Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2015 zu den Beziehungen zwischen der EU und der Liga der Arabischen Staaten und der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus (2015/2573(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 24. September 2014 zu Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch terroristische Handlungen (Resolution 2178 (2014)),
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung von Riga, die im Anschluss an die informelle Tagung der Minister für Justiz und Inneres vom 29./30. Januar 2015 in Riga angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Tätigkeit der Kontaktstelle EU-LAS in Malta, die in der Vereinfachung des Dialogs zwischen der Kommission und der Arabischen Liga besteht,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Erklärung des dritten Treffens der Außenminister der Europäischen Union und der Arabischen Liga vom 10./11. Juni 2014,
– unter Hinweis auf die Vereinbarung, die am 19. Januar 2015 von der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten, Nabil El Araby, als Vertreter der Europäischen Union bzw. der Liga der Arabischen Staaten unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die vom Rat am 25. Februar 2010 angenommene EU-Strategie der inneren Sicherheit,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zu Syrien, insbesondere die Schlussfolgerungen vom 9. Februar 2015,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Februar 2015 zu Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2015 zur Lage in Ägypten(2),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ländern der Arabischen Liga,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, vom 19. Januar 2015,
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Terrorismus und von Gewalt begleiteter Extremismus eine große Bedrohung unserer Sicherheit und unserer Freiheiten darstellen, und in der Erwägung, dass die Achtung der Grundrechte ein wesentliches Element einer erfolgreichen Politik zur Terrorismusbekämpfung ist;
B. in der Erwägung, dass der Terrorismus weltweit eine Bedrohung ist, bei deren Bekämpfung koordinierte Anstrengungen von nationalen Regierungen und regionalen und internationalen Organisationen erforderlich sind; betont, dass sich diese Bedrohung nur mithilfe einer weltweiten Allianz unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts sowie der Grundwerte und internationalen Menschenrechtsnormen wirksam beseitigen lässt;
C. in der Erwägung, dass die Vizepräsidentin der Kommission / Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und der Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten, Nabil El Araby, am 19. Januar 2015 eine Vereinbarung zwischen dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und dem Generalsekretariat der Liga der Arabischen Staaten unterzeichnet haben;
D. in der Erwägung, dass der Inhalt der Vereinbarung zwischen dem EAD und dem Generalsekretariat der Liga der Arabischen Staaten, die 2015 abgeschlossen wurde, nicht öffentlich ist;
E. in der Erwägung, dass die EU und die Liga der Arabischen Staaten ein gemeinsames Interesse an dauerhaften Lösungen haben, um Frieden und Stabilität in der Region sicherzustellen; in der Erwägung, dass die Vereinbarung auf die Unterstützung und Stärkung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der EU und den Mitgliedstaaten der Liga der Arabischen Staaten und die Verbesserung ihrer Arbeitsstrukturen, ihres Erfahrungsaustauschs und ihres Dialogs abzielt, um allgemeine Ziele in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu verwirklichen;
F. in der Erwägung, dass auch in den kommenden Jahren weitere Kämpfer aus Europa an verschiedenen Schauplätzen am Dschihad teilnehmen und nach ihrer Rückkehr möglicherweise eine Bedrohung für die Sicherheit innerhalb der EU darstellen werden; in der Erwägung, dass Berichten zufolge tausende Staatsangehörige von EU‑Mitgliedstaaten ihr Zuhause verlassen haben, um sich als „ausländische Kämpfer“ am Krieg und an den Gewaltverbrechen in Syrien, Irak und Libyen zu beteiligen, was ein zusätzliches Problem für die Sicherheit der EU-Bürger schafft; in der Erwägung, dass die jüngsten Terroranschläge in Paris und Kopenhagen von EU-Staatsangehörigen verübt wurden;
G. in der Erwägung, dass die Verbreitung terroristischer Propaganda durch die Nutzung des Internets und der sozialen Medien leichter wird; in der Erwägung, dass Terrorgruppen durch den Cyberterrorismus in die Lage versetzt werden, Verbindungen zu knüpfen und zu unterhalten, ohne dabei von Grenzen physisch aufgehalten zu werden, sodass sie weniger auf Stützpunkte oder Rückzugsgebiete in bestimmten Ländern angewiesen sind;
H. in der Erwägung, dass es in Mitgliedstaaten der Arabischen Liga zu schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen kommt;
I. in der Erwägung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, die nach Auffassung der EU ihre universellen Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben, von Regierungen der Mitgliedstaaten der Liga der Arabischen Staaten als terroristische Vereinigungen bezeichnet werden; in der Erwägung, dass zur Rechtfertigung von Übergriffen auf Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft sowie auf Journalisten immer häufiger Terrorismusbekämpfung und nationale Sicherheit angeführt werden;
J. in der Erwägung, dass auch mit der Außenpolitik der EU zur Bekämpfung der terroristischen Bedrohung, die in bestimmten benachbarten Regionen weiter eskaliert, beigetragen werden muss; in der Erwägung, dass präventive Terrorismusbekämpfungsstrategien auf einem vielseitigen Ansatz beruhen sollten, mit dem der Vorbereitung von Anschlägen im Gebiet der Union unmittelbar begegnet werden soll, der aber auch dem Ziel dient, die Ursachen des Terrorismus zu beseitigen;
K. in der Erwägung, dass die EU die Anwendung der Todesstrafe sowie grausamer und unmenschlicher Formen von Bestrafung auf der ganzen Welt ablehnt, und zwar auch im Falle derjenigen, die für Terrorakte verurteilt werden;
1. bringt seine tiefe Bestürzung über das Ausmaß menschlichen Leids und des Verlusts von Menschenleben, die auf Terroranschläge zurückzuführen sind, zum Ausdruck und bekundet den Angehörigen aller unschuldigen Opfer sein Mitgefühl;
2. hebt die Tatsache hervor, dass der Terrorismus eine unmittelbare Bedrohung für alle Staaten und alle Menschen ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung darstellt;
3. fordert, dass die Vereinbarung veröffentlicht wird, damit ihr Inhalt demokratisch und gerichtlich kontrolliert werden kann;
4. fordert den Rat auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga eine einheitliche und eindeutige Definition des Begriffs „Terrorismus“ auszuarbeiten;
5. betont die Bedeutung der Zusammenarbeit in Fragen der humanitären Hilfe mittels des Austauschs von Informationen zu Krisensituationen; hebt hervor, wie wichtig es ist, gegebenenfalls Bewertungen und bewährte Verfahren auszutauschen und bei der Ermittlung praktischer Maßnahmen zur Bekämpfung der Bedrohungen zusammenzuarbeiten, was unter anderem effektiveres Vorgehen gegen Radikalisierung, Rekrutierung und Reisen von Terroristen und ausländischen Kämpfern sowie den Umgang mit Kämpfern, die an ihren Ausgangsort zurückkehren, betrifft;
6. bekräftigt seinen Standpunkt, dass es bei der Bekämpfung des Terrorismus entscheidend ist, nicht nur gegen die Auswirkungen, sondern auch gegen die Ursachen von Radikalisierung vorzugehen, und hebt hervor, dass ein umfassender sektorübergreifender Ansatz benötigt wird, mit dem die Einsetzung sämtlicher einschlägiger Strategien sichergestellt wird, einschließlich der Bedeutung der Förderung einer Kultur der Inklusion und Toleranz auch durch Bildung sowie soziale und regionale Strategien;
7. stellt fest, dass einer der Hauptgründe für die gegenwärtige Bedrohung durch den Terror in der EU und den arabischen Staaten der dschihadistische Extremismus ist; teilt die Ansicht, dass eine auf Entradikalisierung und Terrorismusbekämpfung abzielende Politik nur wirkungsvoll sein kann, wenn sie in enger Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern entwickelt wird;
8. fordert die staatlichen Stellen der Mitgliedstaaten der EU und der Liga der Arabischen Staaten auf, das Verbot der Folter zu befolgen, das insbesondere in dem – von den meisten dieser Staaten unterzeichneten und ratifizierten – Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verankert ist; bekräftigt, dass unter Folter erzwungene Geständnisse keine Gültigkeit haben;
9. bekräftigt die Notwendigkeit, bei der Reaktion auf terroristische Bedrohungen ein Gleichgewicht zwischen Frieden und Sicherheit beizubehalten und darauf zu achten, dass die Maßnahmen im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten umgesetzt werden;
10. begrüßt es grundsätzlich, wenn die EU und Drittstatten eine Zusammenarbeit und Partnerschaft eingehen, um Terrorismus zu bekämpfen; begrüßt die Einrichtung des Strategischen Dialogs zwischen der EU und der Liga der Arabischen Staaten, der den Austausch über politische und sicherheitspolitische Fragen und den Austausch in den regelmäßigen Sitzungen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU sowie der Ständigen Vertreter der arabischen Staaten umfasst; begrüßt die Fortschritte im Bereich der Frühwarnung und Krisenreaktion und insbesondere die vollständige Umsetzung des Projekts zur Frühwarnung und Krisenreaktion;
11. weist jedoch darauf hin, dass Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung unter keinen Umständen dafür missbraucht werden dürfen, dass legitime abweichende Meinungen unterdrückt oder jemandes universelle Menschenrechte verletzt werden; fordert die EU auf, bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten eindeutige Schutzmechanismen einzubauen, damit sichergestellt wird, dass die Unterdrückung rechtmäßiger Organisationen und von Einzelpersonen im Namen der Terrorismusbekämpfung durch die Zusammenarbeit weder direkt noch indirekt unterstützt, geschweige denn gerechtfertigt wird;
12. betont, dass die Außenminister der EU und der Liga der Arabischen Staaten ferner vereinbart haben, die Arbeit hinsichtlich der umfassenden Umsetzung der Weltweiten Strategie der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus fortzusetzen; unterstützt die Tatsache, dass sie die Einrichtung des Zentrums der Vereinten Nationen zur Terrorismusbekämpfung auf Initiative des Hüters der Heiligen Stätten begrüßten, darum ersuchten, dieses Zentrum zu unterstützen, und die Abhaltung der ersten internationalen Konferenz zur Bekämpfung des Terrorismus im März 2014 in Bagdad begrüßten, die Gelegenheit zur Erörterung und Ermittlung angemessener Instrumente und Wege bot, mit denen die internationale Zusammenarbeit gefördert und Terrorismus auf regionaler Ebene bekämpft werden kann;
13. bekräftigt, dass die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Liga der Arabischen Staaten im Menschenrechtsbereich von Bedeutung ist, und hebt hervor, dass weiterhin die Menschenrechte gefördert und geschützt und die Menschenrechte aller Menschen, einschließlich des Rechts auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung, des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit, geachtet werden müssen, dass zugleich die Werte der Toleranz zwischen verschiedenen Religionen und ihrer Koexistenz gefördert und Ausgrenzung und Extremismus sowie Aufstachelung zu und Verbreitung von Hass und Gewalt abgelehnt werden müssen;
14. fordert den Rat auf zu prüfen, ob gegen den EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren in Bezug auf Repression verstoßen wurde;
15. fordert die EU auf, gemeinsam mit der Liga der Arabischen Staaten einen speziellen Mechanismus zu schaffen, um den illegalen Waffenhandel einzudämmen, wobei der Schwerpunkt auf den Staaten liegen sollte, von denen der Terrorismus ausgeht oder in denen die Terroristen ausgebildet werden; fordert die EU auf, die Ausfuhr von Waffen und insbesondere von Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, die letztlich von Terroristen missbraucht werden könnten, streng zu überwachen; glaubt, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, die Finanzierung des Terrorismus in Abstimmung mit wichtigen Akteuren, einschließlich der Liga der Arabischen Staaten und ihrer Mitglieder, trockenzulegen;
16. ist der Ansicht, dass die EU die ausgeprägten Defizite überdenken muss, die früher bei der auf die Bekämpfung des Terrorismus ausgerichteten Zusammenarbeit mit Herkunfts-, Transit- und Zielländern, durch die ausländische Kämpfer sowie die Ressourcen, die für ihre Unterstützung bestimmt sind, eingeschleust werden und zu denen auch Mitgliedstaaten der Liga der Arabischen Staaten gehören, festzustellen waren;
17. betont, dass bei der Umsetzung einer umfassenden EU-Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus auf der Grundlage eines umfassenden Ansatzes, bei dem diplomatische und sozioökonomische Instrumente mit Entwicklungs-, Konfliktverhütungs-, Friedenskonsolidierungs- und Krisenbewältigungsinstrumenten kombiniert werden, das Potenzial der Außen-und Entwicklungspolitik der EU voll ausgeschöpft werden muss, um Armut, Diskriminierung und Ausgrenzung sowie Korruption zu bekämpfen, verantwortungsvolle Staatsführung zu fördern und Konflikte zu verhindern und zu lösen, und weist darauf hin, dass es sich hierbei um Probleme handelt, die allesamt zur Marginalisierung bestimmter Gruppen und Bereiche der Gesellschaft führen, die somit anfälliger für die Propaganda extremistischer Gruppen sind;
18. erinnert daran, dass sich die Staatengemeinschaft mit der Annahme der Weltweiten Strategie der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus durch die Generalversammlung in deren Resolution 60/288 zu Maßnahmen verpflichtet hat, mit denen sichergestellt wird, dass die Achtung der Menschenrechte aller Menschen und die Rechtsstaatlichkeit das Fundament des Kampfes gegen den Terrorismus bilden;
19. erinnert die Mitgliedstaaten und die Einrichtungen der Union, darunter Europol und Eurojust, an ihre in der Charta der Grundrechte, den internationalen Menschenrechtsinstrumenten und den Zielen der EU-Außenpolitik aufgeführten Verpflichtungen;
20. bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Rechte der religiösen Minderheiten untrennbar mit der Achtung anderer grundlegender Menschenrechte und Freiheiten wie dem Recht auf Freiheit, Sicherheit, Chancengleichheit von Männern und Frauen sowie Meinungsfreiheit verknüpft sind, und fordert die Liga der Arabischen Staaten, den EAD und die Mitgliedstaaten beider Organisationen auf, die religiösen Minderheiten in der arabischen Welt zu schützen und die Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit vollständig umzusetzen;
21. beauftragt seinen Präsidenten, die vorliegende Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten zu übermitteln.