Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2015 zu dem Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2279 der Kommission vom 4. Dezember 2015 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die aus der genetisch veränderten Maissorte NK603 × T25 (MON-ØØ6Ø3-6 × ACS-ZMØØ3-2) bestehen, diese enthalten oder aus dieser gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (2015/3006(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2279 der Kommission vom 4. Dezember 2015 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die aus der genetisch veränderten Maissorte NK603 × T25 (MON-ØØ6Ø3-6 × ACS-ZMØØ3‑2) bestehen, diese enthalten oder aus dieser gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (1),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel(2), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 19 Absatz 3,
– unter Hinweis auf die Artikel 11 und 13 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren(3),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom 15. Juli 2015(4),
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit,
– gestützt auf Artikel 106 Absätze 2 und 3 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Monsanto Europe S.A. am 17. Mai 2010 bei der zuständigen Behörde der Niederlande gemäß den Artikeln 5 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 einen Antrag auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Lebensmittelzutaten und Futtermitteln stellte, die Mais der Sorte NK603 × T25 enthalten, daraus bestehen oder daraus gewonnen werden;
B. in der Erwägung, dass der genetisch veränderte Mais der Sorte MON-ØØ6Ø3-6 × ACS-ZMØØ3-2 – wie im Antrag beschrieben – das Protein CP4 EPSPS, das Toleranz gegenüber Glyphosat-Herbiziden verleiht, sowie das PAT-Protein, das Toleranz gegenüber Glufosinatammonium-Herbiziden verleiht, exprimiert, und in der Erwägung, dass das Internationale Krebsforschungszentrum (IARC), das spezialisierte Krebszentrum der Weltgesundheitsorganisation, Glyphosat am 20. März 2015 als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ einstufte(5);
C. in der Erwägung, dass die Kommission – ungeachtet des Entschließungsantrags des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 1. Dezember 2015, in dem der Ausschuss den Entwurf des Durchführungsbeschlusses über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die aus der genetisch veränderten Maissorte NK603 × T25 (MON-ØØ6Ø3-6 × ACS-ZMØØ3-2) bestehen, diese enthalten oder aus dieser gewonnen werden, ablehnte, – den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den EU-Organen missachtete und den Durchführungsbeschluss am 4. Dezember 2015 und somit zehn Tage vor der ersten Plenartagung des Parlaments annahm, in der dieses über den im ENVI-Ausschuss angenommenen Entschließungsantrag abstimmen konnte;
D. in der Erwägung, dass die Kommission in der Begründung zu ihrem Legislativvorschlag vom 22. April 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 die Tatsache bedauerte, dass seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 die Zulassungsbeschlüsse der Kommission im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften ohne die Stützung durch eine Stellungnahme des Ausschusses der Mitgliedstaaten angenommen werden und dass die Rückverweisung eines Vorgangs an die Kommission zwecks endgültiger Beschlussfassung, die normalerweise eine absolute Ausnahme darstellt, bei der Entscheidungsfindung im Bereich der genetisch veränderten (GV) Lebens- und Futtermittel die Norm geworden ist;
E. in der Erwägung, dass die Kommission auf der Grundlage einer Reihe politischer Leitlinien, die dem Europäischen Parlament vorgestellt worden waren, ernannt wurde, und in der Erwägung, dass sich die Kommission in diesen Leitlinien verpflichtete, die Rechtsvorschriften für die Zulassung genetisch veränderter Organismen (GVO) zu überprüfen;
F. in der Erwägung, dass der Legislativvorschlag vom 22. April 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 am 28. Oktober 2015 vom Parlament mit der Begründung abgelehnt wurde(6), dass der Anbau zwar notwendigerweise auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erfolgt, der Handel mit GVO allerdings grenzüberschreitende Ausmaße annimmt, sodass ein Verbot von Verkauf und Verwendung gar nicht durchzusetzen ist, ohne Grenzkontrollen wiedereinzuführen;
G. in der Erwägung, dass das aktuelle System der Zulassung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln nicht gut funktioniert, da – wie in der Ausgabe der französischen Tageszeitung „Le Monde“ vom 14. Oktober 2015 bestätigt wurde(7) – sechs genetisch veränderte Maissorten für die Einfuhr in die EU zugelassen wurden, obwohl sie genetische Veränderungen aufweisen, die nicht Gegenstand der Bewertung im Rahmen des Zulassungsverfahren waren, und die GV-Merkmale der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und der Kommission erst im Juli 2015 durch den Konzern Syngenta gemeldet wurden, obwohl diese Sorten bereits im Zeitraum 2008–2011 für die Einfuhr zugelassen worden waren;
H. in der Erwägung, dass das Parlament den Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ablehnte und die Kommission gleichzeitig aufforderte, ihren Vorschlag zurückzuziehen und einen neuen Vorschlag vorzulegen;
1. vertritt die Auffassung, dass der Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2279 der Kommission über die in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht;
2. ist der Ansicht, dass die Tatsache, dass die Kommission ihren Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2279 angenommen hat, obwohl dessen Entwurf im Vorfeld der Abstimmung im Plenum vom zuständigen Ausschuss abgelehnt wurde, Artikel 13 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, in dem die loyale Zusammenarbeit zwischen den Organen gewährleistet ist, zuwiderläuft;
3. ist der Ansicht, das jeglicher Durchführungsbeschluss zur Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die genetisch veränderte Organismen enthalten, aus diesen bestehen oder daraus hergestellt sind, im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 in ihrer derzeitigen nicht zufriedenstellenden Fassung ausgesetzt werden sollte, bis eine neue Rechtsvorschrift auf der Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union angenommen worden ist;
4. ist der Ansicht, dass der Durchführungsbeschluss der Kommission nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist, da er nicht dem Ziel der Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und (EG) Nr. 396/2005(8) entspricht, das im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002(9) darin besteht, die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für Leben und Gesundheit des Menschen, Gesundheit und Wohlergehen der Tiere, die Belange der Umwelt und die Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Futtermitteln sicherzustellen und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten;
5. fordert die Kommission auf, ihren Durchführungsbeschluss (EU) 2015/2279 aufzuheben;
6. fordert die Kommission auf, auf der Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einen neuen Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorzulegen, der den häufig auf nationaler Ebene bekundeten Bedenken Rechnung trägt, die sich nicht nur auf Probleme der Sicherheit von GVO für die Gesundheit oder die Umwelt beziehen;
7. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
EFSA GMO Panel (EFSA Panel on Genetically Modified Organisms), 2015. Scientific Opinion on application (EFSA-GMO-NL-2010-80) for the placing on the market of herbicide tolerant genetically modified maize NK603 x T25 for food and feed uses, import and processing under Regulation (EC) No 1829/2003 from Monsanto (Wissenschaftliches Gutachten zu einem Antrag von Monsanto auf das Inverkehrbringen der herbizidtoleranten gentechnisch veränderten Maissorte NK603 x T25 für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln, Einfuhr und Weiterverarbeitung). EFSA Journal: 2015; 13(7):4165, 23 pp. doi:10.2903/j.efsa.2015.4165.
IARC Monographs Volume 112: evaluation of five organophosphate insecticides and herbicides 20 March 2015 (Bewertung von fünf Organophosphat-Insektiziden und Herbiziden) http://www.iarc.fr/en/media-centre/iarcnews/pdf/MonographVolume112.pdf
Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1).
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1).