhängige Gerichte gestellt werden sollten; fordert die Einrichtung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung der seit dem Beginn der Demonstrationen begangenen Menschenrechtsverletzungen in enger Zusammenarbeit mit dem internationalen Beratungsgremium des Europarates und der OSZE;

5.  unterstützt den Ansatz der EU, der darin besteht, intensivierte diplomatische Bemühungen mit gezielten Sanktionen gegen diejenigen zu verbinden, die für die Anordnung von Menschenrechtsverletzungen in Verbindung mit politischer Unterdrückung verantwortlich sind; fordert, dass die vom Rat (Auswärtige Angelegenheiten) beschlossenen gezielten Sanktionen erlassen werden, und drängt die Mitgliedstaaten, ihre Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche umzusetzen, um den Abfluss unterschlagener Gelder aus der Ukraine zu unterbinden und die Rückführung gestohlener Vermögenswerte, die in der EU aufbewahrt wurden, sicherzustellen; vertritt die Auffassung, dass eine wirklich unabhängige Untersuchung der Verbrechen unverzüglich beginnen sollte und die gezielten Sanktionen aufgehoben werden sollten, sobald sich die Lage in der Ukraine verbessert und die Untersuchung zu ersten Ergebnisse führt; fordert eine Untersuchung der umfangreichen Unterschlagung von staatlichen Mitteln und Vermögenswerten durch die Kumpanen und „Familienmitglieder“ des abgesetzten Präsidenten Janukowytsch, die Einfrierung all ihrer Vermögenswerte, bis geklärt wurde, wie sie erworben wurden, und, wenn sie nachweislich gestohlen wurden, ihre Rückgabe durch die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten;

6.  fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die internationalen humanitären Organisationen nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass alle Opfer zügige, zuverlässige und direkte medizinische und humanitäre Hilfe erhalten;

7.  fordert alle Seiten und Drittstaaten auf, die Einheit und territoriale Integrität der Ukraine zu achten und zu schützen; fordert alle politischen Kräfte in der Ukraine und alle beteiligten internationalen Akteure auf, sich zu verpflichten, sich für die territoriale Integrität und nationale Einheit der Ukraine zu einzusetzen und dabei der kulturellen und sprachlichen Zusammensetzung und der Geschichte des Landes Rechnung zu tragen; fordert das ukrainische Parlament und die künftige Regierung auf, die Rechte der Minderheiten im Land und den Gebrauch der russischen Sprache und anderer Minderheitensprachen zu achten; fordert, dass neue Rechtsvorschriften erlassen werden, mit denen die Ukraine ihren Verpflichtungen gemäß der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen nachkommt;

8.  verweist darauf, dass die bestehenden Grenzen der Ukraine von den Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und dem Vereinigten Königreich im Budapester Memorandum über Sicherheitsgarantien gewährleistet wurden, in dessen Kontext die Ukraine auf Nuklearwaffen verzichtete und dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) beitrat; verweist darauf, dass sich die Russische Föderation zusammen mit den beiden anderen vorstehend genannten Ländern in diesem Memorandum außerdem dazu verpflichtet hat, keinen wirtschaftlichen Druck auszuüben, um die Wahrnehmung der souveränen Rechte der Ukraine ihren eigenen Interessen unterzuordnen und sich dadurch Vorteile zu verschaffen;

9.  betont, dass die derzeitigen Impulse genutzt werden müssen, um die grundlegenden Ursachen der Krise zu bekämpfen und das Vertrauen der Menschen in die Politik und die Institutionen wiederherzustellen; ist ferner der Überzeugung, dass es Verfassungs- und Strukturreformen bedarf, um ein wirksames System der gegenseitigen Kontrolle der verfassungsmäßigen Staatsorgane zu schaffen, eine engere Verbindung zwischen der Politik und der Gesellschaft aufzubauen sowie für Rechtsstaatlichkeit, Rechenschaftspflicht und ein wahrhaft unabhängiges und unparteiisches Rechtssystem und glaubwürdige Wahlen zu sorgen;

10.  begrüßt die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 20. Februar 2014 und insbesondere den Beschluss, gezielte Sanktionen zu erlassen, etwa die Einfrierung von Vermögen und Visumsperren für diejenigen, die für die Menschenrechtsverletzungen, Gewalttaten und die übermäßige Gewaltanwendung verantwortlich sind, sowie den Beschluss, die Ausfuhrgenehmigungen für Ausrüstung, die für interne Repressionen verwendet werden kann, auszusetzen; stellt fest, dass sich diese Sanktionen erheblich auf die öffentliche Meinung in der Ukraine ausgewirkt haben, und vertritt die Auffassung, dass diese Maßnahmen früher hätten beschlossen werden können; vertritt jedoch den Standpunkt, dass die EU diese Sanktionen im Rahmen ihrer Politik gegenüber der Ukraine während der Übergangsphase beibehalten sollte;

11.  begrüßt die Freilassung der früheren Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko und hofft, dass ihre Freilassung für das Ende der selektiven und politisch motivierten Justiz in der Ukraine steht; fordert, dass alle rechtswidrig festgehaltenen Demonstranten und politischen Gefangenen umgehend und bedingungslos freigelassen, alle Anschuldigungen gegen sie fallengelassen und sie politisch rehabilitiert werden;

12.  drängt alle politischen Kräfte, in diesem für die Ukraine entscheidenden Moment zusammenzuarbeiten, um den Weg für einen friedlichen politischen Wandel, eine ehrgeizige und breitangelegte Reformagenda und eine an europäischen Normen ausgerichtete Regierung zu ebnen und – mit Blick auf die Zukunft der Ukraine – Kompromisse zu erleichtern; fordert die Übergangsregierung dazu auf, allen demokratischen politischen Kräften demokratische Rechte und Freiheiten zu gewährleisten und jegliche Angriffe auf sie zu verhindern;

13.  betont, dass es ausschließlich dem ukrainischen Volk obliegt, ohne Einmischung aus dem Ausland darüber zu entscheiden, welche geopolitische Ausrichtung das Land wählen und welchen internationalen Abkommen und Bündnissen es sich anschließen soll

14.  verurteilt den Angriff auf den Sitz der Kommunistischen Partei der Ukraine und anderer Parteien und seine Zerstörung sowie die Bestrebungen, diese Partei zu verbieten;

15.  weist darauf hin, dass das Assoziierungsabkommen einschließlich des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens mit der neuen Regierung schnellstmöglich bzw. sobald diese dazu bereit ist, unterzeichnet werden kann;

16.  begrüßt, dass eine der drei vom Rat (Auswärtige Angelegenheiten) im Jahr 2012 festgelegten Bedingungen, und zwar die Beendigung der selektiven Justiz (einschließlich der Inhaftierung von Julija Tymoschenko), nun erfüllt wurde und dass die beiden verbleibenden Bedingungen – die Reform der Justiz und des Wahlsystems –, bei denen es sich um die Hauptforderungen der Protestbewegung handelt, inzwischen umfassend angegangen werden und hoffentlich zeitnah von der neuen Regierungskoalition abgeschlossen und von der neuen parlamentarischen Mehrheit getragen werden;

17.  fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen der Ukraine zu ermitteln, wie den Auswirkungen der Vergeltungsmaßnahmen, die von Moskau beschlossen wurden, um die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zu verhindern, und möglicher neuer Maßnahmen entgegengewirkt werden kann; begrüßt die Mitteilung des für Wirtschaft und Währung und den Euro zuständigen Mitglieds der Kommission, Olli Rehn, die EU sei bereit, ein umfangreiches und ehrgeiziges (kurz- und langfristiges) finanzielles Hilfspaket bereitzustellen, sobald es eine auf demokratischen Grundsätzen beruhende politische Lösung gebe, Reformen zugesagt würden und eine demokratisch legitimierte Regierung ernannt worden sei; fordert Moskau auf, eine konstruktive Haltung einzunehmen und damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Ukraine gute bilaterale Beziehungen sowohl zur EU als auch zu Russland unterhalten kann; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, gegenüber Russland mit einer Stimme zu sprechen, um die auf Europa gerichteten Hoffnungen der Ukraine und der übrigen Länder der Östlichen Partnerschaft zu unterstützen, die sich aus freien Stücken entschieden haben, ihre Beziehungen zur EU zu vertiefen;

18.  erwartet, dass der Rat und die Kommission baldmöglichst gemeinsam mit dem IWF und der Weltbank kurzfristige Finanzhilfen und eine Zahlungsbilanzfazilität beschließen und sich gemeinsam mit der EBWE und der EIB auf ein langfristiges Paket zur finanziellen Unterstützung einigen, um der Ukraine bei der Bewältigung ihrer sich verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Lage zu helfen und finanzielle Unterstützung für die Einleitung der erforderlichen tiefgreifenden und umfassenden Reformen der ukrainischen Wirtschaft bereitzustellen; fordert, dass unverzüglich eine internationale Geberkonferenz stattfindet; fordert die Kommission und den EAD auf, die für die Ukraine im Rahmen der existierenden Finanzinstrumente zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich zu verwenden und zu erwägen, der Ukraine so schnell wie möglich zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen;

19.  stellt fest, dass die weitverbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen das Entwicklungspotenzial der Ukraine hemmt und das Vertrauen der Bürger in ihre eigenen Institutionen untergräbt; fordert daher die neue Regierung mit Nachdruck auf, dem Kampf gegen die Korruption im Rahmen ihres Programms höchste Priorität einzuräumen, und fordert die EU auf, die entsprechenden Bemühungen zu unterstützen;

20.  betont, dass dringend ein wahrhaft unabhängiges und unparteiisches Rechtssystem aufgebaut werden muss;

21.  fordert den Rat auf, die Kommission zu ermächtigen, den Dialog mit der Ukraine über Visafragen zu beschleunigen; hebt hervor, dass mit einem zügigen Abschluss des Visaliberalisierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine – nach dem Vorbild der Republik Moldau – den Erwartungen der ukrainischen Zivilgesellschaft und der ukrainischen Jugend am besten entsprochen werden kann; fordert, dass in der Zwischenzeit auf EU-Ebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten umgehend zeitlich begrenzte, einfache und unentgeltliche Verfahren für die Ausstellung von Visa eingeführt werden und dass außerdem die Forschungszusammenarbeit intensiviert, der Jugendaustausch verstärkt und die Vergabe von Stipendien gefördert wird;

22.  vertritt die Ansicht, dass die Bestimmungen über die vertiefte und umfassende Freihandelszone kein Handelshemmnis für die Russische Föderation darstellen und dass das Assoziierungsabkommen die guten Beziehungen der Ukraine mit ihren östlichen Nachbarn nicht beeinträchtigt; hebt hervor, dass Instabilität in der gemeinsamen Nachbarschaft weder im Interesse der EU noch Russlands ist; betont, dass politische, wirtschaftliche oder sonstige Zwangsmaßnahmen gegen die Schlussakte von Helsinki verstoßen;

23.  nimmt den Beschluss zu Kenntnis, am 25. Mai 2014 eine Präsidentschaftswahl abzuhalten; betont, dass diese Wahl unbedingt frei und gerecht ablaufen muss; bestärkt die Werchowna Rada mit Nachdruck darin, die notwendigen Wahlgesetze im Einklang mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission anzunehmen, wozu auch ein neues Gesetz über die Parteienfinanzierung zählt, das den von der GRECO und OSZE/BDIMR ermittelten Problemen Rechnung trägt; spricht sich dafür aus, dass die bevorstehende Wahl unter internationaler Beobachtung abgehalten werden sollte, und erklärt sich bereit, eine eigene Beobachtungsmission für diesen Zweck in Form einer umfangreichen Wahlbeobachtungsmission des Europäischen Parlaments bereitzustellen; ist der Überzeugung, dass rasch nach der Präsidentschaftswahl und vor Ende des Jahres auch eine Parlamentswahl durchgeführt werden sollte; fordert die Kommission, den Europarat und die OSZE/BDIMR auf, verstärkt Unterstützung bei der Vorbereitung der Wahl zu leisten und eine umfangreiche langfristige Wahlbeobachtungsmission zu entsenden, damit die für den 25. Mai 2014 angesetzte Präsidentschaftswahl nach den höchste Standards verlaufen und zu einem für alle Bewerber annehmbaren Ergebnis führen kann; fordert, dass im Vorfeld der Wahl für eine Übergangszeit Personal des Europäischen Parlaments in die EU-Delegation in Kiew entsandt wird;

24.  begrüßt die unlängst erfolgte Feststellung des Rates, dass das Assoziierungsabkommen einschließlich einer vertieften und umfassenden Freihandelszone nicht das endgültige Ziel der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine darstellt; weist darauf hin, dass die EU bereit ist, das Assoziierungsabkommen einschließlich einer vertieften und umfassenden Freihandelszone zu unterzeichnen, sobald die aktuelle politische Krise gelöst und die neue ukrainische Regierung für eine ernsthafte europäische Perspektive bereit ist; betont zudem, dass sich Artikel 49 EVU auf alle europäischen Staaten bezieht, einschließlich der Ukraine, die beantragen können, Mitglied der Union zu werden – unter der Voraussetzung, dass sie sich an die Grundsätze der Demokratie halten, die Grundfreiheiten, die Menschen- und die Minderheitenrechte achten und die Rechtstaatlichkeit sicherstellen;

25.  betont die Bedeutung von sicherer, verschiedenartiger und bezahlbarer Energieversorgung als Pfeiler eines wirtschaftlichen, sozialen und politischen Übergangs sowie zur Sicherstellung einer wettbewerbsfähigen und blühenden Wirtschaft für alle Ukrainer; unterstreicht in diesem Hinblick die strategische Rolle der Energiegemeinschaft, deren Vorsitz die Ukraine 2014 innehat, als einzigen Vertrag, der derzeit die Ukraine und die Europäischen Union verbindet;

26.  unterstützt die zivilgesellschaftliche, überparteiliche Initiative zum Aufbau einer „Majdan-Plattform“, mit deren Hilfe eine Strategie zur Beseitigung der endemischen Korruption in der Ukraine entwickelt werden soll;

27.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem amtierenden Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, dem Europarat sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2014)0098.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0595.


Lage im Irak
PDF 137kWORD 51k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zur Lage im Irak (2014/2565(RSP))
P7_TA(2014)0171RC-B7-0188/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak, insbesondere die Entschließung vom 10. Oktober 2013 zur jüngsten Gewalt in Irak(1),

–  unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Irak andererseits, und auf seine Entschließung vom 17. Januar 2013 zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak(2),

–  unter Hinweis auf das gemeinsame EU-Strategiepapier der Kommission für den Irak (2011–2013),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zu Syrien, insbesondere die Schlussfolgerungen vom 10. Februar 2014,

–  unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HV), Catherine Ashton, zum Irak, insbesondere die Erklärungen vom 5. Februar 2014, vom 16. Januar 2014, vom 18. Dezember 2013 und vom 5. September 2013,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der VP/HV vom 28. Dezember 2013 zur Tötung von Bewohnern des Lagers Hurrija,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzes des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Januar 2014 zum Irak,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Irak gehört,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der Irak vor schweren politischen, sicherheitsbezogenen und sozio-ökonomischen Herausforderungen steht und dass seine politische Landschaft extrem fragmentiert ist und es häufig zu gewalttätigen Übergriffen und zu religiöser Hetze kommt, sodass viele der legitimen Hoffnungen der Menschen im Irak auf Frieden, Wohlstand und einen echten demokratischen Wandel zunichte gemacht werden; in der Erwägung, dass der Irak den heftigsten Gewaltausbruch seit 2008 durchmacht;

B.  in der Erwägung, dass der Irak zwar seine Ölförderung fast mit voller Kapazität wiederherstellen konnte, die soziale Ungleichheit jedoch steigt, weil der irakische Staat für seine Bevölkerung noch immer keine Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen kann, was auch für eine regelmäßige Stromversorgung im Sommer, sauberes Wasser und die Gesundheitsversorgung gilt;

C.  in der Erwägung, dass den Angaben der Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) vom 1. Februar 2014 über Opferzahlen zufolge im Januar 2014 bei Terrorakten und Gewalttaten insgesamt 733 Iraker getötet und weitere 1 229 verletzt wurden; in der Erwägung, dass bei den Zahlen für Januar 2014 die Opfer der andauernden Kämpfe in der Provinz Anbar nicht mitgezählt wurden, weil es schwierig ist, diese Zahlen zu überprüfen und festzustellen, wie viele Menschen getötet bzw. verletzt wurden;

D.  in der Erwägung, dass der andauernde Bürgerkrieg in Syrien die Lage im Irak verschlimmert hat; in der Erwägung, dass er auf den Irak übergreift und dass Tausende Kämpfer – insbesondere die mit Al-Qaida in Verbindung stehenden militanten Islamisten der Gruppe „Islamischer Staat im Irak und in der Levante“ (ISIL) – ihre Aktivitäten auf irakisches Hoheitsgebiet ausdehnen;

E.  in der Erwägung, dass der UN-Sicherheitsrat am 10. Januar 2014 die Anschläge der Gruppe ISIL, die sich gegen die irakische Bevölkerung richteten und das Land und den ganzen Raum destabilisieren sollten, verurteilt hat;

F.  in der Erwägung, dass die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Anliegen der sunnitischen Minderheit nicht angemessen berücksichtigt; in der Erwägung, dass im Zuge der „Entbaathifizierung“ nach Maßgabe des Gesetzes für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht vorwiegend Sunniten aus dem öffentlichen Dienst entlassen wurden, wodurch sich der Eindruck noch verstärkte, die Regierung verfolge eine religiös motivierte Politik; in der Erwägung, dass insbesondere der von der Regierung in Auftrag gegebene Abriss des jahrelang bestehenden sunnitischen Protestlagers in Ramadi am 30. Dezember 2013 die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Provinz Anbar ausgelöst hat; in der Erwägung, dass infolgedessen in Falludscha und anderen Städten der Provinz Anbar seit Dezember 2013 Kämpfe zwischen Regierungstruppen und ISIL-Kämpfern stattfinden;

G.  in der Erwägung, dass am 13. Februar 2014 mehr als 63 000 von den Kämpfen in der Provinz Anbar betroffene Familien (das entspricht nach Berechnungen der Vereinten Nationen über 370 000 Personen) als Binnenvertriebene registriert waren; in der Erwägung, dass viele Menschen in andere Landesteile geflüchtet sind, beispielsweise in die Provinzen Kerbala, Bagdad und Arbil, während andere in den Randgebieten der Provinz Anbar Schutz suchen oder nicht imstande sind, vor den Kämpfen zu fliehen; in der Erwägung, dass ihre Situation nach wie vor unsicher ist, da die Lebensmittel- und Trinkwasservorräte zur Neige gehen, die sanitären Verhältnisse schlecht sind und die gesundheitliche Versorgung eingeschränkt ist;

H.  in der Erwägung, dass die tödlichen Bombenanschläge im ganzen Irak – wie etwa der am 5. Februar 2014 auf den irakischen Außenminister verübte Anschlag – unvermindert weitergehen und sich hauptsächlich in schiitischen Wohngebieten ereignen und dass die Zahl der Kämpfer in militanten Extremistengruppen als Folge mehrerer Gefängnisausbrüche zunimmt;

I.  in der Erwägung, dass am 25. Dezember 2013 bei Bombenanschlägen in christlichen Wohngebieten von Bagdad mindestens 35 Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden; in der Erwägung, dass seit 2003 vermutlich mindestens die Hälfte der irakischen Christen das Land verlassen haben;

J.  in der Erwägung, dass am 5. Februar 2014 das irakische Außenministerium in Bagdad angegriffen wurde und dass am 10. Februar 2014 der Konvoi des Präsidenten des Repräsentantenhauses, Osama al-Nudschaifi, in Mosul in der Provinz Ninawa angegriffen wurde;

K.  in der Erwägung, dass zwischen der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung noch immer Uneinigkeit über die Verteilung der mineralischen Ressourcen besteht, wobei über eine neue Pipeline jeden Monat voraussichtlich 2 Mio. Barrel Öl von Kurdistan in die Türkei transportiert werden sollen und die nationale Regierung rechtliche Schritte gegen die Provinz vorbereitet;

L.  in der Erwägung, dass ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor unter schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen – weitverbreiteter Armut, hoher Arbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Stagnation, Umweltbelastung und fehlender Grundversorgung – leidet;

M.  in der Erwägung, dass die Bemühungen, die von jahrzehntelangen Konflikten und Sanktionen erschütterte Wirtschaft wiederzubeleben, durch Gewaltakte und Sabotage behindert werden; in der Erwägung, dass der Irak über die drittgrößten Rohölvorräte der Welt verfügt, die Ausfuhren jedoch durch Anschläge, Korruption und Schmuggel gedrosselt werden; in der Erwägung, dass das soziale Gefüge des Landes – auch das frühere Niveau an Gleichstellung der Frau – stark in Mitleidenschaft gezogen wurde;

N.  in der Erwägung, dass die Presse- und Medienfreiheit sowohl durch die Regierung als auch durch extremistische Gruppierungen wiederholt und in zunehmendem Maß verletzt worden ist; in der Erwägung, dass Journalisten und Nachrichtenorgane angegriffen oder zensiert worden sind und dass die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ von einer Nachrichtensperre in Bezug auf die Lage in der Provinz Anbar berichtet hat; in der Erwägung, dass der Irak im Bericht zur Pressefreiheit 2014 der Organisation Freedom House als „nicht frei“ eingestuft wurde;

O.  in der Erwägung, dass die irakische Verfassung die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und die administrativen, politischen, kulturellen und bildungsbezogenen Rechte der einzelnen ethnischen Gruppen garantiert;

P.  in der Erwägung, dass im Partnerschafts- und Kooperationsabkommen EU-Irak und insbesondere in seiner Menschenrechtsklausel betont wird, dass der politische Dialog zwischen der EU und dem Irak einen Schwerpunkt bei den Menschenrechten und der Stärkung demokratischer Institutionen haben sollte;

Q.  in der Erwägung, dass im November 2013 Änderungen des irakischen Wahlrechts verabschiedet wurden, mit denen der Weg für die für den 30. April 2014 vorgesehene Parlamentswahl geebnet wurde;

R.  in der Erwägung, dass die EU ihre Zusage bekräftigt hat, den Irak beim Übergang zur Demokratie zu unterstützen, und darauf hingewiesen hat, dass die Einheit und die territoriale Integrität des Irak wesentliche Elemente beim Aufbau eines sicheren und gesunden Staates für alle Bürger und bei der Stabilisierung der gesamten Weltregion sind;

S.  in der Erwägung, dass der Kooperationsrat der EU und der Republik Irak am 20. Januar 2014 in Brüssel seine erste Sitzung abgehalten hat; in der Erwägung, dass der Kooperationsrat, der im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak tagt, die Bereitschaft beider Parteien bekräftigt hat, ihre Beziehungen weiter zu stärken; in der Erwägung, dass die EU weiterhin die Zusammenarbeit in allen Bereichen von beiderseitigem Interesse intensivieren und auf gemeinsam vereinbarten Gebieten zielgerichtet Hilfe leisten wird;

T.  in der Erwägung, dass der irakische Staat weiterhin die Todesstrafe anwendet; in der Erwägung, dass die EU-Missionsleiter in Bagdad im Oktober 2013 eine Erklärung zum Welttag gegen die Todesstrafe mitunterzeichnet haben, in der starke Bedenken gegen die Anwendung der Todesstrafe im Irak zum Ausdruck gebracht wurden und die Regierung des Irak zu einem Moratorium aufgefordert wurde;

U.  in der Erwägung, dass im Irak derzeit massiv aufgerüstet und in großem Umfang militärische Ausrüstung verkauft wird;

1.  verurteilt nachdrücklich die Terrorakte und die zunehmenden religiös motivierten Gewaltakte der letzten Zeit, die die Gefahr aufkommen lassen, dass das Land in religiöse Konflikte zurückfällt, und die Befürchtung wecken, diese Konflikte könnten sich auf den gesamten Raum ausweiten; weist darauf hin, dass sich die Gewalt zwar zwischen den religiösen Gemeinschaften entlädt, die Ursachen jedoch eher politisch als religiös sind; spricht den Angehörigen und Freunden der Toten und Verletzten sein Mitgefühl aus;

2.  verurteilt nachdrücklich die Anschläge der Gruppe ISIL in der Provinz Anbar und unterstützt den Appell des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen an die irakische Bevölkerung einschließlich der irakischen Stämme, der führenden lokalen Entscheidungsträger und der irakischen Sicherheitskräfte in der Provinz Anbar, beim Kampf gegen Gewalt und Terror zu kooperieren; betont, dass die Gruppe ISIL Ziel der mit den Resolutionen 1267 (1999) und 2083 (2012) des UN-Sicherheitsrats verhängten Maßnahmen – eines Waffenembargos und des Einfrierens von Vermögenswerten – ist und dass diese Maßnahmen unbedingt schnell und wirksam umgesetzt werden müssen;

3.  ist zutiefst beunruhigt angesichts der Entwicklungen in der Provinz Anbar und der großen Anzahl von Binnenvertriebenen, die aus den Konfliktgebieten fliehen; fordert, dass humanitäre Hilfe nach Falludscha gelassen wird; fordert die irakische Regierung auf, ihrer Pflicht zum Schutz der Zivilbevölkerung in Falludscha und anderen Gebieten nachzukommen; legt der irakischen Regierung nahe, weiterhin mit der Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) und mit humanitären Organisationen zusammenzuarbeiten, um für die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu sorgen; begrüßt die Anstrengungen der Vereinten Nationen, den von den Kämpfen in der Provinz Anbar betroffenen Menschen trotz der Schwierigkeiten aufgrund der immer schlechteren Sicherheitslage und der laufenden Operationen in der Provinz zu helfen;

4.  fordert den Europäischen auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission auf, alle Bemühungen der irakischen Regierung und der UNAMI um den Schutz der Zivilbevölkerung in Falludscha und anderen Gebieten zu unterstützen, damit nach Möglichkeit für ein sicheres Geleit der in Konfliktgebieten eingeschlossenen Zivilisten und die sichere Rückkehr von Binnenvertriebenen gesorgt wird, soweit es die Umstände erlauben;

5.  fordert die irakische Regierung auf, die Lösung der langfristigen Probleme, die das Land weiter destabilisieren, in Angriff zu nehmen und dabei auch den berechtigten Anliegen der sunnitischen Minderheit Rechnung zu tragen, indem sie einen inklusiven nationalen Dialog über die Reform des Gesetzes über Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht einleitet, auf aufwieglerische, die religiöse Spaltung begünstigende Äußerungen verzichtet und Maßnahmen zur nationalen Aussöhnung ergreift; lehnt Forderungen nach der Errichtung einer sunnitischen föderalen Region im Irak als Lösung für den derzeitigen Konflikt ab, weil wahrscheinlich nur weiter zunehmende religiöse Spaltung und Gewalthandlungen die Folge wären;

6.  stellt mit Sorge fest, dass mit dem Konflikt in Syrien verbundene Gewaltakte auf den Irak übergreifen; fordert die irakische Regierung auf, sich mit Nachdruck darum zu bemühen, den Irak aus dem syrischen Bürgerkrieg herauszuhalten, indem sie keine der Konfliktparteien unterstützt und sowohl sunnitische als auch schiitische Kämpfer davon abhält, die Grenze zu Syrien zu überqueren;

7.  ist zutiefst beunruhigt über die anhaltenden Gewalthandlungen gegen die Zivilbevölkerung, schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen und Religionsgemeinschaften; fordert die irakische Regierung und alle führenden Politiker auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um allen Menschen im Irak und insbesondere den Angehörigen der schutzbedürftigen Minderheiten, wie Frauen, Journalisten, jungen Menschen, Grundrechtsaktivisten, Gewerkschaftern, und den Religionsgemeinschaften einschließlich der Christen Sicherheit und Schutz zu bieten; fordert die irakische Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Sicherheitskräfte die Rechtsstaatlichkeit achten und internationale Normen einhalten;

8.  befürwortet die Anstrengungen der EU, den Irak bei der Förderung der Demokratie, der Menschenrechte, der verantwortungsvollen Staatsführung und der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen und sich dabei auch auf die Erfahrungen und Ergebnisse der Mission EUJUST LEX-Iraq – deren Mandat leider am 31. Dezember 2013 abgelaufen ist – zu stützen, ebenso wie die Anstrengungen der UNAMI und des Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs, mit denen die irakische Regierung dabei unterstützt wird, ihre demokratischen Institutionen und Prozesse zu stärken, die Rechtsstaatlichkeit zu fördern, den regionalen Dialog zu erleichtern, die Grundversorgung zu verbessern und die Menschenrechte zu schützen; begrüßt das am 22. Januar 2014 eingeleitete, von der EU finanzierte und vom Büro der Vereinten Nationen für Projektdienste umgesetzte Programm für den Aufbau von Kapazitäten, mit dem das irakische Hochkommissariat für Menschenrechte bei der Wahrnehmung seines Mandats zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte im Irak unterstützt werden soll;

9.  begrüßt es, dass am 4. November 2013 Änderungen des irakischen Wahlrechts verabschiedet wurden, mit denen der Weg für die Parlamentswahl geebnet wurde, die am 30. April 2014 stattfinden soll; hebt hervor, dass diese Wahl von großer Bedeutung für eine Fortführung des Übergangs des Irak zur Demokratie ist, und appelliert an alle Akteure, dafür Sorge zu tragen, dass die Wahlen inklusiv, transparent und glaubwürdig sind und termingerecht abgehalten werden; fordert den EAD auf, die irakische Regierung so umfassend wie möglich bei den praktischen Vorbereitungen zu unterstützen;

10.  ist zutiefst beunruhigt über die hohe Zahl von Hinrichtungen im Irak; fordert die irakischen Staatsorgane auf, die Vollstreckung aller Todesurteile auszusetzen; vertritt die Auffassung, dass es dringend einer Reform des Justizsystems bedarf, um den irakischen Bürgen ein Gefühl von Sicherheit zurückzugeben, und dass im Rahmen dieser Reform das Antiterrorismus-Gesetz überarbeitet werden sollte, das Beschuldigten und Inhaftierten einen wesentlich geringeren Schutz bietet als die Strafprozessordnung, und fordert ein Ende der Straffreiheit, insbesondere für staatliche Sicherheitskräfte;

11.  fordert alle staatlichen und nichtstaatlichen Akteure auf, die Freiheit von Presse und Medien zu wahren und Journalisten und Nachrichtenorgane vor Gewalttaten zu schützen; weist darauf hin, dass eine freie Presse und freie Medien wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Demokratie sind, da sie den Bürgern den Zugang zu Informationen ermöglichen und ihnen eine Kommunikationsplattform bieten;

12.  fordert, dass die EU einen gemeinsamen Standpunkt dahingehend ausarbeitet, die Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran zu verbieten und Hilfsmittel für die Behandlung der Opfer, auch der Opfer chemischer Waffen, und für mögliche Arbeiten zur Entseuchung der betroffenen Gebiete bereitzustellen;

13.  vertritt die Auffassung, dass die vor kurzem abgehaltenen Gespräche zwischen den E3+3 und dem Iran auch die Chance bieten, dass der Irak sich stabilisiert, vorausgesetzt, dass alle benachbarten Mächte aufhören, sich in interne irakische Angelegenheiten einzumischen;

14.  verurteilt nachdrücklich den Raketenangriff vom 26. Dezember 2013 auf das Flüchtlingslager Hurrija, bei dem verschiedenen Meldungen zufolge mehrere Bewohner des Lagers ums Leben kamen und weitere verletzt wurden; betont, dass die Umstände dieses brutalen Vorfalls aufgeklärt werden müssen; fordert den irakischen Staat auf, die Sicherheitsvorkehrungen um das Lager herum zu erhöhen, damit die Bewohner vor weiteren Gewalttaten geschützt werden; fordert die irakische Regierung auf, die Täter zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen; stellt fest, dass die EU allen Parteien nahelegt, die Bemühungen des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen zu unterstützen, für alle Einwohner des Lagers Hurrija so schnell wie möglich eine ständige und sichere Unterkunft außerhalb des Irak zu finden;

15.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak, der Regionalregierung von Kurdistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0424.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0022.


Einsatz bewaffneter Drohnen
PDF 121kWORD 39k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zum Einsatz von bewaffneten Drohnen ((2014/2567(RSP))
P7_TA(2014)0172RC-B7-0201/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Berichte über den Einsatz bewaffneter Drohnen, die vom UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen am 28. Mai 2010 und am 13. September 2013 sowie vom UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus am 18. September 2013 vorgelegt wurden,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vom 13. August 2013 über den Einsatz bewaffneter Drohnen,

–  unter Hinweis auf die Anhörung vom 25. April 2013 zu den Folgen des Einsatzes von Drohnen für die Menschenrechte, die vom Unterausschuss Menschenrechte des Europäischen Parlaments gemeinsam mit dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung organisiert wurde,

–  unter Hinweis auf seine Studie mit dem Titel „Folgen des Einsatzes von Drohnen und unbemannten Robotern in der Kriegsführung für die Menschenrechte“ vom 3. Mai 2013,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 19. und 20. Dezember 2013 über die Vorarbeiten zu einem Programm für die nächste Generation von europäischen ferngesteuerten Flugsystemen (RPAS) für mittlere Flughöhen mit großer Reichweite,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der Einsatz ferngesteuerter Flugsysteme (RPAS, nachfolgend „Drohnen“) im Rahmen tödlicher extraterritorialer Militäroperationen in den letzten 10 Jahren stark angestiegen ist;

B.  in der Erwägung, dass die Zahl der Zivilisten, die bisher bei Drohnenangriffen außerhalb der als Konfliktgebiete deklarierten Gebiete getötet, schwer verletzt oder traumatisiert und aus ihrem Lebensalltag gerissen wurden, nicht bekannt ist;

C.  in der Erwägung, dass Staaten verpflichtet sind, umgehend unabhängige Untersuchungen einzuleiten, wenn der Verdacht besteht, dass bei Drohnenangriffen Zivilisten getötet wurden, und dass sie, wenn dieser Verdacht sich bestätigt, dazu verpflichtet sind, die Verantwortlichen öffentlich zur Rechenschaft zu ziehen und zu bestrafen und den Familien der Opfer Zugang zu Rechtsmitteln zu gewähren sowie Schadensersatz zu leisten;

D.  in der Erwägung, dass nach Artikel 51 Absatz 2 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen gilt, dass „[d]ie Anwendung oder Androhung von Gewalt mit dem hauptsächlichen Ziel, Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten, [...] verboten [ist]“;

E.  in der Erwägung, dass Drohnenangriffe eines Staates auf außerhalb des erklärten Kriegsgebiets liegende Gebiete eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung oder die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats einen Verstoß gegen das Völkerrecht und eine Verletzung der territorialen Integrität und der Souveränität des betroffenen Landes darstellen;

F.  in der Erwägung, dass nach den internationalen Menschenrechtsvorschriften willkürliche Tötungen grundsätzlich verboten sind; in der Erwägung, dass die gezielte Tötung von Menschen in nicht kriegsführenden Staaten nach dem humanitären Völkerrecht nicht zulässig ist;

G.  in der Erwägung, dass Ausgaben für Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen von einer Finanzierung aus dem EU-Haushalt ausgenommen sind (Artikel 41 Absatz 2 EUV);

H.  in der Erwägung, dass sieben Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Polen und Spanien) mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) eine Absichtserklärung unterzeichnet haben, in der sie die Agentur mit einer Studie über die gemeinsame Produktion von MALE-Drohnen (Drohnen für mittlere Flughöhen mit großer Reichweite) beauftragen, die für Angriffe auf militärische Ziele oder zur Überwachung von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer eingesetzt werden können; in der Erwägung, dass damit die Arbeit an einem europäischen ferngesteuerten Flugsystem (RPAS) beginnt;

I.  in der Erwägung, dass Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die der Konstruktion von Drohnen – sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke – gewidmet sind, mit EU-Mitteln gefördert wurden und dass diese Förderung in Zukunft fortgesetzt werden soll;

1.  ist über den Einsatz bewaffneter Drohnen außerhalb des internationalen Rechtsrahmens zutiefst besorgt; fordert die EU nachdrücklich auf, sowohl auf der europäischen als auch auf der internationalen Ebene eine politische Lösung zu erarbeiten, um angemessen darauf zu reagieren und für die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts einzutreten;

2.  fordert die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, die Mitgliedstaaten und den Rat auf,

   a) sich gegen die Praxis gezielter außergerichtlicher Tötungen auszusprechen und diese Praxis zu verbieten,
   b) dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren rechtlichen Verpflichtungen keine rechtswidrigen gezielten Tötungen verüben oder solche Tötungen durch andere Staaten begünstigen,
   c) bewaffnete Drohnen in die einschlägigen europäischen und internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollregelungen aufzunehmen,
   d) die Entwicklung, Produktion und Verwendung von vollkommen autonom funktionierenden Waffen, mit denen Militärangriffe ohne Mitwirkung des Menschen möglich sind, zu verbieten,
   e) dafür zu sorgen, dass Maßnahmen im Einklang mit den Verpflichtungen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts getroffen werden, sobald Grund zu der Annahme besteht, dass eine Person oder eine Organisation in ihrem Rechtsgebiet mit im Ausland verübten rechtswidrigen gezielten Tötungen in Verbindung gebracht werden kann,
   f) die Arbeit und die Umsetzung der Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen und des UN-Sonderberichterstatters über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus zu unterstützen;

3.  fordert den Rat auf, einen gemeinsamen Standpunkt der EU zum Einsatz bewaffneter Drohnen anzunehmen;

4.  fordert die EU auf, darauf hinzuwirken, dass Drittländer in Bezug auf die Rechtsgrundlage für den Einsatz bewaffneter Drohnen und den verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht walten lassen, damit Drohnenangriffe gerichtlich überprüfbar sind und sichergestellt werden kann, dass die Opfer rechtswidriger Drohnenangriffe effektiv Zugang zu Rechtsbehelfen erhalten;

5.  fordert die Kommission darüber hinaus auf, es über die Verwendung von EU-Mitteln für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die der Konstruktion von Drohnen gewidmet sind, jederzeit ordnungsgemäß zu unterrichten; fordert, dass bei künftigen Projekten zur Entwicklung von Drohnen Folgenabschätzungen in Bezug auf die Menschenrechte durchgeführt werden;

6.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, den Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, dem UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus und dem UN-Generalsekretär zu übermitteln.


Grundrechte in der Europäischen Union (2012)
PDF 285kWORD 158k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2012) (2013/2078(INI))
P7_TA(2014)0173A7-0051/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Präambel des Vertrags über die Europäische Union (im Folgenden: EUV), insbesondere auf die Absätze 2 und 4 bis 7,

–  insbesondere unter Hinweis auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 3 zweiter Spiegelstrich, Artikel 6 und Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union, sowie auf die im EUV und im AEUV enthaltenen Artikel im Zusammenhang mit der Achtung, der Förderung und dem Schutz der Grundrechte in der EU,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 (im Folgenden: Charta), die am 12. Dezember 2007 in Straßburg proklamiert wurde und im Dezember 2009 mit dem Vertrag von Lissabon in Kraft trat,

–  unter Hinweis auf die Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der Übereinkommen, Empfehlungen, Entschließungen und Berichte der Parlamentarischen Versammlung, des Ministerkomitees, des Menschenrechtskommissars und der Venedig-Kommission des Europarats,

–  unter Hinweis auf die Europäische Sozialcharta in der überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 1996 und auf die Rechtsprechung des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dessen Vertragspartei die EU mit fast all ihren Mitgliedstaaten ist,

–  unter Hinweis auf die Leitprinzipien zu extremer Armut und den Menschenrechten, die am 27. Oktober 2012 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angenommen wurden (A/HRC/21/39),

–  in Kenntnis der Mitteilungen der Kommission zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union – Wahrung und Förderung der Grundwerte der Europäischen Union (COM(2003)0606), über die Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte durch die Europäische Union (COM(2010)0573), zu operativen Leitlinien zur Berücksichtigung der Grundrechte in Folgenabschätzungen (SEC(2011)0567),

–  in Kenntnis der vom Rat am 23. Mai 2011 angenommenen Schlussfolgerungen über die Maßnahmen und Initiativen des Rates zur Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Leitlinien des Rates zu den methodischen Schritten, die unternommen werden müssen, um in den Vorbereitungsgremien des Rates die Vereinbarkeit von Maßnahmen mit den Grundrechten zu prüfen(1),

–  in Kenntnis des Berichts der Kommission 2013 über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Jahr 2012 (COM(2013)0271) und der zugehörigen Arbeitsdokumente der Kommissionsdienststellen,

–  in Kenntnis des Berichts über die Unionsbürgerschaft 2013 mit dem Titel „Rechte und Zukunft der Bürgerinnen und Bürger der EU“ (COM(2013)0269),

–  unter Hinweis auf das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger(2),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020“ (COM(2011)0173) und der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24. Juni 2011,

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Weitere Schritte zur Umsetzung der nationalen Strategien zur Integration der Roma“ (COM(2013)0454) und des Vorschlags für eine Empfehlung des Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitgliedstaaten (COM(2013)0460),

–  unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit(3),

–  in Kenntnis der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft(4), der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(5) und des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (COM(2008)0426),

–  in Kenntnis der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(6),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission(7),

–  in Kenntnis der Entscheidungen und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte der Mitgliedstaaten, die die Charta bei der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften als Bezugspunkt heranziehen,

–  in Kenntnis der Rede von José Manuel Barroso zur Lage der Union im Europäischen Parlament vom 11. September 2013 und der Rede von Viviane Reding zur Europäischen Union und Rechtsstaatlichkeit vom 4. September 2013 im Centre for European Policy Studies (CEPS), Brüssel,

–  in Kenntnis des Schreibens vom 6. März 2013, das die Außenminister Deutschlands, der Niederlande, Dänemarks und Finnlands an den Präsidenten der Kommission Barroso gerichtet haben und in dem sie einen Mechanismus zur Förderung der Einhaltung der Grundwerte in den Mitgliedstaaten fordern,

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 6. und 7. Juni 2013 zu den Grundrechten und zur Rechtsstaatlichkeit und zum Bericht der Kommission über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2012),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen der vom irischen Ratsvorsitz am 9. und 10. Mai 2013 veranstalteten Konferenz zur Gleichstellung europäischer Unionsbürger: „A Europe of equal citizens: equality, fundamental rights and the rule of law“ (Ein Europa gleichberechtigter Bürger: Gleichheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit),

–  unter Hinweis auf das 4. jährliche Symposium der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) vom 7. Juni 2013 zu dem Thema „Förderung der Rechtsstaatlichkeit in der EU“,

–  in Kenntnis des Entwurfs der Schlussfolgerungen des Rates vom 13. September 2013 zur Evaluierung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte,

–  unter Hinweis auf die Tätigkeit, die Jahresberichte, die Studien und die Stellungnahmen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, und insbesondere den Jahresbericht 2012 zur Lage der Grundrechte in der EU,

–  in Kenntnis des gemeinsamen Berichts der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP), der Weltbank und der Europäischen Kommission mit dem Titel „Die Situation der Roma in elf EU-Mitgliedstaaten – Umfrageergebnisse auf einen Blick“, veröffentlicht im Mai 2012,

–  in Kenntnis des im April 2013 veröffentlichten Berichts des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechte von Migranten im Hinblick auf den Grenzschutz an den Außengrenzen der Europäischen Union und dessen Auswirkungen auf die Menschenrechte von Migranten,

–  in Kenntnis der Berichte und Studien von nichtstaatlichen Organisationen zu den Menschenrechten und der vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zu diesem Thema in Auftrag gegebenen Studien, insbesondere der Studie „The triangular relationship between fundamental rights, democracy and the Rule of Law in the EU – towards an EU Copenhagen mechanism“ (Die Dreiecksbeziehung zwischen Grundrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der EU – auf dem Weg zu einem Kopenhagen-Mechanismus der EU),

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen zu den Grundrechten und Menschenrechten, insbesondere seine Entschließung vom 15. Dezember 2010 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2009) – wirksame Umsetzung nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon(8) und seine Entschließung vom 12. Dezember 2012 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2010-2011)(9),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. April 2004 zu den Gefahren der Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Artikel 11 Absatz 2 der Charta der Grundrechte) in der EU, vor allem in Italien(10),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juni 2005 zum Schutz von Minderheiten und Maßnahmen gegen Diskriminierung in einem erweiterten Europa(11),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2008 zur Zählung der Roma in Italien auf der Grundlage ihrer ethnischen Zugehörigkeit(12),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2009 zu dem litauischen Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen(13),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. September 2010 zur Lage der Roma und zur Freizügigkeit in der Europäischen Union(14),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2011 zur Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in Litauen(15),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2011 zur EU-Strategie zur Integration der Roma(16),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2011 zum Mediengesetz in Ungarn(17),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Mai 2013 über die EU-Charta: Normensetzung für die Freiheit der Medien in der EU(18),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Mai 2012 zur Bekämpfung von Homophobie in Europa(19),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2013 zur verstärkten Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hasskriminalität(20),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. September 2011 zu den Bemühungen der EU zur Bekämpfung der Korruption(21),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisierter Kriminalität, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen (Schlussbericht)(22),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Juli 2013 über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012)(23),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. September 2012 zu der behaupteten Beförderung und dem rechtswidrigen Festhalten von Gefangenen in europäischen Staaten durch die CIA: Weiterbehandlung des Berichts des TDIP-Ausschusses des Europäischen Parlaments(24) und seine Folgeentschließung vom 10. Oktober 2013(25),

–  unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. September 2013 zu vom Aussterben bedrohten europäischen Sprachen und die Sprachenvielfalt in der Europäischen Union(26),

–  unter Hinweis auf das UN-Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),

–  unter Hinweis auf den vom Europäischen Rat im März 2011 angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter (2011–2020),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 21. September 2010 mit dem Titel „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010–2015“ (COM(2010)0491),

–  unter Hinweis auf die Konvention des Europarates vom 7. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(27) und vom 6. Februar 2013 zur 57. Tagung der VN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zum Thema „Beseitigung und Verhütung aller Arten von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“(28),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Mai 2012 mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit(29),

–  unter Hinweis auf die Arbeitsdokumente I und II zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2012 (Berichterstatter: Louis Michel),

–  in Kenntnis der vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 5. November 2013 durchgeführten öffentlichen Anhörung: „Die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union: Stärkung der Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der EU“,

–  gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und der Stellungnahmen des Ausschusses Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie des Ausschusses für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter (A7‑0051/2014),

A.  in der Erwägung, dass die europäische Integration ein politisches Vorhaben ist, das aus der Asche des Zweiten Weltkriegs und der von totalitären Regimen betriebenen Verfolgung und Unterdrückung von Einzelpersonen hervorging, um die europäischen Staaten auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und anderen Übereinkünften zu Menschenrechten und Grundfreiheiten in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verankern und um die Menschenrechte und die Grundrechte, die Gleichstellung und den Schutz von Minderheiten zu achten und zu fördern und die Rückkehr eines jedweden autoritären Regimes zu verhindern;

B.  in der Erwägung, dass der Einzelne, ob Bürger oder Gebietsansässiger, im Mittelpunkt der Europäischen Union stehen muss und dass die Grundrechte des Einzelnen seine Privatsphäre und seine Freiheiten und Rechte gegen mögliche Eingriffe, Missbrauch und Gewalt seitens staatlicher Stellen auf allen Ebenen schützen; in der Erwägung, dass die Achtung und die Förderung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten, der Demokratie sowie der Werte und Grundsätze – wie in den Verträgen der EU und den internationalen Übereinkünften in Bezug auf die Menschenrechte dargelegt (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, EMRK, IPBPR, IPWSKR usw.) – im Mittelpunkt des europäischen Aufbauwerks stehen müssen;

C.  in der Erwägung, dass die Europäische Union grundlegende Errungenschaften vorweisen kann, mit denen die Wahrung, der Schutz und die Förderung der Grundrechte gewährleistet werden sollen, insbesondere durch die Entwicklung der „Kriterien von Kopenhagen“, die Aufnahme der Artikel 2, 6 und 7 in den EU-Vertrag, die Charta der Grundrechte, die Verpflichtung zum Beitritt zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den entsprechenden Bestimmungen in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten;

D.  in der Erwägung, dass die Charta mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Werte und Grundsätze in konkrete und durchsetzbare Rechte umgewandelt hat, und in der Erwägung, dass die Charta denselben Stellenwert wie der Vertrag von Lissabon hat und für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union sowie die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union rechtsverbindlich geworden ist;

E.  in der Erwägung, dass eine echte Kultur der Grundrechte entwickelt werden muss, die in den Organen der Europäischen Union, aber auch in den Mitgliedstaaten insbesondere dann gefördert und gestärkt werden muss, wenn diese das Recht der Union sowohl intern als auch in den Beziehungen zu Drittländern anwenden; in der Erwägung, dass die Anwendung dieser Werte und Grundsätze auch auf einer wirksamen Kontrolle der Achtung der in der Charta garantierten Grundrechte, auch schon bei der Ausarbeitung von Legislativvorschlägen, beruhen muss; in der Erwägung, dass andere Erwägungen keinen Vorrang gegenüber der Achtung und der Gewährleistung dieser Grundrechte haben können, da sonst die Glaubwürdigkeit der Rolle und des Profils der Europäischen Union im Bereich der Menschenrechte, insbesondere in ihren Beziehungen zu Drittstaaten, untergraben werden könnte;

F.  in der Erwägung, dass die Europäische Union auf der Grundlage der Annahme und des gegenseitigen Vertrauens darin agiert, dass die Mitgliedstaaten der EU Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte achten, wie dies in der EMRK und der Charta der Grundrechte verankert ist, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie auf die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung;

G.  in der Erwägung, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung dazu führt, dass Menschen von einer gerichtlichen Zuständigkeit in eine andere überführt werden können, ohne dass die jeweiligen Entscheidungen vorher auf die Einhaltung der Menschenrechte geprüft werden;

H.  in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den verbundenen Rechtssachen C‑411/10 und C‑493/10 hervorgehoben hat, dass eine solche Rechtsvermutung der Einhaltung der Grundrechte widerlegbar sein muss und dass die Gerichte daher prüfen müssen, ob es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass systemische Mängel im Rechtssystem der anderen Mitgliedstaaten vorhanden sind;

I.  in der Erwägung, dass daher sichergestellt werden muss, dass die staatlichen Stellen ausreichend Nachweise zur Verfügung haben, um eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob es systemische Mängel in den Rechtssystemen anderer Mitgliedstaaten gibt oder nicht;

J.  in der Erwägung, dass Korruption sozialen Schaden verursacht und zu Verletzungen der Grundrechte führt, da sie von Gruppierungen der organisierten Kriminalität benutzt wird, um andere schwere Verbrechen wie Menschenhandel zu verüben; in der Erwägung, dass ein effizientes, unabhängiges und unparteiisches Rechtssystem unabdingbar ist für Rechtstaatlichkeit und um den Schutz der Grundrechte und bürgerlichen Freiheiten der Bürger in Europa sicherzustellen;

K.  in der Erwägung, dass die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts- und Finanzkrise erlebt, sondern auch, wie die jüngsten Ereignisse in einigen Mitgliedstaaten gezeigt haben, eine Demokratie- und Verfassungskrise, und dass diese Spannungen den Mangel an geeigneten Mitteln zur Bewältigung dieser Krise wie auch den Mangel an politischem Willen und die Schwierigkeiten bei der Anwendung der in den geltenden Verträgen und insbesondere in Artikel 2 und 7 EUV vorgesehenen Kontroll‑, Evaluierungs‑ und Sanktionsmechanismen vor Augen geführt haben;

L.  in der Erwägung, dass das Europäische Parlament sich wiederholt für die Stärkung der Mechanismen zur Gewährleistung der Achtung, des Schutzes und der Förderung der in Artikel 2 EUV genannten Werte und zur Bewältigung von Krisensituationen in der Union und in Mitgliedstaaten ausgesprochen hat, und in der Erwägung, dass eine Debatte über die Schaffung eines „neuen Mechanismus“ geführt wird und die Kommission, der Rat und die Mitgliedstaaten sich zu diesem Thema dem Parlament und den nichtstaatlichen Organisationen anschließen;

M.  in der Erwägung, dass die FRA im Schwerpunktteil ihres Jahresberichts für das Jahr 2012 mit dem Titel: „Die Europäische Union als Wertegemeinschaft: Grundrechte in Krisenzeiten wahren“ unterstrichen hat, dass Einigkeit über die Werte in Artikel 2 und die sich daraus ergebenden rechtlichen Verpflichtungen ein angestrebtes Ziel ist, das die Schaffung eines regelmäßigen Dialogs innerhalb der EU erfordert;

N.  in der Erwägung, dass die Kommission darauf hingewiesen hat, dass sie eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union anstrebe und dass sie ohne Vertragsänderung die Verwendung von Mahnschreiben im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 EU-Vertrag vorschlagen könnte; in der Erwägung, dass sie ferner auf die Notwendigkeit einer Änderung der Verträge hingewiesen hat und angekündigt hat, sie könne bis Ende 2013/Anfang 2014 Vorschläge für Änderungen unterbreiten, um eine Debatte zu den Wahlen zu organisieren (auch über Artikel 7) und einen Konsens über diese Vorschläge zu erreichen, deren Ziel darin bestehen sollte, sicherzustellen, dass die Politik der EU im Bereich Grundrechte in der Europäischen Union auf klaren Regeln und Mechanismen, auf objektiven Indikatoren, Daten und Nachweisen basiert, die transparent, fair und berechenbar sind und die Rechte des Einzelnen, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in wirksamer Weise schützen;

O.  in der Erwägung, dass jede Entscheidung in diesem Bereich so bald wie möglich dazu führen muss, sicherzustellen, dass Artikel 2, 6 und 7 EUV ordnungsgemäß angewendet werden und dass jede Entscheidung auf objektiven Kriterien und einer objektiven Bewertung beruht, und so die Kritik hinsichtlich fehlender Indikatoren und Bewertungskriterien, Ungleichbehandlung und politischer Voreingenommenheit zu überwinden;

P.  in der Erwägung, dass in der Europäischen Union und in den Mitgliedstaaten noch immer zahlreiche Verletzungen der Grundrechte vorkommen, wie aus den (Jahres‑ und Sonder‑) Berichten der Kommission, der FRA, des Europarats (Jahresberichte und Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Dokumente und Berichte des Europäischen Kommissars für Menschenrechte, Dokumente der Parlamentarischen Versammlung des Europarates), Dokumenten der UNO (einschließlich Dokumente und Berichte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Sonderberichterstatter usw.) und der nichtstaatlichen Organisationen (wie Human Rights Watch, Amnesty International, Open Society Institute, ILGA-Europe, ECRE, Reporter ohne Grenzen, Freedom House usw.) hervorgeht; in der Erwägung, dass diese Verletzungen angesichts ihrer Schwere und Häufigkeit angemessene Reaktionen der Kommission, des Rates und der Mitgliedstaaten erfordern;

Q.  in der Erwägung, dass diese Organisationen ihre Bedenken vorgebracht und ihnen Ausdruck verliehen haben, insbesondere in Bezug auf die Lage von Roma, Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen, Minderheiten und LGBT-Personen, Medien und Journalisten, Maßnahmen von Sicherheits-, Polizei- und Geheimdienstkräften und erforderlichen Ermittlungen, um die für Verletzungen der Menschenrechte Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und zu bestrafen, die Beteiligung von Staaten in Fällen von Folter und Misshandlungen in Drittländern, die Verwendung der auf diese Weise erhaltenen Belege sowie Haftbedingungen und Misshandlungen;

R.  in der Erwägung, dass die Präambel des Vertrags über die Europäische Union, Artikel 8, 9, 10, 19 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Bedeutung von sozialen Grundrechten durch ihre Umsetzung in allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkennt, so dass klargestellt wird, dass die EU Grundrechte und Grundfreiheiten wie die Gewerkschafts-, Streik-, Vereins-, Versammlungsrechte usw. garantieren muss, wie sie in der Europäischen Sozialcharta festgelegt sind und in der Erwägung, dass Artikel 151 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einen ausdrücklichen Verweis auf die sozialen Grundrechte enthält, wie sie in der Europäischen Sozialcharta festgelegt sind;

S.  in der Erwägung, dass in Artikel 2 und 3 der Charta der Grundrechte das Recht auf Leben und das Recht auf Unversehrtheit der Person anerkannt wird;

T.  in der Erwägung, dass es in der Europäischen Union ungefähr 100 Millionen Kinder und ungefähr 80 Millionen Bürger mit Behinderungen gibt; in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen und insbesondere Kinder immer noch an einem Mangel an Hilfe und Unterstützung leiden, wenn es um ihre Inklusion in Schulen geht, dass sie Schwierigkeiten beim Zugang zu Gebäuden oder zu Dienstleistungen haben und dass es ihnen nur schwer gelingt, sich Gehör zu verschaffen und an Entscheidungen teilzuhaben, die ihr Leben betreffen; in der Erwägung, dass die EU als Vertragspartei des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet ist, die Rechte von Menschen mit Behinderungen wie im Übereinkommen verankert zu fördern, zu schützen und zu achten, eine Strategie zur Umsetzung des Übereinkommens anzunehmen, und dafür Sorge zu tragen, dass politische Maßnahmen und bestehendes und zukünftiges Primär‑ und Sekundärrecht den Bestimmungen des Übereinkommens entsprechen;

U.  in der Erwägung, dass Frauen und Mädchen die Hauptopfer geschlechtsspezifischer Gewalt sind, da laut Schätzungen 20-25 % der Frauen in der EU mindestens einmal in ihrem Leben körperliche Gewalt erlebt haben; in der Erwägung, dass Tausende in Europa lebende Frauen der Genitalverstümmelung ausgesetzt gewesen sind und Tausende von Mädchen davon bedroht sind;

V.  in der Erwägung, dass Frauen in der EU pro Stunde rund 16 % weniger verdienen als Männer;

W.  in der Erwägung, dass durch Armut, geschlechtsbedingte Ungleichheit und Geschlechterstereotypen das Risiko von Gewalt und anderen Arten der Ausbeutung, darunter Frauenhandel und Prostitution, steigt und die uneingeschränkte Teilhabe von Frauen an allen Lebensbereichen erschwert wird;

X.  in der Erwägung, dass Grundfreiheiten, Menschenrechte und Chancengleichheit allen Bürgern der Europäischen Union gewährt werden sollten; in der Erwägung, dass jedoch der Schutz nationaler Minderheiten, regionaler Sprachen und von Minderheitensprachen in einer erweiterten EU ein Hauptanliegen ist, das nicht einfach durch die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung erreicht wird, sondern durch die Annahme spezieller rechtlicher, linguistischer, kultureller, sozialer und anderer Regelwerke und Verfahren;

1.  betont, dass das politische, historische und ethische Projekt der Europäischen Union darin besteht, einen Verbund von Staaten zu schaffen, die gemeinsame europäische Werte, wie die in Artikel 2 EUV und in der Charta der Grundrechte sowie in der EMRK genannten, teilen und zusammen fördern – insbesondere die Achtung der Würde des Menschen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Gleichheit, Freiheit, Nichtdiskriminierung, Schutz von Minderheiten –, die eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen; ist daher der Ansicht, dass ein Grundpfeiler der europäischen Identität die Förderung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Demokratie, die europäische Werte sind, innerhalb und außerhalb der Union ist und sein muss;

2.  empfiehlt, dass das Parlament, die Kommission und der Rat das Bestehen positiver Verpflichtungen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte anerkennen; betont, dass zur Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten Maßnahmen auf mehreren Ebenen erforderlich sind; hebt die Rolle hervor, die regionale und lokale Behörden, nichtstaatliche Organisationen und die Zivilgesellschaft in diesem Bereich spielen, und fordert die Kommission und den Rat auf, ihre Zusammenarbeit mit diesen Akteuren zu verbessern;

3.  erinnert die Organe der Union und die Mitgliedstaaten an die Notwendigkeit, ihren Verpflichtungen im Bereich der Achtung der Grundfreiheiten und Grundrechte nachzukommen; stellt fest, dass die Teilnahme an internationalen Verträgen über den Schutz und die Förderung der Menschenrechte nur der Stärkung des Schutzes der Grundrechte in der EU dienen kann;

4.  verurteilt die besorgniserregenden Trends was die Verletzung von Grundrechten in der Europäischen Union anbelangt, insbesondere in Bezug auf Einwanderung und Asyl, Diskriminierung und Intoleranz, vor allem gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen (Minderheiten und Migranten), Sicherheit und Terrorismus, Pressefreiheit, Freizügigkeit in der Union, soziale und gewerkschaftliche Rechte; stellt immer häufiger eine Blockade der Mitgliedstaaten fest, was die Achtung dieser Freiheiten und Grundrechte anbelangt, insbesondere in Bezug auf Roma, Frauen, LGBT‑Personen, Asylsuchende, Migranten und andere gefährdete Bevölkerungsgruppen;

Institutionelle Fragen

5.  weist darauf hin, dass es für die Europäische Union, ihre Organe und für die Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung ist, die Achtung der in Artikel 2 EU-Vertrag genannten gemeinsamen europäischen Werte sicherzustellen, und dass nicht nur alle derzeit in den Verträgen diesbezüglich vorgesehenen Instrumente dringend angewendet und umgesetzt werden müssen, sondern dass auch die Änderungen der Verträge dort, wo sie notwendig sind, vorbereitet werden müssen; betont, dass die Verpflichtung zur Achtung der Kopenhagener Kriterien nach dem Beitritt nicht erlischt, sondern weiterhin für die Mitgliedstaaten gilt, dass die Grundrechte Teil des Primärrechts der Union sind, und dass sie von allen Gerichten und Behörden bei der Anwendung des Unionsrechts, sei es auf Ebene der Union oder der Mitgliedstaaten, beachtet werden müssen; bedauert in diesem Zusammenhang insbesondere die Länge der Beitrittsverhandlungen zur EMRK und bedauert, dass der Beitritt der EU zur EMRK nicht bereits abgeschlossen wurde;

6.  weist die europäischen Organe und Mitgliedstaaten darauf hin, dass jede Maßnahme im Bereich der Grundrechte insbesondere durch verfügbare vorbeugende Instrumente und Rechtsbehelfe zunächst das Auftreten von Verstößen verhindern muss, bevor eine Entscheidung oder eine Maßnahme getroffen wird, um so Einzelfälle möglichst kurzfristig auf wirksame, gerechte und faire Weise ohne Diskriminierung untersuchen und beurteilen zu können;

7.  ist der Auffassung, dass die breite Öffentlichkeit zunehmend Wert auf die Achtung, den Schutz und die Förderung von Grundrechten legt, wie die Mobilisierung und die gestiegene Aufmerksamkeit in Bezug auf Fälle von Gewalt, Missbrauch oder ungleicher Behandlung im Alltagsleben sowie in symbolischen oder bekannten Fällen belegen, was auch auf die verbesserte Verbreitung von Information über die neuen Technologien, die sozialen Netzwerke und die Medien zurückzuführen ist; weist darauf hin, dass jeder Verstoß, jeder Missbrauch oder jede ungleiche Behandlung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Organen und ihren Vertretern, insbesondere den politischen Verantwortlichen, schadet; unterstreicht, dass die Organe und die politischen Verantwortlichen diese demokratische Dynamik zur Kenntnis nehmen und stützen müssen, indem neue Mechanismen für den Bürgerdialog eingerichtet werden und die Kontrolle der staatlichen Stellen durch Bürger, Parlament, Gerichtswesen und Medien verstärkt wird, wobei die staatlichen Behörden offener und transparenter sein müssen, um den Interessen der Bürgerinnen und Bürger besser zu dienen;

8.  ist der Ansicht, dass es zur vollen Nutzung des Potenzials der Verträge erforderlich ist:

   a) das Beitrittsverfahren zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Abschluss zu bringen und schon jetzt die zur vollumfänglichen Erfüllung dieser in den Verträgen verankerten Verpflichtung erforderlichen Instrumente bereitzustellen, da mit ihr ein zusätzlicher Mechanismus für die Durchsetzung der Menschenrechte der EU-Bürger zur Verfügung stehen wird; unter anderem auch um die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, und insbesondere die „Piloturteile“ durch die EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen; der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten und am 3. Mai 1996 in Straßburg überarbeiteten Europäischen Sozialcharta – wie vom Europarat gefordert – beizutreten; dass die Mitgliedstaaten den Menschenrechtsübereinkommen des Europarats beitreten und diese ratifizieren, die bereits bestehenden Instrumente des gemeinschaftlichen Besitzstandes umsetzen und die Opt-out-Möglichkeiten überdenken, da die Rechte ihrer Bürger hierdurch möglicherweise beeinträchtigt werden;
   b) sicherzustellen, dass Legislativvorschläge und politische Maßnahmen im Einklang mit der Charta stehen und die Grundrechte achten, indem konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um dafür zu sorgen, dass in allen Phasen der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften ihre Vereinbarkeit mit der Charta geprüft wird und dass die Auswirkungen der Rechtsvorschriften der EU und ihrer Umsetzung durch die Mitgliedstaaten auf die Grundrechte in den Bewertungsberichten der Kommission über die Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU sowie in ihrem Jahresbericht über die Überwachung der Anwendung des EU-Rechts systematisch untersucht werden;
   c) sicherzustellen, dass die Kommission – und der Rat, soweit dieser Rechtsvorschriften auf den Weg bringt – das externe unabhängige Fachwissen der FRA zu nutzen, wo dies angebracht ist;
   d) die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, unter Einschluss des Europäischen Parlaments und der einzelstaatlichen Parlamente zu verstärken, um eine bessere Umsetzung des bestehenden EU-Rechts im Bereich der Menschenrechte zu erreichen;
   e) dafür zu sorgen, dass die Ausarbeitung und Umsetzung des Unionsrechts, das die Grundrechte berührt und entwickelt, verstärkt werden und ordnungsgemäß verlaufen, und zwar mithilfe einer rigorosen Evaluierungs- und Überwachungspolitik und der Vorlage von Verstößen beim Gerichtshof der Europäischen Union, insbesondere in Bereichen, die in die Zuständigkeit der EU fallen, wie Nichtdiskriminierung, Gleichheit, Gleichstellung der Geschlechter, Behinderung, Datenschutz, Asyl und Einwanderung;
   f) dafür zu sorgen, dass ein stichhaltiges Konzept zur Stärkung der Rechtstaatlichkeit propagiert wird, welches berücksichtigt, wie die Grundrechte in der Praxis geschützt werden;
   g) anzuerkennen, dass ein starker politischer Willen notwendig ist, um sich mit diesen Themen zu befassen, insbesondere in Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise;
   h) im interinstitutionellen Dialog über Grundrechte oder dann, wenn es um die Interessen der europäischen Bürger geht, die Transparenz zu stärken und sicherzustellen;
   i) sicherzustellen, dass die Kommission in begründeten Fällen die bestehenden Mechanismen in vollem Umfang nutzt, objektive Bewertungen und Untersuchungen einleitet sowie Vertragsverletzungsverfahren durchführt, sobald ein Mitgliedstaat die in der Charta verankerten Rechte bei der Umsetzung von EU-Recht verletzt, um zu vermeiden, dass mit zweierlei Maß gemessen wird;
   j) ehrgeizige, effiziente und weitreichende politische Maßnahmen und Aktionsprogramme in Bezug auf Grundrechte und gemeinsame europäische Werte vorzusehen, insbesondere um die proaktive und systematische Umsetzung der Verpflichtungen der EU in Bezug auf die Bekämpfung von Diskriminierungen und die Förderung der Gleichstellung, wie in Artikeln 8 und 10 AEUV und Artikel 21 der Charta der Grundrechte dargelegt, zu garantieren;
   k) in systematischerer und besser koordinierter Weise auf allen Ebenen, insbesondere mit dem Europarat und anderen internationalen Institutionen, zusammenzuarbeiten, um unnötige Doppelarbeit zu vermeiden, und sich dabei auf deren spezifische Kenntnisse zu stützen;
   l) die bereits vorhandenen, vielfältigen Mechanismen zur Vermeidung der Verletzung von Grundrechten in der EU zu rationalisieren, Verletzungen der Grundrechte zu bekämpfen und zu verhindern, dass der jeweils günstigste Gerichtsstand gewählt wird sowie die Rolle zu stärken, die die regionalen und lokalen Behörden zusammen mit den Menschenrechtsorganisationen spielen können;
   m) komparative und zusammenfassende Aufstellungen nach Ländern vorzubereiten, auf deren Grundlage die Kommission länderspezifische Empfehlungen zur Grundrechtepolitik aussprechen sollte, wie sie dies für die Wirtschaftspolitik der EU-27 tut, wobei der Rat diese Empfehlungen ebenso wie die Vorschläge der Kommission zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen bis zur nächsten Tagung des Europäischen Rats befürworten oder ändern könnte;
   n) unter Teilnahme einzelstaatlicher Menschenrechtsgremien einen Mechanismus der gegenseitigen Evaluierung zu entwickeln, ähnlich dem Entwicklungshilfeausschuss der OECD: jeder EU-Mitgliedsstaat würde alle drei oder vier Jahre begutachtet, wobei das Ziel der Evaluierung vor allem sein sollte, dem betroffenen Land dabei zu helfen, zu erkennen, wie es seine Grundrechtestrategie und ‑strukturen verbessern kann; und bewährte Verfahrensweisen bei politischen Maßnahmen und Strategien im Bereich der Menschenrechte in der EU zu identifizieren und zu teilen;
   o) einen „neuen Kopenhagen-Mechanismus“ zu schaffen, um die Achtung, den Schutz und die Förderung der in Artikel 2 EUV und in der Charta der Grundrechte genannten Grundrechte und Werte der Union sicherzustellen;

9.  betont, dass dieser „neue Kopenhagen-Mechanismus“, mit dem die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien durch alle Mitgliedstaaten wirksam und verbindlich überwacht werden soll, auf der Grundlage eines Beschlusses der Kommission unter umfassender Beteiligung des Parlaments sofort eingesetzt werden könnte und Folgendes bewirken sollte:

   a) Festlegung von Indikatoren auf der Grundlage vorhandener oder bereits entwickelter und anerkannter Indikatoren zur Beurteilung von Grundrechtsstandards, wie sie beispielsweise auf Ebene der UNO und des Europarats unter Berücksichtigung der Erfahrungen nichtstaatlicher Organisationen, die im Bereich der Menschenrechte und Grundfreiheiten tätig sind, entwickelt wurden (FRA und Kommission);
   b) Zugrundelegung objektiver und verlässlicher Daten und Informationen auf der Basis dieser Indikatoren, die im Rahmen eines transparenten und glaubwürdigen Verfahrens weiter entwickelt würden (FRA, Kommission);
   c) Beobachtung der Situation in der EU sowie in den Mitgliedstaaten mithilfe eines regelmäßigen und objektiven Verfahrens (FRA, Kommission, Rat, Europäisches Parlament, einzelstaatliche Parlamente);
   d) objektive, vergleichende und regelmäßige Bewertungen nach jedem der Grundrechte und/oder Themenbereiche und für jedes Organ und jeden Mitgliedstaat – wobei ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit angestrebt wird – auch auf der Grundlage der Erkenntnisse und Empfehlungen der bestehenden Beobachtungsmechanismen des Europarats, der UNO und der Organe und Gremien der EU, sowie anhand von Informationen, die von Organisationen der Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt werden (Berichte der FRA, Jahresberichte der Kommission, Jahresberichte des Parlaments, Jahresberichte des Rates), und das Aussprechen von Empfehlungen auf dieser Grundlage;
   e) Einrichtung eines europäischen Politikzyklus zur Anwendung des Artikels 2 EUV (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Gleichheit) zur Bereitstellung eines Jahres- und Mehrjahresrahmens sowie eines offenen jährlichen interinstitutionellen Forums zu diesen europäischen Werten, insbesondere zum Schutz der Grundrechte;
   f) Zusammenführung aller vorhandenen Daten und Analysen nationaler, europäischer und internationaler Gremien, um sicherzustellen, dass vorhandene Informationen, die für den Schutz von Grundrechten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Gleichberechtigung relevant sind, zugänglicher und sichtbarer sind;
   g) Sicherstellung, dass die GD Justiz und die Arbeitsgruppe „Grundrechte, Bürgerrechte und Freizügigkeit“ im Rat mit dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zusammenarbeiten, um einen regelmäßigen strukturierten Dialog zwischen diesen Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft zu Grundrechtsfragen innerhalb der EU zu schaffen;
   h) Entwicklung und Beurteilung einer Reihe von Empfehlungen und Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (beispielsweise die zeitweilige Aussetzung von Mittelbindungen, Anwendung bestimmter Rechtsakte usw.), um gegen Verstöße gegen Artikel 2 und Artikel 7 EUV vorzugehen und die dort enthaltenen Rechte erfolgreich sicherzustellen;
   i) Integration eines Frühwarnsystems, eines Systems des politischen und technischen Dialogs, der Mahnschreiben und eines „Einfrierverfahrens“ – wie bereits vom Parlament gefordert, um sicherzustellen, dass Mitgliedstaaten auf Antrag der EU-Organe die Annahme von Gesetzen aussetzen, die Grundrechte oder die Rechtsordnung der EU missachten oder verletzen könnten; die Kommission sollte auf technischer Ebene Sitzungen mit den Dienststellen des betreffenden Mitgliedstaats abhalten, jedoch in politischen Bereichen – außer im Zusammenhang mit Artikel 2 EUV – keinerlei Verhandlungen abschließen, bis die vollständige Einhaltung von Artikel 2 EUV gewährleistet wurde;

10.  fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit der FRA einen Beschluss zur Einrichtung eines solchen „neuen Kopenhagen-Mechanismus“ anzunehmen, wie sie es beim Bericht über Korruption in der EU und in den Mitgliedstaaten getan hat, und die Geschäftsordnung der FRA zu überarbeiten, um diese mit mehr Befugnissen und Kompetenzen auszustatten;

11.  fordert die Schaffung einer „Kopenhagen-Kommission“, vorzugsweise auf der Grundlage einer interinstitutionellen Vereinbarung und bestehend aus unabhängigen hochrangigen Grundrechteexperten, die auch vom Parlament berufen werden, deren Ziel es sein sollte, sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte einhalten und dass die „Kopenhagen-Kriterien“ kontinuierlich eingehalten werden, und die im Zusammenhang mit Grundrechtefragen beratend tätig wird und Berichte erstellt, solange die Geschäftsordnung der FRA noch nicht geändert wurde und ihr noch keine umfassenderen Befugnisse und Aufgabenbereiche, einschließlich der Beobachtung einzelner Mitgliedstaaten im Bereich der Grundrechte eingeräumt wurden, wie vom Parlament wiederholt gefordert;

12.  empfiehlt die Eröffnung eines Dialogs zwischen den EU-Organen und einem Mitgliedstaat, falls das Risiko eines ernsthaften Verstoßes gegen Werte der Union besteht, sowie die Möglichkeit für EU-Organe, Empfehlungen auszusprechen, wie es in Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgesehen ist; unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag der Kommission zur Verwendung von Mahnschreiben in diesem Rahmen;

13.  fordert die Kommission und den Rat auf, gemeinsam mit dem Parlament eine Kontaktgruppe einzurichten, die die wirksame Umsetzung der Werte der Union verfolgt und im Besonderen gemeinsame Bewertungen der Lage der Grundrechte in bestimmten Fällen durchführt, die von einem dieser drei Organe der Union mit Sorge zur Kenntnis genommen wurden; fordert diese Organe zudem auf, die Resolutionen des Europarats und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten;

14.  begrüßt die Erklärungen des Präsidenten der Kommission und der Vizepräsidentin Reding, in denen sie eine Mitteilung mit möglichen Änderungen der Verträge als Ergänzung der nach den derzeitigen Verträgen verfügbaren Optionen ankündigen, und fordert seine zuständigen Ausschüsse auf, die folgenden Vorschläge für einen stärkeren Schutz der Grundrechte in den EU-Verträgen eingehend zu prüfen:

   Überarbeitung des Artikels 7 EUV durch Hinzufügung einer Phase der „Anwendung des Artikels 2 EUV“ und Trennung der Phase der „Gefahr“ und der Phase der „Verletzung“, mit unterschiedlichen Schwellenwerten für die vorgesehenen Mehrheiten, Vertiefung der technischen und objektiven (und nicht nur politischen) Analyse, intensiverer Dialog mit den Institutionen der Mitgliedstaaten und breitere Palette von detaillierten und voraussehbaren Sanktionen, die im gesamten Verfahren anwendbar sind;
   Entwicklung eines stärkeren und detaillierten Mechanismus zur Koordination und Überwachung des Schutzes der Grundrechte am Beispiel von Artikel 121 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union;
   Ausweitung des Anwendungsbereiches von Rechtsbehelfen und der Befugnisse der Kommission und des Gerichtshofs;
   Verweis auf die FRA in den Verträgen, einschließlich einer Rechtsgrundlage, die es ermöglicht, die Gründungsverordnung der Agentur im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu ändern, wodurch der gegenwärtig geltende Grundsatz der Einstimmigkeit wegfiele;
   Streichung von Artikel 51 der Charta der Grundrechte;
   Schaffung einer Möglichkeit für das Parlament, auf einer Stufe mit der Kommission und dem Rat Verfahren in Bezug auf eine Verletzung von Artikel 2 EUV einleiten zu können, und Schaffung einer Möglichkeit für die FRA, ihre im Verfahren erforderliche fachliche Unterstützung einbringen zu können;
   Überprüfung des Erfordernisses der Einstimmigkeit in Bereichen, die mit der Achtung, dem Schutz und der Förderung der Grundrechte im Zusammenhang stehen, etwa im Hinblick auf die Gleichheit und Nichtdiskriminierung (z. B. Artikel 19 AEUV);

fordert seinen zuständigen Ausschuss darüber hinaus auf, die Anwendung des Verfahrens zur Aktivierung des Artikels 7 EUV durch das Parlament zu präzisieren und gegebenenfalls zu überprüfen;

15.  fordert die FRA auf, eine öffentliche Website einzurichten, auf der Informationen und Dokumente der UNO, des Europarats, der OSZE, von nichtstaatlichen Organisationen, der FRA, des Europäischen Parlaments, von Gerichten, Ausschüssen einzelstaatlicher Parlamente, Bürgerbeauftragten usw. zu Grundrechtsfragen gesammelt und gebündelt werden; ist der Ansicht, dass diese Informationen nach Datum, Staat, Verfasser und Recht abrufbar sein sollten, um als Datenquellen zur Beurteilung der Lage der Grundrechte in der EU und ihren Mitgliedstaaten dienen zu können;

Spezifische Rechte auf der Grundlage der Charta der Grundrechte

Würde

16.  ist beunruhigt angesichts der Fälle von Verletzungen der Menschenwürde, die in der Union und in ihren Mitgliedstaaten noch immer vorkommen, zu deren Opfern Minderheiten, insbesondere Roma, Asylsuchende, Migranten, Personen, die der Verbindung zum Terrorismus verdächtigt werden, Personen im Freiheitsentzug sowie schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen und in Armut lebenden Personen gehören; unterstreicht, dass die öffentlichen Stellen das absolute Verbot der Folter und der grausamen, unmenschlichen oder herabwürdigenden Behandlung beachten müssen und jeden Verstoß eingehend, schnell, wirksam und unabhängig untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen;

17.  ist beunruhigt über die zahlreichen Fälle von Misshandlungen durch Polizei- und Ordnungskräfte, insbesondere im Zusammenhang mit dem unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen friedliche Teilnehmer und Journalisten bei Demonstrationen und den übermäßigen Einsatz nicht letaler Waffen, wie Schlagstöcke, Gummigeschosse, Elektroschockpistolen usw.; fordert die Mitgliedstaaten auf, dass das Tragen von Identifizierungsmerkmalen auf den Uniformen der Sicherheitskräfte sichergestellt wird und dass diese für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden; fordert die Einstellung von Polizeikontrollen, die sich auf die Erstellung von Profilen aufgrund ethnischer oder rassischer Merkmale stützen; äußert sich besorgt über eine zunehmende Anzahl von Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und des Rechts auf friedliche Demonstrationen und weist darauf hin, dass Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Meinungsfreiheit die Grundlage für das Recht auf Demonstrationen bilden; fordert die Mitgliedstaaten auf, keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausübung von Grundfreiheiten und Grundrechten der Menschen gefährden oder kriminalisieren, und fordert sie ferner auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit der Einsatz von Gewalt eine Ausnahme bleibt und ordnungsgemäß durch eine tatsächliche und schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist und erinnert daran, dass die Polizeikräfte zuerst im Dienste der Sicherheit und des Schutzes von Personen stehen;

18.  bekräftigt seine Unterstützung einer europäischen Initiative, um dafür zu sorgen, dass die Grundrechte von Personen im Freiheitsentzug garantiert werden und dass bei Haftstrafen die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Strafgefangenen nach Ablauf der Haftstrafe sichergestellt werden kann; ist beunruhigt über den Missstand der Überbelegung in Gefängnissen, der viele Mitgliedstaaten betrifft, sowie über die schlechten Haftbedingungen und die schlechte Behandlung von Strafgefangenen, und fordert, eine europäische Initiative einzuleiten, mit der für die Umsetzung der Empfehlungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gesorgt wird, und zwar auch in Polizeistationen, Aufnahmezentren für Migranten und psychiatrischen Krankenhäusern; empfiehlt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Überbelegung in Gefängnissen abzubauen, etwa einen übermäßigen Einsatz der Untersuchungshaft zu vermeiden, Alternativen zur Gefängnisstrafe vorzusehen, die Entkriminalisierung bestimmter Handlungen zu prüfen und/oder die Zeiträume zu kürzen, in denen Personen ohne Anklageerhebung inhaftiert sein können;

19.  bekräftigt seine Forderung nach umfassender Untersuchung der Mitwirkung europäischer Staaten im Programm der USA und der CIA über die „außerordentlichen Überstellungen“, Flüge und Geheimgefängnisse auf dem Gebiet der Union, und besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten wirksame, unparteiische, eingehende, unabhängige und transparente Untersuchungen durchführen müssen und keinerlei Raum für Straffreiheit zugelassen wird; erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass das Verbot der Folter absolut ist und dass die Staaten sich somit nicht auf ein Staatsgeheimnis berufen können, um ihre Verpflichtung zur Untersuchung schwerer Menschenrechtsverletzungen zu beschränken; betont, dass die Mitgliedstaaten ihren Ruf und das Vertrauen in ihr Eintreten für den Schutz der Menschenrechte aufs Spiel setzen, wenn sie den genannten Verpflichtungen nicht nachkommen;

20.  hebt hervor, dass die Atmosphäre von Straflosigkeit bezüglich des Programms der CIA dazu geführt hat, dass im Rahmen der Politik der EU und der Vereinigten Staaten zur Terrorismusbekämpfung weiterhin Grundrechtsverletzungen stattfinden, wie unter anderem durch die derzeit vom Parlament untersuchte Massenspionage durch das Überwachungsprogramm der US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) und der Überwachungseinrichtungen in verschiedenen Mitgliedstaaten deutlich wird; fordert die Überarbeitung der Rechtsvorschriften zu den Agenturen der EU und der Mitgliedstaaten, die im Bereich Sicherheit und Nachrichtendienste tätig sind, wobei der Schwerpunkt auf der gerichtlichen Ex-ante-Kontrolle, der parlamentarischen Kontrolle und auf dem Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen sowie der Berichtigung der von diesen Agenturen erfassten, gespeicherten oder verarbeiteten Daten liegen sollte;

21.  fordert diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer in vollem Umfang umzusetzen und durchzusetzen sowie geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Opfer des Menschenhandels angemessen unterstützt und geschützt, dass Menschenhändler strafrechtlich verfolgt werden, dass Menschenhandel mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen geahndet wird und dass gleichzeitig vorbeugende Maßnahmen getroffen werden;

22.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten in vollem Umfang umzusetzen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Opfer von Straftaten angemessen unterstützt und geschützt werden;

23.  fordert, dass die Würde des Menschen auch am Ende des Lebens geachtet wird, insbesondere durch die Garantie, dass in Testamenten ausgedrückte Entscheidungen anerkannt und respektiert werden;

24.  erkennt an, dass sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte einen wesentlichen Bestandteil der Menschenwürde ausmachen, und dass sie im größeren Zusammenhang der strukturellen Diskriminierung und der Ungleichbehandlung der Geschlechter behandelt werden müssen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte durch die FRA und das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) nicht zuletzt dadurch zu schützen, dass sie Programme und Dienste für reproduktive Gesundheit, einschließlich Fürsorgeleistungen und Medikamente, die für die freiwillige Familienplanung und für die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen von wesentlicher Bedeutung sind, zur Verfügung stellen und dass sie weiterhin ein wachsames Auge auf politische Maßnahmen und/oder Rechtsvorschriften haben, die die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte verletzen könnten;

Freiheiten

25.  betont, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf der Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten beruhen und dass Aktionen oder Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens sowie die internationale Zusammenarbeit in diesem Sinne nicht die europäischen Grundrechtestandards gefährden dürfen und diese Standards strikt achten müssen, insbesondere in Bezug auf Unschuldsvermutung, faires Verfahren, Recht auf Verteidigung, Schutz der Privatsphäre, Schutz personenbezogener Daten usw.; betont die Notwendigkeit stärkerer demokratischer Kontrolle sowie des Schutzes und der Achtung der Grundrechte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in diesen Bereichen, insbesondere im Hinblick auf die immer umfassendere Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen; fordert daher die Annahme von Maßnahmen, die den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten in diesem Bereich gewährleisten;

26.  bedauert den sicherheitsorientierten Ansatz in der EU-Strategie der inneren Sicherheit auf Kosten der bürgerlichen Freiheiten, der Grundrechte und der Einführung vorbeugender Maßnahmen; bedauert die wachsende Kluft zwischen den erklärten Zielen und der tatsächlichen Umsetzung politischer Maßnahmen; ist der Auffassung, dass das Parlament eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und der Festlegung von Maßnahmen zur inneren Sicherheit spielen muss, da diese schwerwiegende Auswirkungen auf die Grundrechte und Grundfreiheiten aller in der Europäischen Union ansässigen Personen haben, um die Überwachung und die demokratische Kontrolle von Sicherheitsmaßnahmen, einschließlich nachrichtendienstlicher Aktivitäten, und soweit erforderlich deren Überarbeitung hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte und der Grundrechte sicherzustellen;

27.  ist besorgt über die Enthüllungen der schweren Verstöße gegen das Recht auf den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten durch die geheimen Programme europäischer und nichteuropäischer Staaten für die Massenüberwachung europäischer Bürger ohne gerichtliche Genehmigung auf Einzelfallbasis und ohne angemessene parlamentarische Kontrolle; verurteilt diese Praktiken und fordert daher von diesen Staaten ein unverzügliches Ende dieser Verstöße; fordert die vollständige Aufklärung über den Inhalt dieser Programme und über eine eventuelle diesbezügliche internationale Zusammenarbeit sowie die unverzügliche Überarbeitung dieser Programme; ist der Auffassung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten mit Nachdruck Initiativen gegen Staaten ergreifen müssen, die das Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre verletzen, indem sie die Kommunikation der Unionsbürger sowie der institutionellen, politischen und wirtschaftlichen Vertreter und Akteure Europas ausspionieren; ist besorgt darüber, dass die Nachrichtendienste der demokratischen Kontrolle durch die Parlamente und Gerichte entglitten sind und ohne politische Billigung geheime Programme und Operationen durchführen; fordert daher dringend eine Überprüfung der gerichtlichen und parlamentarischen Kontrollmechanismen für Geheimdienste, um diese stärker an die in Artikel 2 EUV verankerten Werte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu binden; verurteilt die geheime Einbeziehung von Privatunternehmen in die Massenüberwachung; betont, dass die EU deutlicher reagieren sollte und Maßnahmen auf internationaler Ebene verlangen sollte, um sicherzustellen, dass die europäischen Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre und zum Datenschutz durchgesetzt und eingehalten werden, und Technologien fördern sollte, die die Vertraulichkeit der Kommunikation in Europa sicherstellen;

28.  bedauert den Stillstand bei den Diskussionen über die Annahme der Entwürfe der Verordnung und der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten im Rat, obwohl das Parlament seine deutliche Unterstützung für strengere Vorschriften geäußert hat; bedauert die Entscheidung des Europäischen Rates in seiner Sitzung vom 24./25. Oktober 2013, den digitalen Binnenmarkt erst im Jahr 2015 vollenden zu wollen, da sich dadurch die Verabschiedung des Reformpakets für den Datenschutz verzögert; fordert den Rat auf, die Verhandlungen zur Datenschutzrichtlinie bzw. -verordnung voranzubringen, damit das Datenschutzpaket vor Ende dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann;

29.  ist der Ansicht, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ein System zum Schutz von Personen annehmen sollte, die schwere Verletzungen der Grundrechte durch Geheimdienste, die sich jeglicher demokratischer, parlamentarischer und rechtlicher Kontrolle entzogen haben, aufdecken;

30.  betont, dass die rasante Entwicklung der digitalen Welt (einschließlich der zunehmenden Nutzung von Internet, Anwendungen und sozialen Netzwerken) den wirksameren Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre erfordert, um deren Vertraulichkeit sicherzustellen;

31.  begrüßt die wachsende Zahl von Mitgliedstaaten, die die Achtung des Rechts auf Gründung einer Familie durch Heirat, Lebensgemeinschaft in Form einer zivilrechtlichen Partnerschaft oder eingetragene Partnerschaft und Adoption ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung sicherstellen, und fordert die anderen Mitgliedstaaten auf, vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen; begrüßt das kürzlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Vallianatos und andere gegen Griechenland, das bestätigt, dass gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit haben müssen, Lebensgemeinschaften einzugehen; fordert die Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, Gesetze und politische Maßnahmen zur Bekämpfung von Homophobie, Transphobie und Hasskriminalität vorzuschlagen und anzunehmen und begrüßt die Veröffentlichung der Stellungnahme 2/2013 der FRA zum Rahmenbeschluss über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Rechte der Opfer von Kriminalität; fordert die Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, die Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie ohne Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung sicherzustellen; bekräftigt seine Forderung an die Kommission, eine ehrgeizige Regelung zur gegenseitigen Anerkennung der Gültigkeit von Personenstandsurkunden zu erstellen;

32.  ist außerordentlich besorgt über die Zahl der Selbstmorde junger Menschen, die Opfer von Homophobie geworden sind; verweist auf die Ergebnisse der EU-weiten LGBT-Umfrage der FRA, wonach 26 % aller Befragten zuhause oder anderswo Opfer von Angriffen oder Gewaltandrohungen geworden seien, wobei sich diese Zahl bei den befragten Transgender-Personen auf 35 % erhöhe, und wonach sich 19 % aller Befragten trotz des im EU-Recht verankerten rechtlichen Schutzes am Arbeitsplatz oder bei der Arbeitssuche diskriminiert fühlten; fordert die Kommission daher auf, diese Ergebnisse als Grundlage zu nutzen, um – wie vom Parlament und von nichtstaatlichen Organisationen wiederholt gefordert – einen EU-Fahrplan zur Bekämpfung unterschiedlicher Behandlungen aus Gründen der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität aufzustellen und so eine umfassende europäische Antwort auf die Probleme bei den Grundrechten von LGBT-Personen zu geben;

33.  bedauert, dass die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit von Transgender-Personen in 14 Mitgliedstaaten noch immer mit einer Zwangssterilisierung einhergeht; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verfahren der Anerkennung so zu überarbeiten, dass das Recht von Transgender-Personen auf Würde und körperliche Unversehrtheit uneingeschränkt gewahrt bleibt; begrüßt die Verpflichtung der Kommission, im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation darauf hinzuarbeiten, dass Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen Störungen und Verhaltensstörungen gestrichen werden und in den Verhandlungen über die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) eine nicht pathologisierende Neueinstufung sichergestellt wird;

34.  bekräftigt erneut die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, eine frei gewählte Religion auszuüben oder die Religion zu wechseln; verurteilt jede Form von Diskriminierung und Intoleranz und vertritt die Auffassung, dass der Säkularismus, definiert als strenge Trennung zwischen politischen und religiösen Stellen, sowie die Unparteilichkeit des Staates die besten Mittel sind, um Nichtdiskriminierung und Gleichheit zwischen den Religionen sowie zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen sicherzustellen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu schützen, einschließlich die Freiheit derjenigen ohne Religion, als Folge überzogener Ausnahmen für Religionen von Gleichheits- und Nichtdiskriminierungsgesetzen nicht diskriminiert zu werden;

35.  erinnert daran, dass einzelstaatliche Gesetze, durch die Blasphemie unter Strafe gestellt wird, die freie Meinungsäußerung in Bezug auf religiöse oder andere Überzeugungen beschneiden und oftmals dazu dienen, Personen, die religiösen oder anderen Minderheiten angehören, zu verfolgen, zu misshandeln oder einzuschüchtern, und dass sie die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Religions- und Weltanschauungsfreiheit stark einschränken können; empfiehlt den Mitgliedstaaten, derartige Verstöße zu entkriminalisieren;

36.  bedauert, dass junge Menschen in einigen Mitgliedstaaten immer noch verfolgt und zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, weil das Recht auf Wehrdienstverweigerung noch nicht hinreichend anerkannt ist, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verfolgung und Diskriminierung von Wehrdienstverweigerern zu beenden;

37.  weist darauf hin, dass Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Medienfreiheit die Grundlagen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sind, und bekräftigt seine Forderung an die Kommission nach einer Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste gemäß den vom Parlament in seinem diesbezüglichen Bericht dargelegten Orientierungen; verurteilt aufs Schärfste die Ausübung von Gewalt, Druck oder Drohungen gegen Journalisten und Medien, auch im Zusammenhang mit der Bekanntgabe ihrer Quellen und von Informationen über die Verletzung der Grundrechte durch Regierungen und Staaten; fordert die Organe der Union und die Mitgliedstaaten auf, das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu achten, sicherzustellen, zu schützen und zu fördern, und es somit zu unterlassen, Mechanismen anzuwenden oder zu entwickeln, die diese Freiheiten einschränken;

38.  ist besorgt über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Eigentumsverhältnisse an Medienunternehmen in Europa und über die drohende Privatisierung öffentlich-rechtlicher Medien in einigen Mitgliedstaaten; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu schützen und ihre institutionellen Aufgaben, d. h. die Wahrung des Medienpluralismus und die Versorgung mit hochwertigen, inhaltlich vielfältigen, korrekten und zuverlässigen Informationen, wahrzunehmen; ist der Überzeugung, dass Medieneigentum und -management stets transparent und nicht konzentriert sein sollten; betont, dass transparente Eigentumsverhältnisse an Medienunternehmen eine wichtige Voraussetzung sind für die Überwachung von Investitionen im Bereich der Medien innerhalb der EU und von Investoren aus Drittländern, die auf die in den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen zunehmend Einfluss ausüben;

39.  betont, wie wichtig es ist, die Rechte von Flüchtlingen und Migranten zu achten und zu schützen, und betont, dass weiblichen und minderjährigen Migranten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte; ist besorgt über die zahlreichen Verletzungen des Rechts auf Asyl und der Verpflichtung zum Schutz aller Migranten bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung; unterstreicht die Verpflichtung, die internationalen Menschenrechtsübereinkommen, insbesondere die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und den Grundsatz der Nichtzurückweisung sowie die Verpflichtung zu achten, Menschen in Seenot, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um in die Europäische Union zu gelangen, Hilfe zu leisten, und für würdige Aufnahmebedingungen und ‑verfahren zu sorgen, die ihre Würde und Grundrechte wahren; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, sämtliche Rechtsvorschriften zu ändern oder zu überprüfen, nach denen Menschen, die Migranten auf See zu Hilfe kommen, bestraft werden; fordert die Kommission auf, die Richtlinie 2002/90/EG des Rates, in der die Sanktionen für die Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt festgelegt werden, zu überarbeiten, um klarzustellen, dass humanitäre Hilfe für Migranten, die sich auf See in Gefahr befinden, zu begrüßen ist und keine Handlung darstellt, die in irgendeiner Form sanktioniert werden sollte;

40.  begrüßt die Einführung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und fordert die Mitgliedstaaten auf, die für dessen wirksame Umsetzung nötigen Rechts- und Verwaltungsreformen durchzuführen, um dafür zu sorgen, dass das GEAS wie geplant umfassend umgesetzt wird, Schutzsuchenden den Zugang zu Asylverfahren erleichtert, zu gerechteren, schnelleren und qualitativ besseren Asylentscheidungen führt und sowohl Asylbewerbern als auch denjenigen, denen innerhalb der EU internationaler Schutz gewährt wurde, menschenwürdige und angemessene Bedingungen bietet; bedauert jedoch, dass Kinder noch immer in Haft genommen werden können, und fordert ihren systematischen Ausschluss aus den beschleunigten Verfahren; wiederholt seine Aufforderung an die Kommission, auf der Grundlage bewährter Verfahren strategische Leitlinien auszuarbeiten, um gemeinsame Mindeststandards für die Aufnahme und den Schutz unbegleiteter Minderjähriger festzulegen; betont, dass Verfahrensgarantien angemessen und geeignet sein müssen; fordert die Umsetzung des jüngsten Urteil des EuGH, wonach LGBT-Asylsuchende eine bestimmte soziale Gruppe bilden, die aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung verfolgt werden könne, und wonach die Androhung einer Freiheitsstrafe in einem Herkunftsland, das homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt, an sich eine Verfolgungshandlung darstellen könne;

41.  verurteilt die Tatsache, dass sehr viele Migranten, die versuchen, die Europäische Union zu erreichen, trotz der vielfältigen und zahlreichen technischen Mittel, die von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union im Bereich der Überwachung und Kontrolle der Außengrenzen der EU zur Verfügung gestellt wurden, auch weiterhin auf See sterben; fordert nachdrücklich, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten die Empfehlungen des am 24. April 2012 durch die Parlamentarische Versammlung des Europarates angenommenen Berichts „Verlust von Menschenleben im Mittelmeer – wer trägt die Verantwortung?“(30), umsetzen und begrüßt die Entscheidung des Gerichtshofs, durch die der Beschluss des Rates 2010/252/EU für nichtig erklärt wurde,;

42.  weist auf die Schutzbedürftigkeit von Personen hin, die die Seegrenzen im Süden Europas überqueren; fordert eine nachhaltige Lösung für das Gesamtproblem der Immigration im Mittelmeerraum, die dem Grundsatz der Nichtzurückweisung uneingeschränkt Rechnung trägt, und fordert die Mitgliedstaaten und EU-Organe auf, zumindest die jüngsten Gutachten der FRA darüber, wie sich die Grundrechte von Migranten im Kontext der Meeresüberwachung am besten schützen lassen, zu berücksichtigen;

43.  begrüßt das von der FRA gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erstellte Handbuch zu den europarechtlichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration, und sieht darin einen konkreten Leitfaden, der Angehörigen der Rechtsberufe in Europa dabei helfen wird, die Grund- und Menschenrechte zu schützen;

44.  fordert die EU-Mitgliedstaaten und den Rat auf, das Arbeitstempo innerhalb der Task Force für den Mittelmeerraum zu erhöhen, um eine signifikante Ausweitung der Kapazitäten für die Seenotrettung sicherzustellen und einen umfassenden Plan für den Bereich Migration und Asyl zu erarbeiten, der auf Solidarität und geteilter Verantwortung beruht und alle relevanten Aspekte abdeckt, so etwa die Überarbeitung von Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten, wonach humanitäre Hilfe für Personen in Seenot strafbar ist, die Schaffung von Möglichkeiten für Flüchtlinge und Migranten, sicher und legal nach Europa zu kommen sowie die Themen Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit mit Drittländern zwecks Stärkung von Demokratie, Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit, um dafür Sorge zu tragen, dass Tragödien wie die von Lampedusa in Zukunft nicht mehr passieren;

45.  verurteilt die zunehmenden Verletzungen der Grundrechte von Migranten – insbesondere derjenigen, die nach Drittstaaten ausgewiesen werden –, die im Sonderbericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für die Menschenrechte von Migranten vom 24. April 2013(31) sowie im Bericht der FRA(32) dargestellt werden; betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, die Rückführungsrichtlinie, die Rückübernahmeabkommen und die Tätigkeit von Frontex hinsichtlich der Wahrung der Grundrechte ernsthaft zu bewerten; fordert die Kommission auf, ihrem 2011 veröffentlichten kritischen Bericht über die Rücknahmeabkommen und ‑maßnahmen der EU mit Drittländern konkrete Maßnahmen folgen zu lassen; verurteilt die restriktive Politik der Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Visa an Angehörige bestimmter Drittstaaten;

46.  fordert die Mitgliedstaaten auf, politische Maßnahmen, durch die zur rechtmäßigen Migration ermutigt wird, zu verabschieden, und die internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu ratifizieren;

Gleichheit

47.  betont, dass die Grundsätze der Menschenwürde und der Gleichheit vor dem Gesetz sowie das Verbot jeglicher Form der Diskriminierung zu den Grundlagen demokratischer Gesellschaften gehören; ist der Ansicht, dass die Union und die Mitgliedstaaten ihre Maßnahmen im Bereich der Gleichheit und der Bekämpfung von Diskriminierung, des Schutzes der kulturellen, religiösen und sprachlichen Vielfalt, der Gleichstellung von Männern und Frauen, der Rechte des Kindes, der Rechte älterer Menschen, der Rechte behinderter Menschen, der Rechte von LGBT-Personen und der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten verstärken sollten;

48.  fordert die Mitgliedstaaten auf, einen nationalen Rechtsrahmen anzunehmen, um gegen jegliche Form der Diskriminierung vorzugehen und die wirksame Umsetzung des geltenden EU-Rechtsrahmens zu gewährleisten, einschließlich der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren; bedauert den Stillstand der Verhandlungen im Rat über den Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung und fordert erneut den Rat auf, den Vorschlag anzunehmen; begrüßt die Bereitschaft des litauischen Ratsvorsitzes, den Vorschlag zu unterstützen, und ruft die anderen Mitgliedstaaten auf, diesem Beispiel zu folgen; begrüßt in diesem Zusammenhang die Stellungnahme 1/2013 der FRA zur Lage der Gleichstellung in der Europäischen Union 10 Jahre nach dem Beginn der Umsetzung der Richtlinien zur Gleichstellung („FRA Opinion on the situation of equality in the European Union 10 years on from initial implementation of the equality directives“); vertritt die Auffassung, dass Diskriminierung aufgrund der Sprache ebenfalls bekämpft werden muss;

49.  verweist auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2011 zu der Mobilität und Integration von Menschen mit Behinderungen und der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020(33), in der zur uneingeschränkten Achtung der Grundrechtecharta der Europäischen Union aufgerufen wird;

50.  äußert sich besorgt darüber, dass Menschen mit Behinderungen noch immer diskriminiert und ausgegrenzt werden, wodurch sie in ihrer Fähigkeit behindert werden, ihre Grundrechte gleichberechtigt mit anderen wahrzunehmen; fordert die EU-Organe und Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen weiter umzusetzen; stellt fest, dass die Weiterentwicklung der Rechtsvorschriften und Maßnahmen der EU im Bereich der Nichtdiskriminierung zum Prozess der Angleichung der Gesetzgebung innerhalb der EU an das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beitragen könnte, z. B. was die Gleichheit vor dem Gesetz anbelangt; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit angemessenen Mitteln ausgestattete Strategien zu entwickeln, um Menschen mit Behinderung besser zu integrieren und ihren Zugang zu Wohnen, Bildung, öffentlichem Verkehr und öffentlichen Einrichtungen und ihre Teilhabe am politischen Prozess zu erleichtern, insbesondere durch die Beseitigung rechtlicher und praktischer Diskriminierung und Beschränkungen ihres aktiven und passiven Wahlrechts; bedauert, dass manche behinderte Menschen gezwungen sind, mangels verfügbarer Alternativen in den Gemeinden in spezialisierten Einrichtungen zu leben, und fordert die Mitgliedstaaten auf, sich dafür einzusetzen, dass behinderte Menschen einen breiteren Zugang zu einer selbstständigen Lebensführung erhalten;

51.  fordert die Kommission auf, eine umfassende Überprüfung der EU-Rechtsvorschriften und ‑Maßnahmen vorzunehmen, um deren Übereinstimmung mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu beurteilen; ist der Überzeugung, dass die Rechtsetzungsverfahren und die Politik der EU angepasst werden müssen, um die Achtung und Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen; fordert die Kommission auf, zu diesem Zweck konkrete Leitlinien für Folgenabschätzungen anzunehmen und dem Parlament den Entwurf des EU-Fortschrittsberichts über die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der EU zu übermitteln; ist der Auffassung, dass das Parlament regelmäßig Debatten über den erreichten Fortschritt bei der Wahrnehmung der im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verankerten Rechte durch Menschen mit Behinderung – auch unter Berücksichtigung des Berichts der Kommission – abhalten und dazu mittels einer Entschließung Empfehlungen formulieren sollte; unterstützt die laufenden Initiativen zur Einsetzung einer ausschussübergreifenden Task Force im Parlament für die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, damit die Maßnahmen des Parlaments zur Überwachung und Unterstützung der Umsetzung des Übereinkommens umfassend und kohärent sind;

52.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Rechte von Kindern bei allen internen und externen Maßnahmen, die Kinder betreffen, zu schützen, zu fördern und sicherzustellen; erklärt sich besorgt über Kinder, die Gewalt und sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie vollständig umzusetzen; fordert die Mitgliedstaaten, die Kommission und die FRA auf, ihre Anstrengungen um eine Einschätzung des Umgangs mit Kindern in Gerichtsverfahren fortzusetzen; ist der Ansicht, dass im Falle der Trennung oder Scheidung der Eltern die Wahrung des Kindeswohls stets berücksichtigt werden sollten und dass jedes Kind die Möglichkeit haben sollte, regelmäßige Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen zu unterhalten;

53.  ist besorgt über die Situation der Roma in der Europäischen Union und die zahlreichen Fälle von Verfolgung, Gewalt, Stigmatisierung, Diskriminierung, Vertreibung, Zwangsumsiedelung, unrechtmäßiger Zwangsräumungen, unrechtmäßiger Registrierung, die Anwendung des ethnischen Profiling auf Roma durch Strafverfolgungsbehörden, die gegen die Grundrechte und gegen das Recht der Europäischen Union verstoßen; bekräftigt seine Position in seiner Entschließung vom 12. Dezember 2013 zu den Fortschritten bei der Umsetzung der nationalen Strategien zur Integration der Roma(34) und fordert einmal mehr die wirksame Umsetzung der Strategien zur Förderung wirklicher Inklusion sowie verstärkte und zielführende Maßnahmen zur Förderung der Integration, insbesondere im Bereich der Grundrechte, der Bildung, Beschäftigung, Wohnungen und Gesundheitsdienste, und fordert die Beendigung der illegalen Ausweisungen sowie zur Bekämpfung von Gewalt, der Hassrede und der Diskriminierung der Roma; fordert die Beendigung unrechtmäßiger Zwangsräumungen und der Räumung von Roma-Siedlungen, ohne alternativen Wohnraum anzubieten, der getrennten Unterrichtung von Roma-Kindern in den Schulen und der rechtswidrigen Einweisung dieser Kinder in Sonderschulen; fordert diesbezüglich, dass die Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden mehr auf die europäischen Mittel zurückgreifen, die ihnen für die Umsetzung von Integrationsprojekten zur Verfügung stehen, und zwar vor allem für die tägliche Betreuung der Menschen, die neu in ihrem Hoheitsgebiet eintreffen;

54.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, durch die Entwicklung integrierter Maßnahmen und die Umsetzung der in den Strategien zu Antidiskriminierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Steigerung ihrer Beschäftigungsfähigkeit und ihres Zugangs zum Arbeitsmarkt in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Roma-Bevölkerung eine wirksame Antwort auf die Ausgrenzung der Roma zu liefern und gleichzeitig ihre vollständige Beteiligung an der Verwaltung, Überwachung und Bewertung der ihre Bevölkerungsgruppe betreffenden Projekte sicherzustellen und zu diesem Zweck ausreichende Haushaltsressourcen bereitzustellen und die Effizienz dieser Ausgaben sicherzustellen; fordert die Kommission und die FRA ferner auf, gemeinsame, vergleichbare und zuverlässige Indikatoren für die Überwachung des Fortschritts in den Mitgliedstaaten vorzulegen;

55.  ist der Ansicht, dass die Kommission im Falle von Verstößen gegen die Grundrechte der Roma in den Mitgliedstaaten entschlossene Maßnahmen ergreifen sollte, insbesondere durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlender Möglichkeiten des Zugangs und der Ausübung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Rechte, des Rechts auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt, des Rechts auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung, des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten; fordert die Kommission auf, einen Überwachungsmechanismus für Hasskriminalität gegen Roma einzurichten und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Mangel an Geburtseintragungen und ‑urkunden von in der EU ansässigen Roma zu beheben; bekräftigt seine Forderung nach einem zielgerichteten Konzept für die soziale Integration der Roma-Frauen, um Mehrfachdiskriminierung zu vermeiden; fordert die Überführung des EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma in eine vollwertige europäische Strategie;

56.  betont, dass es wesentlich ist, die Grundrechte und ‑freiheiten von Menschen, die nationalen oder ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten angehören, zu achten; ist besorgt über die Hindernisse, auf die die Mitglieder dieser Minderheiten im täglichen Leben in den Bereichen Rechtsprechung, Gesundheits- und Sozialbetreuung, Bildung und Kultur stoßen, infolge derer ihre Rechte und Würde als Mensch und Unionsbürger verletzt werden und die zu Situationen führen, in denen die staatlichen Stellen ihrer eigenen Mitgliedstaaten sie als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln; ist der Ansicht, dass diese Minderheiten besondere Bedürfnisse haben, die sich von denen anderer Minderheiten unterscheiden, dass die politischen Maßnahmen gezielter sein sollten und dass die Union selbst diesen Bedürfnissen auf angemessenere Art und Weise entsprechen muss;

57.  ist der Ansicht, dass es zwar keine einheitliche Lösung für die Verbesserung der Lage dieser Minderheiten in allen Mitgliedstaaten gibt, jedoch unter Berücksichtigung der einschlägigen internationalen rechtlichen Standards und der bestehenden bewährten Verfahren einige gemeinsame Ziele und Mindestziele für die öffentlichen Behörden in der EU entwickelt werden sollten; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihre Rechtssysteme die Nichtdiskriminierung von Angehörigen anerkannter nationaler Minderheiten sicherstellen, und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die tatsächliche Gleichstellung auf Grundlage der einschlägigen internationalen Normen und bewährten Verfahrensweisen, unter anderem des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, zu fördern; fordert die Kommission auf, einen politischen Standard für den Schutz nationaler Minderheiten, einschließlich der einheimischen, traditionellen ethnischen und sprachlichen Minderheitengemeinschaften auszuarbeiten, im Hinblick darauf, dass ihre Zahl mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung der Union ausmacht und um zu vermeiden, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, das zwischen Kandidatenländern und Mitgliedstaaten unterscheidet; betont die Notwendigkeit eines umfassenden EU-Systems zum Schutz von traditionellen nationalen Minderheiten, regionalen Sprachengruppen und verfassungsmäßigen Regionen in Verbindung mit einem funktionierenden Überwachungsmechanismus nach dem Beispiel des EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma; fordert die Mitgliedstaaten auf, umfangreiche Daten zu Verstößen gegen die Grundrechte der Minderheiten, bereitzustellen, um FRA und EU zu ermöglichen, Datenerhebung und Berichterstattung sicherzustellen;

58.  weist darauf hin, dass positive Maßnahmen, die zum Schutz von Minderheiten angehörenden Personen und Gruppen umgesetzt werden und ihre angemessene Entwicklung fördern und sicherstellen, dass ihnen gleiche Rechte und Behandlung in der Verwaltung, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur und in anderen Bereichen wie der übrigen Bevölkerung gewährt werden, nicht als Diskriminierung betrachtet werden sollten;

59.  verurteilt rassistische, antisemitische, homophobe/transphobe und fremdenfeindliche Gewalt und Gewalt gegen Migranten, religiöse Minderheiten und ethnische Gruppen, die insbesondere im Internet ein alarmierendes Ausmaß erreicht hat, da entschlossene Maßnahmen seitens staatlicher Stellen zur Bekämpfung dieser Arten von Gewalt fehlen; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Rahmenbeschluss 2008/913/JHA des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit umzusetzen, Diskriminierung zu bekämpfen, dafür zu sorgen, dass Hassreden und -verbrechen verfolgt werden, strafrechtliche Bestimmungen zu erlassen, mit denen Hassaufrufe aus jeglichen Gründen, einschließlich der sexuellen Ausrichtung, verboten werden, und dafür zu sorgen, dass wirksamer Schutz gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie gewährleistet, und Opfern ordnungsgemäße Unterstützung angeboten wird; fordert die Kommission auf, Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedstaaten einzuleiten, die den Rahmenbeschluss ab dem 1. Dezember 2014 nicht korrekt umsetzen; fordert die Überarbeitung des Rahmenbeschlusses, damit auch Hassreden und Akte von Antisemitismus, Islamophobie und religiöser Intoleranz, Antiziganismus, Homophobie und Transphobie eingeschlossen werden und seine Anwendung gestärkt wird; unterstützt uneingeschränkt die im Rahmen der irischen Ratspräsidentschaft eingeleitete Initiative zur Stärkung der Bekämpfung von Intoleranz und fordert den Rat auf, diese konstruktive Arbeit fortzusetzen;

60.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, systematisch koordinierte und umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung und Vermeidung von Hasskriminalität in der EU einzuführen und Hasskriminalität durch Daten Sichtbarkeit zu verleihen, deren Vergleichbarkeit sichergestellt werden sollte, damit ein Überblick über die Situation auf EU-Ebene ermöglicht wird, indem mit der FRA zur Verbesserung der Datenerhebung in Bezug auf Hasskriminalität und der Harmonisierung der Daten zusammengearbeitet wird; verurteilt Hassreden, mit denen Personengruppen aufgrund ihrer sozialen, kulturellen, religiösen oder ausländischen Herkunft stigmatisiert werden, und Hassreden, mit denen zu rassistischem Hass aufgestachelt wird, insbesondere wenn diese von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stammen; verweist auf die Stellungnahme 2/2013 der FRA zum Rahmenbeschluss über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und betont, dass die Rechte von Opfern von Straftaten und insbesondere von Hasskriminalität sichergestellt werden müssen;

61.  fordert die Mitgliedstaaten in Anerkennung der Tatsache, dass Bildung grundlegend für die Bekämpfung von Diskriminierung ist, auf, dafür zu sorgen, dass ihre Integrationsstrategien zum Ziel haben, die nationalen Lehrpläne zu reformieren und darin Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antiziganismus aufzunehmen, damit bereits im jungem Alter durch den öffentlichen Diskurs vermittelt wird, dass dies Formen der Diskriminierung sind;

62.  fordert die EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf,

   die Gleichstellung von Männern und Frauen sicherzustellen und jede Form von Gewalt gegen Frauen als Verletzung der Grundrechte zu verhindern, zu bekämpfen und zu verfolgen, wobei die Unterstützung und der Schutz der Opfer sichergestellt werden muss;
   das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Übereinkommen) zu unterzeichnen und zu ratifizieren und ein System zur Datenerhebung einzurichten, um die Parteien des Übereinkommens durch exakte und vergleichbare Daten über den Umfang, die Formen und die Folgen von Gewalt gegen Frauen zu unterstützen;
   ihre Bemühungen zu verstärken, um die Ziele des Europäischen Pakts für die Gleichstellung der Geschlechter (2011-2020) zu erreichen, und geeignete Maßnahmen für die Bekämpfung aller Formen der direkten und indirekten Diskriminierung gegen Frauen, insbesondere zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, der geschlechtsspezifischen Segregation der Arbeitsmärkte, Stereotypisierung und aller Formen von Gewalt gegen Frauen zu ergreifen, da Frauen trotz bestehender Antidiskriminierungsgesetze in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens auch weiterhin Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sind;
   die Bildung über die Gleichstellung der Geschlechter, Gender Mainstreaming und ausreichende Überwachungsmechanismen für die Umsetzung der EU-Geschlechterpolitik zu fördern;
   verstärkt gegen Menschenhandel vorzugehen, um sexuelle Ausbeutung, die vor allem Frauen betrifft, und Zwangsarbeit zu beseitigen;
   die ordnungsgemäße Umsetzung bestehender Gleichstellungsrichtlinien sicherzustellen, auch durch das Einleiten von Vertragsverletzungsverfahren;
   eine europäische Strategie zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen vorzuschlagen, mit der sie ihr früheres Engagement in diesem Bereich fortsetzen und den mehrfachen Forderungen des Europäischen Parlaments entsprechen würde; begrüßt in diesem Zusammenhang die Nulltoleranz der Kommission gegenüber Gewalt gegen Frauen; fordert jedoch verstärkte Maßnahmen, einschließlich einer entsprechenden EU-weiten Strategie für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen, wie dies in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom März 2010 angekündigt wurde und die rechtsverbindliche Maßnahmen und Sensibilisierungsmaßnahmen umfasst;
   das Thema Gewalt gegen Frauen – einschließlich Gewalt in engen Beziehungen, sexueller Gewalt (Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung), sexueller Ausbeutung und schädlichen traditionellen Praktiken wie beispielsweise Zwangsehen, Verbrechen „im Namen der Ehre“ – weiterhin Priorität einzuräumen, da geschlechtsbezogene Gewalt sowohl eine Folge der Ungleichheit von Frauen und Männern als auch ein Hindernis für die Gleichheit ist und daher nicht toleriert werden darf;
   die Nulltoleranzpolitik auch auf die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen anzuwenden;
   Maßnahmen zu ergreifen und Projekte für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben für alle Frauengenerationen ins Leben zu rufen, wobei der Beschluss begrüßt wird, das Jahr 2014 zum Europäischen Jahr der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben zu erklären;

63.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften und der Analyse der Lage der Grundrechte in der EU – auch durch die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und nichtstaatlichen Frauenorganisationen – die Bedürfnisse und Anliegen der Frauen zu berücksichtigen; betont, wie wichtig es ist, die Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Geschlechter in der EU zu überwachen und zu bewerten;

64.  fordert die Mitgliedstaaten auf, menschenwürdige Löhne und Renten zu garantieren, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern, mehr hochwertige Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, und Frauen die Möglichkeit zu geben, hochwertige öffentliche Dienste in Anspruch zu nehmen und die Sozialleistungen zu verbessern;

65.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ursachen der Gewalt gegenüber Frauen zu ergreifen, nämlich Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne und Renten, Wohnraummangel, Armut und fehlende bzw. mangelhafte öffentliche Dienste, vor allem öffentliche Dienste im Bereich der Gesundheit, der Bildung und der sozialen Sicherheit;

66.  fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Bekämpfung von Verletzungen der Menschenrechte junger Mädchen zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf das Gewerbe, in dem junge Mädchen als Sexualobjekte wahrgenommen werden, was zu einem Anstieg des Handels mit jungen Mädchen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in der EU führt;

67.  fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die nationalen Strategien hinsichtlich der Achtung und des Schutzes der Rechte von Frauen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit umgesetzt werden; hebt die Rolle der Union bei der Sensibilisierung für die entsprechenden bewährten Verfahren und deren Förderung hervor, da Gesundheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, das zur Wahrnehmung anderer Menschenrecht unabdingbar ist;

68.  fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen über mehrfache und sich überschneidende Diskriminierung vorzulegen;

69.  ist der Auffassung, dass die Unterrepräsentation von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen ein Defizit darstellt; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, positive Diskriminierungsmaßnahmen einzuführen, wie beispielsweise gesetzlich festgelegte Paritätssysteme und geschlechtsspezifische Quoten;

70.  betont, dass bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles nur äußerst langsam Fortschritte erzielt werden; weist darauf hin, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit für die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter von entscheidender Bedeutung ist; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Richtlinie 2006/54/EG unverzüglich zu überprüfen und gemäß Artikel 32 der Richtlinie sowie auf der Grundlage von Artikel 157 AEUV unter Beachtung der im Anhang der Entschließung des Parlaments vom 24. Mai 2012 enthaltenen ausführlichen Empfehlungen Änderungen vorzuschlagen;

71.  betont, dass Kürzungen von öffentlichen Dienstleistungen im Bereich der Kinderbetreuung direkte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen haben; weist darauf hin, dass im Jahr 2010 28,3 % (gegenüber 27,9 % im Jahr 2009) der Nichterwerbstätigkeit und Teilzeitarbeit von Frauen mit dem Mangel an Betreuungsmöglichkeiten begründet wurden; weist auch darauf hin, dass die Beschäftigungsquote von Frauen mit kleinen Kindern in der EU im Jahr 2010 12,7 % niedriger als die Beschäftigungsquote von Frauen ohne Kinder war, so dass sie im Vergleich zum Jahr 2008 (11,5 %) zugenommen hat;

72.  verurteilt, dass die Grundrechte älterer Frauen in einigen Mitgliedstaaten zu häufig verletzt werden, etwa in Form von Gewalttaten, körperlichem und seelischem Missbrauch sowie finanzieller Ausbeutung; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um ältere Frauen von jeglicher Form des Missbrauchs, einschließlich Misshandlungen in Altenheimen, zu schützen;

73.  vertritt die Auffassung, dass Frauen mit Behinderungen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung unter einer doppelten Diskriminierung leiden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, Maßnahmen zur Gewährleistung und zum Schutz der Grundrechte von Frauen mit Behinderungen in der EU zu ergreifen.

74.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich entschlossener dafür einzusetzen, dass die von den Medien insbesondere in der Werbung vermittelten sexistischen Stereotypen unterbunden werden, zumal die Medien eine entscheidende Rolle dabei spielen können, die kollektive Vorstellung der Rollen von Mann und Frau zu verändern;

75.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Bewusstsein und das Wissen der Bürger in Bezug auf ihre in der Charta verankerten Rechte zu stärken, und die partizipative Demokratie durch einen kontinuierlichen Dialog mit der Zivilgesellschaft, relevanten nichtstaatlichen Organisationen und Frauenorganisationen zu fördern; fordert insbesondere die Frauenorganisationen auf, ihre außerordentliche wertvolle Erfahrung in Bezug auf die fortbestehenden Stereotype und Diskriminierung zu teilen, da Frauen stets die schutzbedürftigsten Opfer waren;

76.  fordert eine stärkere Beteiligung der EU-Organe und einen verbesserten Dialog zwischen den verschiedenen Interessenträgern über die Herausforderungen älterer Menschen bei der vollständigen Ausübung ihrer Menschenrechte;

Solidarität

77.  betont, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise und die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen die ärmsten und bedürftigsten Schichten der Gesellschaft ganz erheblich und häufig in dramatischer Weise getroffen haben, wie dies in dem Themenpapier des Menschenrechtskommissars des Europarates mit dem Titel „Grundrechte in Krisenzeiten wahren“ aufgezeigt wird, in dem auf soziale Gruppen verwiesen wird, denen eine soziale Marginalisierung droht, etwa Asylsuchende, Roma, Frauen und Kinder; weist darauf hin, dass 2012 ein Viertel der Bevölkerung in der EU mit 28 Mitgliedstaaten von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren; fordert besondere Aufmerksamkeit, geeignete sowie entschlossenere und wirksamere Maßnahmen zur Beseitigung dieser Situation und zur Bekämpfung von ungleicher Behandlung und Armut; verurteilt die Äußerungen von Politikern und Politikerinnen, die darauf abzielen, diese Bevölkerungsgruppen zu Sündenböcken zu machen; ist besorgt, dass wirtschaftliche und soziale Krisen die Grundrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die demokratischen Werte in der Geschichte sowohl auf nationaler als auch auf supranationaler Ebene belastet haben;

78.  betont, dass soziale Rechte Grundrechte sind, wie dies in den Verträgen, der EMRK, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Sozialcharta anerkannt wird; betont, dass diese Rechte sowohl im Recht als auch in der Praxis geschützt werden müssen, um soziale Gerechtigkeit zu sichern, insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Krise und Sparmaßnahmen; betont die Wichtigkeit des Rechts auf Menschenwürde, der Berufsfreiheit und des Rechts zu arbeiten, des Rechts auf Nichtdiskriminierung, einschließlich aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Schutzes bei ungerechtfertigter Entlassung, des Rechts auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, des Rechts auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung, des Rechts auf Gesundheitsschutz, des Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit, des Rechts auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung durch die Bereitstellung eines effektiven Zugangs zu Beschäftigung, angemessenem Wohnen, Ausbildung, Bildung, Kultur sowie sozialer und medizinischer Unterstützung, und in Bezug auf Bezahlung und Sozialleistungen durch die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebensstandards für Arbeitnehmer und ihre Familienmitglieder sowie anderer Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen, der Autonomie der Sozialpartner sowie der Freiheit der Erwerbstätigen, nationalen und internationalen Vereinigungen zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen beizutreten sowie des Rechts zu Kollektivverhandlungen;

79.  betont, dass Arbeitslosigkeit oder Leben in Armut oder sozialer Marginalisierung erhebliche oder sogar verhängnisvolle Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Rechte und Freiheiten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hat, wobei die folgenden Grundrechte und Grundfreiheiten am stärksten gefährdet sind: Würde des Menschen (Artikel 1), Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten (Artikel 15), Recht auf Nichtdiskriminierung (Artikel 21), Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung (Artikel 30), Recht auf soziale Sicherheit und soziale Unterstützung (Artikel 34), Recht auf Gesundheitsschutz (Artikel 35), Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit (Artikel 45); weist ferner darauf hin, dass Arbeitslosigkeit oder Leben in Armut oder sozialer Marginalisierung auch Auswirkungen auf den Zugang zu Diensten der Grundversorgung, zu Sozialdiensten, Finanzdiensten usw. hat;

80.  erinnert daran, dass Systeme, in denen die soziale Gerechtigkeit als wichtiger, durch solide Rechtsvorschriften umgesetzter Grundsatz anerkannt wird, den besten Schutz gegen die sozialen Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise bieten;

81.  empfiehlt, dass alle Mitgliedstaaten ihre verbleibenden Vorbehalte gegenüber der Europäischen Sozialcharta so rasch wie möglich aufheben; ist der Ansicht, dass das Parlament einen ständigen Dialog über die diesbezüglichen Fortschritte anregen sollte; ist der Ansicht, dass der in Artikel 151 AEUV enthaltene Verweis auf die Europäische Sozialcharta wirksamer angewandt werden sollte, beispielsweise durch Aufnahme einer Prüfung der sozialrechtlichen Aspekte in die Folgenabschätzungen der Kommission und des Parlaments;

82.  fordert entschlossenere Maßnahmen, um obdachlosen Menschen zu helfen und ihnen Obdach und Unterstützung zu bieten; verurteilt – insbesondere in Zeiten, in denen durch die noch immer andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise immer mehr schutzbedürftige Menschen auf die Straße gedrängt werden – Gesetze und Maßnahmen auf nationaler oder lokaler Ebene, die Menschen kriminalisieren, die bedürftiger sind, da dies eine eklatante und unmenschliche Verletzung der Grundrechte darstellt;

83.  betont, dass die Kompatibilität der Maßnahmen zur Behebung der Krise mit den Werten und Zielen der Union und insbesondere die Rechtsstaatlichkeit der Maßnahmen der Union in den am schwersten von den Auswirkung der Krise getroffenen Ländern im Euro-Raum sichergestellt werden müssen;

84.  bekräftigt nachdrücklich seine an den Rat gerichtete Forderung, das Thema „Tatsächlicher Zugang der am stärksten von Armut betroffenen Personen zu sämtlichen Grundrechten“ in die Themenbereiche des nächsten mehrjährigen Rahmens der FRA aufzunehmen;

85.  bedauert, dass in einigen Mitgliedstaaten noch immer Übergangsregeln für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern gelten; betont, dass Befürchtungen bezüglich negativer Auswirkungen der Arbeitsmigration unbegründet sind; unterstreicht, dass Schätzungen eine langfristige Zunahme des BIP der EU-15-Länder um nahezu 1 % infolge der Mobilität nach der Erweiterung zeigen (2004-2009)(35);

86.  stellt fest, dass die in der letzten Zeit geführten Debatten, in denen Freizügigkeit als Einwanderung in Sozialversicherungssysteme bezeichnet wird, nicht auf Fakten beruhen(36); hebt hervor, dass Diskriminierung die europäischen Bürger in erheblichem Maße daran hindert, Grundrechte wahrzunehmen; betont, dass gemäß Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Unionsbürger mit ständigem Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit haben;

87.  hält es für dringend geboten, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten ihre Arbeit in Bezug auf die Weiterentwicklung und Sicherstellung von Arbeits- und grundlegenden Sozialrechten ausbauen, als wichtigen Schritt, um sicherzustellen, dass in der Europäischen Union Gleichbehandlung, menschenwürdige Arbeitsplätze und lebensunterhaltssichernde Gehälter erreicht werden;

88.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf anzuerkennen, dass das Recht der Arbeitnehmer auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, wie es in Artikel 3 der Europäischen Sozialcharta verankert ist, unabdingbar ist, um Arbeitnehmern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und die Wahrung ihrer Grundrechte zu gewährleisten;

89.  unterstreicht die Bedeutung der Rolle der Sozialpartner in Tarifverhandlungen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte und die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern durchgesetzt werden, insbesondere, was Jugendliche, Frauen, Menschen mit Behinderungen und andere sozial benachteiligte Gruppen auf dem Arbeitsmarkt betrifft;

Unionsbürgerschaft

90.  betont, dass das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und der Charta der Grundrechte sowie die steigenden Erwartungen der Bürger und der Zivilgesellschaft – wie das Scheitern von ACTA und der Überwachungsskandal gezeigt haben – eine Stärkung und Erhöhung der demokratischen und institutionellen Transparenz und Offenheit in der EU, insbesondere in ihren Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen, und in ihren Mitgliedstaaten erforderlich machen; vertritt die Auffassung, dass Transparenz und Offenheit wichtige Grundsätze sind, die weiter gestärkt und gefördert werden müssen, um eine gute Regierungsführung und die vollständige Beteiligung der Zivilgesellschaft am Entscheidungsprozess in der EU sicherzustellen;

91.  bedauert die interinstitutionelle Blockade der Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über das Recht auf Zugang zu Dokumenten und Informationen; fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Arbeit an der Überarbeitung dieser Verordnung auf der Grundlage der Vorschläge des Parlaments wieder aufzunehmen, um mehr Transparenz im Entscheidungsprozess der EU und einen besseren Zugang zu Dokumenten der EU für die Unionsbürger sicherzustellen; fordert alle Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auf, die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001, wie im Vertrag von Lissabon gefordert, vollständig umzusetzen, und stellt fest, dass dies angesichts der Rechtsprechung des EuGH und der Beschwerden an den Bürgerbeauftragten nicht der Fall ist; fordert zugleich den Rat und die Kommission auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Verwendung der Geldströme des EU-Haushalts in die Mitgliedstaaten transparent für die breite Öffentlichkeit wird;

92.  betont, dass mit dem Recht auf eine gute Verwaltung auch die Pflicht der Behörden einhergeht, die Bürgerinnen und Bürger über ihre Grundrechte zu informieren und den hilfsbedürftigsten Menschen ihre Rechte zu erklären und sie dabei zu unterstützen, dass diese Rechte gewahrt werden;

93.  weist darauf hin, dass die Bürgerschaft gemäß Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Recht der Bürger umfasst, in dem Land, in dem sie ihren ständigen Wohnsitz haben, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken; weist darauf hin, dass die Unionsbürgerschaft nicht auf das aktive und passive Wahlrecht bei den Kommunal- und Europawahlen oder auf die Ausübung der Rechte auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt, so wichtig diese auch sind, beschränkt ist; betont daher, dass die Unionsbürgerschaft die Fähigkeit jedes Einwohners im Hoheitsgebiet der Union umfasst, aktiv und ohne jedwede Diskriminierung am demokratischen, politischen, sozialen und kulturellen Leben des Mitgliedstaats teilzunehmen, in dem er seinen ständigen Wohnsitz hat, und sämtliche von der Europäischen Union anerkannten Rechte und politischen, zivilen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Grundfreiheiten auszuüben;

94.  verweist auf die Notwendigkeit, Sensibilisierungs- und Informationskampagnen zu organisieren, um bei den Bürgern die Werte und Ziele der Union zu fördern, und fordert insbesondere die größtmögliche Verbreitung des Texts der einschlägigen Artikel des EUV und der Charta der Grundrechte;

95.  begrüßt den Beschluss, das Jahr 2013 zum Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger zu erklären; fordert die Kommission jedoch auf, zusammen mit den Mitgliedstaaten, die EU-Bürger weiterhin über ihre Rechte zu informieren, damit sie ihre Unionsbürgerschaft vollständig wahrnehmen können;

96.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Informationskampagnen zur Unterrichtung der EU-Bürger über ihr aktives und passives Wahlrecht durchzuführen; fordert, dass in allen Mitgliedstaaten die erforderlichen Reformen der Verfahren für die Wahl zum Europäischen Parlament durchgeführt werden, damit eine aktive Unionsbürgerschaft gefördert wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, die aktive Teilhabe der Bürger durch Bürgerinitiativen und die Ausübung ihres Petitionsrechts sowie durch die Ausübung ihres Rechts, sich mit einer Beschwerde an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, zu fördern;

97.  erinnert an die Bedeutung des Europäischen Bürgerbeauftragten für die Rechte des Einzelnen; unterstreicht, wie wichtig die Unabhängigkeit des Bürgerbeauftragten für die Sicherstellung der Glaubwürdigkeit seiner Arbeit ist und fordert daher, dass das Statut des Bürgerbeauftragten geändert wird, um formell auszuschließen, dass ehemalige oder amtierende Mitglieder des Gremiums, das den Bürgerbeauftragten ernennt, für das Amt kandidieren können;

98.  betont, dass das in den Verträgen festgelegte und durch die Richtlinie über die Freizügigkeit garantierte Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen sowie die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, zu den Grundrechten der europäischen Bürger gehören und einen wichtigen wirtschaftlichen Vorteil für die Aufnahmeländer darstellt, was dazu beiträgt, das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage von Qualifikationen und Stellen zu bekämpfen und das demographische Defizit in der EU auszugleichen; betont, dass die Richtlinie bereits Ausnahmen und Beschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit vorsieht; verurteilt jeden Versuch, diese Errungenschaft infrage zu stellen, und fordert, dass jeder Regelverstoß vor den Gerichtshof der Europäischen Union gebracht wird;

Gerichtswesen

99.  betont, dass eine unabhängige, gerechte, wirksame, unparteiische, faire und in angemessenen Fristen arbeitende Rechtspflege unabdingbar für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit und ihre Glaubwürdigkeit ist; ist beunruhigt über die vielfachen Verstöße in diesem Zusammenhang, was durch die Zahl der Verurteilungen von Staaten durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte belegt wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Entscheidung des Gerichtshofs vollständig umzusetzen; betont, dass Straffreiheit aufgrund einer Machtposition, einer Position der Stärke oder einer Position, die Einfluss auf Personen, Justizbehörden oder die Politik ermöglicht, in der EU keinesfalls geduldet werden kann;

100.  erkennt an, wie wichtig nicht gerichtliche und quasi-gerichtliche Institutionen – zusätzlich zu den Gerichten – für den Zugang zur Justiz sind, wozu nationale Menschenrechtsorganisationen, Gleichstellungsorgane, Einrichtungen von Bürgerbeauftragten und Datenschutzbehörden sowie andere Institutionen, die im Bereich der Menschenrechte tätig sind, gehören; betont in diesem Zusammenhang, dass nationale Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in allen EU-Mitgliedstaaten ernannt oder gegründet werden sollten, damit sie im Rahmen der so genannten Pariser Grundsätze voll akkreditiert werden (Pariser Grundsätze über die Lage und Funktionsweise von nationalen Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, Resolution A/RES/48/134 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993); betont, dass die vollständige Unabhängigkeit auch anderen Institutionen, die im Bereich der Menschenrechte tätig sind, zugutekommen würde;

101.  fordert die FRA auf, eine Studie zu den mit der Terrorismusbekämpfung begründeten Gesetzen und außerordentlichen Verfahren und zu deren Übereinstimmung mit den Grundrechten in Zusammenarbeit mit dem Sonderberichterstatter der UNO für diesen Bereich durchzuführen; weist alle Ausnahmeverfahren zurück, durch die die Positionen von Anklage und Verteidigung in einem Rechtsverfahren offensichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht werden, wie etwa bei geheimen Anhörungen oder geheimen Urteilen, oder mit denen einer Regierung Sonderbefugnisse für die Medienzensur erteilt werden oder die heimliche Überwachung der Bevölkerung ermöglicht wird; stellt fest und beklagt, dass politische Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung auf immer mehr Verbrechen und Vergehen ausgeweitet werden, mit der Folge einer Vervielfachung der Schnellverfahren und nicht herabsetzbaren Mindeststrafen sowie einer Zunahme der Erfassung von Bevölkerungsgruppen;

102.  fordert die Kommission auf, ihre Arbeit im Bereich des Strafrechts und der Anwendung des Fahrplans bezüglich der Verfahrensgarantien fortzusetzen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, eine ehrgeizigere Position zu diesem Thema zu beziehen;

103.  begrüßt den FRA-Bericht über den Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen in der EU und betont, dass der Zugang zur Justiz häufig kompliziert und umständlich ist; vertritt die Auffassung, dass Verbesserungen darin bestehen könnten, die Verfahren zu vereinfachen und die Unterstützung für diejenigen zu verbessern, die sich an die Justiz wenden;

104.  nimmt das von der Kommission eingerichtete Justizbarometer zur Kenntnis, das leider nur Fälle des Zivil-, Handels- und Verwaltungsrechts umfasst, obwohl das Parlament gefordert hat, darin auch Fälle des Strafrechts, der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen; fordert daher, dieses Justizbarometer auszubauen, um auch diese Bereiche einzubeziehen; betont, dass das Justizbarometer in den neuen Kopenhagen-Mechanismus und in den europäischen Politikzyklus zur Anwendung des Artikels 2 EUV integriert werden sollte; weist mit Nachdruck darauf hin, dass das Ziel einer verbesserten Funktionsweise der Justiz nicht ausschließlich darin bestehen kann, einen Staat für Investoren und Unternehmer attraktiver zu gestalten, und dass dabei nicht nur die Wirksamkeit von Gerichtsverfahren im Vordergrund stehen darf, sondern dass es gleichermaßen darum gehen muss, das Recht auf ein faires Verfahren und die Wahrung der Grundrechte zu gewährleisten;

105.  fordert die Kommission nachdrücklich auf, die effektive Umsetzung des Rechts auf Zugang zur Justiz in der EU im Zusammenhang mit dem Recht jeder Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu prüfen;

106.  ist beunruhigt über die Politisierung der Verfassungsgerichte in einigen Mitgliedstaaten und erinnert daran, dass die Unabhängigkeit des Justizsystems von außerordentlicher Bedeutung ist;

o
o   o

107.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.

(1) Ratsdokument 10140/11 vom 18. Mai 2011.
(2) ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.
(3) ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55.
(4) ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
(5) ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
(6) ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
(7) ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.
(8) ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 49.
(9) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0500.
(10) ABl. C 104 E vom 30.4.2004, S. 1026.
(11) ABl. C 124 E vom 25.5.2006, S. 405.
(12) ABl. C 294 E vom 3.12.2009, S. 54.
(13) ABl. C 224 E vom 19.8.2010, S. 18.
(14) ABl. C 308 E vom 20.10.2011, S. 73.
(15) ABl. C 136 E vom 11.5.2012, S. 50.
(16) ABl. C 199 E vom 7.7.2012, S. 112.
(17) ABl. C 199 E vom 7.7.2012, S. 154.
(18) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0203.
(19) ABl. C 264 E vom 13.9.2013, S. 54.
(20) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0090.
(21) ABl. C 51 E vom 22.2.2013, S. 121.
(22) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0444.
(23) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0315.
(24) ABl. C 353 E vom 3.12.2013, S. 1.
(25) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0418.
(26) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0350.
(27) ABl. C 296 E vom 2.10.2012, S. 26.
(28) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0045.
(29) ABl. C 264 E vom 13.9.2013, S. 75.
(30) Entschließung 1872(2012) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, angenommen am 24. April 2012.
(31) Regional study: management of the external borders of the European Union and its impact on the human rights of migrants, Bericht des Sonderberichterstatters für die Menschenrechte von Migranten, François Crépeau, 24. April 2013, A/HRC/23/46.
(32) Bericht der FRA: Fundamental rights at Europe‘s southern sea borders (Grundrechte an Europas südlichen Seegrenzen), März 2013
(33) ABl. C 131 E vom 8.5.2013, S. 9.
(34) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0594.
(35) „Employment and Social Developments in Europe 2011“, Kapitel 6: „Intra-EU labour mobility and the impact of enlargement“, S. 274.
(36)Siehe „A fact finding analysis on the impact on the Member States' social security systems of the entitlements of non-active intra-EU migrants to special non-contributory cash benefits and healthcare granted on the basis of residence“, GD Beschäftigung, Soziales und Integration, Abschlussbericht vorgelegt von ICF GHK in Zusammenarbeit mit Milieu Ltd., 14. Oktober 2013.


Europäischer Haftbefehl
PDF 361kWORD 62k
Entschließung
Anlage
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 mit Empfehlungen an die Kommission zur Überprüfung des Europäischen Haftbefehls (2013/2109(INL))
P7_TA(2014)0174A7-0039/2014

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  gestützt auf die Artikel 2, 3, 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  gestützt auf Artikel 5 seines Beschlusses 2005/684/EG, Euratom vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments(1),

–  unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten(2),

–  unter Hinweis auf die Berichte der Kommission über die Anwendung des Europäischen Haftbefehls und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (COM(2005)0063 und SEC(2005)0267, COM(2006)0008 und SEC(2006)0079, COM(2007)0407 und SEC(2007)0979 sowie COM(2011)0175 und SEC(2011)0430),

–  unter Hinweis auf den Abschlussbericht des Rates vom 28. Mai 2009 über die vierte Runde der gegenseitigen Begutachtungen – „Praktische Anwendung des Europäischen Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten“ (8302/4/2009 - CRIMORG 55),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu organisiertem Verbrechen, Korruption und Geldwäsche: Empfohlene Maßnahmen und Initiativen (Schlussbericht)(3),

–  unter Hinweis auf die überarbeiteten Fassung des Europäischen Handbuchs mit Hinweisen zum Ausstellen eines Europäischen Haftbefehls (17195/1/10 REV 1),

–   unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1382/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 zur Einrichtung des Programms „Justiz“ für den Zeitraum 2014 bis 2020(4),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. September 2011 mit dem Titel „Förderung des Vertrauens in eine EU-weite Rechtspflege – Eine neue Dimension der justiziellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene“ (COM(2011)0551),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2011 zu den Haftbedingungen in der EU(5),

–  unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 9. März 2004 an den Rat zu den Rechten der Häftlinge in der Europäischen Union(6),

–  unter Hinweis auf die Bewertung des europäischen Mehrwerts der Maßnahmen der Union zum Europäischen Haftbefehl, die vom Referat Europäischer Mehrwert des Europäischen Parlaments durchgeführt wird,

–  unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung vom 20. November 2010 über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission(7),

–  gestützt auf die Artikel 42 und 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0039/2014),

A.  in der Erwägung, dass sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt hat, ihren Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bieten, sowie in der Erwägung, dass sie gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) die Menschenrechte und Grundfreiheiten achtet, was positive Verpflichtungen mit sich bringt, die sie erfüllen muss, wenn das angestrebte Ziel erreicht werden soll; in der Erwägung, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auf gegenseitigem Vertrauen beruhen muss, um Wirkung zu zeigen, was nur erreicht werden kann, wenn sowohl die Grundrechte von Verdächtigen und Beschuldigten als auch die Verfahrensrechte in Strafverfahren in der gesamten EU geachtet werden; in der Erwägung, dass das gegenseitige Vertrauen durch Schulungsmaßnahmen, Zusammenarbeit und Dialog zwischen den Justizbehörden und Angehörigen der Rechtsberufe verbessert wird und somit eine echte europäische Rechtskultur geschaffen wird;

B.  in der Erwägung, dass das Ziel des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI, die Übergabeverfahren in der gesamten Union im Vergleich zu den traditionellen Verfahren der Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten zu beschleunigen, weitestgehend erreicht wurde, und in der Erwägung, dass dieser Rahmenbeschluss einen Grundpfeiler der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen darstellt, die nun in Artikel 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert ist;

C.  in der Erwägung allerdings, dass Probleme bei der Anwendung aufgetreten sind, von denen einige spezifisch den Rahmenbeschluss 2002/584/JI betreffen und auf Lücken im Rahmenbeschluss – wie z. B. die Tatsache, dass nicht explizit eine Garantie der Grundrechte oder eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit aufgenommen wurde – zurückzuführen sind, sowie auf Probleme, die sich aus der unvollständigen und uneinheitlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses ergeben; in der Erwägung, dass andere Probleme aufgrund der unvollständigen und unausgewogenen Entwicklung des Strafrechts innerhalb der EU auch bei anderen Rechtsinstrumenten zur gegenseitigen Anerkennung auftreten;

D.  in der Erwägung, dass klar definierte und effektive Rechtsinstrumente zur gegenseitigen Anerkennung von gerichtlichen Maßnahmen für die einzelstaatlichen Strafverfolgungsbehörden von zentraler Bedeutung für Ermittlungstätigkeiten zur Bekämpfung von schwerer grenzüberschreitenden Kriminalität sind und dass diese Rechtsinstrumente auch für die Ermittlungstätigkeiten der zukünftigen Europäischen Staatsanwaltschaft wesentlich sind;

E.  in der Erwägung, dass der Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM) in seinem Abschlussbericht betont hat, es müsse für eine zügige gegenseitige Anerkennung aller gerichtlichen Maßnahmen gesorgt werden, insbesondere bei Strafurteilen, Einziehungsentscheidungen und Europäischen Haftbefehlen (EuHb), wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit uneingeschränkt zu beachten sei;

F.  in der Erwägung, dass unter anderem bei folgenden Punkten Bedenken bestehen:

   i) Es fehlt ein expliziter Ablehnungsgrund im Rahmenbeschluss 2002/584/JI und anderen Rechtsinstrumenten zur gegenseitigen Anerkennung für den Fall, dass wesentliche Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung der Maßnahme nicht mit den Verpflichtungen vereinbar ist, die sich für den Vollstreckungsmitgliedstaat aus Artikel 6 EUV und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („die Charta“) ergeben.
   ii) Es fehlt eine Bestimmung über das in Artikel 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Rahmenbeschluss 2002/584/JI und anderen Rechtsinstrumenten zur gegenseitigen Anerkennung, was zur Folge hat, dass das jeweilige nationale Recht angewendet wird und es somit zu Unsicherheit und uneinheitlichen Vorgehensweisen in den Mitgliedstaaten kommt.
   iii) Es fehlt eine regelmäßige Überprüfung der Ausschreibungen des Schengener Informationssystems (SIS II) und von Interpol und es fehlt eine automatische Verknüpfung zwischen einer Aufhebung eines Europäischen Haftbefehls (EuHb) und der Löschung von solchen Ausschreibungen. Darüber hinaus herrscht Unsicherheit über die Auswirkungen einer Verweigerung der Vollstreckung eines EuHb auf die fortlaufende Gültigkeit eines EuHb und der damit verbundenen Ausschreibungen mit dem Ergebnis, dass Personen, für die ein EuHb ausgestellt wurde, sich innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht frei bewegen können, ohne das Risiko einer künftigen Verhaftung und Auslieferung einzugehen.
   iv) Es gibt keine Präzision bei der Festlegung einer Liste schwerer Straftaten im Zusammenhang mit dem EuHb aber auch mit anderen Instrumenten der Union, die ständig auf diese Liste Bezug nehmen, sowie die Einbeziehung von Straftaten, deren Schwere nicht in den Strafgesetzbüchern aller Mitgliedstaaten berücksichtigt wird und die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht genügen könnten.
   v) Der Einsatz des EuHb für geringfügige Straftaten oder in Fällen, in denen weniger einschneidende Alternativen zur Anwendung gelangen könnten, ist unverhältnismäßig, was zu ungerechtfertigten Verhaftungen sowie zu ungerechtfertigten und übermäßig langen Zeiten in Untersuchungshaft führt und somit einen unverhältnismäßig großen Eingriff in die Grundrechte der Verdächtigen und Beschuldigten und eine Belastung der Ressourcen der Mitgliedstaaten nach sich zieht.
   vi) Es fehlt eine Definition des Begriffs „Justizbehörde“ im Rahmenbeschluss 2002/584/JI und anderen Rechtsinstrumenten zur gegenseitigen Anerkennung, was zu unterschiedlichen Vorgehensweisen in den Mitgliedstaaten sowie zu Unsicherheit, nachlassendem gegenseitigem Vertrauen und Rechtsstreitigkeiten geführt hat.
   vii) Es fehlen Mindeststandards zur Sicherstellung einer effektiven gerichtlichen Aufsicht über Maßnahmen zur gegenseitigen Anerkennung, was in den Mitgliedstaaten zu uneinheitlichen Vorgehensweisen im Hinblick auf Rechtsgarantien und Rechtsschutz vor Verletzungen von Grundrechten, etwa im Hinblick auf Entschädigungen für Opfer von Fehlurteilen wie z. B. Opfer von Identitätsverwechslungen, geführt hat, was nicht den Standards entspricht, die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verankert sind.
   viii) Ungeachtet der Notwendigkeit der Untersuchungshaft unter bestimmten Voraussetzungen fehlen Mindeststandards für die Untersuchungshaft, einschließlich der regelmäßigen Überprüfung, ihres Einsatzes als letztes einzusetzendes Mittel und der Prüfung von Alternativen, was verbunden mit dem Fehlen einer angemessenen Bewertung der Verhandlungsreife eines Falles für Verdächtige und Beschuldigte zu ungerechtfertigten und übermäßig langen Zeiten in Untersuchungshaft führt.
   ix) Die Bedingungen in vielen Haftanstalten in der Europäischen Union sind inakzeptabel und wirken sich auf die Grundrechte der betroffenen Personen aus, insbesondere auf das Recht auf Schutz vor unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung gemäß Artikel 3 EMRK sowie auf die Wirksamkeit und das Funktionieren der Rechtsinstrumente der Union zur gegenseitigen Anerkennung.
   x) Es gibt keine rechtliche Vertretung im Ausstellungsmitgliedstaat und im Vollstreckungsmitgliedstaat für Personen, gegen die ein EuHb ergangen ist.
   xi) Es gibt keine Fristen im Rahmenbeschluss 2002/584/JI für die Übermittlung der übersetzten EuHb, was zu unterschiedlichen Praktiken und Unsicherheit führt.
   xii) Es gibt keine exakte Definition von Straftaten, bei denen die beiderseitige Strafbarkeit nicht mehr geprüft wird.
   xiii) Es können keine anderen bestehenden Instrumente der Union für die justizielle Zusammenarbeit und die gegenseitige Anerkennung in Anspruch genommen werden.

1.  vertritt in Anbetracht des neuen Rechtsrahmens von 2014 gemäß dem Vertrag von Lissabon die Auffassung, dass diese Entschließung nicht Probleme zum Gegenstand haben sollte, die ausschließlich aus einer unkorrekten Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI resultieren, da solche Probleme durch die korrekte Umsetzung des Rahmenbeschlusses durch die Mitgliedstaaten und über von der Kommission eingeleitete Vollstreckungsverfahren gelöst werden können und gelöst werden sollten;

2.  fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, alle Maßnahmen der Union auf dem Gebiet des Strafrechts, darunter die Europäische Ermittlungsanordnung, die Europäische Überwachungsanordnung sowie Maßnahmen betreffend die Verfahrensrechte, zeitnah und wirksam umzusetzen, da sie sich gegenseitig ergänzen, und damit den Justizbehörden alternative und weniger einschneidende Rechtsinstrumente zur gegenseitigen Anerkennung zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig für die Achtung der Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten in Strafverfahren zu sorgen; fordert die Kommission auf, die ordnungsgemäße Durchführung dieser Maßnahmen sowie deren Auswirkung auf das Funktionieren des EuHb und die Strafgerichtsbarkeit der Union sorgfältig zu überwachen;

3.  fordert die Mitgliedstaaten und ihre Justizbehörden auf, alle bestehenden Möglichkeiten des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI (wie z. B. Erwägungsgrund 12) zu prüfen, um für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu sorgen; fordert die Mitgliedstaaten und ihre Justizbehörden auf, vor der Ausstellung eines EuHb alle möglichen alternativen Mechanismen auszuschöpfen sowie den Fall unverzüglich zu behandeln, sobald ein EuHb zu einer Festnahme geführt hat, damit die Dauer der Untersuchungshaft so kurz wie möglich gehalten werden kann;

4.  vertritt die Auffassung, dass die volle Anerkennung und die schnelle Durchsetzung der gerichtlichen Maßnahmen einen Schritt in Richtung der Einführung eines Strafrechtsraums der Union darstellen, und hebt die Bedeutung des EuHb als wirksames Instrument zur Bekämpfung schwerer grenzüberschreitender Kriminalität hervor;

5.  vertritt die Auffassung, dass – zumal die im Erwägungsgrund F hervorgehobenen Probleme sowohl auf die spezifischen Merkmale des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI als auch auf die unvollständige und unausgewogene Entwicklung des Strafrechts innerhalb der Union zurückzuführen sind – bei legislativen Lösungen beide Probleme angegangen werden müssen, indem weiter an der Festlegung von Mindeststandards u. a. für Verfahrensrechte von Verdächtigen und Beschuldigten gearbeitet wird sowie an einer horizontalen Maßnahme, durch die für alle Rechtsinstrumente zur gegenseitigen Anerkennung geltende Grundsätze festgelegt werden, oder indem Änderungen am Rahmenbeschluss 2002/584/JI vorgenommen werden, falls eine derartige horizontale Maßnahme nicht durchführbar ist oder durch sie die in dieser Entschließung festgestellten Probleme nicht lösbar sind;

6.  vertritt die Auffassung, dass die festgestellten Schwächen nicht nur das gegenseitige Vertrauen untergraben, sondern auch negative sozioökonomische Folgen für die betroffenen Personen, ihre Familien und für die Gesellschaft allgemein haben;

7.  ersucht die Kommission daher, innerhalb eines Jahres ab Verabschiedung dieser Entschließung auf der Grundlage des Artikels 82 AEUV Legislativvorschläge entsprechend den im Anhang aufgeführten detaillierten Empfehlungen zu unterbreiten, in denen Folgendes vorgesehen ist:

   a) ein Verfahren, bei dem eine Maßnahme der gegenseitigen Anerkennung bei Bedarf im Ausstellungsmitgliedstaat von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt bestätigt werden kann, damit die unterschiedliche Interpretationsweise des Begriffs „Justizbehörde“ kein Hindernis mehr darstellt;
   b) eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit beim Erlass von Entscheidungen über die gegenseitige Anerkennung auf der Grundlage aller relevanten Faktoren und Umstände, wie unter anderem der Schwere des begangenen Verstoßes, der Verhandlungsreife des Falls, der Auswirkungen auf die Rechte der gesuchten Person, einschließlich des Schutzes des Privat- und Familienlebens, der finanziellen Auswirkungen und der Verfügbarkeit einer angemessenen, weniger einschneidenden Alternativmaßnahme;
   c) ein standardisiertes Konsultationsverfahren, bei dem die zuständigen Behörden im Ausstellungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat Informationen über die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, wie z. B. hinsichtlich der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit und insbesondere hinsichtlich des EuHb, austauschen können, um festzustellen, ob die für das Verfahren erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden sind;
   d) ein obligatorischer Ablehnungsgrund, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, die Vollstreckung der Maßnahme sei unvereinbar mit den Verpflichtungen des Vollstreckungsmitgliedstaats gemäß Artikel 6 EUV und gemäß der Charta, darin insbesondere Artikel 52 Absatz 1 mit dem Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;
   e) das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 47 Absatz 1 der Charta und Artikel 13 EMRK, wie z. B. der Rechtsbehelf im Vollstreckungsstaat, gegen die geforderte Vollstreckung eines Rechtsinstruments zur gegenseitigen Anerkennung vorzugehen, und das Recht der gesuchten Person, vor einem Gericht gegen die Nichteinhaltung von Garantien, die dem Vollstreckungsmitgliedstaat seitens des Ausstellungsmitgliedstaats zugesichert worden sind, vorzugehen;
   f) eine bessere Definition der Straftatbestände, die in den Anwendungsbereich des EuHb fallen sollten, um die Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erleichtern;

8.  fordert, dass alle Mitgliedstaaten das Unionsrecht bezüglich der Verfahrensrechte in Strafverfahren im Zusammenhang mit der Anwendung des EuHb klar und einheitlich anwenden, darunter das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, das Recht auf Rechtsbeistand in Strafverfahren, das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme und das Recht auf Belehrung in Strafverfahren;

9.  fordert die Kommission auf, von den Mitgliedstaaten umfassende Daten in Bezug auf die Anwendung des EuHb-Mechanismus zu verlangen und diese Daten in ihren nächsten Durchführungsbericht aufzunehmen, um angemessene Maßnahmen vorzuschlagen zu können, wenn Probleme auftreten sollten;

10.  fordert eine regelmäßige Überprüfung nicht vollstreckter Europäischer Haftbefehle sowie die Prüfung der Frage, ob sie zusammen mit den entsprechenden SIS II- und Interpol-Ausschreibungen zurückgezogen werden sollten; fordert ebenso die Rücknahme Europäischer Haftbefehle und der entsprechenden SIS II- und Interpol-Ausschreibungen, wenn der EuHb aus obligatorischen Gründen, wie z. B. aufgrund des Verbots der doppelten Strafverfolgung oder der Unvereinbarkeit mit den Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte, abgelehnt wurde; fordert, dass Bestimmungen vorgesehen werden, denen zufolge SIS II- und Interpol‑Ausschreibungen mit Informationen zu den Gründen für die Ablehnung der Vollstreckung eines EuHb, der im Zusammenhang mit einer Ausschreibung steht, aktualisiert werden müssen, und denen zufolge die Europol-Dateien angemessen aktualisiert werden müssen;

11.  betont, dass korrekte Verfahren einschließlich Rechtsbehelfe von vorrangiger Bedeutung sind, und fordert die Mitgliedstaaten auf, als Ausstellungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaat rechtliche Mechanismen für Entschädigungen für Fehlurteile im Zusammenhang mit der Anwendung von Rechtsinstrumenten zur gegenseitigen Anerkennung bereitzustellen, entsprechend den Standards, die in der EMRK und der ständigen Rechtsprechung des EuGH verankert sind;

12.   fordert den Rat auf, in seiner überarbeiteten Fassung des Europäischen Handbuchs mit Hinweisen zum Ausstellen eines Europäischen Haftbefehls (17195/1/10 REV 1) eine Frist von sechs Tagen für die Übermittlung übersetzter EuHb vorzusehen, um für größere Klarheit und Sicherheit zu sorgen;

13.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gemeinsam mit entsprechenden Netzwerken dafür zu sorgen, dass Richter, Staatsanwälte und Strafverteidiger intensivere Kontakte pflegen können, um so zu effektiven und auf Sachkunde gestützten Verfahren im Rahmen des EuHb beizutragen und um Angehörigen der Rechtsberufe einschlägige Schulungsmaßnahmen u. a. in den Bereichen Beherrschung anderer Sprachen, angemessene Anwendung des EuHb sowie kombinierter Einsatz verschiedener Rechtsinstrumente zur gegenseitigen Anerkennung auf der Ebene der Mitgliedstaaten und der EU anzubieten; fordert die Kommission auf, ein im gesamten Gebiet der Union leicht zugängliches praktisches Handbuch der Union für Verteidiger, die in Strafverfahren im Rahmen des EuHb tätig sind, auszuarbeiten, in dem die Arbeit der European Criminal Bar Association (Europäische Strafverteidigerorganisation – ECBA) zu diesem Thema berücksichtigt wird und das durch nationale Handbücher ergänzt wird;

14.  fordert die Kommission auf, die Einrichtung eines speziellen Justiziellen Netzes „Europäischer Haftbefehl“ und eines Netzwerks von Strafverteidigern, die im Bereich der europäischen Strafgerichtsbarkeit und der Auslieferung tätig sind, zu erleichtern und ihnen sowie dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten angemessene Finanzmittel zur Verfügung zu stellen; ist der Auffassung, dass die Kommission die adäquate Finanzierung mittels der bestehenden Programme auf dem Gebiet der Strafjustiz der Union sicherstellen kann;

15.  fordert die Kommission auf, eine leicht zugängliche Datenbank der Union einzurichten, in der die gesamte einzelstaatliche Rechtsprechung in Bezug auf den EuHb und andere Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung erfasst wird, um die Arbeit von Fachkräften sowie die Überwachung und Bewertung der Durchführung und etwaiger auftretender Probleme zu erleichtern;

16.  weist auf den Zusammenhang zwischen Haftbedingungen und Maßnahmen im Rahmen des EuHb hin und erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass ihnen von Artikel 3 EMRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht nur negative Verpflichtungen wie das Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung von Gefangenen auferlegt werden, sondern auch positive Verpflichtungen wie menschenwürdige Haftbedingungen und die Durchführung gründlicher und wirksamer Ermittlungen im Fall der Verletzung dieser Rechte; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Rechte schutzbedürftiger Personen besonders zu berücksichtigen und Alternativen zum Gewahrsam generell eingehend zu prüfen;

17.  fordert die Kommission auf, die auf der Ebene der Union verfügbaren rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten zur Verbesserung der Standards in Bezug auf die Haftbedingungen, einschließlich Legislativvorschläge zu den Bedingungen der Untersuchungshaft, zu überprüfen, damit das System zur gegenseitigen Anerkennung Wirkung zeigen kann;

18.  stellt fest, dass die Empfehlungen mit den Grundrechten, dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen;

19.  ist der Auffassung, dass die finanziellen Auswirkungen der oben genannten Vorschläge auf den Haushalt der Union durch die bestehenden Mittelzuweisungen abgedeckt werden sollten; betont, dass die Annahme und Umsetzung dieser Vorschläge zu einer erheblichen Kosten- und Zeitersparnis sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Bürger führen würde und somit in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht vorteilhaft wäre, wie aus der Bewertung des europäischen Mehrwerts der Maßnahmen der Union zur Überprüfung des EuHb deutlich hervorgeht;

20.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat zu übermitteln.

ANHANG ZUR ENTSCHLIESSUNG:

EMPFEHLUNGEN ZU EINIGEN GEPLANTEN LEGISLATIVVORSCHLÄGEN

Validierungsverfahren bei Rechtsinstrumenten der Union zur gegenseitigen Anerkennung:

—  Die „vollstreckende Behörde“ wird im Strafrecht der Union definiert als:

(i)  ein Richter, ein Gericht, ein Ermittlungsrichter oder ein Staatsanwalt, der/das in dem betreffenden Fall zuständig ist; oder

(ii)  jede andere zuständige, vom Ausstellungsmitgliedstaat festgelegte Behörde, sofern der auszuführende Akt nach einer Überprüfung der Einhaltung der Bedingungen für die Ausstellung des Rechtsinstruments von einem Richter, Gericht, Ermittlungsrichter oder Staatsanwalt im Ausstellungsmitgliedstaat validiert wurde.

Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei der Ausstellung von Rechtsinstrumenten der Union zur gegenseitigen Anerkennung:

—  Wird eine Entscheidung veröffentlicht, die in einem anderen Mitgliedstaat zu vollstrecken ist, überprüft die zuständige Behörde sorgfältig die Notwendigkeit der beantragten Maßnahme auf der Grundlage aller relevanten Faktoren und Umstände. Dabei berücksichtigt sie die Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person, prüft, ob es eine angemessene, weniger einschneidende Alternativmaßnahme zur Erreichung der angestrebten Ziele gibt und wendet die verfügbare Maßnahme an, die am wenigsten einschneidend ist. Hat eine Vollstreckungsbehörde Grund zu der Annahme, dass die Maßnahme unverhältnismäßig ist, so kann sie die Anordnungsbehörde zu der Frage konsultieren, wie wichtig die Vollstreckung der Entscheidung über die gegenseitige Anerkennung ist. Nach einer solchen Konsultation kann die Anordnungsbehörde beschließen, die Entscheidung über die gegenseitige Anerkennung zu widerrufen.

Verfahren der Konsultation zwischen den zuständigen Behörden im Ausstellungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat bei der Anwendung von Rechtsinstrumenten der Union zur gegenseitigen Anerkennung:

—  Unbeschadet der Möglichkeit, dass die zuständige Vollstreckungsbehörde von den Gründen für eine Ablehnung Gebrauch machen kann, sollte ein standardisiertes Verfahren zur Verfügung stehen, im Rahmen dessen die zuständigen Behörden im Ausstellungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat Informationen austauschen und sich gegenseitig konsultieren können, damit die relevanten Rechtsinstrumente zur gegenseitigen Anerkennung oder zum Schutz der Grundrechte der betreffenden Person reibungslos und effizient eingesetzt werden können, wie z. B. zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit, auch damit in Bezug auf den EuHb sichergestellt wird, dass die für das Verfahren erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden sind.

Anwendung eines Ablehnungsgrundes auf der Grundlage der Verletzung von Grundrechten bei Rechtsinstrumenten der Union zur gegenseitigen Anerkennung:

—  Wesentliche Gründe sprechen dafür, dass die Vollstreckung der Maßnahme nicht mit den Verpflichtungen vereinbar ist, die sich für den Vollstreckungsmitgliedstaat aus Artikel 6 EUV und der Charta ergeben.

Bestimmungen über effektive Rechtsbehelfe, die bei Rechtsinstrumenten der Union zur gegenseitigen Anerkennung anwendbar sind:

—  Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass – im Einklang mit der Charta und der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des EGMR – jede Person, deren Rechte und Freiheiten durch eine Entscheidung, eine Handlung oder durch eine Unterlassung im Hinblick auf die Anwendung eines Rechtsinstruments zur gegenseitigen Anerkennung bei Strafsachen verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Wird ein solcher Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat eingelegt und hat er aufschiebende Wirkung, ist die endgültige Entscheidung über einen solchen Rechtsbehelf innerhalb des Zeitrahmens des anzuwendenden Rechtsinstruments zur gegenseitigen Anerkennung zu treffen. Falls kein Zeitrahmen vorgegeben wird, ist die Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist zu treffen, damit der Zweck des Prozesses der gegenseitigen Anerkennung nicht in Frage gestellt wird.

(1) ABl. L 262 vom 7.10.2005, S. 1.
(2) ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0444.
(4) ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 73.
(5) ABl. C 168 E vom 14.6.2013, S. 82.
(6) ABl. C 102 E vom 28.4.2004, S. 154.
(7) ABl. L 304 vom 20.11.2010, S. 47.


Freiwilliges Partnerschaftsabkommen EU-Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die EU
PDF 221kWORD 57k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu dem Abschluss des Freiwilligen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union (2013/2990(RSP))
P7_TA(2014)0175B7-0187/2014

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des Entwurfs eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Freiwilligen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union(1),

–  in Kenntnis des Freiwilligen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union(2),

–  in Kenntnis des vom Europäischen Rat gemäß Artikel 207 Absatz 3 Unterabsatz 1, Artikel 207 Absatz 4 Unterabsatz 1, Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a Ziffer v und Artikel 218 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreiteten Ersuchens um Zustimmung (C7-0344/2013),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 13. September 2007 mit der Resolution 61/295 angenommen wurde(3),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen(4),

–  unter Hinweis auf den Bericht der Weltbank vom 14. März 2012 mit dem Titel „Justice for forests: Improving criminal justice efforts to combat illegal logging“ (Rechtsschutz für den Wald: Strengere strafrechtliche Verfolgung des illegalen Holzeinschlags)(5),

–  unter Hinweis auf den Bericht von Human Rights Watch vom 16. Juli 2013 mit dem Titel „The dark side of green growth. Human rights impacts of weak governance in Indonesia’s forestry sector“ (Die dunkle Seite des grünen Wachstums: Scheitern der Forstpolitik in Indonesien und die Folgen für die Menschenrechte)(6),

–  in Kenntnis des Rahmenabkommens über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Indonesien andererseits vom 9. November 2009;

–  gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Regierung von Indonesien und die EU am 30. September 2013 ein Freiwilliges Partnerschaftsabkommen (VPA) über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die EU (FLEGT) unterzeichnet haben, in dem sich beide Seiten verpflichten, dafür zu sorgen, dass in die EU eingeführtes Holz legal erzeugt, geschlagen und transportiert wird;

B.  in der Erwägung, dass VPA eine Handhabe sind, um gegen illegalen Holzeinschlag vorzugehen, die Forstverwaltung zu verbessern und letztendlich eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder zu erreichen sowie die weltweiten Bemühungen um eine Eindämmung der Entwaldung und der Schädigung von Wäldern zu unterstützen;

C.  in der Erwägung, dass mit VPA systemische Veränderungen im Forstsektor gefördert werden sollen, indem die Bemühungen gewissenhafter Marktteilnehmer, die Holz aus legalen und zuverlässigen Quellen erwerben, belohnt und diese Akteure vor unlauterem Wettbewerb geschützt werden;

D.  in der Erwägung, dass sich in Indonesien das drittgrößte Regenwaldgebiet der Welt – nach dem Amazonas und dem Kongobecken – befindet, dass Indonesien aber auch ein bedeutender Emittent von Treibhausgasen ist, was vor allem auf die großflächige Umwandlung der Regenwälder und kohlenstoffreichen Torfmoore in andere Nutzungsformen, z. B. für die Erzeugung von Palmöl und Papier, zurückzuführen ist,

E.  in der Erwägung, dass Indonesien zwischen 2009 und 2011 insgesamt 1 240 000 Hektar Waldfläche verloren hat;

F.  in der Erwägung, dass wertmäßig derzeit nur zehn Prozent der indonesischen Ausfuhren an Holz und Holzprodukten in die EU gehen, während der Großteil in asiatische Länder exportiert wird, dass das VPA also wichtige Maßstäbe für die gesamte indonesische Holzindustrie setzt;

G.  in der Erwägung, dass laut Interpol und einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2012 das Risiko für Geldwäsche und Steuerflucht im indonesischen Forstsektor hoch ist;

H.  in der Erwägung, dass Korruption, Steuerflucht und Geldwäsche im Forstsektor das Land laut Human Rights Watch zwischen 2007 und 2011 7 Mrd. USD gekostet haben; in der Erwägung, dass der stellvertretende Vorsitzende der indonesischen Kommission für Korruptionsbekämpfung (KPK) den Forstsektor als Hort der schrankenlosen Korruption bezeichnet hat(7); in der Erwägung, dass Indonesien jedoch in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der strafrechtlichen Verfolgung von Finanzstraftaten erhebliche Fortschritte verzeichnen konnte, wie die Verurteilung des Palmölproduzenten Asian Agri Group wegen Steuerhinterziehung durch den Obersten Gerichtshof im Dezember 2012 belegt;

I.  in der Erwägung, dass sich beide Parteien in Bezug auf das indonesische Legalitätssicherungssystem für Holz (Sistem Verifikasi Legalitas Kayu, SVLK) einigen müssen, damit Holz und Holzprodukte aus Indonesien, die unter das VPA fallen, als Holz mit FLEGT-Genehmigung, das gemäß den Bestimmungen der EU-Holzverordnung automatisch als legal gilt, in die EU eingeführt werden können(8);

J.  in der Erwägung, dass das indonesische SVLK derzeit dahingehend überarbeitet wird, dass es den Anforderungen des VPA entspricht;

K.  in der Erwägung, dass die Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2173/2005 des Rates zur Einrichtung eines FLEGT-Genehmigungssystems für Holzeinfuhren in die Europäische Gemeinschaft(9) befugt ist, genaue Vorgaben für die Erteilung von FLEGT-Genehmigungen zu erlassen und die in Anhang I der genannten Verordnung aufgeführte Liste der Partnerländer und der dort zuständigen Genehmigungsbehörden zu ändern;

L.  in der Erwägung, dass das indonesische Verfassungsgericht am 6. Mai 2013 entschieden hat, dass Wälder, in denen indigene Völker beheimatet sind, nicht als staatliche Waldgebiete eingestuft werden sollten, was einer weiter reichenden Anerkennung der Rechte der indigenen Völker auf der Inselgruppe den Weg ebnet;

1.  begrüßt, dass Indonesien nachdrücklich und freiwillig darum bemüht ist, den um sich greifenden illegalen Holzeinschlag und den damit verbundenen Handel einzudämmen, indem es sein SVLK unter Einbeziehung mehrerer Interessengruppen weiterentwickelt, wobei vor allem die großen Fortschritte, die das Land in den vergangenen Monaten verzeichnet hat, lobend zu erwähnen sind; hegt angesichts bestimmter Probleme jedoch nach wie vor Bedenken; weist darauf hin, dass FLEGT-Genehmigungen erst offiziell erteilt werden können, wenn das SVLK mit Blick auf die Umsetzung der Ziele des VPA auch wirklich funktioniert;

2.  begrüßt das Ergebnis der Verhandlungen zum Freiwilligen Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Indonesien über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzprodukten in die Europäische Union; bekräftigt seine Unterstützung für den Abschluss des VPA und seine Bereitschaft, dessen erfolgreiche Umsetzung voranzutreiben;

3.  weist darauf hin, dass die Mehrzahl der fraglichen Einschlagsgebiete in Indonesien noch nicht nach dem SVLK zertifiziert ist und große Holzmengen ungeprüft aus dem Einschlag in die Lieferkette gelangen;

4.  hebt hervor, dass der Anwendungsbereich des SVLK, auch der Prüfungen, auf alle Holzgewinnungsgebiete und alle Abschnitte der Lieferkette ausgedehnt werden muss, damit sichergestellt ist, dass geprüftes, legales Holz von nicht geprüftem Holz getrennt wird, sodass ungeprüftes Holz erst gar nicht in die SVLK-Lieferkette gelangt;

5.  ist der Ansicht, dass die Umwandlung von Wäldern in andere Nutzungsformen ein beständiges Problem der indonesischen Flächenbewirtschaftungspolitik ist; bedauert, dass das Verfahren, in dessen Rahmen Unternehmen Konzessionen für diese Umwandlung von Wäldern erteilt werden, mit dem SVLK derzeit nicht überprüft wird und dass insbesondere nicht geprüft wird, ob dabei Umweltverträglichkeitsprüfungen stattgefunden haben und die Bedingungen erfüllt werden, die Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung für eine derartige Umwandlung von Waldflächen sind;

6.  weist darauf hin, dass Holz mit dem derzeitigen SVLK selbst dann als legal zertifiziert werden kann, wenn die Ansprüche indigener Völker oder lokaler Bevölkerungsgruppen auf die Nutzung der betreffenden Flächen noch nicht geklärt sind oder wenn keine angemessene Entschädigung gezahlt wurde; fordert die Kommission auf, auf die indonesische Regierung Druck auszuüben, damit bei der Legalitätsprüfung den angestammten Rechten der betreffenden Bevölkerungsgruppen gebührend Rechnung getragen wird, was deren Waldgebiete und den Grundsatz der freiwillig, vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebenen Zustimmung indigener Völker und lokaler Bevölkerungsgruppen sowie gegebenenfalls die Entschädigung für den Verlust des Zugangs zu Waldgebieten betrifft, und die Prüfstellen den Auftrag erhalten zu prüfen, ob die Landnutzungsrechte der ortsansässigen Bevölkerung von den Unternehmen geachtet und die abgesteckten Gebiete per Gesetz bekanntgegeben wurden;

7.  fordert die indonesische Regierung auf, sicherzustellen, dass kleine und mittlere Unternehmen im Zertifizierungsprozess nicht benachteiligt sind;

8.  fordert die Kommission auf, Druck auf die indonesische Regierung auszuüben, damit diese zusichert, dass

   alle Einschlagsgebiete und die gesamte Produktkettendokumentation geprüft werden, wobei auch zu prüfen ist, ob die holzverarbeitenden Unternehmen überhaupt berechtigt waren, das Holz zu schlagen,
   zertifiziertes und nicht zertifiziertes Holz getrennt gelagert werden,
   die Umwandlung natürlicher Wälder in andere Nutzungsformen auf ein Minimum begrenzt und die legale Herkunft von Holz aus umgewandelten Gebieten verifiziert wird, wobei auch zu verifizieren ist, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden hat bzw. dass die Vorgaben eingehalten werden, die für die Nutzung der konzessionierten Fläche gelten;

9.  fordert die indonesische Regierung auf, in Ergänzung zur Legalitätsprüfung im Rahmen des SVLK auch entschieden gegen Finanzstraftaten – wie Geldwäsche und Steuerbetrug – in Verbindung mit dem Forstsektor vorzugehen, damit das Land im Zusammenhang mit der Erteilung von FLEGT-Genehmigungen glaubwürdiger wird;

10.  fordert die indonesische Regierung auf, nach dem jüngsten Beschluss, die Steuergesetze durchzusetzen, nun auch Nachweise dafür zu verlangen, dass die holzexportierenden Unternehmen die Steuergesetze und das Geldwäschegesetz Indonesiens aus dem Jahr 2010 uneingeschränkt einhalten;

11.  begrüßt, dass die indonesische Regierung den öffentlichen Zugang zu aktuellen und transparenten Daten und Karten mit der Initiative der „einen Karte“ verbessern will, da die Forstverwaltung in Indonesien an der unterschiedlichen und abweichenden Auslegung von Gesetzen und Konflikten mit den lokalen und indigenen Bevölkerungsgruppen scheitert, solange diese Informationen fehlen; hebt hervor, dass die unabhängigen Beauftragten für Waldüberwachung im Interesse der glaubhaften Wahrnehmung ihrer Aufgaben Zugang zu diesen grundlegenden Informationen haben müssen und dass Konzessionskarten, Holzeinschlagspläne und Informationen über Genehmigungen in öffentlichen Verzeichnissen hinterlegt sein sollten; fordert die indonesische Regierung auf, die Initiative der „einen Karte“ voranzutreiben und eine erste Fassung dieser Karte zu veröffentlichen, die auch einschlägige Informationen zu Genehmigungsvorgängen und Nutzungsansprüchen in Verbindung mit Waldgebieten enthält;

12.  fordert die Kommission auf, im Gemeinsamen Ausschuss für die Umsetzung des Abkommens mitzuarbeiten und darauf hinzuwirken, dass das Risiko von Betrug und Korruption umfassend thematisiert wird – unter anderem, indem ein risikobasierter Betrugsbekämpfungsplan erarbeitet wird;

13.  nimmt zur Kenntnis, dass die Legalitätsprüfung bei Holz fast ausschließlich davon abhängig ist, wie leistungsfähig die Prüfer und die unabhängigen Überwachungssysteme sind; hebt lobend hervor, dass das SVLK der unabhängigen Überwachung durch die Zivilgesellschaft amtlichen Charakter verleiht; weist jedoch darauf hin, dass die Kapazitäten der unabhängigen Überwachungssysteme aufgrund ihrer Personal- und Mittelausstattung begrenzt sind;

14.  fordert die Kommission auf, Druck auf die indonesische Regierung auszuüben, damit Prüfer und Prüfstellen zusammen mit den unabhängigen Beauftragten für Waldüberwachung so finanziert und ausgebildet werden, dass regelmäßige Überwachungsmaßnahmen vor Ort, Stichprobenkontrollen und Prüfungen stattfinden können;

15.  begrüßt, dass die indonesische Regierung sich bemüht, die Rolle der zuständigen Forstpolizei zu stärken; stellt jedoch fest, dass das indonesische Forstministerium sein System für die Überwachung und Katalogisierung von illegalem Holzeinschlag und das weitere Vorgehen in solchen Fällen weiter verbessern muss; hebt hervor, dass gegen Unternehmen, die bei ihren Tätigkeiten gegen Vorschriften verstoßen, bei den Strafverfolgungsbehörden Anzeige zu erstatten ist;

16.  fordert die Kommission auf, Druck auf die indonesische Regierung auszuüben, damit sie Meldungen unabhängiger Überwachungsstellen über Verstöße gegen einschlägige Vorschriften entsprechend reagiert und die zuständigen Behörden wirksame, abschreckende Durchsetzungsmaßnahmen treffen, wenn Verstöße gegen die betreffenden Rechtsvorschriften festgestellt werden;

17.  hebt hervor, dass die unabhängige Überwachung und die Achtung der Rechte indigener Völker und lokaler Bevölkerungsgruppen entscheidend zur Glaubwürdigkeit des SVLK beitragen; hält es daher für dringend notwendig, weiter Engagement zu zeigen und auch gegenüber anderen Interessenträgern der Zivilgesellschaft für mehr Transparenz zu sorgen und im Zuge der unabhängigen Überwachung durch die Zivilgesellschaft nicht nur auf Gewalt, Drohungen und jegliche Formen des Missbrauchs zu verzichten, sondern missbräuchliche Verhaltensweisen gegebenenfalls streng zu ahnden;

18.  fordert die Kommission auf, Druck auf die indonesische Regierung auszuüben, damit sichergestellt ist, dass

   die Interessenträger auch weiterhin und in verstärktem Maße an der Umsetzung und Einführung des SVLK beteiligt werden,
   im Zuge der unabhängigen Überwachung durch die Zivilgesellschaft auf Gewalt, Drohungen und jegliche Formen des Missbrauchs verzichtet wird und missbräuchliche Verhaltensweisen gegebenenfalls streng geahndet werden,
   als nicht verhandelbare Bedingung für die Erteilung einer FLEGT-Genehmigung gilt, dass in jedem Fall die freiwillig, vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung indigener Völker und lokaler Bevölkerungsgruppen eingeholt werden muss und die Betroffenen für den Verlust des Zugangs zu Waldgebieten, die ihnen als Lebensgrundlage dienen, entschädigt werden,
   die SVLK-Prüfbedingungen nicht unveränderlich feststehen, sondern von indonesischen Interessengruppen regelmäßig so überarbeitet werden, dass sie immer besser greifen;

19.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass den Ergebnissen im Zusammenhang mit der Entscheidung des indonesischen Verfassungsgerichts vom 6. Mai 2013 bei der Überarbeitung des SVLK gebührend Rechnung getragen wird;

20.  fordert die Kommission auf, die indonesische Regierung in den geforderten Bemühungen zu unterstützen und gleiche Ausgangsbedingungen für die am regionalen Markt vertretenen Akteure sicherzustellen, indem der Forderung der indonesischen Regierung, die Region Sarawak in die Verhandlungen über ein Freiwilliges Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Malaysia einzubeziehen, nachgekommen wird;

21.  ist sich der Tatsache bewusst, dass einige der in dieser Entschließung enthaltenen Forderungen über die Kriterien hinausgehen, die in Anhang 8 des VPA als Voraussetzung für die Anerkennung des Genehmigungssystems festgelegt sind; fordert die Kommission auf, für Fortschritte bei der Erfüllung dieser vom Europäischen Parlament als wichtig erachteten, zusätzlichen Anforderungen zu sorgen und ihm über die Fortschritte Bericht zu erstatten, die im Vorfeld der Anerkennung des Genehmigungssystems verzeichnet werden;

22.  fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament regelmäßig über die Fortschritte bei der Umsetzung des VPA und insbesondere darüber Bericht zu erstatten, wie die vorstehend genannten Fragen gelöst wurden oder werden;

23.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie der Regierung und dem Parlament von Indonesien zu übermitteln.

(1) Ratsdokument 11767/1/2013.
(2) Ratsdokument 11769/1/2013.
(3) http://www.un.org/esa/socdev/unpfii/documents/DRIPS_en.pdf
(4) ABl. L 295 vom 12.11.2010, S. 23.
(5) World Bank, Justice for forests: Improving criminal justice efforts to combat illegal logging, 2012, S. 5-10, http://siteresources.worldbank.org/EXTFINANCIALSECTOR/Resources/Illegal_Logging.pdf
(6) Human Rights Watch, The dark side of green growth: Human rights impacts of weak governance in Indonesia’s forestry sector, 2013, http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/indonesia0713webwcover_1.pdf
(7)Reuters Online News, 17. September 2010, „Graft could jeopardise Indonesia’s climate deals“: http://www.reuters.com/article/2010/09/17/indonesia-corruption-idUSSGE68G03P20100917
(8) Verordnung (EU) Nr. 995/2010.
(9) ABl. L 347 vom 30.12.2005, S. 1.


Lage in Venezuela
PDF 119kWORD 42k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zur Lage in Venezuela (2014/2600(RSP))
P7_TA(2014)0176RC-B7-0207/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Venezuela, insbesondere die Entschließungen vom 24. Mai 2007 zum Fall des Fernsehsenders RCTV(1), vom 23. Oktober 2008 zum Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter(2), vom 7. Mai 2009 zum Fall von Manuel Rosales(3), vom 11. Februar 2010 zu Venezuela(4), vom 8. Juli 2010 zum Fall von María Lourdes Afiuni(5) und vom 24. Mai 2012 zum möglichen Austritt Venezuelas aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission(6),

–  in Kenntnis der Erklärung des Sprechers der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vom 14. Februar 2014,

–  in Kenntnis der Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 21. Februar 2014 zu den Unruhen in Venezuela,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsparteien Venezuela zählt,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis auf die problematische Lage, in der sich Venezuela derzeit befindet; in der Erwägung, dass seit dem 12. Februar 2014 in ganz Venezuela Studenten friedliche Demonstrationen anführen, bei denen es zu tödlicher Gewalt gekommen ist und mindestens 13 Menschen getötet, mehr als 70 verletzt und Hunderte festgenommen worden sind; in der Erwägung, dass sich die Forderungen der Studenten darauf beziehen, dass es der Regierung von Präsident Maduro nicht gelungen ist, die Probleme der hohen Inflation, der Kriminalität, des Mangels an bestimmten Grundnahrungsmitteln, der zunehmenden Korruption sowie der Einschüchterung der Medien und der demokratischen Opposition zu lösen; in der Erwägung, dass die Regierung „Saboteure“ und „profigierige, korrupte Geschäftsleute“ für den Mangel verantwortlich macht; in der Erwägung, dass Venezuela das Land mit den größten Energiereserven in Lateinamerika ist;

B.  in der Erwägung, dass die Zahl der Demonstrationen in den letzten Tagen nicht abgenommen sondern im Gegenteil zugenommen hat und dass die Zahl der Todesopfer, Verletzten und Verhafteten als Folge der Unterdrückung durch die staatlichen Stellen und durch illegale bewaffnete Gruppen gestiegen ist;

C.  in der Erwägung, dass die politischen Spannungen und die Polarisierung in Venezuela derzeit zunehmen; in der Erwägung, dass die venezolanischen Behörden, anstatt zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden beizutragen, damit gedroht haben, eine „bewaffnete Revolution“ durchzuführen;

D.  unter Hinweis auf die Repressionen vor allem gegen Studenten, Journalisten, Oppositionsführer und friedliche Aktivisten der Zivilgesellschaft, die verfolgt und ihrer Freiheit beraubt wurden;

E.  in der Erwägung, dass schon seit langer Zeit in Venezuela gewalttätige und unkontrollierte bewaffnete Gruppen, die auf der Seite der Regierung stehen, ihr Unwesen treiben, ohne strafrechtlich belangt zu werden; in der Erwägung, dass die Opposition diesen Gruppen vorwirft, sie hätten während der friedlichen Demonstrationen zu Gewalt aufgewiegelt, was zu Toten und einigen Verletzten geführt habe; in der Erwägung, dass die venezolanische Regierung diese Vorkommnisse noch nicht aufgeklärt hat;

F.  in der Erwägung, dass die Medien zensiert und eingeschüchtert werden und Dutzende von Journalisten geschlagen oder festgenommen wurden oder ihre berufliche Ausrüstung zerstört wurde;

G.  unter Hinweis darauf, dass die Meinungsfreiheit und das Recht auf Teilnahme an friedlichen Demonstrationen grundlegende Elemente der Demokratie sind, und dass Gleichheit und Gerechtigkeit für alle unmöglich sind, wenn nicht die Grundfreiheiten und die Achtung des Rechts aller Bürger gelten; unter Hinweis auf die venezolanische Verfassung, in der das Versammlungs- und Vereinigungsrecht sowie das Recht auf friedliche Demonstrationen der Bürger garantiert sind; in der Erwägung, dass der Staat verpflichtet ist, die Grundrechte seiner Bürger zu schützen und ihre Sicherheit und ihr Recht auf Leben zu garantieren, ohne sie zu beschränken;

H.  in der Überzeugung, dass allein die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten, ein konstruktiver und respektvoller Dialog und Toleranz dem Land dabei behilflich sein können, diese schwere Krise zu überwinden und künftige Schwierigkeiten zu meistern;

1.  verurteilt alle Gewalttaten und die Tatsache, dass während der friedlichen Demonstrationen am 12. Februar 2014 und an den darauf folgenden Tagen Menschen ihr Leben verloren haben; spricht den Familien der Opfer sein aufrichtiges Beileid aus;

2.  bekundet seine tiefe Solidarität mit dem venezolanischen Volk, und gibt seiner Sorge Ausdruck, dass es im Falle weiterer Demonstrationen zu weiteren Gewalttaten kommen könnte, durch die die Kluft zwischen den Standpunkten der Regierung und der Opposition nur noch tiefer werden und es in Bezug auf die sensible politische Entwicklung in Venezuela zu einer noch größeren Polarisierung kommen könnte; fordert die Vertreter aller Parteien und Gesellschaftsgruppen Venezuelas auf, in Wort und Tat die Ruhe zu bewahren;

3.  erinnert die Regierung Venezuelas daran, dass die Meinungsfreiheit und das Recht, an friedlichen Demonstrationen teilzunehmen, wie sie in der venezolanischen Verfassung verankert sind, in einer Demokratie zu den grundlegenden Menschenrechten zählen, und fordert Präsident Maduro auf, die internationalen Verträge, zu deren Vertragsparteien Venezuela zählt, und insbesondere die Interamerikanische Demokratiecharta zu achten;

4.  erinnert die venezolanische Regierung daran, dass sie verpflichtet ist, für die Sicherheit aller Bürger des Landes zu sorgen, und zwar unabhängig von ihren politischen Ansichten und ihrer politischen Zugehörigkeit; gibt seiner tiefen Sorge darüber Ausdruck, dass Studenten und Anführer der Opposition festgenommen worden sind, und fordert, dass sie umgehend freigelassen werden;

5.  weist darauf hin, dass die Achtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung in einer Demokratie von grundlegender Bedeutung ist, und dass die Staatsorgane die Justiz nicht dafür einsetzen dürfen, die demokratische Opposition zu verfolgen und zu unterdrücken; fordert die venezolanischen Behörden auf, die haltlosen Anschuldigungen und Haftbefehle gegen Anführer der Opposition zurückzunehmen;

6.  fordert den venezolanischen Staat auf, die unkontrollierten bewaffneten Gruppen, die auf der Seite der Regierung stehen, unverzüglich zu entwaffnen und aufzulösen und ihrer Straflosigkeit ein Ende zu setzen; fordert, die aufgetretenen Todesfälle zu klären, damit die Täter für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden;

7.  fordert alle Beteiligten und insbesondere die venezolanischen Staatsorgane auf, einen friedlichen Dialog zu führen und alle Gesellschaftsgruppen Venezuelas einzubeziehen, um Punkte zu ermitteln, bei denen eine Annäherung möglich ist, und es allen politischen Akteuren zu ermöglichen, die drängendsten Probleme des Landes zu erörtern;

8.  betont, dass die Achtung der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit und der Meinungsfreiheit sowie des politischen Pluralismus eine wichtige Basis der Demokratie sind; bedauert, dass die Medien und das Internet zensiert werden und dass einige Blogs und soziale Netzwerke nur beschränkt zugänglich sind; verurteilt die Schikane, unter denen mehrere Zeitungen und andere audiovisuelle Medien, wie etwa der Sender NTN24 und CNN in spanischer Sprache, zu leiden hatten, und ist der Auffassung, dass diese Praktiken der venezolanischen Verfassung und den Zusagen widersprechen, die die Bolivarische Republik Venezuela gegeben hat;

9.  fordert die sofortige Entsendung einer Ad-hoc-Delegation dieses Parlaments, die die Lage im Land bewerten kann;

10.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Regierung und der Nationalversammlung der Bolivarischen Republik Venezuela, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten zu übermitteln.

(1) ABl. C 102 E vom 24.4.2014, S. 484.
(2) ABl. C 15 E vom 21.1.2010, S. 85.
(3) ABl. C 212 E vom 5.8.2010, S. 113.
(4) ABl. 341 E vom 16.12.2010, S. 69.
(5) ABl. C 351 E vom 2.12.2011, S. 130.
(6) ABl. C 264 E vom 13.9.2013, S. 88.


Zukunft der EU-Visumpolitik
PDF 128kWORD 45k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zur Zukunft der EU-Visumpolitik (2014/2586(RSP))
P7_TA(2014)0177B7-0194/2014

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 77,

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Belebung des Wachstums in der EU durch Umsetzung und Weiterentwicklung der gemeinsamen Visumpolitik“ (COM(2012)0649),

–  in Kenntnis des Berichts der Kommission über das Funktionieren der Schengen‑Zusammenarbeit vor Ort in den ersten beiden Jahren der Durchführung des Visakodexes (COM(2012)0648),

–  in Kenntnis des Siebten Berichts der Kommission über die Aufrechterhaltung der Visumpflicht bei Nichtbeachtung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit durch bestimmte Drittländer (COM(2012)0681),

–  unter Hinweis auf die letzten Änderungen(1) der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind(2),

–  unter Hinweis auf die jüngsten Visaerleichterungsabkommen mit Georgien(3), der Ukraine(4), Moldau(5), Kap Verde(6), Armenien(7) und Aserbaidschan(8),

–  unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zur Zukunft der EU-Visumpolitik (O-000028/2014 – B7-0108/2014),

–  gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die gemeinsame Visumpolitik eine logische Konsequenz der Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen im Schengen-Raum ist;

B.  in der Erwägung, dass die wichtigsten Aspekte der gemeinsamen Visumpolitik folgende sind: die gemeinsame Liste der Staaten, deren Angehörige der Visumpflicht unterliegen bzw. davon befreit sind (im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 539/2001), die gemeinsamen Regeln zur Visumerteilung (gemäß dem Visakodex), die einheitliche Visagestaltung, der Informationsaustausch über das Visa-Informationssystem sowie eine Reihe von internationalen Übereinkommen mit Drittländern über die Befreiung von der Visumpflicht und Visumerleichterungen;

C.  in der Erwägung, dass gemäß dem Vertrag von Lissabon das ordentliche Gesetzgebungsverfahren für alle Aspekte der gemeinsamen Visumpolitik angewendet wird und die Zustimmung des Parlaments für alle internationalen Übereinkommen in diesem Bereich notwendig ist;

D.  in der Erwägung, dass Überlegungen und eine interinstitutionelle Debatte über die Zukunft der gemeinsamen Visumpolitik der EU angestoßen werden sollten, insbesondere über Schritte hin zu einer weiteren Harmonisierung der Visaverfahren, einschließlich gemeinsamer Regeln zur Vergabe von Visa;

Allgemeine Visumpolitik und Überarbeitung des Visakodexes

1.  begrüßt die Fortschritte, die im Bereich des Visa-Besitzstandes gemacht wurden, fordert jedoch die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung des aktuellen Visa-Besitzstandes zu verbessern; fordert insbesondere eine bessere Schengen-Zusammenarbeit vor Ort, um die Umsetzung des Visakodexes auf kurze Sicht zu verbessern;

2.  vertritt die Auffassung, dass in der Zukunft Schritte hin zu einer weiteren Harmonisierung der Visaverfahren unternommen werden sollten, einschließlich wirklich gemeinsamer Regeln zur Visumerteilung;

3.  vertritt die Auffassung, dass die konsularische Präsenz in vielen Drittstaaten eindeutig nicht ausreichend ist;

4.  vertritt die Auffassung, dass sich gemeinsame Visumsantragstellen als sehr nützlich erwiesen haben und in der Zukunft zum Standard werden könnten;

5.  bedauert, dass die Kommission keine Studie darüber vorgelegt hat, ob „ein gemeinsamer europäischer Mechanismus für die Ausstellung von Kurzaufenthaltsvisa“ festgelegt werden kann, einschließlich einer Untersuchung, „inwiefern eine Einschätzung des individuellen Risikos die Risikovermutung im Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit des Antragstellers ergänzen könnte“, worum sie im Rahmen des Stockholmer Programms ersucht wurde (Kapitel 5.2 des Stockholmer Programms);

6.  vertritt die Auffassung, dass Reisen von Bona-Fide-Reisenden und häufig Reisenden weiter erleichtert werden sollten, insbesondere durch die stärkere Nutzung von Visa für mehrfache Einreisen mit einer längeren Gültigkeitsdauer;

7.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die aktuellen Bestimmungen des Visakodexes und des Schengener Grenzkodexes anzuwenden, die eine Erteilung von Visa aus humanitären Gründen ermöglichen, sowie die Bestimmungen zu vereinfachen, nach denen Menschenrechtsverteidigern, die in Drittländern Gefahren ausgesetzt sind, vorübergehend Zuflucht gewährt werden kann;

8.  sieht dem angekündigten Vorschlag zur Änderung des Visakodexes erwartungsvoll entgegen, bedauert jedoch, dass seine Annahme von der Kommission wiederholt aufgeschoben wurde;

9.  bedauert, dass die Kommission noch keine Gesamtbewertung des Visakodexes vorgelegt hat; bedauert, dass die Kommission beabsichtigt, die Bewertung zusammen mit dem Vorschlag zur Änderung des Visakodexes vorzulegen; vertritt die Auffassung, dass es angemessener wäre, wenn die Kommission zunächst den Bewertungsbericht vorlegen würde, damit die Organe auf dieser Grundlage beraten können;

Visaerleichterungen

10.  fordert, dass bei Bedarf weitere Visaerleichterungsabkommen geschlossen werden und dass die bestehenden Visaerleichterungsabkommen überwacht und verbessert werden;

11.  fordert eine systematische Bewertung der bestehenden Visaerleichterungsabkommen, um zu beurteilen, ob das angestrebte Ziel dadurch verwirklicht wird;

Verordnung (EG) Nr. 539/2001

12.  begrüßt die jüngsten Aktualisierungen der in der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 enthaltenen Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige der Visumpflicht unterliegen bzw. davon befreit sind, und insbesondere die zusätzlichen Ausnahmen von der Visumpflicht; verweist auf die Bedeutung des visumfreien Reisens für Drittstaaten und insbesondere für ihre Zivilgesellschaften, aber auch für die eigenen Interessen der EU;

13.  vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass ein Abkommen über die Aufhebung der Visumpflicht zwischen der EU und der Ukraine eine Möglichkeit wäre, auf die Forderungen der ukrainischen Zivilgesellschaft und Studierenden, die in den vergangenen Tagen demonstriert haben, einzugehen; hebt hervor, dass durch ein solches Abkommen der Austausch und die persönlichen Kontakte zwischen den Menschen der Zivilgesellschaft zunehmen würden, was positive Auswirkungen auf das gegenseitige Verständnis und die Wirtschaftsbeziehungen hätte; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, um die Ukraine in die Liste der Drittländer aufzunehmen, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind; fordert ebenso die Mitgliedstaaten auf, das aktuelle Visaerleichterungsabkommen vollständig umzusetzen, um insbesondere für Studierende und Wissenschaftler den Zugang zur EU zu vereinfachen;

14.  begrüßt, dass die Kriterien für die Befreiung von der Visumpflicht aktualisiert wurden und sie nun Erwägungen zu den Grundrechten, aber auch zum wirtschaftlichen Nutzen, insbesondere hinsichtlich des Tourismus und des Außenhandels, umfassen; begrüßt, dass diese Erwägungen in einen Artikel der Verordnung eingegangen sind;

15.  betont, dass für eine weitere Visaliberalisierung zusätzliche Kenntnisse über die Anwendung der aktuellen Programme für visumfreies Reisen notwendig sind, wie z. B. über das System der EU zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen (EU‑ESTA); fordert den Rat und die Kommission auf, das Parlament bezüglich der Situation von zur Diskussion stehenden Drittstaaten umfassender zu informieren, um für eine ordnungsgemäße demokratische Kontrolle zu sorgen;

16.  fordert die Kommission auf, darüber nachzudenken, wie in Zukunft die Änderungen in den Anhängen der Verordnung erforderlichenfalls parallel zu den Änderungen in den bilateralen Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht vorgenommen werden könnten, um dafür zu sorgen, dass nach einer Änderung der Anhänge umgehend auch das erforderliche Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht geschlossen wird;

17.  nimmt das Abkommen über den Aussetzungsmechanismus zur Kenntnis; erwartet, dass die Mitgliedstaaten diesen Mechanismus nach Treu und Glauben und nur als letztes Mittel in Notlagen einsetzen, in denen eine umgehende Reaktion notwendig ist, um die Schwierigkeiten zu überwinden, mit denen die Union in ihrer Gesamtheit konfrontiert ist; erwartet außerdem, dass der Mechanismus nur eingesetzt wird, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind;

18.  vertritt die Auffassung, dass sich die Union in ihren Beziehungen zu Drittstaaten aktiv um die umfassende Anwendung des Prinzips der Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht bemühen sollte, um damit zu einer größeren Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit der Außenpolitik der Union auf internationaler Ebene beizutragen;

19.  fordert, dass eine Debatte über die Zusammenhänge zwischen einer weiteren Visaliberalisierung und den Forderungen einiger Mitgliedstaaten nach verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und strengeren Grenzkontrollen für Reisende, die von der Visumpflicht befreit sind, geführt wird;

Visa-Informationssystem (VIS)

20.  fordert die EU-Agentur für IT-Großsysteme (eu-LISA) auf, den angekündigten Bewertungsbericht zum Visa-Informationssystem (VIS) so schnell wie möglich vorzulegen;

Beteiligung des Europäischen Parlaments

21.  fordert den Rat und die Kommission auf, die Weitergabe von Informationen an das Parlament bezüglich der Verhandlungen über internationale Übereinkommen zu Visaangelegenheiten im Einklang mit Artikel 218 Absatz 10 AEUV und der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission zu verbessern;

22.  bekundet seine Absicht, innerhalb des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres eine Kontaktgruppe zur Visumpolitik einzurichten; ersucht den Ratsvorsitz und die Mitgliedstaaten sowie die Kommission, sich an den Sitzungen dieser Kontaktgruppe zu beteiligen;

o
o   o

23.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) Verordnung (EU) Nr. 1091/2010 (ABl. L 329 vom 14.12.2010, S. 1); Verordnung (EU) Nr. 1211/2010 (ABl. L 339 vom 22.12.2010, S. 6); Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 74); COM(2012)0650; COM(2013)0853.
(2) ABl. L 81, 21.3.2001, S. 1.
(3) Beschluss des Rates 2011/117/EU (ABl. L 52 vom 25.2.2011, S. 33).
(4) Beschluss des Rates 2013/297/EU (ABl. L 168 vom 20.6.2013, S. 10).
(5) Beschluss des Rates 2013/296/EU (ABl. L 168 vom 20.6.2013, S. 1).
(6) Beschluss des Rates 2013/521/EU (ABl. L 282 vom 24.10.2013, S. 1).
(7) Beschluss des Rates 2013/628/EU (ABl. L 289 vom 31.10.2013, S. 1).
(8) COM(2013)0742.


Spezifische Maßnahmen in der Gemeinsamen Fischereipolitik für die Entwicklung der Rolle der Frauen
PDF 159kWORD 62k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu spezifischen Maßnahmen in der Gemeinsamen Fischereipolitik für die Entwicklung der Rolle der Frauen (2013/2150(INI))
P7_TA(2014)0178A7-0070/2014

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis des in Bezug auf den Europäischen Fischereifonds (EFF) anzuwendenden Regelwerks, insbesondere der Verordnungen (EG) Nr. 2328/2003, (EG) Nr. 861/2006, (EG) Nr. 1198/2006 und (EG) Nr. 791/2007 des Rates, in denen die Regeln und Vereinbarungen im Zusammenhang mit den gemeinschaftlichen Strukturmaßnahmen im Fischereisektor festgelegt sind,

–  in Kenntnis der Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates(1),

–  unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 6. Februar 2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gemeinsame Fischereipolitik(2),

–  unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 12. September 2012 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur(3),

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission und der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Meeres- und Fischereifonds (COM(2011)0804),

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission und der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regeln für die Beteiligung am Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) sowie für die Verbreitung der Ergebnisse (COM(2011)0810),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015 (COM(2010) 0491,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2005 zu Frauennetzwerken: Fischerei, Landwirtschaft und Diversifizierung(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. November 2012 zur Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei und zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik(5),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. November 2012 zur externen Dimension der Gemeinsamen Fischereipolitik(6),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2012 zu der „Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik – Generelle Mitteilung“(7),

–  unter Hinweis auf die Anhörung zum Thema „Frauen und die nachhaltige Entwicklung von Fischereigebieten“, die am 1. Dezember 2010 im Fischereiausschuss stattfand,

–  unter Hinweis auf die Anhörung des Fischereiausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zum Thema „Entwicklung der Rolle der Frauen in der Fischerei und in der Aquakultur in Europa“, die am 14. Oktober 2013 im Europäischen Parlament stattfand,

–   gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis der gemeinsamen Beratungen des Fischereiausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter gemäß Artikel 51 der Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Fischereiausschusses und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A7-0070/2014),

A.  in der Erwägung, dass die von Frauen in der Fischerei und Aquakultur geleistete Arbeit nicht anerkannt wird und im Allgemeinen unsichtbar bleibt, obwohl sie eine beträchtliche wirtschaftliche Wertschöpfung darstellt und in vielen Gemeinschaften und Regionen Europas, insbesondere in von der Fischerei abhängigen Gebieten, zur sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit beiträgt;

B.  in der Erwägung, dass in den Mitgliedstaaten mehr als 100 000 Frauen im Fischereisektor tätig sind, davon 4 % im Fischfang sowie in dem Bereich, der mit den Tätigkeiten der Fischereifahrzeuge im Zusammenhang steht, und zwar als Netzknüpferinnen, Helferinnen beim Entladen und Säubern der Fische oder Packerinnen, und 30 % in der Aquakultur, vor allem bei der Muschelfischerei „zu Fuß“, sowie etwa 60 % in der Verarbeitungsindustrie;

C.  in der Erwägung, dass Frauen in der Fischerei und Aquakultur seit jeher schwere Arbeiten, wie das Muschelsammeln „zu Fuß“, den traditionellen Fischhandel – ambulant oder in entsprechenden Verkaufsstellen –, die Herstellung und Reparatur von Fischereinetzen (Netzknüpferinnen), das Entladen und Sortieren von Fisch sowie das Verpacken unter besonders schwierigen klimatischen Bedingungen ausüben;

D.  in der Erwägung, dass die Realität der Beschäftigung von Frauen in einigen dieser Sektoren in den Statistiken weit unterschätzt wird und dass die allgemeine Wirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit in einigen Mitgliedstaaten zu einem weiteren Anstieg dieser Zahlen beigetragen und dazu geführt haben, dass sich Frauen verstärkt an Tätigkeiten im Fischereisektor, vor allem am Muschelsammeln von Land aus, beteiligen, um das Familieneinkommen zu ergänzen oder sogar zu sichern;

E.  in Anerkennung des Beitrags von Frauen in Tätigkeitsbereichen, die mit der Fischerei und Aquakultur zusammenhängen, insbesondere in der Fertigung und Reparatur von Fangnetzen, im Entladen und Sortieren von Fisch, in der Versorgung der Schiffe mit Proviant, der Verarbeitung, Verpackung und Vermarktung von Fisch oder der Leitung von Fischereibetrieben;

F.  in der Erwägung, dass es in Ziffer 30 seiner Entschließung vom 22. November 2012 zur Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei und zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik die Mitgliedstaaten aufforderte, die Bedeutung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rolle der Frauen in der Fischereiindustrie zu berücksichtigen, sodass Frauen Zugang zu Sozialleistungen erhalten können, und darauf hinwies, dass die aktive Teilnahme von Frauen an unterschiedlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Fischerei zur Erhaltung und zum Überleben des Fischereisektors einerseits und der Traditionen und besonderen Bräuche andererseits sowie zum Schutz der kulturellen Besonderheiten der verschiedenen Regionen beiträgt;

G.  in der Erwägung, dass es in seinem Standpunkt vom 12. September 2012 forderte, dass die Beteiligung von Frauen an den Erzeugerorganisationen im Fischerei- und Aquakultursektor gefördert werden soll;

H.  in der Erwägung, dass es in Ziffer 31 seiner Entschließung vom 22. November 2012 zur Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei und zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik forderte, dass der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF) Mittel für die Förderung der Beteiligung von Frauen am Fischereisektor, die Unterstützung von Frauenvereinigungen, die Förderung der Berufsbildung für Frauen und die Verbesserung der Rolle von Frauen in der Fischerei, insbesondere durch Unterstützung sowohl von zu Land ausgeführten Tätigkeiten und als auch von mit der Fischerei zusammenhängenden vor- wie nachgelagerten Tätigkeiten bereitstellt;

I.  in der Erwägung, dass es die Kommission und die Mitgliedstaaten in Ziffer 39 seiner Entschließung vom 22. November 2012 zur Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei und zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik aufforderte, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Frauen in den Genuss von gleichem Lohn und sonstigen Arbeitnehmerrechten, sozialen und wirtschaftlichen Rechten, einschließlich einer Versicherung gegen die Gefahren bei der Arbeit im Fischereisektor und für Maßnahmen zur Anwendung der Koeffizienten, die eine Herabsetzung des Renteneintrittsalters und somit eine Frühverrentung aufgrund der Schwere der Arbeit (Nachtarbeit, Gefährlichkeit, der Produktionsrate oder den Fangmöglichkeiten unterliegende Arbeitszeiten) ermöglichen, die die Arbeit im Fischereisektor für sie mit sich bringt, sowie der Anerkennung ihrer spezifischen Krankheiten als Berufskrankheiten;

J.  in der Erwägung, dass statistische Daten über Arbeitskräfte, insbesondere über deren Aufschlüsselung nach Geschlecht in bestimmten Tätigkeitsbereichen wie der Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei, der extensiven Aquakultur und damit zusammenhängenden Tätigkeiten gegenüber statistischen Daten über Fänge, Anlandungen, Tonnagen usw. als zweitrangig angesehen werden;

K.  in der Erwägung, dass auf der Ebene der EU und auf der Ebene der Mitgliedstaaten die statistischen Daten über Arbeitskräfte im Bereich der Fischerei, der Aquakultur und der damit zusammenhängenden Sektoren nicht vollständig, nicht harmonisiert und nicht nach Indikatoren gegliedert sind, wodurch eine Abschätzung des Beitrags der Frauen in diesen Bereichen möglich wäre;

L.  in der Erwägung, dass Frauen trotz der von ihnen im Fischerei- und Aquakultursektor geleisteten Arbeit und ihres wichtigen wirtschaftlichen Beitrags weder einen angemessenen Sozial- und Arbeitsschutz genießen noch einen angemessenen beruflichen und arbeitsrechtlichen Status haben;

M.  in der Erwägung, dass Frauen im Fischereisektor wirtschaftlich benachteiligt werden und für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer;

N.  in der Erwägung, dass die Arbeit von Frauen im Fischereisektor häufig rechtlich nicht anerkannt ist und somit kein Zugang zu einem Sozialschutz besteht, der den für diese Tätigkeiten charakteristischen Risiken und gesundheitlichen Beeinträchtigungen entspricht;

O.  in der Erwägung, dass es die Kommission und die Mitgliedstaaten in Ziffer 42 seiner Entschließung vom 22. November 2012 zur Kleinfischerei und handwerklichen Fischerei und zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik aufforderte, Maßnahmen zu ergreifen, damit sowohl auf rechtlicher als auch sozialer Ebene eine bessere Anerkennung der Arbeit von Frauen im Fischereisektor erreicht wird, damit Frauen, die in Voll- oder Teilzeit für Familienunternehmen arbeiten oder ihren Ehepartner unterstützen und auf diese Weise zur ihrer eigenen wirtschaftlichen Erhaltung und der ihrer Familie beitragen, die gleiche rechtliche Anerkennung und die gleichen Sozialleistungen erhalten wie selbständig Erwerbstätige, insbesondere durch Anwendung der Richtlinie 2010/41/EU, und ihre sozialen und wirtschaftlichen Rechte, wie gleicher Lohn, das Recht auf Arbeitslosengeld im Falle eines (vorübergehenden oder endgültigen) Verlusts der Arbeit, Rentenanspruch, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Elternurlaub, Zugang zu Sozialversicherung und kostenloser Gesundheitsversorgung sowie der Schutz ihrer Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, einschließlich einer Versicherung für die Gefahren auf See, sichergestellt werden;

P.  in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung vom 12. September 2012 auf die Notwendigkeit hinwies, Frauen eine größere rechtliche und soziale Ankerkennung und eine höhere Vergütung für ihre Rolle im Fischereisektor sowie die gleichen Rechte wie Männern zu gewähren und sicherzustellen, dass Ehepartnern bzw. Lebenspartnern von Fischern, die zum Erhalt des Familienbetriebs beitragen, der gleiche rechtliche Status und die gleichen Sozialleistungen zuerkannt werden wie selbständig Erwerbstätigen;

1.  fordert die Kommission auf, ein spezifisches Statistikprogramm für fischereiabhängige Regionen auf den Weg zu bringen – unter besonderer Berücksichtigung der kleinen Küstenfischerei, traditioneller Fangmethoden und spezifischer Vermarktungswege sowie der Arbeit und der sozialen und Arbeitsbedingungen der in der Muschelernte, der Netzknüpferei und der kleinen Fischerei und damit zusammenhängenden Bereichen tätigen Frauen –, um die spezifischen Erfordernisse der Tätigkeit der Frauen zu bewerten und diesen sehr anstrengenden Berufen mehr soziale Anerkennung zu verschaffen;

2.  erachtet es für erforderlich, die nach Geschlecht, Art der Tätigkeit und Art des Beschäftigungsverhältnisses (selbständig, abhängig beschäftigt, Teilzeit, Vollzeit, Gelegenheitsarbeit) aufgeschlüsselte Erhebung und Analyse statistischer Daten über die Beschäftigung im Fischereisektor zu verbessern, um den Beitrag der Frauen im Fischerei- und Aquakultursektor abschätzen zu können;

3.  fordert die Kommission auf, die nach Geschlecht aufgeschlüsselte Erhebung von Daten auf den Fischfangsektor auszuweiten und neue Indikatoren wie Alter, Ausbildungs-- und Weiterbildungsniveau und Tätigkeit von mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartnern einzuführen;

4.  erachtet es für notwendig, klare Definitionen hinsichtlich der statistischen Indikatoren zu erstellen, die bei der Erfassung von Daten zur Beschäftigung von Arbeitskräften im Bereich der Fischerei, der Aquakultur und der damit zusammenhängenden Sektoren verwendet werden; hält es auch für notwendig, eine Reihe harmonisierter statistischer Indikatoren auf EU-Ebene auszuarbeiten, und fordert die Mitgliedstaaten auf, umgehend vollständige Daten entsprechend diesen Indikatoren bereitzustellen;

5.  fordert die Kommission und den Rat auf, die Rolle der Frauen im Fischerei- und Aquakultursektor sowie bei der nachhaltigen Entwicklung von der Fischerei abhängiger Gebiete rechtlich und sozial anzuerkennen, um alle wirtschaftlichen, verwaltungstechnischen und sozialen Hemmnisse auszuräumen, die ihre gleichberechtigte Teilhabe erschweren;

6.  fordert die Kommission und den Rat auf, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, Gelenk- oder Wirbelsäulenschäden sowie rheumatische Erkrankungen, die durch die harten Witterungsbedingungen, unter denen in der Muschelernte, in der Netzknüpferei, in der Verarbeitung, in der Fischerei und in der Vermarktung tätige Frauen arbeiten müssen, sowie durch das Heben schwerer Lasten verursacht wurden, als Berufskrankheiten anzuerkennen und diesbezügliche Regelungen zu treffen;

7.  fordert die Kommission auf, anzuerkennen, dass die Arbeit der Frauen eine bessere Rückverfolgbarkeit von Fischereierzeugnissen ermöglicht, was dazu beiträgt, den Verbrauchern bessere Kenntnisse zu vermitteln, für höhere Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse sorgt und somit die wirtschaftlichen, gastronomischen und touristischen Chancen der Fischereigebiete erhöht;

8.  fordert die Schaffung (im Rahmen des Europäischen Meeres- und Fischereifonds und/oder anderer Instrumente) von spezifischen Unterstützungsmechanismen, die in Notsituationen (Naturkatastrophen) aktiviert werden können, sowie von Mechanismen für Ausgleichszahlungen an die Fischer, Fischerinnen und ihre Familien während der Fangverbotszeiträume, insbesondere in Gebieten, in denen die Fischerei die einzige Einnahmequelle darstellt;

9.  erachtet es für notwendig, den Zusammenschluss von Frauen im Rahmen von Frauennetzwerken auf nationaler und europäischer Ebene zu fördern und finanziell zu unterstützen, um auf die Rolle der Frauen im Fischereisektor aufmerksam zu machen, die Gesellschaft für den Beitrag der Frauen zur Fischereitätigkeit zu sensibilisieren, den Erfahrungsaustausch zu ermöglichen und von den lokalen Gebietskörperschaften bis hin zu europäischen Einrichtungen die Bedürfnisse und Forderungen der Frauen zu kommunizieren;

10.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Frauenorganisationen im Bereich der Fischerei, der Aquakultur und der damit zusammenhängenden Tätigkeiten den Zugang zur Finanzierung zu erleichtern, damit sie ihre Initiativen umsetzen, ihre Organisationen stärken und mit anderen Frauenorganisationen in Verbindung treten können, um sich über Erfahrungen und bewährte Praktiken auszutauschen;

11.  erachtet es als notwendig, die aktive Beteiligung von Frauen an beratenden Gremien und Beiräten, Beschlussfassungs- und Vertretungsorganen, regionalen Gremien und Berufsverbänden zu fördern und zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie gleichberechtigt mit den Männern in Entscheidungen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich einbezogen werden;

Der Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF) 2013-2020

12.  fordert die Mitgliedstaaten in Anbetracht der Tatsache, dass nur einer der Mitgliedstaaten die Möglichkeiten von Schwerpunkt 4 des Europäischen Fischereifonds zur Finanzierung von Projekten genutzt hat, die Frauen zugutekommen, auf, die vom EMFF gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um

   den Grundsatz der Chancengleichheit bei der Ausarbeitung, Weiterentwicklung und Umsetzung operationeller Programme anzuwenden;
   den Fischereisektor frauenfreundlicher zu machen, indem der Sektor umgestaltet und entsprechende Einrichtungen (wie Umkleideräume auf Booten oder in Häfen) vorgesehen werden;
   Frauenvereinigungen und ihre Vernetzung (z. B. von Netzknüpferinnen, Helferinnen beim Entladen und Säubern der Fische, Packerinnen) zu unterstützen;
   Projekte zur Milderung der Probleme im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen der Frauen, die Muscheln zu Fuß ernten, einschließlich von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben, zu unterstützen;
   Projekte zur Förderung, Diversifizierung und Aufwertung der Rolle der Frauen in der Fischerei und Aquakultur zu fördern;
   Frauen und Mädchen durch die Finanzierung spezieller Ausbildungsgänge und Berufsbildungsmöglichkeiten sowie die berufliche Anerkennung ihrer Tätigkeit den Zugang zur Bildung zu erleichtern; zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten Verfahren zum Erhalt von Berufsbefähigungszeugnissen mit offizieller Anerkennung einführen und Zentren für eine Ausbildung in den Berufstätigkeiten einrichten, die die Frauen der verschiedenen Gemeinschaften herkömmlicherweise ausüben;
   den Mädchen verbesserte Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sowie die Kontinuität zwischen den Generationen insbesondere durch die Entwicklung von nachhaltigen Tätigkeiten im maritimen Bereich zu unterstützen;
   die Berufsbildung voranzutreiben, insbesondere für Frauen im Fischerei- und Aquakultursektor, um ihre Möglichkeiten für den Zugang zu Führungspositionen und zu Positionen für qualifizierte Fach- und Managementkräfte im Bereich der Fischerei bei gleichem Lohn zu erhöhen;
   die Rolle von Frauen in der Fischerei zu verbessern, insbesondere durch Unterstützung der an Land ausgeführten Tätigkeiten und von mit der Fischerei zusammenhängenden Tätigkeiten sowohl in der Produktion, der Verarbeitung, der Vermarktung und dem Verkauf;
   die unternehmerischen Initiativen von Frauen zu fördern, gegebenenfalls einschließlich der wirtschaftlichen Diversifizierung bestimmter mit der Fischerei zusammenhängender Tätigkeiten, darunter Tätigkeiten in den Bereichen Museologie, kulturelle Traditionen, Handwerk, Gastronomie und Gaststättengewerbe;
   in den Küstenregionen, in denen infolge der Umsetzung der Fischereireform Arbeitsplätze verloren gegangen sind, unternehmerische Initiativen in Tätigkeitsbereichen zu fördern, die nicht mit der Fischerei in Zusammenhang stehen;

13.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Möglichkeiten für die Vergabe zinsverbilligter Darlehen vorzusehen, um die spezifischen Schwierigkeiten zu vermeiden, denen sich Frauen bei der Finanzierung von Projekten gegenübersehen, die in die nationalen Programme im Rahmen des EMFF einbezogen werden können;

14.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die unternehmerischen Initiativen von Frauen durch die Förderung eines günstigen Mikrokreditsystems sowie durch angemessene Unterrichtung über die Finanzierungsmöglichkeiten zu unterstützen;

15.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Entwicklung und Modernisierung der örtlichen Infrastruktur, zur Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit sowie zur Verbesserung der Lebensqualität in Fischereigebieten zu ergreifen, insbesondere in den zur Gänze von der Fischerei abhängigen Gebieten, um die nachhaltige Entwicklung dieser Gebiete, die Bekämpfung der Armut im Allgemeinen und der Armut von Frauen und Kindern im Besonderen sowie der Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt sicherzustellen;

16.  bekräftigt die während des Verfahrens in Bezug auf das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) vertretenen Positionen im Zusammenhang mit der verstärkten Beteiligung von Frauen, insbesondere derjenigen, die ihre berufliche Tätigkeit der Erforschung der Meeresumwelt widmen, an sämtlichen Forschungstätigkeiten, Wissenschaftsprojekten und -disziplinen;

17.  fordert die Mitgliedstaaten auf:

   die Arbeit der Frauen, die wirtschaftlich zur Erhaltung der Familie beitragen, sowie die Arbeit derjenigen, die dies durch ihre unbezahlte Arbeit tun, rechtlich anzuerkennen;
   die Unterstützung für Frauen sicherzustellen und ihnen Arbeitslosengeld - wenn sie ihre Arbeit (vorübergehend oder endgültig) aufgeben müssen -, Rentenanspruch, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Elternurlaub (unabhängig von ihrem Partnerschaftsstatus), Zugang zu Sozialversicherung und kostenloser Gesundheitsversorgung sowie Schutz vor Gefahren bei der Arbeit auf See und im Fischereisektor zu gewähren;

18.  ruft in Erinnerung, dass es in Ziffer 28 seiner Entschließung vom 22. November 2012 zur externen Dimension der Gemeinsamen Fischereipolitik fordert, dass sich die EU im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) für eine Sanktionierung der Länder einsetzt, die Maßnahmen zur Diskriminierung von Frauen treffen, und in Ziffer 45 derselben Entschließung die Kommission auffordert, im Rahmen der Verhandlungen über Fischereiabkommen zu erreichen, dass die Küstenstaaten einen wesentlichen Teil der sektoralen Unterstützung der Entwicklung von Projekten zuweisen, deren Ziel die Anerkennung, Förderung und Diversifizierung der Rolle der Frauen im Fischereisektor ist, und zwar unter Sicherstellung der Anwendung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit von Frauen und Männern, insbesondere im Zusammenhang mit der Aus- und Weiterbildung sowie dem Zugang zu Finanzmitteln und Darlehen;

19.  fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die europäische Gleichstellungsdimension im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, welche die Fischerei umfassen, berücksichtigt und gewährleistet wird;

Grundverordnung über die Gemeinsame Fischereipolitik

20.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Erfüllung der Ziele der neuen Gemeinsamen Fischereipolitik in Bezug auf den Zugang zu den Fischereiressourcen auf der Grundlage transparenter ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Kriterien unter Einbeziehung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern sicherzustellen;

21.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den arbeitsrechtlichen Status von Frauen im Falle des zeitweiligen Aussetzens der Tätigkeit, einschließlich der biologisch bedingten Schonzeiten, anzuerkennen;

22.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Einhaltung der Richtlinie 2010/41/EU zu gewährleisten, damit Frauen im Fischereisektor, die in Voll- oder Teilzeit für Familienunternehmen arbeiten oder ihren Ehegatten oder Lebenspartner unterstützen und auf diese Weise zu ihrer eigenen wirtschaftlichen Erhaltung und der ihrer Familie beitragen, sowie alleinstehende Frauen, die mit einer solchen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen, die gleiche rechtliche Anerkennung und die gleichen Sozialleistungen erhalten wie selbständig Erwerbstätige;

o
o   o

23.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0040.
(3) ABl. C 353 E vom 3.12.2013, S. 212.
(4) ABl. C 286 E vom 23.11.2006, S. 519.
(5) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0460.
(6) Angenommene Texte, P7_TA(2012)0461.
(7) ABl. C 353 E vom 3.12.2013, S. 104.


Abgaben für Privatkopien
PDF 143kWORD 55k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. Februar 2014 zu den Abgaben für Privatkopien (2013/2114(INI))
P7_TA(2014)0179A7-0114/2014

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft(1),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt (COM(2012)0372) und die dazugehörige Folgenabschätzung,

–  gestützt auf die Artikel 4, 6, 114 und 118 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, insbesondere jene vom 21. Oktober 2010 in der Rechtssache C‑467/08 Padawan ./. SGAE, Sammlung der Rechtsprechung 2010, Seite I‑10055, vom 16. Juni 2011 in der Rechtssache C‑462/09 Stichting de Thuiskopie ./. Opus Supplies Deutschland GmbH u. a., Sammlung der Rechtsprechung 2011, Seite I‑05331, vom 9. Februar 2010 in der Rechtssache C‑277/10 Martin Luksan ./. Petrus van der Let (noch nicht veröffentlicht), vom 27. Juni 2013 in den gemeinsamen Rechtssachen C‑457/11 bis C‑460/11 VG Wort ./. Kyocera Mita u. a. (noch nicht veröffentlicht) und vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C‑521/11 Austro Mechana ./. Amazon (noch nicht veröffentlicht),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 24. Mai 2011 mit dem Titel „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums – Förderung von Kreativität und Innovation zur Gewährleistung von Wirtschaftswachstum, hochwertigen Arbeitsplätzen sowie erstklassigen Produkten und Dienstleistungen in Europa“, COM(2011)0287,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über Inhalte im digitalen Binnenmarkt vom 18. Dezember 2012 (COM(2012)0789),

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen von António Vitorino vom 31. Januar 2013, die sich aus der Schlichtung über die Abgaben für private Kopien und private Vervielfältigung ergeben,

–  unter Hinweis auf das am 29. Juni 2011 gebilligte Arbeitsdokument des Rechtsausschusses „Copyright in the music and audiovisual sectors“ (Urheberrecht in der Musikbranche und im audiovisuellen Sektor),

–  gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–  in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A7‑0114/2014),

A.  in der Erwägung, dass Kultur und künstlerisches Schaffen den Wesenskern der europäischen Identität in Vergangenheit und Gegenwart bilden und auch in der Zukunft für die Weiterentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft in der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung sein werden;

B.  in der Erwägung, dass Kultur und künstlerisches Schaffen zentrale Bestandteile der Digitalwirtschaft sind und dass der gleichberechtigte Zugang zum digitalen Wachstum Europas eine Voraussetzung dafür ist, dass sowohl hochwertige als auch triviale kulturelle Inhalte zum Ausdruck kommen können; in der Erwägung, dass aus Konsultationen hervorgeht, dass sich die Hoffnungen, die in den digitalen Binnenmarkt gesetzt wurden, immer noch nicht erfüllt haben, was den eigentlichen Vertrieb, ein gerechtes Entgelt für die Urheber und generell eine gerechte und funktionierende Einkommensverteilung im Kulturbereich betrifft, und dass Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind, um diese Probleme zu beheben;

C.  in der Erwägung, dass die Digitalisierung sich stark darauf auswirkt, wie kulturelle Identitäten ausgedrückt, verbreitet und entwickelt werden, dass niedrigere Schranken für die Mitwirkung daran und das Aufkommen neuer Vertriebskanäle den Zugang zu Werken und Kultur erleichtern und die weltweite Verbreitung, Entdeckung und Wiederentdeckung von Kultur und künstlerischem Schaffen vereinfachen und Chancen für Urheber und Künstler bieten; in der Erwägung, dass sich dadurch die Marktchancen für neue Dienstleistungen und Unternehmen erheblich vergrößert haben;

D.  in der Erwägung, dass Urheber auch im Zeitalter der Digitaltechnik Anspruch auf Schutz ihrer kreativen Leistung und das Recht auf eine angemessene Vergütung dieser Leistung haben müssen;

E.  in der Erwägung, dass digitale Privatkopien – bedingt durch den technischen Fortschritt, die Verlagerung ins Internet und die zunehmende Nutzung von Cloud-Computing-Diensten – eine große wirtschaftliche Bedeutung erlangt haben und dass mit dem jetzigen System der Abgabe für Privatkopien den Entwicklungen im Zeitalter der Digitaltechnik nicht ausreichend Rechnung getragen wird; in der Erwägung, dass es gegenwärtig noch kein alternatives Modell in diesem Bereich gibt, bei dem ein angemessener Ausgleich für die Rechteinhaber sichergestellt ist und gleichzeitig Privatkopien zulässig sind; in der Erwägung, dass eine Diskussion über die Aktualisierung der Regelung für Privatkopien mit dem Ziel geführt werden muss, diese Regelung effizienter zu gestalten und dabei dem technischen Fortschritt stärker Rechnung zu tragen;

F.  in der Erwägung, dass in der vom Parlament und dem Rat am 4. Februar 2014 gebilligten Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt bekräftigt wird, dass es bei der Wahrnehmung von Urheberrechten erforderlich ist, eingehend auf die Transparenz der Geldströme einzugehen, die die Verwertungsgesellschaften unter anderem in Bezug auf Privatkopien erhalten, aufteilen und den Rechteinhabern auszahlen;

G.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 2001/29/EG die Möglichkeit erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken vorzusehen, und dass es den Verbrauchern in den Ländern, die eine solche Beschränkung eingeführt haben, gestattet werden darf, ihre Musik- und audiovisuellen Sammlungen uneingeschränkt und nach Belieben von einem Multimediadatenträger auf einen anderen zu kopieren, ohne die Genehmigung der Rechteinhaber einzuholen, sofern es sich um eine rein private Nutzung handelt; in der Erwägung, dass die Abgaben je nach dem Schaden, der dem Rechteinhaber durch die Privatkopie entstehen könnte, berechnet werden sollten;

H.  in der Erwägung, dass die Abgaben für Privatkopien, die in 23 der 28 Mitgliedstaaten erhoben werden, sich seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2001/29/EG insgesamt mehr als verdreifacht haben und Schätzungen der Kommission zufolge heute bei über 600 Millionen Euro liegen; in der Erwägung, dass dieser Betrag eine bedeutende Summe für die Künstler ist;

I.  in der Erwägung, dass diese Abgaben für die Hersteller und Importeure von herkömmlichen und digitalen Aufnahmemedien und ‑geräten nur einen Bruchteil ihres auf über 1 Billion Euro geschätzten Umsatzes darstellen;

J.  in der Erwägung, dass bei zahlreichen mobilen Endgeräten theoretisch die Möglichkeit zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch besteht, diese Endgeräte allerdings nicht zu diesem Zweck benutzt werden; mit der Forderung, langfristig zu erörtern, wie ein effizienteres und eher zeitgemäßes Modell gestaltet werden könnte, das nicht unbedingt auf einer pauschalen Geräteabgabe beruht;

K.  in der Erwägung, dass ein Vergleich der Preise der verkauften Geräte zwischen Ländern, die eine Abgabe erheben, und Ländern, die keine erheben, zeigt, dass die Abgabe auf Privatkopien sich nur unwesentlich auf den Warenpreis auswirkt;

L.  in der Erwägung, dass seit Inkrafttreten der Richtlinie 2001/29/EG die Hersteller und Importeure herkömmlicher und digitaler Aufnahmemedien und ‑geräte auf nationaler und EU-Ebene zahlreiche Klagen eingereicht haben;

M.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/29/EG und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht dazu verpflichtet sind, für die direkte Auszahlung der Gesamtheit der Abgaben für Privatkopien an die Rechteinhaber zu sorgen; in der Erwägung, dass der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob ein Teil dieses Ausgleichs auch indirekt gezahlt werden kann, beträchtlich ist;

N.  in der Erwägung, dass die Abgaben für Privatkopien von den Verbrauchern gezahlt werden, wenn sie Medien oder Dienstleistungen für die Aufzeichnung und Speicherung erwerben, und dass sie daher das Recht haben, zu erfahren, ob derartige Abgaben erhoben werden und wie hoch sie sind; in der Erwägung, dass bei der Festlegung der Höhe der Abgabe für Privatkopien der tatsächlichen Verwendung dieser Geräte und Dienstleistungen für die Anfertigung von Privatkopien von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material Rechnung getragen werden sollte;

O.  in der Erwägung, dass die Medien- und Gerätepreise nicht je nach den unterschiedlich hohen Abgabensätzen für Privatkopien in der Union variieren und dass die Abschaffung der Abgaben für Privatkopien im Jahr 2012 in Spanien keine Auswirkungen auf die Medien- und Gerätepreise hatte;

P.  in der Erwägung, dass sich die einzelnen Modelle und Sätze in Verbindung mit der Erhebung der Abgaben für Privatkopien und auch ihre Auswirkungen auf die Verbraucher und den Binnenmarkt unterscheiden; in der Erwägung, dass ein EU-Rahmen geschaffen werden sollte, mit dem zum Wohle der Rechteinhaber, der Gerätehersteller und ‑importeure und der Verbraucher und Dienstleister in der gesamten Union für ein hohes Maß an Transparenz gesorgt wird; in der Erwägung, dass die Abgaberegelungen in zahlreichen Mitgliedstaaten modernisiert werden sollten und ein EU-Rahmen geschaffen werden sollte, mit dem gleiche Bedingungen für Rechteinhaber, Gerätehersteller und ‑importeure und die Verbraucher und Dienstleister in der gesamten Union gewährleistet werden, damit das System im gegenwärtigen Binnenmarkt im Zeitalter der Digitaltechnik stabil gehalten wird;

Q.  in der Erwägung, dass die in den Mitgliedstaaten eingeführten Freistellungs- und Erstattungsmechanismen für Formen der gewerblichen Nutzung funktionieren sollten; in der Erwägung, dass diese Mechanismen in einigen Mitgliedstaaten notwendig sind und dass die in einigen Mitgliedstaaten ergangenen Gerichtsurteile nicht immer umgesetzt werden;

R.  in der Erwägung, dass in Bezug auf Online-Werke beim Zugang und Verkauf zusätzlich zum System der Abgaben für Privatkopien Lizenzvergabesysteme bestehen;

S.  in der Erwägung, dass insbesondere im digitalen Bereich der klassische Kopiervorgang durch sogenannte Streaming-Systeme ersetzt wird, bei denen keine Kopie der urheberrechtlich geschützten Werke auf dem Endgerät des Nutzers abgelegt wird, und dass daher in diesen Fällen bevorzugt Lizensierungsmodelle Anwendung finden sollten;

Ein sinnvolles System, das es zu modernisieren und zu harmonisieren gilt

1.  stellt fest, dass es in der Kulturwirtschaft 5 Millionen Arbeitsplätze gibt und dort 2,6 % des BIP der Union erwirtschaftet werden, dass die Branche zu den wichtigsten Triebkräften für Wachstum in der EU zählt und dass in der Branche neue und nicht verlagerbare Arbeitsplätze entstehen, Innovationen angeregt werden und mit ihrer Hilfe die gegenwärtige Rezession wirksam bekämpft werden kann;

2.  weist erneut darauf hin, dass im Urheberrecht den Interessen von Urhebern, Verbrauchern und anderen Beteiligten gleichermaßen Rechnung getragen werden sollte; vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass alle Verbraucher in der EU das Recht auf die Anfertigung von Privatkopien rechtmäßig erworbener Inhalte haben sollten;

3.  fordert daher die Kommission auf, einen Legislativvorschlag zur Überprüfung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorzulegen und darin eine Bestimmung zur vollständigen Harmonisierung von Ausnahmen und Beschränkungen vorzusehen, unter anderem in Bezug auf Privatkopien;

4.  betont, dass die derzeitige bruchstückhafte Urheberrechtsregelung reformiert werden muss, um den Zugang zu kulturellen und kreativen Inhalten zu erleichtern und deren (weltweite) Verbreitung zu fördern, und zwar so, dass Künstler, Urheber, Verbraucher, Unternehmen, Zuschauer und Zuhörer sich Entwicklungen in der Digitaltechnik, neue Vertriebskanäle, neue Geschäftsmodelle und andere Chancen zunutze machen können, insbesondere in Zeiten der Sparmaßnahmen;

5.  stellt fest, dass die Abgaben für Privatkopien derzeit eine Einkommensquelle darstellen, deren Bedeutung je nach der Kategorie von Rechteinhabern unterschiedlich ausfällt und je nach Mitgliedstaat beträchtlich schwankt;

6.  hält das System der Privatkopien für sinnvoll und ausgewogen, zumal es einen Mittelweg zwischen der Ausnahme für die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch und dem Recht auf gerechten Ausgleich für Rechteinhaber darstellt, der beibehalten werden sollte, insbesondere in Fällen, in denen Rechteinhaber nicht in der Lage sind, unmittelbar eine Lizenz für das Vervielfältigungsrecht auf mehreren Geräten zu erteilen; vertritt die Auffassung, dass es kurzfristig keine Alternative zu diesem ausgewogenen System gibt; betont jedoch, dass auf lange Sicht Diskussionen geführt werden müssen, bei denen das System der Privatkopien regelmäßig überprüft wird, je nachdem, wie sich die Digitaltechnik und der Markt entwickeln und die Verbraucher verhalten, und möglicherweise denkbare Alternativen geprüft werden, mit denen das Ziel erreicht würde, für einen Ausgleich zwischen den Ausnahmen für Privatkopien durch die Verbraucher und der Vergütung der Urheber zu sorgen;

7.  betont, dass die erheblichen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Systemen der Abgabenerhebung, insbesondere in Bezug auf die Art der abgabenpflichtigen Erzeugnisse und die Höhe der Abgaben, zu Wettbewerbsverzerrungen führen und so einer Entwicklung im Binnenmarkt Vorschub leisten könnten, den Gerichtsstand möglichst nach dem für den Kläger vorteilhaftesten Recht zu wählen;

8.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, eine Studie über die wesentlichen Elemente der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch und insbesondere über den Begriff des „gerechten Ausgleichs“ durchzuführen, der gegenwärtig durch die Richtlinie 2001/29/EG87 in Bezug auf den „Schaden“, der sich für den Rechteinhaber aufgrund der unautorisierten Vervielfältigung seines Werks zum privaten Gebrauch ergibt, nicht explizit geregelt ist; fordert die Kommission auf, zu ermitteln, wie sich gemeinsame Ansätze in Bezug auf abgabenpflichtige Erzeugnisse finden lassen, und gemeinsame Kriterien für die Verhandlungsmodalitäten in Bezug auf die Abgabesysteme für Privatkopien festzulegen, mit dem Ziel, ein für Verbraucher und Urheber transparentes, gerechtes und einheitliches System durchzusetzen;

Für ein zentrales Erhebungsverfahren, klarere Informationen für die Verbraucher und besser funktionierende Vergütungsregelungen

9.   betont, dass die Abgabe für Privatkopien auf sämtliche Geräte und Medien erhoben werden sollte, mit denen Werke zu privaten Zwecken aufgezeichnet und gespeichert werden, sofern den Urhebern durch die Privatkopien ein Schaden entsteht;

10.  betont, dass für sämtliche Geräte klar definiert sein sollte, was Privatkopien sind, und dass der Nutzer nach Entrichtung einer einmaligen Gebühr mit allen Medien Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten haben sollte; fordert, dass die bereits in den Mitgliedstaaten geltenden Regelungen, zu denen u. a. Ausnahmen oder Befreiungen von Abgaben gehören, eingehalten werden und dass sie nebeneinander auf dem Markt funktionieren;

11.  vertritt die Auffassung, dass die Abgaben für Privatkopien bei Herstellern oder Importeuren erhoben werden sollten; stellt fest, dass der Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Vertriebsunternehmen und Verwertungsgesellschaften zu groß wäre, wenn die Erhebung künftig den Einzelhändlern obläge;

12.  empfiehlt im Einklang mit dem genannten Urteil in der Rechtssache C‑462/09 (Opus), dass bei grenzüberschreitenden Transaktionen die Abgaben für Privatkopien in dem Mitgliedstaat erhoben werden, in dem der Endnutzer, der das Produkt erworben hat, ansässig ist;

13.  ist daher der Ansicht, dass Abgaben für Privatkopien auf ein Produkt nur einmal von einer Verwertungsgesellschaft eines Mitgliedstaats erhoben werden können sollten, damit bei grenzüberschreitenden Transaktionen doppelte Zahlungen ausgeschlossen sind, und dass ungerechtfertigt in einem anderen als dem Mitgliedstaat des Endnutzers entrichteten Abgaben zurückerstattet werden sollten;

14.  vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten, in denen derzeit Abgaben erhoben oder entrichtet werden, diese Abgabetarife vereinfachen und vereinheitlichen sollten;

15.  fordert die Mitgliedstaaten auf, in Absprache mit allen beteiligten Parteien ihre Verfahren für die Festlegung von Abgaben so zu vereinfachen, dass für Gerechtigkeit und Objektivität gesorgt ist;

16.  hält es für dringend geboten, den Verbrauchern nachvollziehbar darzulegen, welche Bedeutung das System der Privatkopien im Hinblick auf die Vergütung der Künstler und die Verbreitung von Kultur hat; legt den Mitgliedstaaten und Rechteinhabern nachdrücklich nahe, Kampagnen durchzuführen, in denen positiv dargestellt wird, dass Abgaben für Privatkopien Vorteile haben;

17.  ist der Ansicht, dass die Verbraucher über die Höhe, den Zweck und die tatsächliche Verwendung der Abgaben, die sie entrichten, informiert werden sollten; fordert deshalb die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Verbrauchern diese Informationen in Absprache mit den Herstellern, Importeuren, Einzelhändlern und Verbraucherverbänden in klarer Form bereitzustellen;

18.  fordert die Mitgliedstaaten auf, für Formen der gewerblichen Nutzung transparente Regeln für die Freistellung einzuführen, damit sie im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch in der Praxis von Abgaben für Privatkopien freigestellt sind;

19.  fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Medien für gewerbliche Zwecke verwendet werden, keine Abgaben für Privatkopien entrichtet werden müssen und dass die verschiedenen Regelungen für die Erstattung der für gewerbliche Nutzer entrichteten Abgaben durch Systeme ersetzt werden, bei denen sichergestellt ist, dass diese Nutzer von vornherein nicht zur Entrichtung der Abgabe verpflichtet sind;

Transparenz bei der Zuweisung der Einnahmen

20.  begrüßt, dass Parlament und Rat unlängst die Richtlinie über die kollektive Verwaltung von Urheber- und verwandten Schutzrechten gebilligt haben, in der gefordert wird, dass die Ströme der von den Verwertungsgesellschaften erhaltenen, aufgeteilten und den Rechteinhabern ausgezahlten Vergütungen transparenter gemacht werden, beispielsweise in Form eines jährlichen Transparenzberichts mit einem gesonderten Bericht über die Verwendung der für soziale und kulturelle Zwecke erhobenen Beträge;

21.  fordert die Mitgliedstaaten auf, für mehr Transparenz in Bezug auf die Zuteilung von Beträgen aus Abgaben von Privatkopien zu sorgen;

22.  fordert die Mitgliedstaaten auf, mindestens 25 % der aus den Vergütungen für Privatkopien erzielten Einnahmen zweckgebunden zur Förderung der schöpferischen und darbietenden Kunst und der Künstler zu verwenden;

23.  fordert die Mitgliedstaaten auf, Berichte über die Mittelverwendung in einem quelloffenen Format mit interpretierbaren Daten zu veröffentlichen;

24.  fordert die Organisatoren von Kulturveranstaltungen und kulturellen Darbietungen als die Begünstigten der Abgaben für Privatkopien auf, ihr Publikum durch zusätzliche Werbemaßnahmen stärker für diesen Sachverhalt zu sensibilisieren;

Technische Schutzmaßnahmen

25.  weist darauf hin, dass die Bürger im Zuge der Ausnahmeregelung in Bezug auf Privatkopien das Recht haben, ihre Musik- und audiovisuellen Sammlungen uneingeschränkt von einem Multimediadatenträger auf einen anderen zu kopieren, ohne die Genehmigung der Rechteinhaber einholen zu müssen, sofern es sich um eine rein private Nutzung handelt;

26.  betont, dass insbesondere im Zeitalter der Digitaltechnik der Einsatz technischer Schutzmaßnahmen gestattet werden sollte, mit denen das Gleichgewicht zwischen der zulässigen Vervielfältigung für die private Nutzung und dem Alleinverwertungsrecht wiedergeherstellt wird;

27.  betont, dass durch die technischen Schutzmaßnahmen die Herstellung von Kopien durch Verbraucher sowie der gerechte Ausgleich für Rechteinhaber in Bezug auf Privatkopien nicht verhindert werden darf;

Lizenzen

28.  stellt fest, dass Werke nach wie vor heruntergeladen, gespeichert und für private Zwecke kopiert werden, obwohl in einigen Fällen ein Streaming-Zugriff eingerichtet wurde; vertritt die Auffassung, dass Abgaben für Privatkopien daher auch im Online-Umfeld weiter wichtig sind; betont jedoch, dass Lizensierungsmodellen, die allen Rechteinhabern zugutekommen, immer dann Vorrang gegeben werden sollte, wenn keine Kopien der urheberrechtlich geschützten Werke auf Medien und Geräten abgelegt werden dürfen;

29.  betont daher, dass Ausnahmen für Privatkopien auf bestimmte Online-Dienste, darunter auch bestimmte Cloud-Computing-Dienste, anwendbar sein sollten;

Neue Geschäftsmodelle im digitalen Umfeld

30.  fordert die Kommission auf, zu bewerten, wie sich Cloud-Computing-Dienste, die Möglichkeiten zur Aufzeichnung und Speicherung urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken bieten, auf die Regelung für Privatkopien auswirken, um zu bestimmen, ob und, wenn ja, wie diesen Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke in den Vergütungsmechanismen Rechnung getragen werden sollte;

o
o   o

31.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen