Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. April 2014 zum Druck Russlands auf die Länder der Östlichen Partnerschaft und insbesondere zur Destabilisierung der Ostukraine (2014/2699(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Europäischen Nachbarschaftspolitik, zur Östlichen Partnerschaft und zur Ukraine, insbesondere auf seine Entschließungen vom 27. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine(1) und vom 13. März 2014 zur Invasion Russlands in der Ukraine(2),
– unter Hinweis auf seinen in erster Lesung am 3. April 2014 festgelegten Standpunkt im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) Nr. …/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Senkung oder Abschaffung von Zöllen auf Waren mit Ursprung in der Ukraine(3),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Sondertagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zur Ukraine vom 3. März 2014 sowie auf die Schlussfolgerungen der Tagungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 17. März 2014 und vom 14. April 2014,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ukraine auf der Tagung des Europäischen Rates vom 6. März 2014,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 20. März 2014 zur Ukraine,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens von Vilnius vom 28. und 29. November 2013,
– unter Hinweis auf die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 9. April 2014 über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine und die Bedrohungen der Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen,
– unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 27. März 2014 mit dem Titel „Territoriale Integrität der Ukraine“(4),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G7‑Staaten vom 24. März 2014,
– gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass am 16. März 2014 in der Autonomen Republik Krim und in der Stadt Sewastopol ein rechtswidriges und unrechtmäßiges Referendum organisiert und unter der Kontrolle russischer Truppen durchgeführt wurde; in der Erwägung, dass die Staatsführung und die Gesetzgebungsorgane Russlands entgegen der internationalen Verurteilung des Referendums die Annexion der ukrainischen Halbinsel umgehend vollzogen haben;
B. in der Erwägung, dass in den letzten Tagen im Osten und Süden der Ukraine in begrenztem Umfang prorussische Demonstrationen stattgefunden haben; in der Erwägung, dass prorussische Separatisten – in den meisten Fällen unter Führung russischer Spezialeinheiten – Gebäude der Gebietsverwaltung in Charkiw, Luhansk und Donezk gestürmt haben; in der Erwägung, dass diese Kräfte unter der Führung einer Gruppe namens „Russischer Sektor“ das Gebäude der Gebietsverwaltung in Donezk besetzt, die Errichtung einer souveränen, von Kiew unabhängigen „Volksrepublik Donezk“ ausgerufen und ein Referendum über die Abspaltung des Gebiets verkündet haben, das spätestens am 11. Mai 2014 abgehalten werden soll;
C. in der Erwägung, dass am 12. und 13. April 2014 Polizeidienststellen und Verwaltungsgebäude in Slowjansk, Kramatorsk, Krasnyj Lyman, Mariupol, Jenakijewe und anderen Städten im Gebiet Donezk von schwer bewaffneten und maskierten Personen ohne Hoheitszeichen, die mutmaßlich unter Führung russischer Spezialeinheiten operierten, im Zuge einer Reihe von koordinierten Überfällen angegriffen und besetzt wurden; in der Erwägung, dass bei den Zusammenstößen mindestens ein Polizist starb und mehrere verletzt wurden;
D. in der Erwägung der Gefahr, dass Russland jegliche weitere Eskalation der gewaltsamen Destabilisierung in der Ost- und Südukraine als Vorwand nutzt, um weitere Aggressionen mit militärischen Mitteln zu unternehmen, die Präsidentschaftswahl zu verhindern und – als Vorstufe zur Teilung des Landes – die Föderalisierung der Ukraine zu erzwingen;
E. in der Erwägung, dass Russland starke einsatzbereite Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze verlegt hat und sie immer noch dort sind, obwohl es zur Entspannung der Lage einen Rückzug zugesagt hatte; in der Erwägung, dass bedenklicherweise die Möglichkeit besteht, dass Russland versucht, das „Krim-Szenario“ zu wiederholen;
F. in der Erwägung, dass Russland nach wie vor gegen seine internationalen Verpflichtungen verstößt, beispielsweise gegen diejenigen aus der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki, dem Statut des Europarats und insbesondere dem Budapester Memorandum von 1994 über Sicherheitsgarantien für die Ukraine;
G. in der Erwägung, dass die EU ein Paket von Wirtschaftsmaßnahmen zur Unterstützung der Ukraine verabschiedet hat, das auch makroökonomische Finanzhilfe und eigenständige handelspolitische Maßnahmen enthält; in der Erwägung, dass die Ukraine in Kürze ein Übereinkommen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Hilfsplan abschließen wird; in der Erwägung, dass die Auflagen dieses Übereinkommens bisher noch geheim sind;
H. in der Erwägung, dass sich die soziale und wirtschaftliche Lage der Ukraine weiter verschlechtert, was unter anderem auf die von Russland ergriffenen Destabilisierungsmaßnahmen und Handelsbeschränkungen zurückzuführen ist; in der Erwägung, dass die weit verbreitete Armut nach wie vor eines der vordringlichsten soziökonomischen Probleme in der Ukraine ist; in der Erwägung, dass die Armutsrate in der Ukraine laut einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen nunmehr bei 25 % liegt, wobei das Einkommen von 11 Millionen Menschen unter den örtlichen Sozialstandards liegt;
I. in der Erwägung, dass die EU und die Ukraine am 21. März 2014 die politischen Bestimmungen des Assoziierungsabkommens unterzeichnet und zugesagt haben, die restlichen Teile des Abkommens – darunter auch die Bestimmungen über die vertiefte und umfassende Freihandelszone – möglichst bald zu unterzeichnen;
J. in der Erwägung, dass überzeugende internationale diplomatische Maßnahmen auf allen Ebenen und Verhandlungen notwendig sind, um die Lage zu deeskalieren, die Spannungen abzubauen, zu verhindern, dass die Krise außer Kontrolle gerät, und für eine friedliche Beilegung der Krise zu sorgen; in der Erwägung, dass die EU konkret reagieren muss, damit die Ukraine und alle anderen Länder in der östlichen Nachbarschaft ihre Hoheitsgewalt und territoriale Integrität uneingeschränkt und ohne ungebührlichen Druck von außen ausüben bzw. sichern können;
K. unter Hinweis darauf, dass der Oberste Sowjet der abtrünnigen Region Transnistrien in der Republik Moldau unmittelbar nach der Annexion der Krim der Russischen Föderation ein offizielles Gesuch übermittelt hat, die Annexion Transnistriens zu prüfen;
L. in der Erwägung, dass Russland die georgischen Gebiete Abchasien und Zchinwali (Südossetien) nach wie vor besetzt hält und damit gegen die grundlegenden Normen und Grundsätze des Völkerrechts verstößt; in der Erwägung, dass ethnische Säuberungen und gewaltsame demografische Änderungen in diesen Gebieten unter der faktischen Kontrolle der Besatzungsmacht durchgeführt wurden, die die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in diesen Gebieten trägt;
M. in der Erwägung, dass Russland ab dem 1. April 2014 den Erdgaspreis für die Ukraine von 286 auf 486 USD pro tausend Kubikmeter erhöht und einseitig den Rabatt aufgekündigt hat, den die Ukraine als Teil der Abkommen von Charkiw über die Verpachtung des Flottenstützpunkts Sewastopol erhalten hatte, und dass Russland vor wenigen Tagen die Einfuhr ukrainischer Milchprodukte in russisches Hoheitsgebiet untersagt hat; In der Erwägung, dass die Russische Föderation Erzeugnissen aus Georgien und der Republik Moldau willkürlich einseitige Handelsbeschränkungen auferlegt hat;
N. in der Erwägung, dass die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland zweifellos eine schwere Verletzung des Völkerrechts darstellt, durch die das Vertrauen in internationale Instrumente, einschließlich der Übereinkommen über Abrüstung und die Nichtverbreitung von Kernwaffen, untergraben wird; in der Erwägung, dass ein neuer Rüstungswettlauf zu einer weiteren Eskalation führen könnte; in der Erwägung, dass eine solche gefährliche Situation, die leicht außer Kontrolle geraten könnte, unbedingt verhindert werden muss;
1. verurteilt die Ausweitung der Destabilisierung und die zunehmenden Provokationen in der Ost- und Südukraine aufs Schärfste; weist jegliche Vorbereitungen für rechtswidrige Referenden „wie auf der Krim“ zurück; warnt davor, dass die zunehmenden Akte der Destabilisierung und Sabotage durch prorussische bewaffnete, militärisch ausgebildete und ausgesprochen koordiniert vorgehende Separatisten unter Führung russischer Spezialeinheiten von Russland als Vorwand benutzt werden könnten, militärisch einzugreifen, die Präsidentschaftswahl zu verhindern und eine Föderalisierung als Vorstufe zu einer Teilung der Ukraine zu erzwingen;
2. erklärt sich zutiefst besorgt über die sich schnell verschlimmernde Situation und das Blutvergießen in der Ost- und Südukraine; fordert Russland nachdrücklich auf, den gewalttätigen Separatisten und bewaffneten Milizen, die Regierungsgebäude in Slowjansk, Donezk und anderen Städten besetzt haben, unverzüglich seine Unterstützung zu entziehen, alle provokativen Aktionen, durch die Unruhe gestiftet und die Lage weiter destabilisiert werden soll, zu unterlassen, Einheiten von der Ostgrenze der Ukraine abzuziehen und auf eine friedliche Beilegung der Krise mit politischen und diplomatischen Mitteln hinzuarbeiten; bekundet der Regierung der Ukraine, die gegenwärtig bestrebt ist, ihre Hoheitsgewalt in den besetzten Städten zurückzuerlangen, seine uneingeschränkte Unterstützung und Solidarität; begrüßt, dass die Regierung der Ukraine in der aktuellen Phase der Krise bislang zurückhaltend und maßvoll reagiert hat; bekräftigt, dass die Staatsorgane der Ukraine das uneingeschränkte Recht haben, mit allen notwendigen Mitteln vorzugehen, auch unter Rückgriff auf das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen; warnt Russland davor, das legitime Recht der Ukraine zur Verteidigung ihrer territorialen Integrität als Vorwand für eine groß angelegte militärische Invasion zu nutzen;
3. bekräftigt nachdrücklich seine Unterstützung für die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit der Ukraine und aller Länder der Östlichen Partnerschaft; erachtet die aggressiven Handlungen Russlands als groben Verstoß gegen das Völkerrecht und Russlands internationale Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki, dem Statut des Europarats und insbesondere dem Budapester Memorandum von 1994 über Sicherheitsgarantien sowie Russlands bilaterale Verpflichtungen aus dem bilateralen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft von 1997;
4. betont, dass es in letzter Zeit keinerlei Berichte darüber gibt, dass russische oder russischstämmige Bürger oder andere Minderheiten in der Ukraine Übergriffen, Einschüchterungen oder Diskriminierungen ausgesetzt gewesen wären, was auch von glaubwürdigen internationalen Beobachtern wie den Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Europarat bestätigt wurde;
5. ist davon überzeugt, dass das von Russland beanspruchte Recht auf Einsatz aller Mittel zum Schutz russischer Minderheiten in Drittländern, wie es von Präsident Putin in seiner Rede vom 18. März 2014 verkündet wurde, keine Grundlage im Völkerrecht hat, gegen Grundprinzipien internationaler Verhaltensweisen im 21. Jahrhundert verstößt und auch die europäische Nachkriegsordnung zu untergraben droht; fordert den Föderationsrat auf, sein Mandat für den Einsatz von Gewalt auf ukrainischem Boden unverzüglich aufzuheben;
6. bekräftigt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten gegenüber Russland geeint auftreten müssen; erachtet es in Anbetracht der aktuellen Lage als erforderlich, dass der Rat die zweite Phase der Sanktionen verschärft und Bereitschaft zeigt, die dritte Phase der Sanktionen (Wirtschaftssanktionen), die mit sofortiger Wirkung in Kraft treten müssen, auszulösen; bekräftigt seine Forderung an den Rat, rasch ein Embargo auf Rüstungsgüter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck zu verhängen;
7. fordert, dass Maßnahmen gegen russische Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften, vor allem in der Energiewirtschaft, und gegen russische Kapitalanlagen und Vermögenswerte in der EU getroffen werden sowie bei allen Vereinbarungen mit Russland ihre mögliche Aussetzung geprüft wird;
8. fordert die EU auf, die Ukraine in internationalen Gremien, insbesondere vor internationalen Justizorganen, zu unterstützen, wenn die Ukraine beschließen sollte, dort wegen der Verletzung ihrer Souveränität und territorialen Integrität Klage gegen Russland zu erheben;
9. erachtet es als unbedingt notwendig, dass Russland einen konstruktiven Dialog mit der gegenwärtigen rechtmäßigen Regierung der Ukraine aufnimmt, und unterstützt das tatkräftige Engagement der EU bei diplomatischen Bemühungen um die Deeskalation der Krise; sieht dem Vierertreffen zwischen der Hohen Vertreterin der Union, dem Außenminister der Vereinigten Staaten und den Außenministern Russlands und der Ukraine erwartungsvoll entgegen und hofft, dass mit diesem Treffen dazu beigetragen werden kann, die Spannungen abzubauen und den Weg für eine umfassende und dauerhafte diplomatische Lösung der Krise zu ebnen; betont jedoch, dass die künftigen Entscheidungen der Ukraine nur vom ukrainischen Volk selbst im Rahmen eines demokratischen, inklusiven und transparenten Prozesses getroffen werden können;
10. weist darauf hin, dass der Entzug der Stimmrechte der russischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution, in der die Annexion der Krim durch Russland verurteilt wird, unmissverständliche Zeichen für die zunehmende Isolation der Russischen Föderation auf internationaler Ebene sind, die von den Staatsorganen Russlands ernst genommen werden sollten, wenn Russland ein glaubwürdiger internationaler Akteur bleiben will;
11. fordert die Einführung von Wirtschafts-, Handels- und Finanzbeschränkungen in Bezug auf die Krim und ihre separatistische Führung; vertritt die Auffassung, dass diese Beschränkungen zügig eingeführt werden sollten, und zwar auf der Grundlage der von der Kommission erstellten Analyse, in der die Rechtsfolgen der Annexion der Krim untersucht werden;
12. bekräftigt seine Sorge um das Schicksal der Tatarengemeinschaft auf der Krim und um die Sicherheit der ukrainischsprachigen Gemeinschaft und ihre Möglichkeit, ihre Rechte wahrzunehmen; betont die Verantwortung der Russischen Föderation nach dem IV. Genfer Abkommen, alle Zivilisten in den besetzten Gebieten zu schützen;
13. begrüßt die Entsendung einer OSZE-Sonderbeobachtungsmission mit der Aufgabe, Informationen über ungewöhnliche Militäraktivitäten und provokative Aktionen, mit denen auf die Destabilisierung der Lage abgezielt wird, zu sammeln sowie die Menschenrechte und die Minderheitenrechte in der Ukraine zu überwachen, und fordert die Ausweitung dieser Mission; bedauert allerdings, dass der Mission kein Zugang zur Krim gewährt wurde, wo es zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, auch zu Fällen von Gewalt gegen Journalisten und ihre Familien; bedauert, dass Übergriffe auf Journalisten nunmehr auch aus der Ostukraine gemeldet werden;
14. fordert außerdem eine breit angelegte Wahlbeobachtungsmission des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE und auch des Europäischen Parlaments und der EU, damit die Wahl umfassend beobachtet wird; fordert, dass die Präsidentschaftswahl am 25. Mai 2014 in voller Übereinstimmung mit internationalen Standards abgehalten wird; lehnt jeglichen Druck von außen ab, mit dem eine Verschiebung dieser Wahl angestrebt wird;
15. begrüßt das Vorhaben der Regierung der Ukraine, eine vorgezogene Parlamentswahl abzuhalten;
16. begrüßt grundsätzlich den Gedanken, ein landesweites Referendum über den künftigen Status und die territoriale Struktur der Ukraine abzuhalten, wie es von dem amtierenden Präsidenten Olexandr Turtschynow in seiner Fernsehansprache vom 14. April 2014 vorgeschlagen wurde;
17. begrüßt die unlängst angenommene Entschließung des Parlaments der Ukraine, in der die sofortige Entwaffnung aller illegalen Selbstverteidigungskräfte gefordert wird, und sieht der Umsetzung dieser Entschließung erwartungsvoll entgegen;
18. begrüßt die Bereitschaft des Rates, der Ukraine bei der Reform des zivilen Sicherheitssektors behilflich zu sein, die Polizei zu unterstützen und die Rechtsstaatlichkeit zu fördern sowie alle Optionen zu prüfen, auch eine mögliche GSVP-Mission und eine EU-Beobachtungsmission;
19. versichert der Ukraine und ihrer Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten seine entschiedene Unterstützung; begrüßt die Unterzeichnung der politischen Kapitel des Assoziierungsabkommens und die anschließende Verabschiedung einseitiger handelspolitischer Maßnahmen; fordert, dass das gesamte Assoziierungsabkommen und das Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone so bald wie möglich und noch vor dem Auslaufen der einseitigen handelspolitischen Maßnahmen unterzeichnet werden;
20. begrüßt, dass die Regierung der Ukraine ein ehrgeiziges Programm für Wirtschafts- und Sozialreformen angekündigt hat, und betont, dass die rasche Umsetzung dieses Programms von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, die kritische Finanzlage des Landes zu stabilisieren und zu überwinden; begrüßt die Entscheidung internationaler Finanzinstitutionen und der EU, der Ukraine kurz- und langfristige Finanzhilfe in erheblicher Höhe zukommen zu lassen; weist erneut darauf hin, dass eine internationale Geberkonferenz organisiert und koordiniert werden muss, die von der Kommission einberufen werden und so bald wie möglich stattfinden sollte;
21. unterstützt die Konditionalität, auf der die EU bezüglich der dringend notwendigen Strukturreformen bestanden hat, die dann dazu beitragen werden, günstigere Bedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen, die Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu verbessern, das Netz der sozialen Sicherheit auszubauen und die Korruption zu bekämpfen; fordert Transparenz bei der Verwendung von EU-Mitteln und eine wirkungsvolle Überwachung durch die Kommission;
22. weist auf die bedenkliche wirtschaftliche und soziale Lage in der Ukraine hin; fordert, dass die Strukturreformen von Maßnahmen begleitet werden, mit denen darauf abgezielt wird, die aktuelle Lage zu lindern, insbesondere die Lage der schwächsten Bevölkerungsgruppen;
23. legt der Ukraine nahe, ihre politischen Reformen fortzuführen und vor allem eine Verfassungsreform voranzubringen, die Gegenstand einer breit angelegten, intensiven Diskussion in allen Teilen der Gesellschaft der Ukraine sein sollte; begrüßt die Bereitschaft der Regierung der Ukraine, ihre Zusagen in Bezug darauf umzusetzen, für die Repräsentativität der staatlichen Strukturen zu sorgen und dabei der regionalen Vielfalt Rechnung zu tragen, den uneingeschränkten Schutz der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten zu gewährleisten, die innerstaatlichen Antidiskriminierungsvorschriften an die EU-Standards anzupassen, allen Menschenrechtsverletzungen und Gewaltakte zu untersuchen und den Extremismus zu bekämpfen;
24. begrüßt den Beschluss der Kommission, eine Unterstützungsgruppe für die Ukraine einzurichten, die sich mit der Durchführung der „europäischen Reformagenda“ befassen wird;
25. unterstützt die Bemühungen der Regierung der Ukraine, in enger Zusammenarbeit mit der OSZE und dem Europarat sicherzustellen, dass die legitimen Rechte der russischsprachigen Bevölkerung und anderer kultureller, nationaler oder sprachlicher Minderheiten im Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten ordnungsgemäß geachtet werden;
26. bekräftigt seine Forderung, eine unabhängige Kommission mit starker internationaler Beteiligung einzusetzen, die die Schießereien in Kiew und die tragischen Ereignisse auf dem Majdan untersuchen soll und die unter der Aufsicht des internationalen Beratungsgremiums des Europarates tätig werden sollte; begrüßt, dass eine dritte Partei für dieses Gremium benannt wurde und es seine erste Sitzung am 9. April 2014 abgehalten hat;
27. begrüßt die Unterzeichnung der politischen Bestimmungen des Assoziierungsabkommens und erwartet eine rasche Umsetzung der von der EU in Kraft gesetzten eigenständigen Handelspräferenzen, mit denen die Zeit bis zur Unterzeichnung der übrigen Teile des Abkommens – auch jener, die die Errichtung einer vertieften und umfassenden Freihandelszone betreffen – überbrückt werden soll;
28. begrüßt die ersten Maßnahmen der Kommission, mit denen die Ukraine in die Lage versetzt werden soll, eine Energiekrise zu bewältigen, falls Russland die Erdgaslieferungen in dieses Land einstellt, und fordert den Rat und die Kommission dringend auf, die Ukraine in ihren Bemühungen um die Lösung des langjährigen Erdgasstreits mit Moskau zu unterstützen; hält es für dringend geboten, eine wirkungsvolle gemeinsame Energiesicherheitspolitik zu betreiben (eine Energieunion zu schaffen), die darauf abzielt, die Abhängigkeit der EU von Erdöl und Erdgas aus Russland zu verringern und dabei die Energieversorgungsquellen zu diversifizieren, das Dritte Energiepaket vollständig umzusetzen und sich in die Lage zu versetzen, Erdgaseinfuhren, falls notwendig, auszusetzen; vertritt die Auffassung, dass die Erdgasfernleitung „South Stream“ nicht gebaut werden sollte und andere Versorgungsquellen erschlossen werden sollten; ist überzeugt, dass die Ukraine gestärkt auf politischen und wirtschaftlichen Druck reagieren kann, wenn die EU die Ukraine durch die Sicherstellung der Versorgung mit Erdgas entgegen der Hauptflussrichtung, durch eine weitere Diversifizierung, durch die Förderung von mehr Energieeffizienz und durch die Errichtung von leistungsfähigen Verbindungsleitungen zwischen der Ukraine und der EU unterstützt; weist in diesem Zusammenhang erneut auf die strategische Rolle der Energiegemeinschaft hin, deren Vorsitz im Jahr 2014 die Ukraine innehat;
29. fordert den Rat auf, die Kommission umgehend zu ermächtigen, die Visaliberalisierung mit der Ukraine zu beschleunigen, damit nach dem Vorbild der Republik Moldau Fortschritte bei der Einführung der Visafreiheit erzielt werden können; fordert, dass in der Zwischenzeit auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten umgehend zeitlich begrenzte, einfache und kostengünstige Verfahren für die Ausstellung von Visa eingeführt werden;
30. betont, dass die russischen Bedenken in Bezug auf den Prozess der EU-Assoziierung der Ukraine und anderer östlicher Nachbarstaaten angemessen behandelt und erläutert werden müssen, um Befürchtungen einer neuen geopolitischen Trennlinie in Europa entgegenzutreten; weist darauf hin, dass jedes Land zweifelsohne das Recht hat, seine eigenen politischen Entscheidungen zu treffen, wobei es jedoch das Ziel des Engagements der EU mit seinen östlichen Partnern ist, den Wohlstand zu mehren und die politische Stabilität zu erhöhen, wovon die Russische Föderation letzten Endes ebenfalls profitieren dürfte;
31. bekräftigt erneut, dass mit den Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und den anderen Ländern der Östlichen Partnerschaft die letzte Stufe in den jeweiligen Beziehungen zur EU noch nicht erreicht ist; weist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass Georgien, die Republik Moldau und die Ukraine – wie jeder andere europäische Staat – gemäß Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union eine europäische Perspektive haben und die Mitgliedschaft in der Union beantragen können, sofern sie sich an die Grundsätze der Demokratie halten, die Grundfreiheiten, die Menschen- und die Minderheitenrechte achten und die Rechtstaatlichkeit gewährleisten;
32. fordert den Rat auf, die Assoziierungsabkommen und die Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten mit der Republik Moldau und Georgien zu unterzeichnen; erklärt, es werde den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des jeweiligen Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Republik Moldau bzw. Georgien unmittelbar nach der Unterzeichnung billigen; fordert das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union nachdrücklich auf, im Anschluss an die Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen die Notifizierungsverfahren zu verkürzen, damit die vorläufige Anwendung so rasch wie möglich nach der Unterzeichnung in Kraft treten kann; bekundet seine Bereitschaft, das jeweilige Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau bzw. Georgien so zügig wie möglich und vor dem Ende der Amtszeit der Kommission vollständig zu ratifizieren, sobald alle Voraussetzungen erfüllt sind und das jeweilige Abkommen unterzeichnet ist; fordert, diesen Ländern die notwendige zusätzliche finanzielle Unterstützung zu gewähren; fordert überdies einen ehrlichen und offenen Dialog mit der Russischen Föderation, um sich nach Kräften darum zu bemühen, Synergien zum Nutzen der Länder der Östlichen Partnerschaft zu entwickeln;
33. erklärt sich besonders besorgt über die erneute Instabilität in der abtrünnigen Region Transnistrien in der Republik Moldau; hält den Antrag der selbsternannten Regierung in Tiraspol vom 16. April 2014, als unabhängiger Staat von Russland anerkannt zu werden, für einen gefährlichen und verantwortungslosen Schritt; weist erneut darauf hin, dass das sogenannte Referendum in der Autonomen Territorialen Einheit Gagausien im Widerspruch zur Verfassung der Republik Moldau steht und folglich illegal war; bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die territoriale Integrität der Republik Moldau und fordert alle Parteien auf, unbedingt den Dialog innerhalb des 5+2-Rahmens wiederaufzunehmen, und fordert die Aufwertung der Rolle der EU zu einem Verhandlungspartner, um eine friedliche und dauerhafte Lösung des Problems zu erreichen;
34. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, Georgiens und der Republik Moldau, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.