Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. September 2015 zu Familienunternehmen in Europa (2014/2210(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die von der Kommission im Jahr 2003 festgelegten Kriterien für eine Definition von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU),
– unter Hinweis auf den „Aktionsplan Unternehmertum 2020“ der Kommission (COM(2012)0795),
– unter Hinweis auf den Bericht der Expertengruppe der Kommission von 2009 mit dem Titel „Overview of family-business-relevant issues: research, policy measures and existing studies“ ,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Februar 2013 zur Verbesserung des Zugangs von KMU zu Finanzmitteln(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2014 zur Reindustrialisierung Europas zwecks Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit(2),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Vorfahrt für KMU in Europa – Der ‚Small Business Act‘ für Europa“ (COM(2008)0394),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A8-0223/2015),
A. in der Erwägung, dass Eigentum nach Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt ist;
B. in der Erwägung, dass Familienunternehmen allgemein in der Vergangenheit einen großen Beitrag zu einem europäischen Wirtschaftsaufschwung geleistet haben und eine wichtige Rolle bei Wirtschaftswachstum und sozialer Entwicklung spielen, indem sie die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei jungen Menschen, verringern und Investitionen in das Humankapital tätigen; in der Erwägung, dass dadurch, dass Familienunternehmen über mehrere Generationen geführt werden, die Stabilität der Wirtschaft gestärkt wird; in der Erwägung, dass Familienunternehmen unter den Aspekten Beschäftigung, Weitergabe von Know-how und regionale Strukturen in der Regel wesentliche Beiträge zur regionalen Entwicklung leisten; in der Erwägung, dass eine Politik, die auf Familienunternehmen ausgerichtet ist, das Unternehmertum fördern und europäische Familien ermuntern könnte, ihre eigenen Familienunternehmen zu gründen;
C. in der Erwägung, dass es sich laut dem Jahrbuch Familienunternehmen 2014 von Ernst und Young bei mehr als 85 % aller europäischen Unternehmen um Familienunternehmen handelt, die 60 % der Arbeitsplätze im Privatsektor stellen;
D. in der Erwägung, dass die Größe von Familienunternehmen variiert, sodass sie unterschiedlichen Schwierigkeiten und Problemen ausgesetzt sind;
E. in der Erwägung, dass die meisten Familienunternehmen zwar KMU sind, dass Familienunternehmen aber klein, mittelgroß oder auch groß und börsennotiert oder nicht börsennotiert sein können; in der Erwägung, dass sie in vielen Fällen mit KMU gleichgesetzt werden und dabei außer Acht gelassen wird, dass es auch sehr große multinationale Konzerne gibt, die Familienunternehmen sind; in der Erwägung, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten einige wenige Familienunternehmen einen großen Teil des Gesamtumsatzes aller Unternehmen erwirtschaften und damit einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt – auch in Krisenzeiten – und zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum und zum wirtschaftlichen Erfolg des betreffenden Landes leisten; in der Erwägung, dass viele Familienunternehmen, die nicht mehr unter die KMU-Definition fallen, aber mitnichten ein Großunternehmen sind, für bestimmte Finanzierungsmöglichkeiten und einige administrative Freistellungen nicht infrage kommen; in der Erwägung, dass dies unweigerlich zu unnötiger Bürokratie führt, die auch und insbesondere für Familienunternehmen mit mittelgroßer Marktkapitalisierung eine große Belastung darstellt;
F. in der Erwägung, dass viele Familienunternehmen in mehreren Ländern tätig sind, dass also das Modell Familienunternehmen transnationale Aspekte hat;
G. in der Erwägung, dass direkte Besteuerung und Erbrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, und in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen haben, um Familienunternehmen zu unterstützen und ihren Anliegen Rechnung zu tragen;
H. in der Erwägung, dass der Eindruck vorherrscht, dass Familienunternehmen eine hohe Integrität und Werte aufweisen, die ihre Geschäftstätigkeit bestimmen, und hohe Maßstäbe für die soziale Verantwortung von Unternehmen gegenüber den Beschäftigten und der Umwelt aufstellen, was ein günstiges Umfeld für die Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben schafft; in der Erwägung, dass Familienunternehmen eine Gewähr für die Weitergabe von Fertigkeiten und Fachwissen bieten und in einigen Fällen eine wichtige Rolle bei sozialen Bindungen spielen;
I. in der Erwägung, dass Familienunternehmen in der Landwirtschaft die gebräuchlichste Unternehmensform darstellen und einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Abwanderung der Bevölkerung aus ländlichen Gebieten zu verhindern, und oft die einzigen Arbeitgeber in den Regionen Europas, die einen Entwicklungsrückstand aufweisen, sind, insbesondere in Gebieten mit weniger Industrie; in der Erwägung, dass die landwirtschaftlichen Familienbetriebe ein Erfolgsmodell darstellen können, weil sie im Allgemeinen aktiv das Prinzip der ökosozialen Kreislaufwirtschaft leben und weil Frauen dabei als Betriebsleiterinnen in landwirtschaftlichen Betrieben nicht nur unternehmerisches Denken einbringen, sondern zusätzlich über spezifische kommunikative und soziale Kompetenzen verfügen;
J. in der Erwägung, dass die Arbeit der Expertengruppe der Kommission zu Familienunternehmen bereits seit mehr als fünf Jahren abgeschlossen ist und seitdem auf EU-Ebene keine neue europäische Initiative gestartet wurde; in der Erwägung, dass es noch immer an Forschungstätigkeiten und Daten auf nationaler und europäischer Ebene für ein Verständnis der besonderen Bedürfnisse und Strukturen von Familienunternehmen mangelt;
K. in der Erwägung, dass keine europaweit rechtlich verbindliche, konkrete, einfache und harmonisierte Definition des Begriffs „Familienunternehmen“ existiert;
L. in der Erwägung, dass es aufgrund der fehlenden Definition nicht möglich ist, vergleichbare Daten in den EU-Mitgliedstaaten zu sammeln, um auf die besondere Situation, die Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Leistungen von Familienunternehmen aufmerksam zu machen; in der Erwägung, dass dieser Mangel an zuverlässigen und vergleichbaren Daten politische Entscheidungen hemmen und bewirken kann, dass die Bedürfnisse von Familienunternehmen nicht befriedigt werden;
M. in der Erwägung, dass Familienunternehmen über ihre wirtschaftliche Bedeutung hinaus auch sozialpolitisch wichtig sind;
N. in der Erwägung, dass nicht in allen 28 EU-Mitgliedstaaten Verbände oder andere Strukturen von Interessenvertretungen existieren, die sich speziell um die Belange von Familienunternehmen kümmern;
O. in der Erwägung, dass Bemühungen auf EU-Ebene, Unternehmergeist und Unternehmensgründungen zu fördern, intensiviert werden sollten, wobei der Schwerpunkt stärker darauf gelegt werden sollte, dass Familienunternehmen langfristig bestehen können, und entsprechende Anreize geschaffen werden sollten;
P. in der Erwägung, dass das Geschäftsmodell des Familienunternehmens in den Mitgliedstaaten unterschiedlich stark verbreitet ist; in der Erwägung, dass ein großer Teil der Familienunternehmen in Europa grenzüberschreitend, also in mehreren Mitgliedstaaten, tätig ist;
Q. in der Erwägung, dass der Stundenlohn von Frauen in der EU durchschnittlich um 16 % niedriger ist als der von Männern, dass Frauen kaum in Führungspositionen und hochrangigen Ämtern anzutreffen sind und dass für Frauen und Männer unterschiedliche Arbeitsbedingungen und Entlohnungsregelungen gelten, was die Verwirklichung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen, ihre vollständige Teilhabe am Arbeitsmarkt und die Vereinbarkeit ihres Berufs- und Privatlebens erschwert;
R. in der Erwägung, dass Frauen häufig nur Hintergrundfunktionen erfüllen oder als Strohmann herhalten müssen und in Bezug auf ihre Arbeits- und Gehaltsposition keine angemessene Anerkennung erfahren, was mit schwerwiegenden Folgen für die Höhe ihrer Sozialversicherungsbeiträge, Renten und Sozialversicherungsansprüche sowie für die Anerkennung ihrer Fähigkeiten einhergeht, wie die Daten zum geschlechtsspezifischen Lohn- und Rentengefälle belegen(3);
Bedeutung für die Wirtschaft
1. hebt hervor, dass Familienunternehmen zuweilen gegenüber ihrer Belegschaft eine hohe soziale Verantwortung zeigen sowie Ressourcen aktiv und verantwortungsbewusst verwalten und dass sie im Allgemeinen einen nachhaltigen und langfristigen Ansatz zur wirtschaftlichen Zukunft des Unternehmens verfolgen (indem sie als „ehrbare Kaufleute“ und verantwortungsbewusste Eigentümer oder Verwalter handeln) und damit einen wichtigen Beitrag sowohl zu ihren örtlichen Gemeinschaften als auch zur Wettbewerbsfähigkeit Europas leisten sowie hochwertige Arbeitsplätze schaffen und erhalten;
2. betont, dass Familienunternehmen wegen ihrer Geschichte starke Wurzeln in einer bestimmten Gegend haben und deshalb auch Arbeitsplätze in ländlichen und weniger begünstigten Gegenden schaffen und bewahren, wodurch sie einen Beitrag zur Bekämpfung des Prozesses des Alterns und der Entvölkerung leisten, von dem viele Gebiete in der EU betroffen sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, für die notwendige kosteneffiziente Infrastruktur zu sorgen, um die Wettbewerbsfähigkeit, die Erneuerung, das Wachstum und die Nachhaltigkeit solcher Unternehmen, insbesondere Kleinstbetriebe und Unternehmensgründungen, sicherzustellen und die Zusammenarbeit über Branchen- und Staatsgrenzen hinweg zu erleichtern, sodass ihnen dabei geholfen wird, zu wachsen und international aufzutreten;
3. stellt fest, dass Familienunternehmen die größten Anbieter von Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft sind und dass deswegen alles, was die Kontinuität, die Erneuerung und das Wachstum im Bereich der Familienunternehmen begünstigt, Kontinuität, Erneuerung und Wachstum in der europäischen Wirtschaft bewirkt;
4. stellt fest, dass insbesondere hochspezialisierte Familienunternehmen als Zulieferer und Innovatoren für größere Unternehmen eine wichtige Rolle spielen und aufgrund ihres langfristig und generationenübergreifend angelegten wirtschaftlichen Handelns den zu beliefernden Unternehmen materielle Sicherheit geben und damit einen nicht unbedeutenden Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten;
5. erinnert die Kommission daran, dass es sich bei den meisten Familienunternehmen um KMU handelt(4) und dass es daher entscheidend ist, den Grundsatz „Think small first“ anzuwenden, um die EU-Rechtsvorschriften besser an die Realität und die Bedingungen dieser Unternehmen anzupassen und um es ihnen zu ermöglichen, in den Genuss von Finanzierungsprogrammen und von Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie zu kommen;
6. stellt fest, dass Familienunternehmen wesentlich dazu beitragen können, Minderheiten und unterrepräsentierte Gruppen zur Teilnahme an ihrer lokalen Wirtschaftstätigkeit anzuregen;
7. weist darauf hin, dass Familienunternehmen dank des höheren Maßes an Vertrauen zwischen Familienangehörigen überaus flexibel und zur raschen Anpassung an Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Umfeld fähig sind und dass sie gleichzeitig durch eine lange Betätigung in Marktnischen in der Lage sind, bei der Entdeckung von neuen Chancen und Innovationen hervorragend dazustehen;
Finanzierung
8. stellt fest, dass Familienunternehmen oftmals eine deutlich höhere Eigenkapitalquote aufweisen als Nicht-Familienunternehmen und dass diese hohe Eigenkapitalquote die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen und der gesamten Wirtschaft bewirkt und gleichzeitig den Spielraum für weitere Investitionen in das Unternehmen schafft, der daher nicht weiter beschränkt werden sollte;
9. fordert die Mitgliedstaaten vor diesem Hintergrund auf, dafür zu sorgen, dass nationale Regelungen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer, zu Schulden und Kapital sowie zur Unternehmensbesteuerung eine fördernde und keine diskriminierende Auswirkung auf die für Familienunternehmen so wichtige Eigenkapitalfinanzierung haben; erinnert daran, dass direkte Besteuerung und Erbrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen; fordert die Mitgliedstaaten deshalb auf, die Tendenz zur Bevorzugung von Fremdfinanzierung in ihrem Steuerrecht zu überprüfen und deren Auswirkung auf die Finanzierungsstruktur von Unternehmen und die Investitionsniveaus zu bewerten sowie sicherzustellen, dass Beteiligungsfinanzierung und Kreditfinanzierung gleich behandelt werden, um die Eigentumsübertragung und die langfristigen Aussichten von Familienunternehmen nicht zu beeinträchtigen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine etwaige steuerliche Diskriminierung von Kreditfinanzierung im Hinblick auf einen fairen Wettbewerb zu untersuchen;
10. unterstreicht, dass eine langfristige Sicherung der Unternehmensfinanzierung zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor geworden ist; hebt in diesem Zusammenhang die Bedeutung international stabiler Finanzmarktstrukturen hervor; fordert die Kommission auf sicherzustellen, dass sie im Rahmen der Finanzmarktregulierung keine unnötigen Belastungen für Unternehmen schafft;
11. fordert die Kommission auf, in Betracht zu ziehen, Familienunternehmen mit mittelgroßer Marktkapitalisierung in den Kreis der Begünstigten sämtlicher bestehender Instrumente für KMU und/oder Unternehmer, vor allem COSME, aufzunehmen;
12. betont, dass viele Funktionen von Familienunternehmen infolge der Finanzkrise und der nachteiligen Konjunktur unterfinanziert sind und dass es für Familienunternehmen auf einen offenen und leichten Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen ankommt;
13. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es wichtig ist, alternative Formen der Kreditvergabe an Familienunternehmen zu stimulieren, beispielsweise Kreditgenossenschaften;
Herausforderungen
14. stellt fest, dass 35 % der Unternehmen, die nicht auf Auslandsmärkten investieren, dies aufgrund mangelnder Kenntnisse dieser Märkte und mangelnder Erfahrung mit Internationalisierung tun; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, insbesondere für die kleineren Familienunternehmen auf dem Portal Internationalisierung von KMU und der European Cluster Collaboration Platform (ECCP) Informationen über Internationalisierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen und für einen besseren Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zu sorgen, wozu auch die Möglichkeiten der Internationalisierung über das Internet gehören; fordert die Mitgliedstaaten darüber hinaus auf, Unterstützungsleistungen für Unternehmen, die international zu investieren beabsichtigen, beispielsweise dadurch zur Verfügung zu stellen, dass ihnen Informationen oder Exportkreditgarantien gegeben werden, Handelshemmnisse beseitigt werden und gezielte Schulungsmaßnahmen für eine Familienkultur des Unternehmertums und des Geschäftslebens angeboten werden;
15. weist darauf hin, dass sich durch eine stärkere Internationalisierung von Familienunternehmen größere Möglichkeiten des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von mehr Arbeitsplätzen bieten; fordert deswegen die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, kleineren Familienunternehmen Hilfestellung zu leisten, damit sie die digitale Infrastruktur besser nutzen können;
16. stellt fest, dass die steuerlichen, rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen, in denen Familienunternehmen (und inhabergeführte Unternehmen) tätig sind, durch die kombinierten Auswirkungen des Gesellschaftsrechts und des Privatrechts bestimmt werden;
17. stellt fest, dass 87 % der Familienunternehmer der Überzeugung sind, dass der Erhalt der Kontrolle über das Unternehmen einer der Schlüsselfaktoren zum Erfolg ist(5); stellt fest, dass laut dem „Aktionsplan Unternehmertum 2020“(6) der Kommission die Übertragung des Eigentums zusammen mit der Leitung eines Unternehmens von einer Generation auf die nächste die größtmögliche Herausforderung für Familienunternehmen darstellt;
18. weist darauf hin, dass sich kleine und mittelere Familienunternehmen fortlaufend mit dem Problem befassen müssen, wie der Bedarf an Innovation gedeckt werden kann und wie Mitarbeiter mit den richtigen Fertigkeiten und Qualitäten gefunden werden können; fordert deswegen die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, kleineren Familienunternehmen Anreize zu bieten, damit sie Wachstumsrisiken eingehen, Fortbildung des Personals durchführen und sich externes Wissen beschaffen;
19. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verwaltungsverfahren und Steuersysteme zu vereinfachen, um vor allem den spezifischen Problemen von KMU und Familienunternehmen Rechnung zu tragen;
20. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Fortentwicklung digitaler Unternehmensführung und digitaler Fertigkeiten zu ergreifen, damit Familienunternehmen alle Vorteile digitaler Technologien nutzen können;
21. fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Übertragung von Familienunternehmen zu verbessern sowie besondere Finanzierungsinstrumente für die Übertragung zu schaffen und so Liquiditätsengpässen vorzubeugen, damit der Fortbestand von Familienunternehmen sichergestellt und Notverkäufe verhindert werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, speziell auf Familienunternehmen zugeschnittene Schulungen zu den Themen Unternehmensübertragung, Leitungsstrukturen sowie Eigentümerstrategien und Innovationsstrategien insbesondere in denjenigen Ländern zu fördern, in denen das Konzept des Familienunternehmens aus historischen Gründen nicht so stark verbreitet ist, was zu ihrem langfristigen Erfolg, insbesondere im Bereich der Unternehmensübertragung, beitragen würde;
22. betont, dass Familienunternehmen direkte Verbindungen zu Bildungsaktivitäten brauchen, durch die sie laufend über den neuesten Stand bei den Verfahren guter Unternehmensführung unterrichtet werden; betont insofern, dass Familienunternehmen zum Gelingen von Reformen in der beruflichen Bildung und zur Erhöhung der Anzahl von Lehrstellen entscheidend beitragen; stellt fest, dass gut funktionierende Berufsbildungssysteme langfristig gesehen einen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Jugendarbeitslosigkeit leisten könnten; betont, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten den Austausch bewährter Verfahren dabei fördern sollten, wie Berufsbildungssysteme das bestmögliche Umfeld dafür schaffen können, dass Familienunternehmen in Lehrstellen investieren;
23. weist darauf hin, dass weitere Probleme von Familienunternehmen bewältigt werden müssen, wie z.B. Schwierigkeiten, Fachkräfte anzuwerben und an sich zu binden, und dass die Vermittlung unternehmerischer Kompetenz sowie auf Familienunternehmen zugeschnittene Schulungen von Führungskräften verstärkt werden müssen;
24. hebt die Bedeutung der von der EU finanzierten Berufsbildungsprogramme für Kleinunternehmer hervor, die es den Inhabern von Familienunternehmen ermöglichen, ihre Unternehmen an ein sich rasch änderndes Umfeld anzupassen, dessen Triebfedern die immer engere Verzahnung der Weltwirtschaft, das Entstehen neuer Technologien und der Schwerpunkt auf einer umweltfreundlicheren Wirtschaft mit geringen CO2-Emissionen sind;
25. stellt fest, dass die Förderung des Unternehmertums in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen entscheidende Bedeutung für das Entstehen einer für die Führung von Unternehmen günstigeren Einstellung hat; stellt außerdem fest, dass die Bildungsmaßnahmen Themen umfassen sollten, die auf Familienunternehmen zugeschnitten sind, wie Eigentum, Unternehmensnachfolge und Familienbetriebsführung, sowie allgemeinere Inhalte, wie die Rolle der Innovation als Mittel, Unternehmen neu zu erfinden;
26. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die formelle und informelle gelegentliche und unsichtbare Arbeit von Familienangehörigen, auch in Familienunternehmen, zu berücksichtigen, und empfiehlt den Mitgliedstaaten, einen klaren Rechtsrahmen zur Verfügung zu stellen;
27. betont, dass die Beiträge von Familienunternehmen zu Innovationen gestärkt werden könnten, indem die Beteiligung dieser Unternehmen an öffentlich-privaten Partnerschaften und Clustern und ihre Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen unterstützt werden;
Ausblick
28. fordert die Kommission auf, im Interesse besserer Rechtsetzung eine Prüfung der geltenden Rechtsvorschriften vorzunehmen, die Auswirkungen auf Familienunternehmen haben, um Probleme und Hemmnisse für das Wachstum zu ermitteln;
29. fordert die Kommission auf, regelmäßig ausreichend finanzierte Studien in Auftrag zu geben, welche die Bedeutung der Inhaberschaft für den Erfolg und den Fortbestand eines Unternehmens analysieren sowie die spezifischen Herausforderungen für Familienunternehmen aufzeigen, und dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten eine für Statistiken geeignete europaweite Definition des Begriffs „Familienunternehmen“ – die zusammen mit Eurostat entwickelt wird – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten vorzuschlagen; fordert die Kommission darüber hinaus auf, die bestehende „Task Force Daten zu kleinen und mittleren Unternehmen“ zu benutzen, um genügend Daten – auch zu Familienunternehmen in allen Mitgliedstaaten – zusammenzutragen, damit ein Vergleich der Lage und der Bedürfnisse von Familienunternehmen verschiedener Größenordnungen sowie ein Vergleich von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen ermöglicht wird, um die Information und den Austausch hinsichtlich Beispielen von Know-how und bewährten Verfahren in der gesamten EU beispielsweise dadurch zu fördern, dass in der Kommission eine Kontaktstelle „Familienunternehmen“ eingerichtet wird und Programme, wie etwa „Erasmus für junge Unternehmer“, optimal genutzt werden, und eine stärker zielgerichtete Unterstützung zuzulassen;
30. fordert die Kommission auf, eine Folgenabschätzung darüber vorzunehmen, inwieweit eine Ausweitung der europäischen KMU-Definition aus dem Jahr 2003 in dem Sinne möglich wäre, dass zusätzlich zu rein quantitativen Kriterien auch qualitative Kriterien aufgenommen werden, die auch die Eigentumsverhältnisse eines Unternehmens in Kenntnis der Verflechtung von Eigentum, Kontrolle und Leitung sowie die Tatsache, dass das Risiko und die Haftung ausschließlich von der Familie selbst übernommen werden, die soziale Verantwortung eines Unternehmens und allgemein den persönlichen Aspekt der Leitung eines Unternehmens auch in Bezug auf die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verwaltung der geschäftlichen Tätigkeiten und die Auswirkungen berücksichtigen, die dies auf Familienunternehmen beispielsweise hinsichtlich staatlicher Beihilfen und der Förderfähigkeit solcher Unternehmen haben könnte;
31. fordert die Kommission auf, in der Zwischenzeit im Rahmen ihrer Gesetzesfolgenabschätzung eine Machbarkeitsstudie zu einem„Familienunternehmen-Test“ (mit Blick auf Maßnahmen beispielsweise in den Bereichen Eigentum, Verwaltungsstrukturen und Privatsphäre) in Anlehnung an den KMU-Test durchzuführen und ihn sobald wie möglich einzuführen, falls die Studie ergibt, dass er machbar ist, damit man die Auswirkung bestimmter Rechtsakte auf Familienunternehmen bereits im Vorfeld feststellen und so unnötige Bürokratie und lästige Hürden für Familienunternehmen vermeiden kann, wobei besonderes Augenmerk den kombinierten Auswirkungen des Gesellschaftsrechts und des Privatrechts gebührt;
32. stellt fest, dass zwischen aneinander grenzenden Staaten bestehende Unterschiede, beispielsweise beim Steuerrecht, bei Subventionsregelungen oder bei der Umsetzung und Durchführung von Europarecht, Probleme in dem Grenzgebiet für Unternehmer, wie beispielsweise solche mit Familienunternehmen, verursachen können; fordert deswegen die Mitgliedstaaten auf, geplante nationale Rechtsvorschriften und die geplante Art der Umsetzung und Durchführung von Europarecht auf die Auswirkungen hin zu testen, die sie auf Unternehmer, wie etwa solche mit Familienunternehmen, in Grenzregionen haben werden;
33. fordert die Kommission auf, intern eine ständige Arbeitsgruppe einzurichten – und ihren Aufgabenbereich festzulegen –, die sich speziell um die Bedürfnisse und Besonderheiten von Familienunternehmen kümmert, dem Parlament und den Mitgliedstaaten regelmäßig Bericht erstattet, den Austausch bewährter Verfahren zwischen Organisationen von Familienunternehmen in den Mitgliedstaaten begünstigt sowie Leitlinien, Mustertexte und Lösungen für die speziellen Probleme von Familienunternehmen verbreitet; fordert die Kommission auch auf, eine einzige Anlaufstelle für Unternehmen einzurichten, die als Ansprechpartner auf europäischer Ebene für Familienunternehmen und Interessengruppen im Bereich der Familienunternehmen fungieren und Hilfestellung in spezifischen Fragen im Zusammenhang insbesondere mit Europarecht und Zugang zu EU-Finanzierung leisten kann;
34. hebt die die Rolle von Frauen als Unternehmerinnen in Familienunternehmen hervor; fordert die Kommission auf, eine Studie über die Beteiligung von Frauen in Familienunternehmen in Europa in Auftrag zu geben und die Möglichkeiten zu bewerten, die Familienunternehmen für die Stärkung der Position der Frau in der Gesellschaft, die Chancengleichheit und die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben bieten; betont, dass das Recht von Frauen auf Nachfolge in Familienunternehmen, gleichberechtigt mit Männern, dadurch geschützt werden muss, dass eine Kultur gleicher Rechte für Männer und Frauen gefördert wird, durch die die Tätigkeit von Unternehmerinnen in Familienunternehmen – auch in leitenden Positionen –gefördert wird; betont ebenfalls, dass Familienunternehmen die gesetzlichen Vorschriften über Sozialversicherung, Rentenbeiträge und Normen für sichere Arbeitsbedingungen einhalten sollten;
35. weist die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Behörden erneut darauf hin, dass es wichtig ist, in ausreichendem Maße hochwertige und erschwingliche Dienstleistungen für die Betreuung von Kindern, älteren Menschen und anderen abhängigen Personen sowie steuerliche Anreize für Unternehmen und andere Ausgleichsleistungen bereitzustellen, um so die Frauen und Männer, die als abhängig Beschäftigte, Selbständige oder Mitglieder der Geschäftsführung in Familienunternehmen arbeiten, dabei zu unterstützen, Familien- und Erwerbsleben miteinander zu vereinbaren;
36. unterstreicht die große Bedeutung von voneinander unabhängigem und angemessen vergütetem Mutterschafts-, Vaterschafts- oder Elternurlaub, der an den Bedürfnissen von Arbeitnehmern, Selbständigen und Unternehmern ausgerichtet ist;
37. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Europäische Netzwerk für Botschafterinnen des Unternehmertums und das Europäische Mentoren-Netzwerk für Unternehmerinnen zu fördern, um sie bekannter zu machen;
38. stellt fest, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe durch ihren Grundbesitz standortgebunden sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Fortbestand landwirtschaftlicher Familienbetriebe insbesondere nicht durch übermäßige Bürokratie gefährdet wird; weist auf die wichtige Rolle der Frauen in landwirtschaftlichen Familienbetrieben hin und fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung speziell für Bäuerinnen zu fördern, damit die direkte Beteiligung von Frauen an landwirtschaftlichen Familienbetrieben weiter gestärkt wird;
39. fordert die Kommission auf, in Anbetracht der Bedeutung der Familienunternehmen für die EU-Wirtschaft eine Stärkung des Unternehmertums EU-weit voranzutreiben und ein Umfeld für Spitzenleistung in der Wirtschaft zu schaffen;
40. fordert die Kommission auf, als dringende Angelegenheit eine Mitteilung auszuarbeiten, in der die Rolle der Familienunternehmen mit Blick auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums der EU-Wirtschaft bis 2020 analysiert wird, sowie einen Fahrplan zu erstellen, in dem die Maßnahmen aufgeführt werden, die Familienunternehmen in der EU in ihrem wirtschaftlichen Umfeld und in ihrer Entwicklung stärken und das Bewusstsein über die zu lösenden Probleme speziell im Bereich der Familienunternehmen schärfen sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit, ihre internationalen Aussichten und ihr Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen verbessern können;
o o o
41. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.