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Verfahren : 2015/2740(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B8-0987/2015

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B8-0987/2015

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P8_TA(2015)0347

Angenommene Texte
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Donnerstag, 8. Oktober 2015 - Straßburg
Hypothekengesetzgebung und riskante Finanzinstrumente in der EU: der Fall Spanien
P8_TA(2015)0347B8-0987/2015

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Hypothekengesetzgebung und zu riskanten Finanzinstrumenten in Spanien (auf Grundlage der eingegangenen Petitionen) (2015/2740(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Petition 626/2011 und 15 weitere Petitionen zur Hypothekengesetzgebung in Spanien (179/2012, 644/2012, 783/2012, 1669/2012, 0996/2013, 1345/2013, 1249/2013, 1436/2013, 1705/2013, 1736/2013, 2120/2013, 2159/2013, 2440/2013, 2563/2013 und 2610/2013),

–  unter Hinweis auf die Petition 513/2012 sowie 21 weitere Petitionen über riskante Finanzinstrumente in Spanien (548/2012, 676/2012, 677/2012, 785/2012, 788/2012, 949/2012, 1044/2012, 1247/2012, 1343/2012, 1498/2012, 1662/2012, 1761/2012, 1851/2012, 1864/2012, 169/2013, 171/2013, 2206/2013, 2215/2013, 2228/2013, 2243/2013 und 2274/2013),

–  unter Hinweis auf die Beratungen im Petitionsausschuss mit den betroffenen Petenten, zuletzt am 16. April 2015,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010(1),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU(2),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(3),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission über die Überarbeitung und Erweiterung der Empfehlung der Kommission vom 12. März 2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen mit Blick auf die Familieninsolvenz und zweite Chancen für Privatpersonen und Haushalte im Rahmen der gemeinsamen Debatte vom 19. Mai 2015 über Insolvenzverfahren,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Juni 2013 zum sozialen Wohnungsbau in der Europäischen Union(4),

–  unter Hinweis auf seine Anfrage an die Kommission zur Hypothekengesetzgebung und zu riskanten Finanzinstrumenten in Spanien (auf Grundlage der eingegangenen Petitionen) (O-000088/2015 – B8-0755/2015),

–  unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Petitionsausschusses,

–  gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass zahlreiche eingegangene Petitionen Tausende tragischer persönlicher Fälle ans Licht gebracht haben, in denen Bürgerinnen und Bürger ihre Ersparnisse komplett oder zum Teil verloren haben, und in der Erwägung, dass in diesen Petitionen auf die Hindernisse hingewiesen wird, mit denen die Verbraucher konfrontiert werden, wenn sie sich genaue und wichtige Informationen über Finanzinstrumente verschaffen wollen;

B.  in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft in Spanien nach wie vor gegen die Hunderttausende von Zwangsräumungen, die missbräuchlichen Geschäftsbedingungen in Hypothekenverträgen und den fehlenden Schutz von Kreditnehmern protestieren; in der Erwägung, dass einer dieser Organisationen, nämlich der Organisation „Plataforma de Afectados por la Hipoteca“, PAH (Plattform der Hypothekenopfer), zufolge im ersten Quartal des Jahres 2015 in Spanien 19 261 Haus- und Wohnungsräumungen durchgeführt wurden (6 % mehr als im gleichen Quartal des Jahres 2014); in der Erwägung, dass nach Schätzungen der PAH seit 2008 in Spanien mehr als 397 954 Häuser und Wohnungen zwangsgeräumt wurden; in der Erwägung, dass über 100 000 Haushalte ihr Zuhause verloren haben;

C.  in der Erwägung, dass die Auswirkungen der Krise die Lage von Familien nach einer Zwangsräumung verschärft haben, zumal sie nach wie vor ihre Hypothekenschulden abbezahlen müssen und die sich daraus ergebenden Zinsen steigen; in der Erwägung, dass die spanische Regierung mit dem Gesetz Nr. 6/2012 die Möglichkeit einer Leistung an Erfüllungs Statt als außerordentliche Maßnahme eingeführt hat; in der Erwägung, dass diese Möglichkeit einer Leistung an Erfüllungs Statt nach den amtlichen Zahlen für das zweite Quartal des Jahres 2014 bei 11 407 Anträgen nur in 1 467 Fällen bzw. bei 12,86 % der Fälle insgesamt bewilligt wurde;

D.  in der Erwägung, dass nationale und europäische Gerichte eine Reihe missbräuchlicher Klauseln und Praktiken im spanischen Hypothekenwesen festgestellt haben (siehe Urteile des Gerichtshofs, Rechtssache C-243/08 Pannon GSM; C-618/10, Banco Español de Crédito; und Rechtssache C-415/11, Catalunyacaixa), die mit den Richtlinien 93/13/EWG, 2004/39/EG und 2005/29/EG hätten verhindert werden sollen, wenn diese alle in vollem Umfang in Spanien umgesetzt und durchgeführt worden wären;

E.  in der Erwägung, dass die Richtlinie 2014/17/ЕU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (die Hypothekarkredit-Richtlinie) auf Hypothekarkreditverträge anwendbar ist, die nach dem 21. März 2016 abgeschlossen werden, und dass die Kreditgeber danach verpflichtet sind, die Verbraucher über die Hauptmerkmale des Kreditvertrags zu informieren;

F.  in der Erwägung, dass die spanischen Behörden aufgrund des Urteils in der Rechtssache Aziz (Rechtssache C-415/11) in einem beschleunigten Verfahren das Gesetz Nr. 1/2013 vom 14. Mai 2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, zur Umschuldung und zu Sozialmieten (Ley 1/2013 de medidas para reforzar la proteccion a los deudores hipotecarios, restructuracion de la deuda y alquiler social) verabschiedet haben;

G.  in der Erwägung, dass die spanischen Behörden aufgrund des Urteils in der Rechtssache C-169/14 den nationalen Berufungsmechanismus für das Hypothekenwesen durch eine endgültige Bestimmung im Gesetz Nr. 9/2015 vom 25. Mai 2015 über Sofortmaßnahmen bei Konkurssachen (Ley 9/2015 de medidas urgentes en material concursal) geändert haben, um diesen mit der Richtlinie 93/13/EWG in Einklang zu bringen;

H.  in der Erwägung, dass das spanische Parlament einen Kodex angenommen hat, mit dem bewährte Vorgehensweisen für eine realistische Umschuldung von Hypotheken für selbstgenutzte Wohnungen eingeführt werden, der von den Finanzinstituten aufgrund seines freiwilligen Charakters allerdings in der Regel ignoriert wurde und nur sehr begrenzte Ergebnisse gezeitigt hat, was die Vermeidung von Zwangsräumungen oder die Möglichkeit der Leistung an Erfüllungs Statt betrifft, da mehr als 80% der Betroffenen aufgrund der Voraussetzungen nicht infrage kommen;

I.  in der Erwägung, dass die Verbraucher in vielen Fällen von den Banken nicht gebührend über das Ausmaß des mit den vorgeschlagenen Investitionen verbundenen Risikos unterrichtet wurden, sowie in der Erwägung, dass die Banken es in solchen Fällen zudem versäumt haben, Eignungstest durchzuführen, um festzustellen, ob die Kunden dank angemessener Kenntnisse das finanzielle Risiko, dem sie sich aussetzten, überhaupt erfassen konnten; in der Erwägung, dass es sich bei vielen der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern um ältere Menschen handelt, die ihre gesamten Ersparnisse in Produkte angelegt haben, die ihnen als risikofrei verkauft wurden;

J.  in der Erwägung, dass in den letzten Jahren schätzungsweise 700 000 spanische Bürgerinnen und Bürger finanziellen Betrügereien zum Opfer gefallen sind, da die Banken ihnen auf betrügerische Weise riskante Finanzinstrumente verkauft haben, ohne dass sie gebührend über das Ausmaß der Risiken informiert oder darüber aufgeklärt wurden, dass sie de facto keinen Zugang mehr zu ihren Ersparnissen haben würden;

K.  in der Erwägung, dass viele der Betrugsopfer das von den spanischen Behörden eingeführte Schiedsverfahren abgelehnt haben;

L.  in der Erwägung, dass die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) (Richtlinie 2004/39/EG) die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch Wertpapierfirmen und Kreditinstitute in Bezug auf Finanzinstrumente regelt, unter anderem auch Vorzugsaktien („preferentes“); in der Erwägung, dass in Artikel 19 der MiFID Wohlverhaltensregeln bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für Kunden festgelegt werden;

1.  fordert die Kommission auf, die Umsetzung des Urteils in der Rechtssache C-415 (Aziz) und der Richtlinie 93/13/EWG über die Hypothekengesetzgebung in allen Mitgliedstaaten zu überwachen, damit gewährleistet ist, dass die Behörden der Mitgliedstaaten die Vorschriften in vollem Umfang einhalten;

2.  fordert die Finanzeinrichtungen in der gesamten Union auf, ihr missbräuchliches Verhalten gegenüber Kunden in den Bereichen Hypotheken, komplexe Finanzprodukte und Kreditkarten einzustellen, unter anderem auch die Berechnung übermäßig hoher Zinsen und die willkürliche Kündigung eines Dienstes;

3.  fordert die Finanzeinrichtungen in der gesamten Union auf, möglichst auf Zwangsräumungen von Familien aus ihrem einzigen Zuhause zu verzichten und stattdessen eher auf Umschuldung zu setzen;

4.  fordert die spanische Regierung auf, mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten eine umfassende Lösung anzustreben, damit die unannehmbar hohe Zahl der Zwangsräumungen drastisch verringert werden kann;

5.  fordert die Kommission auf, die Umsetzung der Richtlinie 2014/17/ЕU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (Hypothekarkredit-Richtlinie) in allen Mitgliedstaaten aufmerksam zu verfolgen;

6.  fordert die Kommission auf, Informationen über bewährte Verfahren in Bezug auf die Anwendung der Leistung an Erfüllungs Statt in bestimmten Mitgliedstaaten weiterzugeben und die Auswirkungen auf die Verbraucher und die Unternehmen zu bewerten;

7.  weist die Kommission warnend darauf hin, dass der Generalanwalt der EU Zweifel an der Legalität der Maßnahmen geäußert hat, die von der spanischen Regierung ergriffen wurden, um das Problem der Verstöße anzugehen, die der Gerichtshof der Europäischen Union am 14. März 2013 angeprangert hatte, und um missbräuchliches Geschäftsgebaren im Hypothekensektor zu verhindern;

8.  fordert die Kommission auf, genau zu überwachen, ob die neuen Maßnahmen , die die spanische Regierung erlassen hat, tatsächlich umgesetzt werden, um so bestehende Probleme zu lösen und einem missbräuchlichen Geschäftsgebaren bei Banken und in der Wirtschaft vorzubeugen;

9.  fordert die Kommission auf, Informationskampagnen über Finanzprodukte in die Wege zu leiten und die Finanzkompetenz durch Bildung zu verbessern, damit gewährleistet ist, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger auch wirklich besser über die Risiken informiert sind, wenn sie Finanzprodukte zeichnen;

10.  fordert die Kommission auf, den Austausch bewährter Verfahren zu fördern, mit denen die Bürgerinnen und Bürger, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, besser geschützt werden können; ist der Auffassung, dass grundlegende Kenntnisse über Finanzen ein echter Pluspunkt sind, mit der sich eine Überschuldung vermeiden lässt;

11.  fordert die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) auf, mit einer Kampagne über bewährte Verfahren die Banken und ihre Mitarbeiter dazu zu bewegen, klare, verständliche und korrekte Informationen zu liefern; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Verbraucher in der Lage sein müssen, in Kenntnis der Sachlage eine Entscheidung zu treffen, wobei sie sich der Risiken, die sie möglicherweise eingehen, in vollem Umfang bewusst sein müssen, und betont nachdrücklich, dass die Wirtschaftsbeteiligten und die Banken die Verbraucher nicht in die Irre führen dürfen;

12.  fordert die EBA und die EZB auf, weitere Maßnahmen zu unternehmen, damit die Banken ihren potenziell riskanten Wertpapierhandel von ihren Einlagengeschäften trennen, wenn dies die Stabilität des Finanzsystems gefährdet, damit der Finanzsektor der EU weiterhin stark bleibt;

13.  fordert die Kommission und die EZB auf, das spanische Schiedsverfahren zu bewerten, das für Bürgerinnen und Bürger eingeführt wurde, die finanziellem Betrug zum Opfer gefallen sind;

14.  fordert die Kommission auf, zu überwachen, ob Spanien die EU-Rechtsvorschriften für Finanzinstrumente, einschließlich Vorzugsaktien, korrekt umsetzt und anwendet;

15.  fordert die Kommission auf, den eingegangenen Beschwerden nachzugehen und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen;

16.  fordert die Kommission auf, einen Gesetzgebungsvorschlag über Familieninsolvenz vorzulegen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der spanischen Regierung, dem Rat, der Kommission und der Europäischen Zentralbank zu übermitteln.

(1) ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 34.
(2) ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349.
(3) ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29.
(4) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0246.

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