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Verfahren : 2014/2999(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B8-0382/2014

Aussprachen :

PV 18/12/2014 - 2.2
CRE 18/12/2014 - 2.2

Abstimmungen :

PV 18/12/2014 - 8.2

Angenommene Texte :

P8_TA(2014)0107

Angenommene Texte
PDF 141kWORD 57k
Donnerstag, 18. Dezember 2014 - Straßburg
Mauretanien, insbesondere Fall Biram Dah Abeid
P8_TA(2014)0107RC-B8-0382/2014

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2014 zu Mauretanien, insbesondere dem Fall von Biram Dah Abeid (2014/2999(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Mauretanien, einschließlich der Entschließung vom 14. Juni 2012 zu den Menschenrechten und der Sicherheitslage in der Sahelzone(1) sowie der Entschließung vom 22. Oktober 2013 zur Lage der Menschenrechte in der Sahelzone(2),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 17. März 2014 zur Durchführung der Strategie der Europäischen Union für Sicherheit und Entwicklung in der Sahelzone,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. Juni 2014 zu den Präsidentschaftswahlen in der Islamischen Republik Mauretanien,

–  unter Hinweis auf Artikel 1 der Verfassung Mauretaniens, mit dem die Gleichheit vor dem Gesetz für alle Bürger – ohne Unterschied der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts oder der gesellschaftlichen Stellung – garantiert wird,

–  unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker, die von Mauretanien im Jahr 1986 ratifiziert wurde und in deren Artikel 5 die Sklaverei ausdrücklich untersagt wird, sowie auf die Mitgliedschaft Mauretaniens in internationalen Instrumenten, die moderne Formen der Sklaverei verbieten, namentlich das Übereinkommen über die Sklaverei von 1926 und das Protokoll zur Änderung dieses Übereinkommens sowie das Zusatzübereinkommen der Vereinten Nationen über die Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und sklavereiähnlichen Institutionen und Praktiken von 1956,

–  unter Hinweis auf das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Abkommen von Cotonou),

–  unter Hinweis auf die abschließenden Bemerkungen des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau vom 24. Juli 2014 zu Mauretanien,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen Nr. 105 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über die Abschaffung der Zwangsarbeit,

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der Sohn befreiter Sklaven Biram Dah Abeid eine Kampagne zur Beseitigung der Sklaverei führt; in der Erwägung, dass er 2008 die Initiative pour la Resurgence du Mouvement Abolitionniste (Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei) gegründet hat; in der Erwägung, dass diese Organisation das Ziel verfolgt, auf das Problem der Sklaverei aufmerksam zu machen und dabei zu helfen, konkrete Fälle vor Gericht zu bringen; in der Erwägung, dass Biram Dah Abeid 2013 den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen erhalten hat;

B.  in der Erwägung, dass Biram Dah Abeid, ein führender mauretanischer Kämpfer gegen die Sklaverei und Gründer der Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei, am 11. November 2014 im Anschluss an eine friedliche Demonstration gegen die Sklaverei festgenommen wurde; in der Erwägung, dass Biram Dah Abeid wegen Aufrufs zu einer Demonstration, Teilnahme an einer Demonstration und der Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation angeklagt wurde und ihm einigen Berichten zufolge die Todesstrafe droht; in der Erwägung, dass die Todesstrafe nach wie vor im mauretanischen Strafgesetzbuch vorgesehen ist, dass sie nicht auf die schwerwiegendsten Verbrechen beschränkt ist und dass sie nach Verurteilungen verhängt wird, die unter Folter erzwungene Geständnisse als Grundlage haben;

C.  in der Erwägung, dass andere Kämpfer gegen die Sklaverei ebenfalls verhaftet wurden und festgehalten werden und die Gesamtzahl der inhaftierten Aktivisten der mauretanischen Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei somit auf 17 gestiegen ist; in der Erwägung, dass die mauretanische Gendarmerie angeblich während der Festnahmen mit übertriebener Gewalt vorgegangen ist und Häftlinge mit Knüppeln geschlagen, auf dem Boden geschleift und erniedrigt hat, beispielsweise indem sich die Häftlinge nackt ausziehen mussten; in der Erwägung, dass Gefängniswärter Berichten zufolge auch versucht haben, einige der Aktivisten zur Unterzeichnung von Geständnissen zu zwingen;

D.  in der Erwägung, dass Biram Dah Abeid in den mauretanischen Präsidentschaftswahlen 2014 Zweiter wurde; in der Erwägung, dass sein Ruf ihn zur Hauptzielscheibe der mauretanischen Behörde machte; in der Erwägung, dass seine Verhaftung und die Verhaftung seiner Kollegen einen gewaltsamen Übergriff auf die politische Opposition und die Zivilgesellschaft darstellen;

E.  in der Erwägung, dass die Sklaverei in Mauretanien zwar 1981 offiziell abgeschafft und 2007 unter Strafe gestellt wurde, dass sie aber immer noch existiert; in der Erwägung, dass Mauretanien laut Global Slavery Index 2014 an erster Stelle der Staaten, in denen Sklaverei praktiziert wird, steht und – mit bis zu 4 %, einigen Schätzungen zufolge sogar bis zu 20% – den höchsten Anteil der Bevölkerung, die in Sklaverei lebt, aufweist; in der Erwägung, dass sich das jüngst erlassene Gesetz über die Sklaverei nicht auf alle Formen der Sklaverei in Mauretanien bezieht und beispielsweise jede Art der Leibeigenschaft ausschließt;

F.  in der Erwägung, dass die Sklaverei in Mauretanien eindeutig auf rassischen Grundlagen basiert und die Sklaven fast durchgängig aus der (schwarzen) Haratin-Gemeinschaft stammen, der zwischen 40 % und 60 % der mauretanischen Bevölkerung angehören, sowie aus anderen Gemeinschaften, wie dies vom Sonderberichterstatter für moderne Formen der Sklaverei festgestellt wurde; in der Erwägung, dass den Angehörigen der Haratin – auch jenen, die nicht versklavt sind – oft der Zugang zu hochwertiger Arbeit oder führenden Positionen im öffentlichen Leben verwehrt wird;

G.  in der Erwägung, dass die Sklaverei meist vererbt wird und Kinder von Sklavinnen oft ihr ganzes Leben lang als das Eigentum der Herrenfamilie gelten; in der Erwägung, dass Sklavinnen regelmäßig Opfer sexueller Gewalt sind; in der Erwägung, dass den meisten Sklaven die Schulbildung vorenthalten und ihnen beigebracht wird, dass es ihr Schicksal sei, ihren Herren zu gehören, wodurch sich die sogenannte psychologische Sklaverei immer weiter fortsetzt; in der Erwägung, dass Sklavinnen nur mit Erlaubnis ihres Herrn heiraten können; in der Erwägung, dass viele Sklaven infolge von Vergewaltigungen geboren werden; in der Erwägung, dass sich selbst freigelassenen Sklaven wenig Möglichkeiten bieten, eine akzeptable Erwerbstätigkeit zu finden;

H.  in der Erwägung, dass Mauretanien Übereinkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie das Cotonou-Abkommen zwischen den AKP-Staaten und der EU ratifiziert hat;

1.  verurteilt die Festnahme und andauernde Inhaftierung des Kämpfers gegen die Sklaverei Biram Dah Abeid und seiner Mitstreiter auf das Schärfste und fordert ihre umgehende Freilassung; nimmt mit Besorgnis Berichte über Gewalttaten zur Kenntnis, die an einigen der Aktivisten verübt wurden, und fordert die mauretanischen Behörden nachdrücklich auf, die an Missbrauch und Folter von Häftlingen beteiligten Beamten strafrechtlich zu verfolgen;

2.  fordert die mauretanische Regierung auf, die Gewaltanwendung gegenüber Zivilisten, die an friedlichen öffentlichen Protesten und Medienkampagnen zur Unterstützung von Biram Dah Abeid teilnehmen, sowie das brutale Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und die politische Opposition zu beenden und die Kämpfer gegen die Sklaverei ihre gewaltlose Arbeit fortführen zu lassen, ohne dass sie Verfolgung und Einschüchterung fürchten müssen; fordert die mauretanischen Behörden nachdrücklich auf, gemäß den internationalen Verträgen und mauretanischem Recht die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gewähren;

3.  verurteilt Sklaverei in jeder Form auf das Schärfste, insbesondere die Berichten zufolge in Mauretanien besonders weit verbreitete Sklaverei, die damit zusammenhängenden Praktiken und den Menschenhandel; begrüßt, dass die mauretanische Regierung Sklaverei unter Strafe gestellt hat, ein Sondergericht für Sklaverei besteht und die Regierung im März 2014 einen Zeitplan für die Abschaffung der Sklaverei angekündigt hat;

4.  nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass erst ein Fall von Sklaverei strafrechtlich verfolgt wurde; fordert die mauretanische Regierung auf, die Sklaverei in jeder Form zu beenden, Gesetze gegen Sklaverei in Kraft zu setzen und Rechtsvorschriften zu erlassen, mit denen diskriminierende Rechtsvorschriften geändert oder aufgehoben werden, einschließlich der diskriminierenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs sowie des Personenstands- und Staatsbürgerschaftsrechts; betont, dass Vorwürfe der Sklaverei und sklavereiähnlicher Praktiken tatsächlich untersucht und geahndet werden sollten;

5.  fordert die mauretanischen Behörden auf, in der öffentlichen Meinung und den Einstellungen der Menschen aller gesellschaftlichen Schichten ein Bewusstsein für das Problem der Sklaverei zu schaffen; bestärkt die mauretanischen Behörden entschieden darin, sich dafür einzusetzen, dass sich die in der Gesellschaft vorherrschende Einstellung zu Rasse und Sklaverei ändert, vor allem gegenüber den Angehörigen der Haratin; betont, dass Diskriminierung aus Gründen der Volkszugehörigkeit, vor allem in den Bereichen Bildung und Beschäftigung, geächtet werden sollte; fordert die mauretanischen Behörden außerdem auf, das System der Versklavung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsklasse, insbesondere in Bezug auf im Haus arbeitende Frauen, vollständig abzuschaffen;

6.  fordert die Einführung einer universellen Schulbildung, damit die heutigen und früheren Sklaven ebenso wie deren Kinder eine bessere Bildung und das nötige Rüstzeug erhalten, um einen akzeptablen Arbeitsplatz zu finden; weist darauf hin, dass alle mauretanischen Bürger Anspruch auf eigenen Grund und Boden haben sollten, vor allem, wenn sie seit Generationen auf dem Land leben und es bewirtschaften – ein Recht, das Biram Dah Abeid und der Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei zufolge entscheidend dazu beitragen kann, den Teufelskreis der Sklaverei zu durchbrechen; fordert die mauretanische Regierung in diesem Zusammenhang auf, das Übereinkommen 169 der IAO zu ratifizieren, in dem das Recht auf Landnutzung durch indigene Völker anerkannt wird;

7.  hebt die Bedeutung einer konstruktiven Beziehung zwischen der EU und Mauretanien mit dem Ziel hervor, mehr Demokratie, Stabilität und Entwicklung im Land zu erreichen; betont, dass Mauretanien ein wichtiger Partner in der Strategie der EU für Sicherheit und Entwicklung in der Sahelzone ist;

8.  fordert die Vizepräsidentin / Hohe Vertreterin, den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sich verstärkt für die Bekämpfung der Sklaverei in Mauretanien einzusetzen, insbesondere durch eine klare und praktikable Außen- und Menschenrechtspolitik, die dem Strategischen Rahmen der EU für Menschenrechte und Demokratie entspricht, und eine stärkere Einbindung des Themas der Menschenrechte in die Strategie der EU für die Sahelzone und in die Dialoge mit der mauretanischen Regierung, auch im Zusammenhang mit formellen bilateralen Abkommen;

9.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, den mauretanischen Behörden, der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP–EU, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union zu übermitteln.

(1) ABl. C 322 E vom 15.11.2013, S. 94
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0431.

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