Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2015 zum Thema „Steuerumgehung und Steuerhinterziehung als Herausforderungen für die Staatsführung, den Sozialschutz und die Entwicklung in Entwicklungsländern“ (2015/2058(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Erklärung von Monterrey (2002), die Konferenz von Doha über Entwicklungsfinanzierung (2008), die Erklärung von Paris (2005) und die Accra-Agenda für den Wandel (2008),
– unter Hinweis auf die Resolutionen 68/204 und 68/279 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur dritten Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung, die vom 13. bis 16. Juli 2015 in Addis Abeba (Äthiopien) stattfinden wird,
– unter Hinweis auf die Tätigkeiten des Sachverständigenausschusses der Vereinten Nationen für internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen(1),
– unter Hinweis auf das Doppelbesteuerungsmusterabkommen der Vereinten Nationen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern(2),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung(3),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 21. April 2010 mit dem Titel „Steuerwesen und Entwicklung – Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich“ (COM(2010)0163),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Februar 2015 mit dem Titel „Eine globale Partnerschaft für Armutsbeseitigung und nachhaltige Entwicklung nach 2015“ (COM(2015)0044),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. März 2015 über Steuertransparenz als Mittel gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung (COM(2015)0136),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Mai 2013 zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerflucht und Steueroasen(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2011 zu Steuerwesen und Entwicklung – Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bei der Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Februar 2010 zur Förderung des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbereich(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Oktober 2013 zu Korruption im öffentlichen und privaten Sektor: Auswirkungen auf die Menschenrechte in Drittstaaten(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. Februar 2014 zu der Förderung von Entwicklung durch verantwortungsvolle Unternehmenspraktiken, einschließlich der Rolle von mineralgewinnenden Industrien in Entwicklungsländern(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2014 zur EU und den globalen Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. März 2014 zum Bericht 2013 der EU über die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung(10),
– gestützt auf Artikel 208 AEUV, in dem geregelt ist, dass das vorrangige Ziel der Entwicklungspolitik der EU die Beseitigung der Armut ist, und in dem der Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung festgelegt wurde,
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Entwicklungsausschusses sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A8-0184/2015),
A. in der Erwägung, dass illegale Finanzströme, d. h. sämtliche nicht erfassten privaten Finanzabflüsse im Zusammenhang mit Kapital, das rechtswidrig erwirtschaftet, übertragen oder verwendet wird, in der Regel auf Steuerhinterziehungs- und Steuerumgehungsaktivitäten, beispielsweise missbräuchliche Verrechnungspreise, zurückzuführen sind, was dem Grundsatz der Besteuerung am Ort der Gewinnentstehung zuwiderläuft; in der Erwägung, dass Steuerhinterziehung und Steuerumgehung in sämtlichen maßgeblichen internationalen Texten und von allen maßgeblichen internationalen Konferenzen über die Entwicklungsfinanzierung als wesentliche Hindernisse für die Mobilisierung von einheimischen Einnahmen zu Entwicklungszwecken bezeichnet wurden;
B. in der Erwägung, dass sich laut dem Global Financial Integrity Report 2014 die ausländischen Direktinvestitionen und die öffentliche Entwicklungshilfe von 2003 bis 2012 zusammengenommen auf einen Betrag beliefen, der knapp unter dem Betrag der illegalen Kapitalabflüsse lag; in der Erwägung, dass auf illegale Finanzströme ein Betrag entfällt, der etwa zehnmal so hoch ist wie der Betrag, den die Entwicklungsländer zur Armutsbeseitigung, für das Gemeinwohl und für nachhaltige Entwicklung erhalten, und dass dieser einer jährlichen illegalen Kapitalflucht aus Entwicklungsländern mit einem geschätzten Volumen von 1 Billion USD entspricht;
C. in der Erwägung, dass Einnahmen der öffentlichen Hand aus der rohstoffgewinnenden Industrie für die Entwicklungsstrategien vieler Entwicklungsländer und insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder von maßgeblicher Bedeutung sind, dass das Potenzial der rohstoffgewinnenden Industrien im Hinblick auf eine Steigerung der Steuereinnahmen der Entwicklungsländer allerdings im Großen und Ganzen jedoch nicht gut ausgeschöpft wird, da die Steuervorschriften mangelhaft sind oder Schwierigkeiten bei ihrer Umsetzung bestehen, da zwischen den Regierungen der Entwicklungsländer und Bergbaugesellschaften meist auf intransparente Weise und ohne klare Leitlinien Ad-hoc-Regelungen getroffen werden;
D. in der Erwägung, dass angesichts der Größe des informellen Sektors in den Volkswirtschaften der Entwicklungsländer eine Besteuerung auf breiter Grundlage nahezu unmöglich ist; in der Erwägung, dass in Ländern, in denen ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Armut lebt, ein beträchtlicher Teil des BIP nicht besteuert werden kann;
E. in der Erwägung, dass gerechte, wirksame und transparente Steuersysteme für die Regierungen unverzichtbare Finanzmittel zur Erfüllung des Rechts der Bürger auf grundlegende öffentliche Dienstleistungen, beispielsweise Gesundheitsversorgung und Bildung für alle, generieren; in der Erwägung, dass wirksame steuerpolitische Umverteilungsmaßnahmen dazu beitragen, die Auswirkungen der zunehmenden Ungleichheiten auf die Bedürftigsten zu verringern;
F. in der Erwägung, dass laut der UN-Konferenz für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD – United Nations Conference on Trade and Development) rund 30 % der grenzüberschreitenden Unternehmensinvestitionen durch Durchgangsländer geschleust werden, bevor sie als produktive Aktiva im Zielland wirksam werden;
G. in der Erwägung, dass Körperschaftssteuereinnahmen einen erheblichen Anteil des Nationaleinkommens der Entwicklungsländer ausmachen, weswegen sich die Steuerumgehung von Unternehmen besonders stark auf sie auswirkt, und dass die Entwicklungsländer in den vergangenen Jahren die Körperschaftssteuersätze immer weiter gesenkt haben;
H. in der Erwägung, dass Steueroasen und sonstige Hoheitsgebiete mit Steuer- und Finanzgeheimnis in Kombination mit „Nullbesteuerungsregelungen“, die dazu dienen, Kapital und Einkünfte anzuziehen, das bzw. die eigentlich in anderen Ländern zu versteuern wären, zu einem schädlichen Steuerwettbewerb führen, die Gerechtigkeit des Steuersystems unterminieren und zu Handels- und Investitionsverzerrungen führen, was sich insbesondere auf Entwicklungsländer auswirkt, wobei sich die entgangenen Steuereinnahmen auf schätzungsweise 189 Mrd. USD pro Jahr belaufen;
I. in der Erwägung, dass die Besteuerung in Entwicklungsländern eine zuverlässige und nachhaltige Einnahmequelle sein kann und im Vergleich mit herkömmlichen Mechanismen zur Entwicklungsfinanzierung, wie etwa Vorzugsdarlehen, den Vorteil der Stabilität bietet, wenn das Steuersystem gerecht, ausgewogen, wirksam und transparent und die Steuerverwaltung wirksam und effizient ist, was die Förderung der Einhaltung der Steuervorschriften und eine transparente, verantwortungsvolle Verwendung der öffentlichen Einnahmen angeht;
J. in der Erwägung, dass die potenziellen Vorteile einer wirksamen, transparenten Besteuerung und dementsprechender steuerpolitischer Maßnahmen über eine Zunahme der verfügbaren Mittel zur Förderung der Entwicklung hinausgehen und für eine verantwortungsvolle Staatsführung und Staatsbildung mit unmittelbar positiven Wirkungen verbunden sind, da hierdurch die demokratischen Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und der Gesellschaftsvertrag zwischen der Regierung und den Bürgern gestärkt werden, um zwischen den Steuern, den öffentlichen und sozialen Diensten und den Bemühungen, die Stabilität der Staatshaushalte zu fördern, eine Wechselbeziehung zu schaffen, um so wiederum eine langfristige Unabhängigkeit von ausländischer Hilfe zu fördern und den Entwicklungsländern die Möglichkeit zu geben, zu reagieren und über die nationalen Ziele Rechenschaft abzulegen und in Bezug auf ihre politischen Entscheidungen eigenverantwortlich zu handeln;
K. in der Erwägung, dass die Notwendigkeit zur Steigerung der inländischen Einnahmen angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise noch dringlicher geworden ist;
L. in der Erwägung, dass die Höhe der in den Entwicklungsländern verfügbaren finanziellen Ressourcen durch die Mobilisierung inländischer Einnahmen stetig steigt und in diesem Bereich dank der Unterstützung der internationalen Geldgeber erhebliche Fortschritte erzielt worden sind;
M. in der Erwägung, dass die Entwicklungsländer infolge unzureichender personeller und finanzieller Ressourcen im Hinblick auf die Beitreibung von Steuern, geringer Verwaltungskapazitäten, was den Umgang mit der Komplexität der Steuerbeitreibung von transnationalen Unternehmen angeht, eines Mangels an Kapazitäten und Infrastrukturen für die Beitreibung von Steuern, einer Abwanderung fähigen Personals aus der Steuerverwaltung sowie infolge von Korruption, der fehlenden Legitimität des politischen Systems, der fehlenden Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen und einer ungerechten Verteilung der Einnahmen und eines mangelhaften Steuerwesens mit schwerwiegenden politischen, verwaltungstechnischen und technischen Sachzwängen konfrontiert sind, was die Steigerung der Steuereinnahmen angeht;
N. in der Erwägung, dass der derzeitige globale Kontext der Handelsliberalisierung und der schrittweisen Beseitigung von Handelshemmnissen in den vergangenen Jahrzehnten zwar zu einem Anstieg des grenzüberschreitenden Handels mit Waren geführt hat, für die Entwicklungsländer allerdings auch zu Schwierigkeiten geführt hat, was das Ausgleichen des Rückgangs der Einnahmen aus Handelssteuern sowie die Umstellung auf andere Arten inländischer Einnahmen – insbesondere auf einen ausgewogenen Steuermix – angeht, da diese Länder und insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder nach wie vor stark von Handelssteuern abhängig sind;
O. in der Erwägung, dass die Anzahl der Steuerabkommen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern in den vergangenen Jahren zugenommen hat und diese Abkommen dazu genutzt wurden, die Steuern auf grenzüberschreitende Finanztransaktionen zu senken, was dazu geführt hat, dass die Kapazitäten der Entwicklungsländer, heimische Ressourcen zu mobilisieren, abgenommen haben, und dass potenzielle Kanäle geschaffen wurden, über die multinationale Unternehmen Steuern umgehen können; in der Erwägung, dass das niederländische Steuersystem laut einer jüngst von den niederländischen Behörden durchgeführten Folgenabschätzung die Umgehung der Quellensteuer erleichtert, was in den Entwicklungsländern zu entgangenen Dividenden und Zinsen aus Quellensteuereinnahmen in einer Größenordnung von 150 bis 550 Mio. EUR pro Jahr führt(11);
P. in der Erwägung, dass die Entwicklungsländer im Vergleich zu entwickelten Volkswirtschaften erheblich weniger Einnahmen erzielen (mit einer Steuerquote von 10 bis 20 %, im Vergleich zu 30 bis 40 % in den OECD-Volkswirtschaften) und von einer äußerst schmalen Steuerbemessungsgrundlage gekennzeichnet sind; in der Erwägung, dass erhebliches Potenzial dahingehend besteht, die Steuerbemessungsgrundlage auszuweiten und die Steuereinnahmen zu steigern und in diesem Sinne die Mittel bereitzustellen, die dafür notwendig sind, dass die Regierungen ihren wesentlichen Verpflichtungen nachkommen können;
Q. in der Erwägung, dass die Entwicklungsländer versucht haben, Investitionen anzuziehen, und zwar im Wesentlichen über bestimmte steuerliche Anreize oder Steuerbefreiungen, die intransparent sind und einer ordnungsgemäßen Kosten-Nutzen-Analyse entbehren, oft nicht zu wirklichen, nachhaltigen Investitionen führen, die Wirtschaften der Entwicklungsländer einem gegenseitigen Wettbewerb aussetzen, was die günstigste steuerliche Behandlung angeht, und zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen führen, was ein wirksames, effizientes Steuerwesen angeht, sowie zu einem schädlichen Wettbewerb im Bereich Steuern;
R. in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet haben, 0,7 % ihres BNE für die öffentliche Entwicklungshilfe bereitzustellen; in der Erwägung, dass die Hilfsbeträge zur Unterstützung der einheimischen Ressourcenmobilisierung nach wie vor niedrig sind und weniger als 1 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe des Jahres 2011 entsprechen, und dass im Jahr 2012 nur schätzungsweise 0,1 % (118,4 Mio. USD) an öffentlicher Entwicklungshilfe für den Kapazitätenaufbau in Steuerfragen aufgewendet wurde;
S. in der Erwägung, dass viele Entwicklungsländer nicht einmal in der Lage sind, das Mindeststeuerniveau zu erreichen, das zur Finanzierung ihrer grundlegenden Funktionen, ihrer öffentlichen Dienstleistungen und ihrer Bemühungen zur Verringerung der Armut erforderlich ist;
T. in der Erwägung, dass die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die Institutionen der Mitgliedstaaten für die Entwicklungsfinanzierung Privatunternehmen in Entwicklungsländern unterstützen, und zwar entweder direkt durch die Gewährung von Darlehen oder aber indirekt durch die Unterstützung von Finanzintermediären, wie etwa Geschäftsbanken und Private-Equity-Fonds, die dann Darlehen weiterreichen oder in Unternehmen investieren;
U. in der Erwägung, dass die Entwicklungsländer in den Strukturen und Verfahren der internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen vertreten sein sollten, damit sie gleichberechtigt an der Formulierung und Reformierung der globalen Steuervorschriften mitwirken können;
V. in der Erwägung, dass der Sachverständigenausschuss der Vereinten Nationen für internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen ein Nebenorgan des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen ist und besonderes Augenmerk auf Entwicklungs- und Schwellenländer legt;
W. in der Erwägung, dass das Beitreiben ausreichend hoher öffentlicher Einnahmen eine wesentliche Rolle spielen kann, was die Förderung einer gerechteren Gesellschaft ohne Diskriminierung zwischen Männern und Frauen sowie mit besonderer Unterstützung für Kinder und schutzbedürftige Gruppen angeht;
1. fordert die Kommission auf, unverzüglich in Form einer Mitteilung einen ehrgeizigen Aktionsplan zur Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und der Einrichtung von gerechteren, ausgewogenen, effizienten und transparenten Steuersystemen vorzulegen und dabei die Arbeit, die der Entwicklungshilfeausschuss der OECD im Vorfeld der vom 13. bis 16. Juli 2015 in Addis Abeba (Äthiopien) stattfindenden Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung geleistet hat, sowie die Auswirkungen der internationalen Steuerabkommen auf Entwicklungsländer zu berücksichtigen;
2. besteht darauf, dass eine wirksame Mobilisierung der inländischen Ressourcen und eine Stärkung der Steuersysteme unverzichtbare Faktoren für die Einigung auf das Rahmenwerk für die Zeit nach 2015 sein werden, das die Millenniums-Entwicklungsziele ersetzen wird, was langfristig eine tragfähige Strategie zur Überwindung der Abhängigkeit von ausländischer Hilfe darstellt, und besteht ferner darauf, dass wirksame und gerechte Steuersysteme von entscheidender Bedeutung für die Beseitigung der Armut, die Bekämpfung von Ungleichheiten, die verantwortungsvolle Staatsführung und den Staatsaufbau sind; weist darauf hin, dass bestimmte transnationale wirtschaftliche Aktivitäten sich auf die Fähigkeiten der Länder ausgewirkt haben, heimische Staatseinnahmen zu generieren und sich für eine Steuerstruktur zu entscheiden, während sich die Bedingungen für die Besteuerung durch die zunehmende Mobilität des Kapitals in Verbindung mit der Nutzung von Steuerparadiesen stark verändert haben; ist auch besorgt über das Ausmaß an Korruption und Intransparenz in der öffentlichen Verwaltung, was dazu führt, dass Steuereinnahmen nicht in den Staatsaufbau, in öffentliche Dienste oder in die öffentliche Infrastruktur investiert werden können;
3. stellt fest, dass das Steueraufkommen im Verhältnis zum BIP in den meisten Entwicklungsländern weiterhin niedrig ist, sodass die Gefahr der Steuerhinterziehung und -umgehung durch einzelne Steuerzahler und Unternehmen in diesen Ländern besonders hoch ist; betont, dass dies zu beträchtlichen finanziellen Verlusten für die Entwicklungsländer und somit zu Korruption führt und die Entwicklungspolitik der EU beeinträchtigt, und dass die EU und die Mitgliedstaaten die Ergreifung angemessener Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene sowie auf der Ebene der EU zur Bekämpfung dieser Praxi ergreifen und dabei die Bedürfnisse der Entwicklungsländer und die Sachzwänge berücksichtigen sollten, was den Zugang dieser Länder zu ihren Steuereinnahmen angeht; ist der Ansicht, dass die EU eine führende Rolle einnehmen sollte, um die internationalen Anstrengungen zur Bekämpfung von Steuerparadiesen, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung voranzutreiben, indem sie mit gutem Beispiel vorangeht, und dass sie mit den Entwicklungsländern zusammenarbeiten sollte, um aggressiven Steuervermeidungspraktiken seitens bestimmter transnationaler Unternehmen entgegenzuwirken sowie um die Länder dabei zu unterstützen, dem Druck zu widerstehen, in einen Steuerwettbewerb mit anderen Ländern zu treten;
Aktionsplan zur Bekämpfung von Steuerumgehung und Steuerhinterziehung in Entwicklungsländern
4. fordert die Kommission nachdrücklich auf, konkrete, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Entwicklungsländer und die regionalen Steuerverwaltungsrahmen, wie etwa das African Tax Administration Forum und das Inter-American Centre of Tax Administrations, bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung, bei der Entwicklung von gerechten, ausgewogenen steuerpolitischen Maßnahmen und bei der Förderung von Verwaltungsreformen sowie bei der Steigerung des Anteils der finanziellen und technischen Hilfe an die nationalen Steuerverwaltungen von Entwicklungsländern im Hinblick auf Hilfe und Entwicklung zu unterstützen; ist der Ansicht, dass diese Unterstützung bereitgestellt werden sollte, um die Justiz- und Antikorruptionsbehörden in diesen Ländern zu stärken; fordert, dass das Fachwissen des öffentlichen Sektors der Mitgliedstaaten und der Empfängerländer gebündelt wird, um die Tätigkeiten im Rahmen der Zusammenarbeit auszuweiten um vorläufige Ergebnisse für die Empfängerländer zu erreichen; unterstützt Workshops, Schulungen, Sachverständigenmissionen, Studienreisen und Beratung;
5. fordert die Kommission auf, dem verantwortungsvollen Handeln im Steuerbereich und der gerechten, ausgeglichenen, effizienten und transparenten Steuerbeitreibung auf der Tagesordnung in ihrem politischen Dialog (Politik, Entwicklung und Handel) sowie in sämtlichen Abkommen über Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern einen hohen Stellenwert einzuräumen, wobei die Selbstverantwortung und die inländische Rechenschaftspflicht zu stärken sind, indem eine Umgebung gefördert wird, in der die nationalen Parlamente einen sinnvollen Beitrag zur Erstellung und Überwachung der Staatshaushalte leisten können, einschließlich in Bezug auf inländische Einnahmen und Steuerfragen, und indem die Rolle der Zivilgesellschaft gestärkt wird, damit die öffentliche Überwachung des Steuerwesens sowie von Betrugsfällen sichergestellt ist, unter anderem durch Einrichtung von wirksamen Systemen für den Schutz von Whistleblowern und journalistischen Quellen;
6. fordert nachdrücklich, dass Informationen über das wirtschaftliche Eigentum an Unternehmen, Stiftungen und sonstigen Einrichtungen in offenen Datenformaten veröffentlicht werden, um den Einsatz von anonymen Briefkastengesellschaften und vergleichbaren rechtlichen Strukturen zur Geldwäsche, zur Finanzierung von illegalen oder von terroristischen Aktivitäten, zur Verschleierung der Identität von korrupten und kriminellen Personen, zur Verschleierung des Diebstahls öffentlicher Gelder sowie von Gewinnen aus illegalem Handel und aus Steuerhinterziehung zu verhindern; ist zudem der Ansicht, dass alle Länder mindestens die von der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ (Financial Action Task Force’s – FAFT) herausgegebenen Empfehlungen zur Bekämpfung der Geldwäsche einführen und vollständig umsetzen sollten;
7. fordert die EU und die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung des Grundsatzes auf, dass börsennotierte und nicht börsennotierte multinationale Unternehmen aller Länder und Sektoren – und insbesondere die Unternehmen, die Rohstoffe fördern – eine länderspezifische Berichterstattung als Standard einführen müssen und hierdurch verpflichtet werden, im Rahmen ihres Geschäftsberichts nach Ländern aufgegliedert für jedes Hoheitsgebiet, in dem sie tätig sind, die Namen sämtlicher Tochtergesellschaften, ihre Finanzergebnisse, einschlägige Steuerinformationen, Angaben zu den Vermögenswerten und zur Zahl der Arbeitnehmer zu veröffentlichen und die öffentliche Verfügbarkeit dieser Informationen sicherzustellen, und fordert, den Verwaltungsaufwand zu verringern, indem Kleinstunternehmen von der Regelung ausgenommen werden; fordert die Kommission daher auf, einen Legislativvorschlag für eine entsprechende Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie vorzulegen; weist erneut darauf hin, dass öffentliche Transparenz ein wesentlicher Schritt hin zur Korrektur des derzeitigen Steuersystems und zum Gewinn des Vertrauens der Öffentlichkeit ist; fordert die OECD auf, zu empfehlen, dass die von ihr vorgeschlagene Vorlage für eine länderspezifische Berichterstattung von sämtlichen multinationalen Unternehmen veröffentlicht werden sollte, um sicherzustellen, dass alle Steuerbehörden in allen Ländern auf fundierte Informationen zugreifen können, damit sie Unsicherheiten hinsichtlich der Verrechnungspreise beurteilen und den optimalen Einsatz ihrer Prüfungsressourcen planen können; betont, dass Steuerbefreiungen und -vergünstigungen, die ausländischen Investoren über bilaterale Steuerabkommen eingeräumt werden, multinationalen Unternehmen einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber inländischen Unternehmen und insbesondere gegenüber KMU verschaffen;
8. fordert daher, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen und Regelungen, unter denen die Unternehmen der rohstoffgewinnenden Industrien tätig sind, überarbeitet werden; fordert die EU auf, ihre Unterstützung für die Entwicklungsländer mit dem Ziel zu verstärken, die Rohstoffgewinnung angemessen zu besteuern, die Verhandlungsposition der Regierungen der aufnehmenden Länder zu stärken, damit sie bessere Erträge aus ihrer Rohstoffbasis ziehen und die Diversifizierung ihrer Wirtschaft vorantreiben können; unterstützt die Initiative für Transparenz in der rohstoffgewinnenden Wirtschaft (Extractive Industries Transparency Initiative – EITI) und die Tatsache, dass sie auf rohstofffördernde und rohstoffhandelnde Unternehmen ausgeweitet wird;
9. begrüßt die Annahme eines Mechanismus für den automatischen Informationsaustausch, der ein wesentliches Instrument zur Verbesserung der globalen Transparenz und Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Steuerumgehung und Steuerhinterziehung darstellt, erkennt jedoch an, dass fortwährende Unterstützung in Form von Finanzen, Fachkompetenz und Zeit notwendig ist, damit die Entwicklungsländer die erforderliche Kapazität für die Übermittlung und die Verarbeitung von Informationen aufbauen können; betont daher, dass sichergestellt werden muss, dass der neue globale OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch eine Übergangsfrist für die Entwicklungsländer beinhaltet, mit dem berücksichtigt wird, dass es durch die sofortige Einführung der wechselseitigen Gültigkeit dieses Standards dazu kommen könnte, dass jene Länder, die noch nicht über die Ressourcen und Kapazitäten zur Einrichtung der erforderlichen Infrastruktur für die Erfassung, Verwaltung und Weitergabe der erforderlichen Informationen verfügen, de facto ausgeschlossen werden; ist ferner der Ansicht, dass ein einziger Standard zur Vertraulichkeit angestrebt werden sollte;
10. fordert, dass bis Ende 2015 eine weltweit geltende Definition des Begriffs „Steuerparadies“ festgelegt wird, dass Strafen für Akteure festgelegt werden, die auf Steuerparadiese zurückgreifen, und dass eine schwarze Liste der Länder erstellt wird, die nicht gegen Steuerhinterziehung vorgehen oder diese akzeptieren, einschließlich jener in der EU; fordert die EU auf, die wirtschaftliche Umstellung der Entwicklungsländer zu unterstützen, die als Steuerparadiese fungieren; fordert die Mitgliedstaaten mit überseeischen Gebieten oder Schutzgebieten außerhalb der Union auf, gemeinsam mit den Verwaltungen dieser Staaten darauf hinzuarbeiten, dass die Grundsätze der steuerlichen Transparenz angenommen werden, und dafür zu sorgen, dass keines dieser Gebiete als Steuerparadies dient;
11. fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, bei Verhandlungen über Steuerabkommen und Investitionsverträgen mit Entwicklungsländern dafür zu sorgen, dass Einnahmen oder Gewinne aus grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Ursprungsland besteuert werden, d. h. dort, wo Gewinne erzielt oder erwirtschaftet werden; betont in dieser Hinsicht, dass mit dem OECD-Musterabkommen für Steuerfragen für eine gerechte Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen dem Ursprungsland und dem Land der Niederlassung gesorgt ist; betont, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten beim Aushandeln von Steuerabkommen den Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung einhalten sollten, der in Artikel 208 AEUV niedergelegt ist;
12. fordert die Kommission und sämtliche Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dem Beispiel einiger Mitgliedstaaten zu folgen und Folgenabschätzungen für die europäische Steuerpolitik in Entwicklungsländern durchzuführen sowie bewährte Verfahren auszutauschen, um die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung zu stärken und die aktuellen Verfahren zu verbessern, und die negativen Übertragungseffekte auf Entwicklungsländer und die besonderen Bedürfnisse dieser Länder besser zu berücksichtigen; begrüßt in diesem Zusammenhang den überarbeiteten Aktionsplan gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung, den die Kommission 2015 vorlegen wird, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, sich zügig auf eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) zu einigen;
13. unterstützt nachdrücklich die bestehenden internationalen Initiativen zur Reform des globalen Systems – darunter auch die Initiative der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) –, wobei der Schwerpunkt auf einer stärkere Beteiligung von Entwicklungsländern an den Strukturen und Verfahren der internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen liegen sollte; fordert die EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Steuergremium der Vereinten Nationen zu einem wahrhaft zwischenstaatlichen und im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen mit zusätzlichen Ressourcen ausgestatteten Gremium wandelt, um sicherzustellen, dass alle Länder gleichberechtigt an der Gestaltung und Reform der internationalen Steuerpolitik mitwirken können. betont, dass Sanktionen für nicht kooperative Hoheitsgebiete und für Finanzinstitutionen geprüft werden sollen, die in Steuerparadiesen tätig sind;
14. betont, dass ein ausreichendes Maß an öffentlichen Mitteln dazu beitragen kann, geschlechtsspezifische Ungleichheiten auszugleichen und Mittel bereitzustellen, um Kinder und schutzbedürftige Gruppen der Gesellschaft besser zu unterstützen, und erkennt an, dass sich die Steuerhinterziehung auf das Wohlergehen des Einzelnen, insbesondere aber auf arme Haushalte und Haushalte mit niedrigem Einkommen auswirken, wovon Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind;
15. stellt besorgt fest, dass sich viele Entwicklungsländer gegenüber einigen ausländischen Investoren in einer schwachen Verhandlungsposition befinden; ist der Ansicht, dass Unternehmen verpflichtet werden sollten, präzise Zusagen in Bezug auf die positiven Übertragungseffekte ihrer Investitionen auf die lokale und/oder nationale sozioökonomische Entwicklung des Ziellands zu machen; fordert die Kommission, den Rat und die Regierungen der Partnerstaaten auf, sicherzustellen, dass Steueranreize keine zusätzlichen Möglichkeiten zur Steuervermeidung eröffnen; betont, dass Steueranreize transparenter gestaltet werden sollten und idealerweise auf die Förderung von Investitionen in nachhaltige Entwicklung abzielen sollten;
16. fordert die EIB, die EBWE und die Institutionen der Mitgliedstaaten für die Entwicklungsfinanzierung auf, zu überwachen, ob sich Unternehmen oder sonstige juristische Personen, die Unterstützung erhalten, an Steuerhinterziehung und Steuerumgehung beteiligen, indem sie mit Finanzintermediären zusammenarbeiten, die ihren Sitz in Offshore-Finanzplätzen oder Steueroasen haben, und sicherzustellen, dass dies nicht der Fall ist, und fordert sie auf, ihre Maßnahmen im Hinblick auf Transparenz zu stärken und in diesem Sinne beispielsweise alle Berichte und Ermittlungsergebnisse öffentlich zugänglich zu machen; fordert die EIB auf, Sorgfaltsprüfungen durchzuführen, nach Ländern aufgeschlüsselte jährliche Geschäftsberichte einzufordern, die wirtschaftliche Eigentümer und eine Überprüfung der Verrechnungspreise sicherzustellen, um die Transparenz von Investitionen zu gewährleisten und Steuerhinterziehung und -vermeidung zu verhindern;
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17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
„Evaluation issues in financing for development – Analysing effects of Dutch corporate tax policy on developing countries“ (Fragen der Bewertung der Entwicklungsfinanzierung – Analyse der Auswirkungen der niederländischen Körperschaftssteuerpolitik auf Entwicklungsländer), Studie im Auftrag der Abteilung für Entwicklungszusammenarbeit und Politikbewertung (IOB – Inspectie Ontwikkelingssamenwerking en Beleidsevaluatie) des niederländischen Außenministeriums, November 2013.