Index 
Angenommene Texte
Donnerstag, 8. Oktober 2015 - Straßburg
Zentralafrikanische Republik
 Lage in Thailand
 Die Massenvertreibung von Kindern in Nigeria infolge der Angriffe von Boko Haram
 Der Fall Ali Mohammed Al-Nimr
 Zahlungsdienste im Binnenmarkt ***I
 Hypothekengesetzgebung und riskante Finanzinstrumente in der EU: der Fall Spanien
 Die Todesstrafe
 Lehren aus der Rotschlammkatastrophe in Ungarn - fünf Jahre nach dem Unfall
 Erneuerung des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung der Geschlechter und Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit
 Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen

Zentralafrikanische Republik
PDF 195kWORD 85k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Zentralafrikanischen Republik (2015/2874(RSP))
P8_TA(2015)0342RC-B8-1000/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Zentralafrikanischen Republik,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Februar 2015 zur Arbeit der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU(1),

–  unter Hinweis auf die Entschließungen der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP‑EU zur Lage in der Zentralafrikanischen Republik vom 19. Juni 2013, vom 19. März 2014 und vom 17. Juni 2015,

–  unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Lage in der Zentralafrikanischen Republik, insbesondere ihre Erklärung vom 13. Oktober 2014,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 28. September 2015 zur Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 9. Februar 2015 und vom 20. Juli 2015 zur Zentralafrikanischen Republik,

–  unter Hinweis auf die Äußerungen der unabhängigen Sachverständigen der Vereinten Nationen, Marie-Therese Keita Bocoum, vom 1. Oktober 2015 zur Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik,

–  unter Hinweis auf die Forderung des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon und des Sicherheitsrats vom 28. September 2015, dem plötzlichen Gewaltausbruch in der Zentralafrikanischen Republik umgehend ein Ende zu setzen;

–  unter Hinweis auf die UN-Resolution 2217 (2015) zur Erneuerung des Mandats von MINUSCA mit der aktuell genehmigten Truppenstärke bis zum 30. April 2016, die vom Sicherheitsrat in seiner 7434. Sitzung am 28. April 2015 angenommen wurde,

–  unter Hinweis auf die UN-Resolution 2196 (2015) zur Verlängerung der Sanktionsregelung für die Zentralafrikanische Republik bis zum 29. Januar 2016 und des Mandats für das Expertengremium zur Unterstützung des im Rahmen der Resolution 2127 eingerichteten Sanktionsausschusses für die Zentralafrikanische Republik bis zum 29. Februar 2016,

–  unter Hinweis auf den UN-Evaluierungsbericht vom 15. Mai 2015 zur Durchsetzung und zu den Bemühungen um Hilfe und Unterstützung für Opfer sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs durch Bedienstete der Vereinten Nationen und zugehöriges Personal bei Friedenssicherungseinsätzen,

–  unter Hinweis auf den Bericht des UN-Generalsekretärs vom 11. September 2015 über die Empfehlungen des hochrangigen unabhängigen Gremiums zu Friedenseinsätzen,

–  unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Internationalen Untersuchungskommission für die Zentralafrikanische Republik vom 19. Dezember 2014,

–  unter Hinweis auf die hochrangige internationale Konferenz zur Zentralafrikanischen Republik, die am 26. Mai 2015 unter dem Titel „From humanitarian aid to resilience“ abgehalten wurde,

–  unter Hinweis auf das am 10. Mai 2015 von zahlreichen bewaffneten Gruppen im Rahmen des Forums von Bangui unterzeichnete Abkommen über die Entwaffnung, Demobilisierung, Repatriierung und Wiedereingliederung,

–  unter Hinweis auf das überarbeitete Cotonou-Abkommen,

–  unter Hinweis auf die politische Übereinkunft von Libreville (Gabun) zur Lösung der politisch-militärischen Krise in der Zentralafrikanischen Republik vom 11. Januar 2013, die unter der Schirmherrschaft der Staatschefs der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten (ECCAS) unterzeichnet wurde, und in welcher die Bedingungen für die Beendigung der Krise in der Zentralafrikanischen Republik dargelegt sind,

–  unter Hinweis auf die außerordentlichen Gipfeltreffen der Staatschefs der Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten (ECCAS), die am 21. Dezember 2012 sowie am 3. und 18. April 2013 in N’Djamena (Tschad) stattfanden, und deren Beschlüsse zur Einrichtung eines Nationalen Übergangsrates mit Gesetzgebungsbefugnissen und verfassungsgebenden Befugnissen sowie zur Entwicklung eines Fahrplans für den Übergangsprozess in der Zentralafrikanischen Republik,

–  unter Hinweis auf das Treffen der Internationalen Kontaktgruppe vom 3. Mai 2013 in Brazzaville (Republik Kongo), bei welchem der Fahrplan für den Übergangsprozess bestätigt und ein Sonderfonds zur Unterstützung der Zentralafrikanischen Republik eingerichtet wurde,

–  unter Hinweis auf die im Juli 2014 unterzeichnete Vereinbarung über die Einstellung der Feindseligkeiten,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des siebten Treffens der Internationalen Kontaktgruppe zur Zentralafrikanischen Republik vom 16. März 2015 in Brazzaville,

–  unter Hinweis auf die vom Rat für Frieden und Sicherheit der Afrikanischen Union am 17. September 2014 und am 26. März 2015 herausgegebenen Kommuniqués,

–  unter Hinweis auf die vom Übergangsrat Ende August 2015 angenommene Verfassung für die Zentralafrikanische Republik,

–  unter Hinweis auf das 1998 angenommene Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, das 2001 von der Zentralafrikanischen Republik ratifiziert wurde,

–  unter Hinweis auf das von der Zentralafrikanischen Republik unterzeichnete Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten,

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 der Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass es Ende September 2015 zu erneuten Zusammenstößen kam, bei denen 42 Menschen ums Leben kamen und sich 37 000 Menschen gezwungen sahen, aus ihren Häusern zu fliehen;

B.  in der Erwägung, dass Ende September 2015 mehr als 500 Gefangene aus dem Ngaraba-Gefängnis in Bangui und aus Bouar ausbrachen, darunter bekannte Urheber von Menschenrechtsverletzungen; in der Erwägung, dass dies eine ernsthafte Gefahr für die Zivilbevölkerung und den Schutz von Opfern und Zeugen darstellt; in der Erwägung, dass der Gefängnisausbruch ein Rückschlag für die Wahrung von Recht und Ordnung und den Kampf gegen Straffreiheit in der Zentralafrikanischen Republik ist;

C.  in der Erwägung, dass sich die Bedingungen für die Hilfsorganisationen in Bangui nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten verschlechtert haben; in der Erwägung, dass mehrere Büros und Wohnungen von Hilfsorganisationen geplündert wurden und die Freizügigkeit ihrer Mitarbeiter – insbesondere medizinischer Fachkräfte in Krankenhäusern – eingeschränkt worden ist;

D.  in der Erwägung, dass die humanitäre Hilfe aufgrund der Kämpfe und zahlreicher Straßenblockaden erschwert wird, wodurch die staatlichen Stellen am Zugang zu Tausenden Binnenvertriebenen und an der Bedarfsermittlung gehindert werden; in der Erwägung, dass die Bedenken bezüglich des sicheren Zugangs zu den Stadtteilen Banguis von der Organisation Ärzte ohne Grenzen bekräftigt wurden, derzufolge verletzte Menschen oftmals zu Fuß ankämen und ihre Krankenwagen nicht mehr in der Lage seien, Einsätze zu fahren, da die Hauptstadt zu gefährlich geworden sei;

E.  in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen beschlossen haben, das Mandat von MINUSCA bis zum 30. April 2016 mit einer genehmigten Truppenobergrenze von 10 750 Militärbediensteten, darunter 480 militärische Beobachter und Stabsoffiziere, und 2 080 Polizeikräften, darunter 400 Polizeibeamte und 40 Justizvollzugsbeamte, zu verlängern;

F.  in der Erwägung, dass laut der UN-Friedensmission in dem Land (MINUSCA) die Spannungen in Bangui – die sich in Angriffen gegen Zivilisten, Gewalt zwischen Gemeinschaften und Angriffen gegen Mitarbeiter von humanitären Hilfsorganisationen manifestieren – anhalten, auch wenn sich die Sicherheitslage in letzter Zeit entspannt hat;

G.  in der Erwägung, dass die Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof, Fatou Bensouda, die an den Zusammenstößen beteiligten Akteure aufforderte, die Gewalt unverzüglich zu beenden, und hinzufügte, dass Kriegsverbrechen bestraft würden; in der Erwägung, dass am 24. September 2014 die zweite Untersuchung des Konflikts in der Zentralafrikanischen Republik eingeleitet wurde;

H.  in der Erwägung, dass die aktuellen Zusammenstöße drohen, den gerade erst begonnenen Friedensprozess zunichtezumachen, und das Land in die furchtbare Zeit Ende 2013 und 2014 zurückzuwerfen, als Tausende Menschen getötet wurden und Zehntausende aus ihren Häusern fliehen mussten; in der Erwägung, dass Kriminalität nach wie vor eine große Bedrohung darstellt; in der Erwägung, dass die Lage von Frauen in der Zentralafrikanischen Republik äußerst gravierend ist, und in der Erwägung, dass Vergewaltigungen von allen beteiligten Akteuren häufig als Kriegswaffe verwendet werden;

I.  in der Erwägung, dass der Staatsstreich von 2013 und die anschließende Entmachtung des Übergangspräsidenten, Michel Djotodia, und des Übergangsministerpräsidenten, Nicolas Tiangaye, mit zahlreichen und schweren Menschenrechtsverletzungen einherging – darunter außergerichtliche Tötungen, Folter, Plünderungen, Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch in großem Umfang, Entführungen von Frauen und Kindern sowie Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten – und die große Gefahr eines Genozids bestand;

J.  in der Erwägung, dass vorgesehen war, dass die zentralafrikanischen Bürger am 4. Oktober 2015 in einem Referendum über die Verabschiedung einer neuen Verfassung abstimmen und parallel dazu ihre Vertreter für die ursprünglich für den 18. Oktober 2015 (erster Wahlgang) und 22. November 2015 (zweiter Wahlgang) anberaumten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wählen; in der Erwägung, dass die Übergangsregierung einige Wochen lang auf eine Verschiebung der Wahlen hingearbeitet hat, von der nationalen Wahlbehörde jedoch noch immer kein neuer Zeitplan bekannt wurde und bislang weder Wählerlisten erstellt noch Stimmzettel ausgegeben wurden;

K.  in der Erwägung, dass das Land gerade die schwerste humanitären Krise seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 durchlebt, von der die gesamte 4,6 Millionen Menschen zählende Bevölkerung – die Hälfte davon Kinder – betroffen ist; in der Erwägung, dass 2,7 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, darunter Nahrungsmittelhilfe, Schutz und Zugang zu medizinischer Versorgung, Trinkwasser, Sanitärversorgung und Unterkünfte; in der Erwägung, dass in dem Land Schätzungen zufolge mehr als 100 000 Kinder sexuell missbraucht und von bewaffneten Gruppen zwangsrekrutiert wurden und eine Million Kinder aufgrund der Krise keine Schulbildung erhalten haben;

L.  in der Erwägung, dass bewaffnete Gruppen in der Zentralafrikanischen Republik am 5. Mai 2015 eine Vereinbarung zur Freilassung von 6 000 bis 10 000 Kindersoldaten getroffen haben;

M.  in der Erwägung, dass der Friedenssicherungseinsatz von dem Vorwurf überschattet worden ist, dass Kinder und Mädchen von UN-Soldaten und französischen Friedenstruppen sexuell missbraucht wurden;

N.  in der Erwägung, dass sowohl die Séléka als auch die bewaffneten Anti-Balaka-Gruppen vom Holz- und Diamantenhandel profitieren, indem sie Standorte kontrollieren und „besteuern“ oder von Bergarbeitern und Händlern Schutzgelder erpressen, und dass Händler in der Zentralafrikanischen Republik Diamanten im Wert von mehreren Millionen US-Dollar erworben haben, ohne hinreichend zu prüfen, ob sie damit bewaffnete Gruppen finanzieren;

O.  in der Erwägung, dass es sich bei der Achtung der Menschenrechte um einen Grundwert der Europäischen Union und einen wesentlichen Bestandteil des Cotonou-Abkommens, insbesondere des Artikels 8, handelt;

P.  in der Erwägung, dass die gerichtliche Verfolgung schwerer Menschenrechtsverletzungen zu den wichtigsten Aufgaben zählt, um den Missbräuchen ein Ende zu setzen und die Zentralafrikanische Republik wiederaufzubauen;

Q.  in der Erwägung, dass die Gewalt nach wie vor mit Straffreiheit einhergeht, ungeachtet der Tatsache, dass der Übergangsrat ein Gesetz zur Einrichtung eines Sonderstrafgerichts verabschiedet hat, das durch die Unterzeichnung des Übergangspräsidenten Rechtskraft erlangte, und in der Erwägung, dass sich dieses Sonderstrafgericht aus nationalen und internationalen Richtern und Staatsanwälten zusammensetzt, die seit 2003 in der Zentralafrikanischen Republik begangene schwere Menschenrechtsverletzungen untersuchen und strafrechtlich verfolgen;

R.  in der Erwägung, dass die EU im September 2014 die ersten drei Entwicklungsprojekte aus dem Gebertreuhandfonds für die Zentralafrikanische Republik in den Bereichen Gesundheit, Schaffung von Arbeitsplätzen, Wiederaufbau von beschädigter Infrastruktur in Bangui sowie Stärkung der Rolle der Frauen und deren wirtschaftliche Inklusion in die Wege leitete;

S.  in der Erwägung, dass der Europäische Rat im März 2015 die militärische Beratungsmission der EU in der Zentralafrikanischen Republik (EUMAM RCA) auf den Weg gebracht hat, in deren Rahmen die zentralafrikanischen Staatsorgane bei der Ausarbeitung einer Reform für den Sicherheitssektor in Bezug auf die Streitkräfte unterstützt werden sollen;

T.  in der Erwägung, dass die EU seit Mai 2015 ihre finanzielle Unterstützung für die Zentralafrikanische Republik um insgesamt 72 Mio. EUR aufgestockt hat, darunter Mittel für humanitäre Hilfe (10 Mio. EUR an neuen Mitteln), Budgethilfe (zusätzliche 40 Mio. EUR) und einem neu hinzugekommen Beitrag zum EU-Treuhandfonds für die Zentralafrikanische Republik (zusätzliche 22 Mio. EUR);

U.  in der Erwägung, dass die EU am 15. Juli 2014 zur Unterstützung der Zentralafrikanischen Republik ihren ersten von mehreren Gebern finanzierten Treuhandfonds für Entwicklung eingerichtet hat, mit dem der Übergang von der Soforthilfe zur längerfristigen Entwicklungshilfe erleichtert werden soll;

1.  äußert seine tiefe Besorgnis über die Lage in der Zentralafrikanischen Republik, wo ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte, falls den jüngsten Gewaltmaßnahmen kein Einhalt geboten wird; bedauert die Verluste von Menschenleben und bekundet den Familien der Opfer und der gesamten Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik sein Mitgefühl;

2.  verurteilt nachdrücklich die Angriffe auf humanitäre Organisationen und Wohnhäuser während des jüngsten Ausbruchs der Gewalt; fordert, dass sich die humanitären Helfer frei bewegen können, um die hilfsbedürftige Zivilbevölkerung zu erreichen, insbesondere die Vertriebenen; erinnert daran, dass fast eine halbe Million Binnenvertriebene dringend Nahrung, medizinische Versorgung, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene, Unterkünfte und elementare Haushaltsgegenstände benötigen;

3.  fordert die Organe der Zentralafrikanischen Republik auf, ihre Anstrengungen auf die Bekämpfung von Straflosigkeit und die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit zu konzentrieren, auch indem die für die Gewalt Verantwortlichen gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden; begrüßt die Einrichtung des Sonderstrafgerichts, das die in der Zentralafrikanischen Republik seit 2003 begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen untersuchen und gerichtlich verfolgen soll, und weist darauf hin, dass es dringend in die Lage versetzt werden muss, seine Arbeit aufzunehmen; unterstreicht, dass internationale finanzielle und technische Hilfe für seine Funktionsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung ist; fordert, dass so bald wie möglich ein internationales Gebertreffen einberufen wird; fordert die Regierung der Zentralafrikanischen Republik auf, ein wirksames und transparentes Personaleinstellungsverfahren für das Gericht zu beschließen;

4.  würdigt, dass die Wirtschaftsgemeinschaft der zentralafrikanischen Staaten (ECCAS) bei der Gestaltung des Übergangprozesses eine wesentliche Rolle gespielt und bei den Beratungen am 31. Januar 2015 in Addis Abeba hinsichtlich aller parallel stattfindenden Initiativen, die die laufenden Bemühungen der Völkergemeinschaft zur Wiederherstellung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Zentralafrikanischen Republik gefährden könnten, eine entschlossene Haltung eingenommen hat;

5.  begrüßt die von der Übergangsregierung der Zentralafrikanischen Republik bislang unternommenen Anstrengungen, fordert die Organe der Zentralafrikanischen Republik und die Völkergemeinschaft jedoch auf, sich mit den grundlegenden Ursachen der Krise wie der weitverbreiteten Armut, wirtschaftlichen Disparitäten und Ungleichheiten, der steigenden Arbeitslosigkeit, und der mangelnden Umverteilung des Wohlstands aus den natürlichen Ressourcen des Landes über den Staatshaushalt auseinanderzusetzen; fordert eine umfassende Strategie, in der der Schwerpunkt auf Sicherheit, humanitärer Hilfe, Stabilisierung und wirtschaftlicher Erholung liegt;

6.  fordert die Völkergemeinschaft auf, den politischen Prozess in der Zentralafrikanischen Republik in dieser kritischen Zeit zu unterstützen und die gemeinsamen Bemühungen zur Förderung des politischen Dialogs, zur Vertrauensbildung und zur Sicherstellung der friedlichen Koexistenz der religiösen Gemeinschaften im Lande zu intensivieren; fordert die Regierung der Zentralafrikanischen Republik mit Nachdruck auf, dem Wiederaufbau des Bildungssystems Priorität einzuräumen, um ein langfristiges friedliches Miteinander zu fördern;

7.  bedauert, dass die Stärkung der Milizen trotz des von den Vereinten Nationen erklärten Waffenembargos anhält; fordert alle Parteien auf, das am 10. Mai 2015 unterzeichnete Abrüstungsabkommen einzuhalten; unterstreicht, dass die Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen absolute Priorität genießen muss, insbesondere mit Blick auf die noch vor Jahresende anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Zentralafrikanischen Republik;

8.  legt der Afrikanischen Union und der Europäischen Union nahe, alle geeigneten Maßnahmen und Instrumente einzusetzen, um der Übergangsregierung zu helfen, den Zusammenbruch eines bereits jetzt fragilen Staats, eine Eskalation der Spannungen zwischen den Volksgruppen und die anhaltende Stärkung konkurrierender Milizen zu verhindern und den Übergang zu einem funktionierenden, inklusiven und demokratischen Staat zu vollziehen, insbesondere durch das Stabilitäts- und Friedensinstrument, die Friedensfazilität für Afrika und die afrikanische Bereitschaftstruppe;

9.  begrüßt die Einrichtung des Forums von Bangui für Aussöhnung und Frieden und fordert die bedingungslose Teilnahme aller politischen, militärischen und religiösen Führer sowie der örtlichen Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft; drängt darauf, dass demokratische Wahlen stattfinden;

10.  fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und andere internationale Akteure auf, ihr Möglichstes zu tun, um die Ausrichtung der Wahlen wie im Fahrplan für den Übergang vorgesehen zu unterstützen, indem sie insbesondere zu dem vom UNDP verwalteten Wahlhilfeprogramm beitragen, so dass noch vor Jahresende Wahlen stattfinden können, womit ein wesentlicher Punkt des Fahrplans für den Übergang erfüllt wäre;

11.  betont erneut, dass es die Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität der Zentralafrikanischen Republik unterstützt; erinnert an die Bedeutung des Rechts auf Selbstbestimmung der Völker ohne Einmischung von außen;

12.  bekräftigt seine Unterstützung für die Vereinten Nationen, die MINUSCA-Friedenstruppe und das französische Militärkontingent „Sangaris“ im Vorfeld der Wahlen, die noch vor Jahresende Wahlen stattfinden sollen; verurteilt nachdrücklich alle Versuche, die laufenden Stabilisierungsbemühungen zu unterbinden;

13.  weist darauf hin, dass der Übergangszeitraum am 30. Dezember 2015 endet; fordert die nationalen Behörden mit Unterstützung der MINUSCA- und Sangaris-Kräfte auf, die Ruhe im Lande – vor allem in Bangui – wiederherzustellen, damit der Zeitplan für die Wahlen so gut wie möglich eingehalten wird;

14.  begrüßt die militärische Beratungsmission der EU (EUMAM RCA), und die Einleitung von Projekten, die auf die Wiederherstellung der Kapazitäten von Polizei und Gendarmerie bei der bürgernahen Polizeiarbeit und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Unruhen, die Wiederherstellung des gemeinsamen Einsatzleitungszentrums, die Stärkung der Justiz und die Sanierung der Haftanstalten abzielen;

15.  verurteilt entschieden jegliche Gewalt gegen Kinder und Frauen, und fordert alle Milizen und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppierungen nachdrücklich auf, ihre Waffen niederzulegen, jegliche Form der Gewalt einzustellen und die Kinder unverzüglich aus ihren Reihen zu entlassen; fordert alle Beteiligten auf, sich für den Schutz der Rechte der Kinder einzusetzen und jede weitere Gewalt und jeden weiteren Missbrauch gegenüber Kindern zu verhindern; fordert mit Nachdruck, dass Mädchen und Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen im Rahmen bewaffneter Konflikte waren, das ganze Spektrum an Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit angeboten wird;

16.  fordert die Diamantenhändler in der Zentralafrikanischen Republik auf, die gebotene Sorgfalt walten zu lassen, und fordert die Diamantenunternehmen auf, sich mit den im Rahmen des Kimberly-Prozesses in der Diamantenlieferkette aus der Zentralafrikanischen Republik aufgetretenen Versäumnissen zu befassen; fordert die Staatsorgane der Zentralafrikanischen Republik und die ausländischen Unternehmen auf, die Steuerung in der Rohstoffwirtschaft zu stärken, indem sie sich an die Vorgaben der Initiative für die Transparenz in der Rohstoffwirtschaft halten;

17.  fordert die internationalen Diamantenunternehmen auf, genau zu prüfen, woher die Diamanten stammen, um zu vermeiden, dass der Konflikt angeheizt wird, indem illegal geschürfte und gehandelte Diamanten aus der Zentralafrikanischen Republik gekauft werden; legt europäischen Firmen, die mit Holzgewinnungsunternehmen aus der Zentralafrikanischen Republik Handel treiben, nahe, sich an die EU-Holzverordnung zuhalten, und fordert die EU auf, ihre Holzverordnung hinsichtlich Importeuren von Holz aus der Zentralafrikanischen Republik strikt durchzusetzen;

18.  fordert die Staatsorgane der Zentralafrikanischen Republik auf, eine nationale Strategie zur Bekämpfung der illegalen Ausbeutung natürlicher Ressourcen und des unerlaubten Handels damit zu entwickeln;

19.  fordert die Länder, deren Soldaten für sexuellen Missbrauch bei Friedenssicherungsmissionen in der Zentralafrikanischen Republik verantwortlich sind, mit Nachdruck auf, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen und sie vor Gericht zu stellen, da Straflosigkeit nicht toleriert werden darf; unterstreicht, wie dringlich eine Reform der Friedenssicherungsstrukturen ist, indem ein funktionierender und transparenter Kontroll- und Rechenschaftsmechanismus geschaffen wird; ist davon überzeugt, dass solch schwere Verbrechen auch durch Bildung und Erziehung eingedämmt und verhindert werden könnten;

20.  fordert die Zentralafrikanische Republik, ihre Nachbarländer und die anderen Mitgliedstaaten der Internationalen Konferenz über die Region der Großen Seen (ICGLR) auf, auf regionaler Ebene zusammenzuarbeiten, um regionale kriminelle Netze und bewaffnete Gruppierungen zu ermitteln und zu bekämpfen, die an der illegalen Ausbeutung und am Schmuggel von Naturressourcen, einschließlich Gold und Diamanten, sowie an Wilderei und Wildtierschmuggel beteiligt sind;

21.  fordert die EU auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik eine besser koordinierte und wirkungsvollere Hilfe angedeihen zu lassen; begrüßt gleichzeitig das verstärkte humanitäre Engagement der EU und der Mitgliedstaaten in der Zentralafrikanischen Republik im Zuge der sich wandelnden Bedürfnisse; betont, dass den notleidenden Menschen in der Zentralafrikanischen Republik sowie den Flüchtlingen in den Nachbarländern lebensrettende Hilfe geleistet werden sollte;

22.  bedauert die Zerstörung öffentlicher Archive und Register durch die Milizen; fordert die EU nachdrücklich auf, die Wiederherstellung der öffentlichen Register der Zentralafrikanischen Republik zu unterstützen sowie jegliche Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zu verhindern;

23.  fordert die Mitgliedstaaten sowie andere Geber auf, ihre Beiträge zum EU-Fonds für die Zentralafrikanische Republik, dem Bêkou-Treuhandfonds, aufzustocken, mit dem die Stabilisierung und der Wiederaufbau der Zentralafrikanischen Republik gefördert werden sollen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Wiederaufbau- und Entwicklungsprogamme besser mit den humanitären Maßnahmen verknüpft werden müssen;

24.  fordert die EU, die Afrikanische Union und die Völkergemeinschaft auf, die Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in den Nachbarländern zu unterstützen;

25.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Übergangsregierung der Zentralafrikanischen Republik, dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini, dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem UN-Generalsekretär, den Institutionen der Afrikanischen Union, der ECCAS, der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU und den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2015)0035.


Lage in Thailand
PDF 181kWORD 74k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Lage in Thailand (2015/2875(RSP))
P8_TA(2015)0343RC-B8-1002/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Thailand, insbesondere die Entschließungen vom 20. Mai 2010(1), vom 6. Februar 2014(2) und vom 21. Mai 2015(3),

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, vom 2. April 2015 zu Entwicklungen in Thailand,

–  unter Hinweis auf die am 14. November 2014, 30. Juni 2015 und 24. September 2015 von der EU-Delegation in Thailand in Abstimmung mit den Missionschefs der EU in Thailand veröffentlichte Erklärungen,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 23. Juni 2014 zu Thailand,

–  unter Hinweis auf die Antwort der damaligen Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vom 15. Mai 2013 im Namen der Kommission zur Lage von Andy Hall,

–  unter Hinweis auf die Presseerklärung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz des Rechts auf Freiheit der Meinung und des Ausdrucks vom 1. April 2015,

–  unter Hinweis auf die allgemeine regelmäßige Überprüfung Thailands vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vom 5. Oktober 2011 und die daraus hervorgegangenen Empfehlungen,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen zu Menschenrechtsverteidigern aus dem Jahre 1998,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966, zu dessen Vertragsparteien Thailand gehört,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984,

–  unter Hinweis auf die Menschenrechtserklärung des Verbands Südostasiatischer Nationen,

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Regierung von Thailand am 20. Mai 2014 vom Militär des Landes abgesetzt und anschließend im ganzen Land das Kriegsrecht verhängt wurde, woraufhin die Polizeibehörde der Übergangsregierung, das Zentrum für die Verwaltung von Frieden und Ordnung, aufgelöst wurde;

B.  in der Erwägung, dass die Streitkräfte anschließend einen Nationalrat für Frieden und Ordnung (NCPO) unter der Führung von General Prayuth Chan-ocha eingerichtet haben, der über schrankenlose Vollmachten und unbegrenzte Befugnisse verfügt, Anordnungen zu erlassen und Verfassungsreformen durchzuführen;

C.  in der Erwägung, dass vom NCPO geschaffene wichtige Verfassungsorgane durch Militärangehörige kontrolliert werden und dass alle Mitglieder des NCPO absolute Immunität für ihre Handlungen verfügen und für etwaiges Fehlverhalten nicht verantwortlich gemacht bzw. zur Rechenschaft gezogen werden können, solange sie gemäß Artikel 44 und 47 der Übergangsverfassung im Amt sind;

D.  in der Erwägung, dass der konstituierende Ausschuss den neuen Verfassungsentwurf am 29. August 2015 fertiggestellt hat, der dann am 6. September 2015 vom Nationalen Reformrat abgelehnt wurde; in der Erwägung, dass ein neuer konstituierender Ausschuss nun einen neuen Verfassungsentwurf binnen 180 Tagen ausarbeiten soll und dass sich die Militärherrschaft über das Land infolge der jüngsten Ablehnung des Verfassungsentwurfs verlängern könnte;

E.  in der Erwägung, dass führende Websites zur Politik und Menschenrechtslage in Thailand vom NCPO gemäß Artikel 44 der Übergangsverfassung der Gefährdung der nationalen Sicherheit beschuldigt werden und dass Fernsehsender und lokale Radiostationen, die einem der politischen Lager des Landes zugerechnet werden, massiv zensiert werden;

F.  in der Erwägung, dass die Versammlungsfreiheit durch das vor kurzem verabschiedete Gesetz über öffentliche Versammlungen, das am 14. August 2015 in Kraft trat, massiv eingeschränkt wird und Straftaten wie die Störung der öffentlichen Dienste gemäß diesem Gesetz nun mit langen Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren geahndet werden können;

G.  in der Erwägung, dass Armeeangehörige zu „Beamten zur Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung“ ernannt wurden und dadurch befugt sind, Menschen willkürlich festzunehmen, Ermittlungen durchzuführen und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl vorzunehmen;

H.  in der Erwägung, dass Teilnehmer an friedlichen Demonstrationen wiederholt wegen Aufruhr und anderen Gesetzesverstößen angeklagt und 14 Aktivisten der Neudemokratischen Bewegung verhaftet wurden;

I.  in der Erwägung, dass die Todesstrafe in Thailand immer noch vollstreckt wird und dass die Bedingungen, unter denen sie verhängt werden kann, durch neue Gesetzesvorschriften erweitert wurden;

J.  in der Erwägung, dass die Zahl der unter Berufung auf das Majestätsbeleidigungsgesetz inhaftierten Personen seit dem Putsch sprunghaft angestiegen ist;

K.  in der Erwägung, dass der Nationalen Menschenrechtskommission der Zugang zu Folter- und Misshandlungsopfern verwehrt wird, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren auf Anordnung der Militärgerichte für unbegrenzte Zeit in Haft gehalten werden;

L.  in der Erwägung, dass sich die Sicherheit von Menschen, die sich für lokale Gemeinschaften oder die Landrechte engagieren, seit dem Putsch verschlechtert hat;

M.  in der Erwägung, dass Thailand die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967 nicht unterzeichnet hat und dass das Land über keinen formalen nationalen Asylrahmen verfügt; in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen Thailands nach wie vor Flüchtlinge und Asylsuchende in Länder zurückführen, in denen diesen wahrscheinlich Verfolgung droht;

N.  in der Erwägung, dass Thailand gemäß internationalen Abkommen, denen es beigetreten ist, verpflichtet ist, Fälle von Folter, Tod in der Haft und anderen mutmaßlichen schweren Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und angemessen strafrechtlich zu verfolgen;

O.  in der Erwägung, dass das Strafverfahren wegen Verleumdung gegen den EU-Bürger und Verfechter der Arbeitnehmerrechte Andy Hall, eingestellt wurde, er sich aber immer noch wegen Computer- und Verleumdungsstraftaten sowie wegen zwei Zivilklagen wegen Verleumdung vor Gericht verantworten muss, die in einer siebenjährigen Haftstrafe und einer Geldbuße in Höhe von mehreren Millionen USD münden könnten, da er zu einem Bericht von Finnwatch beigetragen hat, in dem einem thailändischen Ananasgroßhändler Verstöße gegen das Arbeitsrecht zur Last gelegt werden, wobei Verstöße dieses Unternehmens gegen Arbeitnehmerrechte vom thailändischen Arbeitsministerium sowie von einem Beschäftigten der Firma vor Gericht bestätigt wurden; in der Erwägung, dass der Fall von Andy Hall am 19. Oktober 2015 vor Gericht verhandelt wird;

P.  in der Erwägung, dass Thailand zwar das Übereinkommen 29 der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert hat, Arbeitsmigranten dort aber wenig Schutz genießen; in der Erwägung, dass der Menschenhandel mit Arbeitskräften ein gravierendes Problem ist; in der Erwägung, dass die Lage im Fischereisektor besonderen Anlass zur Sorge bereitet;

Q.  in der Erwägung, dass die EU die erst 2013 begonnenen Verhandlungen mit Thailand über ein bilaterales Freihandelsabkommen auf Eis gelegt hat und dass sie nicht bereit ist, das im November 2013 abgeschlossene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu unterzeichnen, solange es in Thailand keine demokratische Regierung gibt; in der Erwägung, dass die EU der drittgrößte Handelspartner Thailands ist;

1.  begrüßt das starke Engagement der EU für die Menschen in Thailand, mit denen sie seit langer Zeit intensive politische, wirtschaftliche und kulturelle Kontakte pflegt; betont, dass die EU als ein Freund und Partner Thailands wiederholt eine Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen gefordert hat;

2.  ist jedoch zutiefst über die sich Menschenrechtslage in Thailand besorgt, die sich seit dem rechtswidrigen Staatsstreich vom Mai 2014 verschlechtert hat;

3.  fordert die staatlichen Stellen Thailands nachdrücklich auf, die einschneidenden Beschränkungen des Rechts auf Freiheit und der friedlichen Wahrnehmung anderer Menschenrechte, insbesondere der im Zusammenhang mit der friedlichen Mitwirkung an politischen Aktivitäten, aufzuheben;

4.  fordert die staatlichen Stellen Thailands auf, Schuldsprüche und Gerichtsurteile wieder aufzuheben, Anklagen zurückzuziehen sowie Medienvertreter und andere Personen freizulassen, die wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung bzw. Versammlungsfreiheit verurteilt oder angeklagt worden sind; fordert die Regierung auf, Artikel 44 der Übergangsverfassung und andere Bestimmungen umgehend abzuschaffen, auf die die thailändischen Staatsorgane zurückgreifen, um die Grundfreiheiten einzuschränken und straflos Menschenrechtsverletzungen zu begehen;

5.  fordert die staatlichen Stellen Thailands auf, Gefahren für die Sicherheit der Bevölkerung abzuwenden und stärker auf die Anliegen von Bevölkerungsgruppen und Landrechteaktivisten einzugehen;

6.  fordert die staatlichen Stellen Thailands auf, so rasch wie möglich mit der Übergabe der politischen Macht vom Militär an zivile Stellen zu beginnen; nimmt die konkreten Pläne für eine freie und faire Wahl zur Kenntnis und fordert, dass der Zeitplan dabei eingehalten wird;

7.  spricht sich für die Übertragung aller Gerichtsverfahren, die Zivilisten betreffen, von Militärgerichten an zivile Gerichte sowie für die Einstellung willkürlicher Festnahmen unter Berufung auf das Kriegsrecht und für Maßnahmen ein, mit denen die Befugnisse des Militärs, Zivilisten zu inhaftieren, eingeschränkt und nicht ausgeweitet werden;

8.  fordert die staatlichen Stellen auf, das Majestätsbeleidigungsgesetz einer Überprüfung zu unterziehen, damit verhindert wird, dass die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf die freie Äußerung politischer Meinungen unter Strafe gestellt wird, und fordert des Weiteren, dass dieses Gesetz fortan nicht mehr massiv bei Sachverhalten, die damit in keinem Zusammenhang stehen, angewandt wird;

9.  fordert, dass das Recht auf Sicherheit (unter anderem von Menschenrechtsverteidigern) geachtet und gewahrt wird und dass alle Verstöße gegen die Rechte von Menschenrechtsverfechtern ohne Verzug zum Gegenstand einer wirksamen und unabhängigen Untersuchung gemacht werden;

10.  nimmt zur Kenntnis, dass die thailändische Regierung einen neuen Ausschuss eingerichtet hat, der so rasch wie möglich einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten soll; fordert eine Verfassung auf der Grundlage demokratischer Prinzipien, wie Gleichheit, Freiheit, faire Vertretung, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und öffentlicher Zugang zu Ressourcen;

11.  fordert die thailändische Regierung insbesondere vor dem Hintergrund der immer strengeren Auslegung der Verleumdungsgesetze des Landes auf, ihre eigenen verfassungsmäßigen und völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, was die Unabhängigkeit der Justiz, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und politischen Pluralismus anbelangt;

12.  nimmt die Maßnahmen der thailändischen Regierung zur Kenntnis, die Mindeststandards für die Beseitigung von Menschenhandel einzuhalten und der grassierenden Form der modernen Sklaverei ein Ende zu setzen, wie es sie in der Lieferkette der Fischereiindustrie des Landes gibt; legt der Regierung nahe, diese Maßnahmen dringend umzusetzen und ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht zu verstärken;

13.  fordert Thailand auf, die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967 zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

14.  fordert Thailand nachdrücklich auf, konkrete Schritte in Richtung der Abschaffung der Todesstrafe zu unternehmen;

15.  begrüßt ausdrücklich die Verabschiedung des thailändischen Gesetztes zur Gleichstellung der Geschlechter, was ein Anzeichen für eine stärker inklusive Einstellung bei der rechtlichen Behandlung von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen in Zukunft ist;

16.  begrüßt die Entscheidung, das Strafverfahren wegen Verleumdung gegen Andy Hall einzustellen und ihn auf freien Fuß zu setzen; fordert, dass auch die Anklagen gegen ihn wegen Computer- und Verleumdungsstraftaten vor dem Strafgericht von Süd-Bangkok fallengelassen werden, da seine Handlungen im Rahmen seines Menschenrechtsengagements darauf abzielten, Fälle von Menschenhandel aufzudecken und die Rechtslage von Arbeitsmigranten in Thailand zu verbessern, und er das Recht hat, Recherchen durchzuführen und sich zu engagieren, ohne Vergeltungsmaßnahmen fürchten zu müssen; weist im Hinblick auf die Zivilklagen wegen Verleumdung mit Besorgnis darauf hin, dass sein Prozess möglicherweise nicht völlig unparteiisch ist, da es Berichte über Verbindungen bei den Eigentumsverhältnissen zwischen dem Unternehmen, das als Kläger auftritt, und ranghohen thailändischen Politikern gibt; fordert die EU-Delegation auf, die Rechtslage von Andy Hall weiterhin aufmerksam zu verfolgen und einen Prozessbeobachter zu seinem Verfahren zu entsenden;

17.  begrüßt, dass die Journalisten Chutima „Oi“ Sidasathian und Alan Morison am 1. September 2015 vom Provinzgericht in Phuket freigesprochen wurden;

18.  fordert die internationale Gemeinschaft und die EU im Besonderen nachdrücklich auf, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um gegen Menschenhandel, Sklavenarbeit und Zwangsmigration vorzugehen, indem eine internationale Zusammenarbeit bei der Überwachung und Prävention von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Arbeitsfragen befördert wird;

19.  legt der EU und der thailändischen Regierung nahe, in einen konstruktiven Dialog über Fragen des Menschenrechtsschutzes und Demokratisierungsprozesses in Thailand und der Region zu treten; bekräftigt seine Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Thailand;

20.  unterstützt die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) dabei, den wirtschaftlichen und politischen Druck auf Thailand aufrechtzuerhalten, damit eine Rückkehr des Landes zu einer demokratischen Regierungsform gewährleistet ist; erinnert die thailändische Regierung in diesem Zusammenhang daran, dass sie keine Fortschritte beim Freihandelsabkommen und beim Partnerschafts- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Thailand erwarten darf, solange die Militärjunta an der Macht bleibt;

21.  begrüßt die neue Aufgabe Thailands als Länderkoordinator für die Beziehungen zwischen ASEAN und der EU für den Zeitraum von 2015 bis 2018; weist auf den gegenseitigen Nutzen der Zusammenarbeit zwischen ASEAN und der EU für beide Seiten hin;

22.  fordert den EAD und die EU-Delegation sowie die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten auf, alle zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um für die Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Thailand zu sorgen, insbesondere durch die Fortführung der Praxis, Ermittlungen gegen Oppositionsführer und entsprechende Anhörungen vor Gericht zu beobachten;

23.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, der Regierung und dem Parlament Thailands, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und den Regierungen des Verbands Südostasiatischer Nationen zu übermitteln.

(1) ABl. C 161 E vom 31.5.2011, S. 152.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2014)0107.
(3) Angenommene Texte, P8_TA(2015)0211.


Die Massenvertreibung von Kindern in Nigeria infolge der Angriffe von Boko Haram
PDF 186kWORD 79k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zu der Massenvertreibung von Kindern in Nigeria infolge der Angriffe von Boko Haram (2015/2876(RSP))
P8_TA(2015)0344RC-B8-1003/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Nigeria, insbesondere vom 17. Juli 2014(1) und vom 30. April 2015(2),

–  unter Hinweis auf frühere Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, einschließlich der Erklärungen vom 8. Januar, 19. Januar, 31. März, 14. April, 15. April und 3. Juli 2015,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 28. Juli 2015,

–  unter Hinweis auf die Rede von Präsident Muhammadu Buhari vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 28. September 2015 und das Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus,

–  unter Hinweis auf das Cotonou-Abkommen,

–  unter Hinweis auf die am 31. Oktober 2000 verabschiedete Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen und die Charta für die Rechte und das Wohl des Kindes der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU, 1990),

–  unter Hinweis auf die 2003 von der Bundesregierung Nigerias in den Rang eines Gesetzes erhobene Kinderrechtsverordnung,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf das von Nigeria am 16. Mai 2003 ratifizierte Übereinkommen der Afrikanischen Union über die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und das von Nigeria am 22. Dezember 2008 ratifizierte Zusatzprotokoll hierzu,

–  unter Hinweis auf den Nothilfe-Treuhandfonds der Europäischen Union zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibungen in Afrika,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 29. September 2015 über von Boko Haram begangene Gewaltakte und Gräueltaten und die Auswirkungen auf die Menschenrechte in den betroffenen Ländern; unter Hinweis auf die Erklärungen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, wonach Angehörige von Boko Haram möglicherweise aufgrund von Kriegsverbrechen angeklagt werden können;

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Nigeria – die bevölkerungsreichste und größte Volkswirtschaft Afrikas, in der zahlreiche Ethnien zusammenleben und die von großen regionalen und religiösen Gegensätzen und einem Nord-Süd-Gefälle mit schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten geprägt ist – seit 2009 Kampfgebiet der islamischen Terrororganisation Boko Haram ist, die dem Da'isch Gefolgschaft geschworen hat; in der Erwägung, dass diese Terrororganisation zunehmend eine Bedrohung für die Stabilität Nigerias und Westafrikas darstellt; in der Erwägung, dass die nigerianischen Sicherheitskräfte bei Militäreinsätzen zur Bekämpfung der Unruhen häufig auf übermäßige Gewalt zurückgegriffen und Rechtsverstöße begangen haben;

B.  in der Erwägung, dass Boko Haram in den vergangenen vier Monaten mindestens 1 600 Zivilisten getötet hat, womit sich die Opferzahl allein im Jahr 2015 auf über 3 500 erhöht;

C.  in der Erwägung, dass das gezielte Vorgehen von Boko Haram gegen Schulkinder in der Region dazu geführt hat, dass Kinder seit dem Beginn der Umtriebe der Terrorgruppe keinen Zugang mehr zu Bildung haben, und dass der UNESCO zufolge in keinem Land der Welt mehr Kinder im Grundschulalter keine Schule besuchen als in Nigeria (10,5 Millionen); in der Erwägung, dass Boko Haram wie auch Al-Schabab in Somalia, AQIM, Mujao und Ansar Dine im Norden Malis und die Taliban in Afghanistan und Pakistan gezielt gegen Kinder und Frauen vorgeht, die Bildungseinrichtungen besuchen;

D.  in der Erwägung, dass Übergriffe und Selbstmordanschläge trotz der Vorstöße nigerianischer und regionaler Streitkräfte zunehmend auch in den Nachbarstaaten verübt werden und dadurch die Stabilität und die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen in der gesamten Region bedroht sind; in der Erwägung, dass Kinder aufgrund der sich verschlechternden humanitären Lage, die von einer immer gravierenderen Ernährungsunsicherheit und einem unzureichenden Zugang zu Bildung, sauberem Trinkwasser und Gesundheitsdienstleistungen gekennzeichnet ist, stark gefährdet sind;

E.  in der Erwägung, dass die Gewalt in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge dazu geführt hat, dass die Zahl der Binnenvertriebenen in jüngster Zeit dramatisch auf 2,1 Millionen Menschen – davon nach Angaben der IOM 58 % Kinder – angestiegen ist; in der Erwägung, dass insgesamt mehr als drei Millionen Menschen von den Unruhen betroffen sind und 5,5 Millionen Menschen im Tschadseebecken humanitäre Hilfe benötigen;

F.  in der Erwägung, dass es Nigeria trotz der Drohungen von Boko Haram, die Stimmabgabe zu behindern, gelungen ist, weitgehend friedliche Präsidentschafts- und Gouverneurswahlen abzuhalten; in der Erwägung, dass Nigeria und seine Nachbarstaaten am 11. Juni 2015 in Abuja einen multinationalen Einsatzverband (MNJTF) gegründet haben, mit dem die im Januar 2015 in Niamey gefassten Beschlüsse, Boko Haram zu bekämpfen, umgesetzt werden sollen;

G.  in der Erwägung, dass Boko Haram seit 2009 mehr als 2 000 Frauen und Mädchen in Nigeria entführt hat, wozu auch die Verschleppung von 276 Schulmädchen am 14. April 2014 in Chibok im Nordosten des Landes gehört, die die ganze Welt erschüttert und eine internationale Kampagne („Bring back our Girls“ – Bringt unsere Mädchen zurück) für ihre Befreiung ausgelöst hat; in der Erwägung, dass fast eineinhalb Jahre danach immer noch mehr als 200 der bei diesem Angriff entführten Mädchen verschollen sind;

H.  in der Erwägung, dass seither zahlreiche weitere Kinder verschwunden sind oder verschleppt wurden und zwangsweise als Kindersoldaten oder Haushaltshilfen eingesetzt werden und dass die Mädchen vergewaltigt und zwangsverheiratet oder zum Übertritt zum Islam gezwungen werden; in der Erwägung, dass seit April 2015 etwa 300 weitere Mädchen, die von den nigerianischen Streitkräften aus Hochburgen der Terroristen befreit wurden, und etwa 60 andere Mädchen, die ihren Entführern aus einem anderen Lager entkommen konnten, der Organisation Human Rights Watch (HRW) ihr Leben in Gefangenschaft als von täglicher Gewalt und Terror sowie physischem und psychischem Missbrauch geprägt geschildert haben; in der Erwägung, dass der bewaffnete Konflikt im Nordosten Nigerias der Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Kinder und bewaffnete Konflikte zufolge im vergangenen Jahr einer der schlimmsten Konflikte weltweit für Kinder gewesen ist, da er von Tötungen, einer zunehmenden Zahl von Rekrutierungen und dem Missbrauch von Kindern, zahllosen Entführungen und sexueller Gewalt gegen Mädchen gekennzeichnet war; in der Erwägung, dass Angaben von UNICEF zufolge mehr als 23 000 Kinder gewaltsam von ihren Eltern getrennt und zum Verlassen ihres Elternhauses gezwungen worden sind und innerhalb Nigerias um ihr Leben laufen mussten oder die Grenze nach Kamerun, Tschad und Niger überquert haben;

I.  in der Erwägung, dass die meisten Kinder, die in Lagern für Binnenvertriebene und Flüchtlinge leben, einen oder beide Elternteile (die entweder getötet wurden oder verschollen sind) sowie Geschwister und andere Verwandte verloren haben; in der Erwägung, dass zwar eine ganze Reihe internationaler und nationaler humanitärer Organisationen in den Lagern tätig ist, der Zugang vieler dieser Kinder zu grundlegenden Rechten – einschließlich Nahrung, Obdach (überfüllt und unhygienisch), Gesundheitsdienstleistungen und Bildung – jedoch katastrophal schlecht ist;

J.  in der Erwägung, dass in der Teilregion (Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger) mindestens 208 000 Kinder keinen Zugang zu Bildung und 83 000 Kinder keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und 23 000 Kinder im Nordosten Nigerias von ihren Familien getrennt worden sind;

K.  in der Erwägung, dass die Zahl der Übergriffe von Boko Haram sowohl in Nigeria als auch in den Nachbarstaaten Kamerun, Tschad und Niger gestiegen ist; in der Erwägung, dass Boko Haram nach wie vor Kinder und Frauen entführt, Sprengstoff an ihnen befestigt und sie so ohne ihr Wissen für Selbstmordanschläge missbraucht; in der Erwägung, dass manche der Menschen, die auf der zu Tschad gehörenden Seite des Tschadsees Schutz gesucht haben, von den gleichen Terroristen auf tschadischem Boden erneut angegriffen worden sind;

L.  in der Erwägung, dass die EU im Juni 2015 21 Mio. EUR an humanitärer Hilfe bereitgestellt hat, mit denen von der Gewalt der Terrororganisationen betroffenen Vertriebenen in Nigeria und den Nachbarstaaten geholfen werden soll;

M.  in der Erwägung, dass UNICEF gemeinsam mit den Regierungen und weiteren Partnern in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger seine Arbeit intensiviert und Tausenden Kindern und ihren Familien in der Region mit dem Zugang zu sauberem Trinkwasser, Bildung, Beratung und psychologischer Unterstützung sowie Impfungen und der Behandlung von schweren Fällen von akuter Unterernährung zur Seite steht; in der Erwägung, dass UNICEF nur 32 % der 50,3 Millionen erhalten hat, die es in diesem Jahr für seine humanitäre Arbeit in der Tschadseeregion angefordert hat;

N.  in der Erwägung, dass zahlreiche entführte Frauen und Mädchen, die entkommen konnten bzw. gerettet oder befreit wurden, nun schwanger sind und dringend Gesundheitsdienstleistungen für Schwangere und Mütter benötigen, während andere Frauen und Mädchen Human Rights Watch zufolge keinen Zugang zu grundlegenden medizinischen Untersuchungen nach Vergewaltigungen, posttraumatischer Versorgung, sozialer Unterstützung und Beratung für Vergewaltigungsopfer haben; in der Erwägung, dass einer Erklärung der Kommission zufolge Frauen immer dann, wenn die Schwangerschaft unerträgliches Leiden verursacht, Zugang zu allen Dienstleistungen der Sexual- und Fortpflanzungsmedizin haben müssen, die ihrem Gesundheitszustand angemessen sind, und dass die Kommission somit festgestellt hat, dass das humanitäre Völkerrecht in jedem Fall Vorrang haben muss;

1.  verurteilt aufs Schärfste die Verbrechen von Boko Haram, darunter terroristische Überfälle und Selbstmordanschläge in Tschad, Kamerun und Niger; betrauert die Opfer und bekundet allen Familien, die Angehörige verloren haben, sein Mitgefühl; verurteilt die anhaltende erbarmungslose Gewalt in den nigerianischen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa sowie in anderen Städten des Landes;

2.  missbilligt Handlungen, die zu Massenvertreibungen unschuldiger Kinder geführt haben, und fordert sofortige und koordinierte internationale Maßnahmen, mit denen die Organisationen der Vereinten Nationen und nichtstaatliche Organisationen dabei unterstützt werden, zu verhindern, dass vertriebene Kinder und Jugendliche von der terroristischen Sekte Boko Haram als Sexsklaven missbraucht, anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt, verschleppt und zur Beteiligung an bewaffneten Überfällen auf zivile, staatliche und militärische Ziele in Nigeria gezwungen werden; hält es für dringend geboten, die Kinderrechte in Nigeria – einem Land, in dem über 40 % der Gesamtbevölkerung zwischen 0 und 14 Jahre alt sind – angemessen zu schützen;

3.  vertritt die Auffassung, dass bei Kindern, die ehedem Boko Haram oder anderen bewaffneten Gruppen angehörten, als Alternative zu strafrechtlicher Verfolgung und Haft außergerichtliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden sollten;

4.  begrüßt, dass die Kommission unlängst angekündigt hat, weitere Mittel zur Aufstockung der dringend benötigten humanitären Hilfe in der Region bereitzustellen; ist jedoch zutiefst besorgt über die Diskrepanz zwischen den Finanzierungszusagen der gesamten internationalen Gemeinschaft gegenüber UNICEF und den tatsächlich geleisteten Zahlungen für Hilfsleistungen in der Region; fordert die Geldgeber auf, ihren Zusagen unverzüglich Taten folgen zu lassen, damit der dringend benötigte Zugang zu Gütern des täglichen Bedarfs wie Trinkwasser, grundlegenden Leistungen der Gesundheitsversorgung und Bildung hergestellt werden kann;

5.  fordert den Präsidenten Nigerias und seine neu ernannte Bundesregierung auf, überzeugende Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen, den Schutz von Frauen und Mädchen in den Vordergrund zu rücken, den Frauen- und Kinderrechten im Rahmen der Extremismusbekämpfung Vorrang einzuräumen, den Opfern Hilfe angedeihen zu lassen, die Täter vor Gericht zu stellen und für die Teilhabe von Frauen an Entscheidungen auf allen Ebenen Sorge zu tragen;

6.  fordert die Regierung Nigerias auf, in Fällen von völkerrechtswidrigen Verbrechen und anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die von allen Konfliktparteien begangen wurden, rasche, unabhängige und sorgfältige Ermittlungen einzuleiten – wie von Präsident Buhari versprochen;

7.  begrüßt den Wechsel in der Militärführung und fordert, dass alle Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen, die von den Terroristen und den nigerianischen Sicherheitskräften verübt wurden, untersucht werden, damit anders als unter dem vorherigen Präsidenten alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können; begrüßt die Zusage von Präsident Buhari, Hinweisen nachzugehen, wonach die Streitkräfte Nigerias schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Taten, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können, begangen haben sollen;

8.  fordert den Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria auf, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einhaltung aller Wahlversprechen und seinen aktuellen Erklärungen in Angriff zu nehmen, von denen die wichtigsten darin bestehen, die terroristische Bedrohung niederzuschlagen, die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu einem zentralen Bestandteil von Militäreinsätzen zu machen, die Mädchen aus Chibok und alle anderen verschleppten Frauen und Kinder lebend und unversehrt in ihre Familien zurückkehren zu lassen, das Problem der Mangelernährung, das immer größere Ausmaße annimmt, anzugehen, die Korruption zu bekämpfen und der Straflosigkeit ein Ende zu setzen, um künftigen derartigen Vergehen vorzubeugen und jedem Opfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen;

9.  fordert die Staatsorgane Nigerias und die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, eng zusammenzuarbeiten und ihre Bemühungen zu intensivieren, dass die ungebrochene Tendenz zu weiteren Vertreibungen umgekehrt wird; begrüßt die Entschlossenheit, die die 13 teilnehmenden Staaten auf dem regionalen Gipfeltreffen vom 20. und 21. Januar 2015 in Niamey zum Ausdruck gebracht haben, insbesondere die Zusagen von Tschad, Kamerun und Niger, sich an der Bekämpfung der von Boko Haram ausgehenden terroristischen Bedrohungen zu beteiligen; fordert den multinationalen gemeinsamen Einsatzverband auf, sich bei Einsätzen gegen Boko Haram gewissenhaft an die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht zu halten; bekräftigt, dass ein rein militärischer Ansatz nicht ausreichen wird, um den Aufstand von Boko Haram niederzuschlagen;

10.  weist darauf hin, dass die Ursachen für die Entstehung von Boko Haram in aus einer schlechten Regierungsführung resultierenden Missständen, der grassierenden Korruption und der eklatanten Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft Nigerias zu finden sind; fordert die Staatsorgane Nigerias nachdrücklich auf, die Korruption, Missmanagement und Ineffizienz in öffentlichen Einrichtungen und den Streitkräften zu beseitigen und sich für eine gerechte Besteuerung einzusetzen; fordert, dass Maßnahmen beschlossen werden, mit denen durch die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, insbesondere in Bezug auf Schmuggel und illegalen Handel, die Quellen der illegalen Einnahmen von Boko Haram ausgetrocknet werden;

11.  fordert die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, Nigeria und seine Nachbarländer, die Flüchtlinge aufgenommen haben (Kamerun, Tschad und Niger), dabei zu unterstützen, den Bedürftigen die benötigte medizinische und psychologische Hilfe zukommen zu lassen; fordert die Regierungen der Region auf, vergewaltigten Frauen und Mädchen im Einklang mit Artikel 3 der Genfer Abkommen uneingeschränkt Zugang zu Dienstleistungen im Bereich Sexual- und Fortpflanzungsgesundheit zu gewähren; betont, dass ein universeller Standard für die Behandlung von in Kriegen vergewaltigten Frauen und Mädchen eingeführt und dem Primat des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten Geltung verschafft werden muss; bekundet den Frauen und Kindern, die den blindwütigen Terrorismus von Boko Haram überlebt haben, sein tief empfundenes Mitgefühl; fordert die Einführung spezieller Bildungsprogramme für Frauen und Kinder, die im Krieg gelitten haben, und für die Gesellschaft insgesamt, mit denen darauf abgezielt wird, den Opfern bei der Überwindung der durchlebten Schrecken zu helfen, angemessene und umfassende Informationen bereitzustellen, gegen Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung vorzugehen und die Opfer bei ihrer vollständigen Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen;

12.  fordert die Kommission nachdrücklich auf, vorrangig Hilfe für entwurzelte Kinder und Jugendliche in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger bereitzustellen und dabei besonders darauf zu achten, dass sie vor allen Formen von Grausamkeit und geschlechtsbezogener Gewalt geschützt werden und Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und unbedenklichem Trinkwasser erhalten, und zwar im Rahmen des Nothilfe-Treuhandfonds zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibungen in Afrika;

13.  fordert die Regierung Nigerias auf, Maßnahmen zur Erleichterung der Rückkehr von Vertriebenen, vor allem von Kindern, zu treffen, für ihre Sicherheit zu sorgen und nichtstaatliche Organisationen in ihren Bemühungen zu unterstützen, die Bedingungen – beispielsweise die Hygieneeinrichtungen und die Abwasserentsorgung – in den Lagern, in denen die wegen des Konflikts Vertriebenen leben, zu verbessern, um der Ausbreitung von Seuchen vorzubeugen;

14.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Bundesrepublik Nigeria, den Vertretern der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten und der Afrikanischen Union zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2014)0008.
(2) Angenommene Texte, P8_TA(2015)0185.


Der Fall Ali Mohammed Al-Nimr
PDF 172kWORD 69k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zum Fall Ali Mohammad al‑Nimr (2015/2883(RSP))
P8_TA(2015)0345RC-B8-0997/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen vom 12. Februar 2015 zu dem Fall Raif Badawi, Saudi-Arabien(1), sowie vom 11. März 2014 zu Saudi-Arabien, seinen Beziehungen zur EU und seiner Rolle in Nahost und Nordafrika(2),

–  unter Hinweis auf die im Juni 1998 angenommenen und im April 2013 überarbeiteten und aktualisierten EU-Leitlinien zur Todesstrafe,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolution vom 18. Dezember 2014 zum Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe (A/RES/69/186),

–  unter Hinweis auf die Erklärungen der Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen vom 22. September 2015 zum Fall Ali Mohammad al-Nimr,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–  unter Hinweis auf Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem zufolge jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung hat, sowie unter Hinweis auf Artikel 4, das Folter untersagt;

–  unter Hinweis auf die EU-Leitlinien betreffend den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die im Juni 2004 angenommen und im Dezember 2008 überarbeitet wurden,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, zu dessen Vertragsparteien Saudi-Arabien gehört,

–  unter Hinweis auf Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und Artikel 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966,

–  unter Hinweis auf die Arabische Charta der Menschenrechte, zu deren Vertragsparteien Saudi-Arabien gehört, und insbesondere auf Artikel 32 Absatz 1, in dem das Recht auf Information und das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung garantiert werden, sowie unter Hinweis auf deren Artikel 8, der körperliche und seelische Folter und grausame, entwürdigende, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung untersagt,

–  unter Hinweis darauf, dass unlängst ein weiterer Jugendlicher zum Tod durch Enthauptung verurteilt wurde, und zwar Dawoud al-Marhoon, der im Alter von 17 Jahren gefoltert und gezwungen worden sein soll, ein Geständnis zu unterschreiben, dass von Beamten verwendet wurde, um ihn zu verurteilen, nachdem er bei Protesten in der östlichen Provinz Saudi-Arabiens im Mai 2012 verhaftet worden war;

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der 21-jährige Ali Mohammad al-Nimr, Neffe eines berühmten Dissidenten, vom Obersten Gericht Saudi-Arabiens im Mai 2015 dem Vernehmen nach zum Tod durch Enthauptung mit anschließender Kreuzigung verurteilt wurde, weil er unter anderem der Verhetzung, der Unruhestiftung, der Anstiftung zu Protesten, des Raubes sowie der Zugehörigkeit zu einer Terrorzelle beschuldigt wurde; in der Erwägung, dass Ali al-Nimr zu dem Zeitpunkt, als er verhaftet wurde, weil er für Demokratie und gleiche Rechte in Saudi-Arabien protestierte, noch keine 18 Jahre alt und somit minderjährig war; in der Erwägung, dass er wegen der Proteste zum Tode verurteilt wurde, die zum überwiegenden Teil in der östlichen Provinz Saudi-Arabiens, in der die meisten saudischen Schiiten leben, stattfanden; in der Erwägung, dass Ali al-Nimr laut zuverlässigen Quellen gefoltert und gezwungen worden sein soll, ein Geständnis zu unterschreiben; in der Erwägung, dass ihm jegliche Garantie auf ein faires Verfahren und ein ordentliches Gerichtsverfahren im Einklang mit dem Völkerrecht verwehrt wurde;

B.  in der Erwägung, dass die Verhängung der Todesstrafe gegen jemanden, der zum Zeitpunkt des Delikts minderjährig war und mutmaßlich gefoltert wurde, mit den internationalen Verpflichtungen Saudi-Arabiens unvereinbar ist;

C.  in der Erwägung, dass das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe in allen internationalen und regionalen Menschenrechtsinstrumenten verankert ist und eine Regel des internationalen Gewohnheitsrechts darstellt, die somit für alle Staaten verbindlich ist, unabhängig davon, ob sie die einschlägigen internationalen Vereinbarungen unterzeichnet haben;

D.  in der Erwägung, dass die Zunahme der Todesurteile in engem Zusammenhang mit den Gerichtsurteilen des saudi-arabischen Sonderstrafgerichts steht, die in Massenverfahren bei Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus ergangen sind; in der Erwägung, dass internationalen Menschenrechtsorganisationen zufolge im Zeitraum zwischen August 2014 und Juni 2015 in Saudi-Arabien mindestens 175 Hinrichtungen vollstreckt wurden;

E.  in der Erwägung, dass dieser Fall einer von vielen ist, in denen harte Urteile gegen saudische Aktivisten gefällt wurden, diese eingeschüchtert wurden, und dass diese Aktivisten verfolgt wurden, weil sie ihre Meinung zum Ausdruck gebracht haben, sowie in der Erwägung, dass einige von ihnen in Gerichtsverfahren verurteilt wurden, die den internationalen Standards für faire Verfahren nicht gerecht wurden, wie der ehemalige Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Juli 2014 bekräftigt hat;

F.  in der Erwägung, dass laut Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jeder das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung hat, sowohl online als auch offline; in der Erwägung, dass dieses Recht die Freiheit einschließt, Meinungen ungehindert zu vertreten sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Vorstellungen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten;

G.  in der Erwägung, dass Saudi-Arabiens Botschafter bei den Vereinten Nationen, in Genf, S.E. Faisal bin Hassan Trad, zum Vorsitzenden eines Gremiums unabhängiger Experten beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ernannt wurde;

H.  in der Erwägung, dass die Aufnahme eines Dialogs zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und der EU über die Menschenrechte ein konstruktiver Schritt zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses und zur Förderung von Reformen im Land sein könnte, unter anderem der Reform des Justizwesens;

I.  in der Erwägung, dass Saudi-Arabien ein einflussreicher und wichtiger politischer und wirtschaftlicher Akteur im Nahen Osten und in Nordafrika ist;

1.  verurteilt aufs Schärfste das gegen Ali Mohammad al-Nimr verhängte Todesurteil; bekräftigt erneut, dass es die Anwendung der Todesstrafe verurteilt und befürwortet entschieden die Einführung eines Moratoriums für die Todesstrafe als einen Schritt zu ihrer Abschaffung;

2.  fordert die saudi-arabischen Behörden und insbesondere Seine Majestät, den König Saudi-Arabiens, Salman bin Abdulaziz Al Saud, auf, die Hinrichtung von Ali Mohammad al-Nimr auszusetzen und ihn zu begnadigen oder sein Urteil umzuwandeln; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Mitgliedstaaten auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden diplomatischen Instrumente zu nutzen und alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um diese Hinrichtung unverzüglich zu verhindern;

3.  weist das Königreich Saudi-Arabien darauf hin, dass es zu den Vertragsparteien des Übereinkommens über die Rechte des Kindes gehört, nach dem die Verhängung der Todesstrafe für Straftaten, die von Minderjährigen unter 18 Jahren begangen wurden, strikt verboten ist;

4.  fordert die staatlichen Stellen Saudi-Arabiens auf, den Sonderstrafgerichthof abzuschaffen, der 2008 zwar für Verfahren im Zusammenhang mit Terrorismus eingerichtet wurde, allerdings zunehmend eingesetzt wird, um friedliche Dissidenten in Verfahren, die gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren verstoßen, strafrechtlich zu verfolgen, und zwar aufgrund offenbar politisch motivierter Beschuldigungen;

5.  fordert die Regierung Saudi-Arabiens auf, dafür zu sorgen, dass die mutmaßlichen Fälle von Folter rasch und auf unabhängige Art und Weise untersucht werden, und zu gewährleisten, dass Ali Mohammad al-Nimr die medizinische Betreuung erhält, die er gegebenenfalls braucht, und dass er regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und zu seinen Anwälten erhält;

6.  weist Saudi-Arabien auf seine Verpflichtungen als Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen hin; stellt fest, dass Saudi-Arabien unlängst der Vorsitz eines Gremiums unabhängiger Experten beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übertragen wurde; fordert die saudischen Behörden nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrem Land einer solchen internationalen Rolle entsprechend geachtet werden;

7.  fordert einen verbesserten Mechanismus für den Dialog über Menschenrechtsfragen zwischen der EU und Saudi-Arabien sowie einen fachlichen Austausch über justizielle und rechtliche Fragen, damit die individuellen Rechte im Königreich Saudi-Arabien im Einklang mit der Reform der Justiz, die das Königreich derzeit durchführt, besser geschützt werden; fordert die Behörden des Königreichs Saudi-Arabien auf, die erforderlichen Menschenrechtsreformen durchzuführen, insbesondere im Zusammenhang mit der Einschränkung der Todesstrafe und ihrer Vollstreckung;

8.  fordert Saudi-Arabien auf, den 1976 in Kraft getretenen Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu unterzeichnen und zu ratifizieren, nach dessen Artikel 6 jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben hat;

9.  ist äußerst besorgt angesichts der Berichte über den zahlenmäßigen Anstieg der Todesurteile im Königreich Saudi-Arabien im Jahr 2014 sowie über das alarmierende Tempo, mit dem die Gerichte im Jahr 2015 Todesurteile verhängt haben;

10.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, Seiner Majestät König Salman bin Abdulaziz Al Saud, der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2015)0037.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2014)0207.


Zahlungsdienste im Binnenmarkt ***I
PDF 256kWORD 99k
Entschließung
Text
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2013/36/EU und 2009/110/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (COM(2013)0547 – C7-0230/2013 – 2013/0264(COD))
P8_TA(2015)0346A8-0266/2015
BERICHTIGUNGEN

(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2013)0547),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C7‑0230/2013),

–  gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 5. Februar 2014(1),

–  unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 11. Dezember 2013(2),

–  unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 4. Juni 2015 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,

–  gestützt auf Artikel 59 und Artikel 61 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie der Stellungnahme des Rechtsausschusses (A7-0169/2014),

–  unter Hinweis auf die Abänderungen, die es in seiner Sitzung vom 3. April 2014 angenommen hat(3),

–  unter Hinweis auf den Beschluss der Konferenz der Präsidenten vom 18. September 2014 zu unerledigten Angelegenheiten aus der 7. Wahlperiode,

–  unter Hinweis auf den Ergänzenden Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A8-0266/2015),

1.  legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;

2.  fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.

Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 8. Oktober 2015 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) …/2015 des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG

P8_TC1-COD(2013)0264


(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Richtlinie (EU) 2015/2366.)

(1) ABl. C 224 vom 15.7.2014, S. 1.
(2) ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 78.
(3) Angenommene Texte, P7_TA(2014)0280.


Hypothekengesetzgebung und riskante Finanzinstrumente in der EU: der Fall Spanien
PDF 178kWORD 74k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Hypothekengesetzgebung und zu riskanten Finanzinstrumenten in Spanien (auf Grundlage der eingegangenen Petitionen) (2015/2740(RSP))
P8_TA(2015)0347B8-0987/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Petition 626/2011 und 15 weitere Petitionen zur Hypothekengesetzgebung in Spanien (179/2012, 644/2012, 783/2012, 1669/2012, 0996/2013, 1345/2013, 1249/2013, 1436/2013, 1705/2013, 1736/2013, 2120/2013, 2159/2013, 2440/2013, 2563/2013 und 2610/2013),

–  unter Hinweis auf die Petition 513/2012 sowie 21 weitere Petitionen über riskante Finanzinstrumente in Spanien (548/2012, 676/2012, 677/2012, 785/2012, 788/2012, 949/2012, 1044/2012, 1247/2012, 1343/2012, 1498/2012, 1662/2012, 1761/2012, 1851/2012, 1864/2012, 169/2013, 171/2013, 2206/2013, 2215/2013, 2228/2013, 2243/2013 und 2274/2013),

–  unter Hinweis auf die Beratungen im Petitionsausschuss mit den betroffenen Petenten, zuletzt am 16. April 2015,

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010(1),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU(2),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(3),

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission über die Überarbeitung und Erweiterung der Empfehlung der Kommission vom 12. März 2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen mit Blick auf die Familieninsolvenz und zweite Chancen für Privatpersonen und Haushalte im Rahmen der gemeinsamen Debatte vom 19. Mai 2015 über Insolvenzverfahren,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Juni 2013 zum sozialen Wohnungsbau in der Europäischen Union(4),

–  unter Hinweis auf seine Anfrage an die Kommission zur Hypothekengesetzgebung und zu riskanten Finanzinstrumenten in Spanien (auf Grundlage der eingegangenen Petitionen) (O-000088/2015 – B8-0755/2015),

–  unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Petitionsausschusses,

–  gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass zahlreiche eingegangene Petitionen Tausende tragischer persönlicher Fälle ans Licht gebracht haben, in denen Bürgerinnen und Bürger ihre Ersparnisse komplett oder zum Teil verloren haben, und in der Erwägung, dass in diesen Petitionen auf die Hindernisse hingewiesen wird, mit denen die Verbraucher konfrontiert werden, wenn sie sich genaue und wichtige Informationen über Finanzinstrumente verschaffen wollen;

B.  in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft in Spanien nach wie vor gegen die Hunderttausende von Zwangsräumungen, die missbräuchlichen Geschäftsbedingungen in Hypothekenverträgen und den fehlenden Schutz von Kreditnehmern protestieren; in der Erwägung, dass einer dieser Organisationen, nämlich der Organisation „Plataforma de Afectados por la Hipoteca“, PAH (Plattform der Hypothekenopfer), zufolge im ersten Quartal des Jahres 2015 in Spanien 19 261 Haus- und Wohnungsräumungen durchgeführt wurden (6 % mehr als im gleichen Quartal des Jahres 2014); in der Erwägung, dass nach Schätzungen der PAH seit 2008 in Spanien mehr als 397 954 Häuser und Wohnungen zwangsgeräumt wurden; in der Erwägung, dass über 100 000 Haushalte ihr Zuhause verloren haben;

C.  in der Erwägung, dass die Auswirkungen der Krise die Lage von Familien nach einer Zwangsräumung verschärft haben, zumal sie nach wie vor ihre Hypothekenschulden abbezahlen müssen und die sich daraus ergebenden Zinsen steigen; in der Erwägung, dass die spanische Regierung mit dem Gesetz Nr. 6/2012 die Möglichkeit einer Leistung an Erfüllungs Statt als außerordentliche Maßnahme eingeführt hat; in der Erwägung, dass diese Möglichkeit einer Leistung an Erfüllungs Statt nach den amtlichen Zahlen für das zweite Quartal des Jahres 2014 bei 11 407 Anträgen nur in 1 467 Fällen bzw. bei 12,86 % der Fälle insgesamt bewilligt wurde;

D.  in der Erwägung, dass nationale und europäische Gerichte eine Reihe missbräuchlicher Klauseln und Praktiken im spanischen Hypothekenwesen festgestellt haben (siehe Urteile des Gerichtshofs, Rechtssache C-243/08 Pannon GSM; C-618/10, Banco Español de Crédito; und Rechtssache C-415/11, Catalunyacaixa), die mit den Richtlinien 93/13/EWG, 2004/39/EG und 2005/29/EG hätten verhindert werden sollen, wenn diese alle in vollem Umfang in Spanien umgesetzt und durchgeführt worden wären;

E.  in der Erwägung, dass die Richtlinie 2014/17/ЕU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (die Hypothekarkredit-Richtlinie) auf Hypothekarkreditverträge anwendbar ist, die nach dem 21. März 2016 abgeschlossen werden, und dass die Kreditgeber danach verpflichtet sind, die Verbraucher über die Hauptmerkmale des Kreditvertrags zu informieren;

F.  in der Erwägung, dass die spanischen Behörden aufgrund des Urteils in der Rechtssache Aziz (Rechtssache C-415/11) in einem beschleunigten Verfahren das Gesetz Nr. 1/2013 vom 14. Mai 2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, zur Umschuldung und zu Sozialmieten (Ley 1/2013 de medidas para reforzar la proteccion a los deudores hipotecarios, restructuracion de la deuda y alquiler social) verabschiedet haben;

G.  in der Erwägung, dass die spanischen Behörden aufgrund des Urteils in der Rechtssache C-169/14 den nationalen Berufungsmechanismus für das Hypothekenwesen durch eine endgültige Bestimmung im Gesetz Nr. 9/2015 vom 25. Mai 2015 über Sofortmaßnahmen bei Konkurssachen (Ley 9/2015 de medidas urgentes en material concursal) geändert haben, um diesen mit der Richtlinie 93/13/EWG in Einklang zu bringen;

H.  in der Erwägung, dass das spanische Parlament einen Kodex angenommen hat, mit dem bewährte Vorgehensweisen für eine realistische Umschuldung von Hypotheken für selbstgenutzte Wohnungen eingeführt werden, der von den Finanzinstituten aufgrund seines freiwilligen Charakters allerdings in der Regel ignoriert wurde und nur sehr begrenzte Ergebnisse gezeitigt hat, was die Vermeidung von Zwangsräumungen oder die Möglichkeit der Leistung an Erfüllungs Statt betrifft, da mehr als 80% der Betroffenen aufgrund der Voraussetzungen nicht infrage kommen;

I.  in der Erwägung, dass die Verbraucher in vielen Fällen von den Banken nicht gebührend über das Ausmaß des mit den vorgeschlagenen Investitionen verbundenen Risikos unterrichtet wurden, sowie in der Erwägung, dass die Banken es in solchen Fällen zudem versäumt haben, Eignungstest durchzuführen, um festzustellen, ob die Kunden dank angemessener Kenntnisse das finanzielle Risiko, dem sie sich aussetzten, überhaupt erfassen konnten; in der Erwägung, dass es sich bei vielen der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern um ältere Menschen handelt, die ihre gesamten Ersparnisse in Produkte angelegt haben, die ihnen als risikofrei verkauft wurden;

J.  in der Erwägung, dass in den letzten Jahren schätzungsweise 700 000 spanische Bürgerinnen und Bürger finanziellen Betrügereien zum Opfer gefallen sind, da die Banken ihnen auf betrügerische Weise riskante Finanzinstrumente verkauft haben, ohne dass sie gebührend über das Ausmaß der Risiken informiert oder darüber aufgeklärt wurden, dass sie de facto keinen Zugang mehr zu ihren Ersparnissen haben würden;

K.  in der Erwägung, dass viele der Betrugsopfer das von den spanischen Behörden eingeführte Schiedsverfahren abgelehnt haben;

L.  in der Erwägung, dass die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) (Richtlinie 2004/39/EG) die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch Wertpapierfirmen und Kreditinstitute in Bezug auf Finanzinstrumente regelt, unter anderem auch Vorzugsaktien („preferentes“); in der Erwägung, dass in Artikel 19 der MiFID Wohlverhaltensregeln bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für Kunden festgelegt werden;

1.  fordert die Kommission auf, die Umsetzung des Urteils in der Rechtssache C-415 (Aziz) und der Richtlinie 93/13/EWG über die Hypothekengesetzgebung in allen Mitgliedstaaten zu überwachen, damit gewährleistet ist, dass die Behörden der Mitgliedstaaten die Vorschriften in vollem Umfang einhalten;

2.  fordert die Finanzeinrichtungen in der gesamten Union auf, ihr missbräuchliches Verhalten gegenüber Kunden in den Bereichen Hypotheken, komplexe Finanzprodukte und Kreditkarten einzustellen, unter anderem auch die Berechnung übermäßig hoher Zinsen und die willkürliche Kündigung eines Dienstes;

3.  fordert die Finanzeinrichtungen in der gesamten Union auf, möglichst auf Zwangsräumungen von Familien aus ihrem einzigen Zuhause zu verzichten und stattdessen eher auf Umschuldung zu setzen;

4.  fordert die spanische Regierung auf, mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten eine umfassende Lösung anzustreben, damit die unannehmbar hohe Zahl der Zwangsräumungen drastisch verringert werden kann;

5.  fordert die Kommission auf, die Umsetzung der Richtlinie 2014/17/ЕU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (Hypothekarkredit-Richtlinie) in allen Mitgliedstaaten aufmerksam zu verfolgen;

6.  fordert die Kommission auf, Informationen über bewährte Verfahren in Bezug auf die Anwendung der Leistung an Erfüllungs Statt in bestimmten Mitgliedstaaten weiterzugeben und die Auswirkungen auf die Verbraucher und die Unternehmen zu bewerten;

7.  weist die Kommission warnend darauf hin, dass der Generalanwalt der EU Zweifel an der Legalität der Maßnahmen geäußert hat, die von der spanischen Regierung ergriffen wurden, um das Problem der Verstöße anzugehen, die der Gerichtshof der Europäischen Union am 14. März 2013 angeprangert hatte, und um missbräuchliches Geschäftsgebaren im Hypothekensektor zu verhindern;

8.  fordert die Kommission auf, genau zu überwachen, ob die neuen Maßnahmen , die die spanische Regierung erlassen hat, tatsächlich umgesetzt werden, um so bestehende Probleme zu lösen und einem missbräuchlichen Geschäftsgebaren bei Banken und in der Wirtschaft vorzubeugen;

9.  fordert die Kommission auf, Informationskampagnen über Finanzprodukte in die Wege zu leiten und die Finanzkompetenz durch Bildung zu verbessern, damit gewährleistet ist, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger auch wirklich besser über die Risiken informiert sind, wenn sie Finanzprodukte zeichnen;

10.  fordert die Kommission auf, den Austausch bewährter Verfahren zu fördern, mit denen die Bürgerinnen und Bürger, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, besser geschützt werden können; ist der Auffassung, dass grundlegende Kenntnisse über Finanzen ein echter Pluspunkt sind, mit der sich eine Überschuldung vermeiden lässt;

11.  fordert die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) auf, mit einer Kampagne über bewährte Verfahren die Banken und ihre Mitarbeiter dazu zu bewegen, klare, verständliche und korrekte Informationen zu liefern; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Verbraucher in der Lage sein müssen, in Kenntnis der Sachlage eine Entscheidung zu treffen, wobei sie sich der Risiken, die sie möglicherweise eingehen, in vollem Umfang bewusst sein müssen, und betont nachdrücklich, dass die Wirtschaftsbeteiligten und die Banken die Verbraucher nicht in die Irre führen dürfen;

12.  fordert die EBA und die EZB auf, weitere Maßnahmen zu unternehmen, damit die Banken ihren potenziell riskanten Wertpapierhandel von ihren Einlagengeschäften trennen, wenn dies die Stabilität des Finanzsystems gefährdet, damit der Finanzsektor der EU weiterhin stark bleibt;

13.  fordert die Kommission und die EZB auf, das spanische Schiedsverfahren zu bewerten, das für Bürgerinnen und Bürger eingeführt wurde, die finanziellem Betrug zum Opfer gefallen sind;

14.  fordert die Kommission auf, zu überwachen, ob Spanien die EU-Rechtsvorschriften für Finanzinstrumente, einschließlich Vorzugsaktien, korrekt umsetzt und anwendet;

15.  fordert die Kommission auf, den eingegangenen Beschwerden nachzugehen und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen;

16.  fordert die Kommission auf, einen Gesetzgebungsvorschlag über Familieninsolvenz vorzulegen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der spanischen Regierung, dem Rat, der Kommission und der Europäischen Zentralbank zu übermitteln.

(1) ABl. L 60 vom 28.2.2014, S. 34.
(2) ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349.
(3) ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29.
(4) Angenommene Texte, P7_TA(2013)0246.


Die Todesstrafe
PDF 183kWORD 76k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Todesstrafe (2015/2879(RSP))
P8_TA(2015)0348RC-B8-0998/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Abschaffung der Todesstrafe, insbesondere seine Entschließung vom 7. Oktober 2010(1),

–  unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und des Generalsekretärs des Europarats, Thorbjørn Jagland, zum Europäischen und Internationalen Tag gegen die Todesstrafe vom 10. Oktober 2014,

–  unter Hinweis auf die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention,

–  unter Hinweis auf Artikel 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die EU‑Leitlinien zur Todesstrafe,

–  unter Hinweis auf die Ausfuhrkontrollregelung der EU für Produkte, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, die zurzeit aktualisiert wird;

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und das dazugehörige zweite Fakultativprotokoll,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–  unter Hinweis auf die vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte im September 2015 veröffentlichte Studie über die Auswirkungen des weltweiten Drogenproblems auf die Achtung der Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolution vom 18. Dezember 2014 zum Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe (A/RES/69/186),

–  unter Hinweis auf die Schlusserklärung des fünften Weltkongresses gegen die Todesstrafe, der vom 12. bis 15. Juni 2013 in Madrid stattfand,

–  unter Hinweis darauf, dass jedes Jahr am 10. Oktober der „Internationale Tag gegen die Todesstrafe“ und der „Europäische Tag gegen die Todesstrafe“ begangen werden,

–  gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die weltweite Abschaffung der Todesstrafe eines der wichtigsten Ziele der EU-Menschenrechtspolitik ist;

B.  in der Erwägung, dass mit dem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe am 10. Oktober 2015 vor allem ein Bewusstsein für die Anwendung der Todesstrafe bei Drogendelikten geschaffen werden soll;

C.  in der Erwägung, dass den Angaben des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zufolge über 160 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit unterschiedlichen Rechtssystemen, Traditionen, Kulturen und religiösen Hintergründen die Todesstrafe entweder abgeschafft haben oder sie nicht anwenden;

D.  in der Erwägung, dass aus den neuesten Zahlen hervorgeht, dass 2014 mindestens 2 466 Menschen in 55 Staaten zum Tode verurteilt wurden, was einer Zunahme von fast 23 Prozent im Vergleich zu 2013 entspricht; in der Erwägung, dass die Todesstrafe 2014 weltweit in mindestens 607 Fällen vollstreckt wurde; in der Erwägung, dass diese Angaben nicht die vermutlich in China Hingerichteten enthalten, wo nach wie vor mehr Menschen als in der gesamten restlichen Welt zusammen hingerichtet und Tausende weitere Menschen zum Tode verurteilt werden; in der Erwägung, dass das Ausmaß, in dem 2015 weiterhin Todesurteile verhängt und vollstreckt werden, besorgniserregend ist; in der Erwägung, dass die Zunahme der Todesurteile in engem Zusammenhang mit den Gerichtsurteilen steht, die beispielsweise in Ägypten und Nigeria in Massenverfahren bei Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus verhängt wurden; in der Erwägung, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe in Tschad und Tunesien geprüft wird; in der Erwägung, dass in bestimmten Bundesstaaten der USA weiterhin Todesurteile verhängt und vollstreckt werden;

E.  in der Erwägung, dass Berichten zufolge in Pakistan, Nigeria, Afghanistan, Iran, Irak, Sudan, Somalia und Saudi-Arabien Menschen zum Tode durch Steinigung verurteilt wurden, und in der Erwägung, dass Hunderte Frauen in den letzten Jahren wegen Ehebruchs gesteinigt wurden; in der Erwägung, dass Steinigung als Methode der Todesstrafe als Form der Folter gilt;

F.  in der Erwägung, dass in acht Staaten (Mauretanien, Sudan, Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Pakistan, Afghanistan und Katar) für Homosexualität die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist, und Bundesstaaten in Nigeria und Regionen in Somalia die Todesstrafe für sexuelle Handlungen zwischen Gleichgeschlechtlichen offiziell vollstrecken;

G.  in der Erwägung, dass die Todesstrafe häufig gegen Benachteiligte, psychisch Kranke und insbesondere gegen Angehörige von nationalen oder kulturellen Minderheiten eingesetzt wird;

H.  in der Erwägung, dass 33 Staaten die Todesstrafe für Drogendelikte anwenden, was zur Folge hat, dass jährlich etwa 1 000 Menschen hingerichtet werden; in der Erwägung, dass 2015 in China, Iran, Indonesien und Saudi-Arabien wegen solcher Straftaten Hinrichtungen vollzogen wurden; in der Erwägung, dass in China, Indonesien, Iran, Kuwait, Malaysia, Saudi-Arabien, Sri Lanka, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Vietnam 2015 noch immer die Todesstrafe für Drogendelikte verhängt wurde; in der Erwägung, dass diese Delikte verschiedene Straftatbestände wie Drogenhandel oder Drogenbesitz umfassen können;

I.  in der Erwägung, dass in den vergangenen 12 Monaten weltweit ein Wiederanstieg der Verhängung der Todesstrafe wegen Drogendelikten festzustellen war und in einer Reihe von Ländern beträchtlich mehr Menschen wegen Drogendelikten hingerichtet wurden, die Wiedereinführung der Todesstrafe für Drogendelikte in Erwägung gezogen wird oder seit langem bestehende Moratorien für die Todesstrafe aufgehoben werden;

J.  in der Erwägung, dass Berichten zufolge im ersten Halbjahr 2015 im Iran 394 Personen wegen Drogendelikten hingerichtet wurden, im Vergleich zu 367 im gesamten Jahr 2014; in der Erwägung, dass die Hälfte der in Saudi-Arabien in diesem Jahr bislang vollzogenen Hinrichtungen auf Drogendelikte zurückzuführen ist, während dieser Anteil im Jahr 2010 nur 4 % betrug; in der Erwägung, dass in Pakistan derzeit mindestens 112 Personen wegen Drogendelikten auf ihre Hinrichtung warten;

K.  in der Erwägung, dass mehrere Staatsbürger von EU-Mitgliedstaaten wegen Drogendelikten in Drittstaaten hingerichtet wurden oder ihrer Hinrichtung entgegensehen;

L.  in der Erwägung, dass in Artikel 6 Absatz 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgelegt ist, dass ein Todesurteil nur für „schwerste Verbrechen“ verhängt werden darf; in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für Menschenrechte und die VN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen und über Folter erklärt haben, die Todesstrafe sollte nicht für Drogendelikte verhängt werden; in der Erwägung, dass die obligatorische Verhängung der Todesstrafe und ihre Anwendung bei Drogendelikten gegen das Völkerrecht und internationale Normen verstoßen;

M.  in der Erwägung, dass der Internationale Suchtstoff‑Kontrollrat die Staaten, in denen die Todesstrafe verhängt wird, aufgefordert hat, sie für Drogendelikte abzuschaffen;

N.  in der Erwägung, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten mindestens 60 Millionen EUR zu den Drogenbekämpfungsprogrammen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) beigesteuert haben, die in erster Linie für die strafrechtliche Verfolgung von Drogendelikten in den Ländern eingesetzt werden, die für diese Delikte die Todesstrafe verhängen; in der Erwägung, dass in aktuellen Berichten nichtstaatlicher Organisationen Besorgnis darüber geäußert wird, dass durch von der EU finanzierte Programme zur Drogenbekämpfung in Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, Todesurteilen und Hinrichtungen Vorschub geleistet werden könnte, und in der Erwägung, dass diese Berichte geprüft werden müssen;

O.  in der Erwägung, dass die Kommission im Rahmen des EU-Instruments, das zu Stabilität und Frieden beiträgt (IcSP), und seines Vorläufers, des Instruments für Stabilität (IfS), zwei groß angelegte regionale Drogenbekämpfungsmaßnahmen eingeleitet hat – das Kokain- und das Heroinroutenprogramm, die sich auch auf Länder erstrecken, in denen auf Drogendelikte die Todesstrafe steht; in der Erwägung, dass die Kommission nach Maßgabe von Artikel 10 der IcSP-Verordnung verpflichtet ist, mit Blick auf die Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität operative Leitlinien für die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu befolgen;

1.  bekräftigt seine Verurteilung der Anwendung der Todesstrafe und befürwortet entschieden die Einführung eines Moratoriums für die Todesstrafe als Schritt zu ihrer Abschaffung; betont erneut, dass die Abschaffung der Todesstrafe zur Förderung der Menschenwürde beiträgt und es das Ziel der EU ist, dass die Todesstrafe letztendlich vollkommen abgeschafft wird;

2.  verurteilt sämtliche Hinrichtungen, wo auch immer sie stattfinden; ist nach wie vor zutiefst besorgt darüber, dass die Todesstrafe gegen Minderjährige und gegen Menschen mit geistigen Behinderungen verhängt wird, und fordert die sofortige und endgültige Einstellung dieser Praxis, die gegen internationale Menschenrechtsstandards verstößt; ist zutiefst besorgt über die Massenverfahren, die unlängst zu einer enormen Zahl an Todesurteilen geführt haben;

3.  bringt seine große Besorgnis über die Praxis der Steinigung zum Ausdruck, die in mehreren Staaten immer noch gebräuchlich ist, und fordert die Regierungen der betroffenen Staaten nachdrücklich auf, unverzüglich Gesetze zum Verbot der Steinigung zu erlassen;

4.  fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, auch künftig die Anwendung der Todesstrafe zu bekämpfen und das Moratorium als Schritt zu ihrer Abschaffung entschieden zu unterstützen, auch weiterhin auf eine weltweite Abschaffung hinzuwirken und Staaten, die die Todesstrafe immer noch anwenden, nachdrücklich aufzufordern, sich an die internationalen Mindeststandards zu halten, den Anwendungsbereich und die Vollstreckung der Todesstrafe zu beschränken und eindeutige und präzise Daten zur Zahl der Todesurteile und Hinrichtungen zu veröffentlichen; fordert den EAD auf, in Bezug auf Entwicklungen in allen Ländern der Welt wachsam zu bleiben – insbesondere in Belarus, bei dem es sich um das einzige europäische Land handelt, in dem die Todesstrafe noch verhängt wird – und alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der Einflussnahme zu nutzen;

5.  begrüßt, dass die Todesstrafe in einigen US‑Bundesstaaten abgeschafft wurde, und fordert die EU auf, ihren Dialog mit den USA mit Blick auf eine vollkommene Abschaffung fortzusetzen, um sich gemeinsam für die Abschaffung der Todesstrafe in der gesamten Welt einsetzen zu können;

6.  fordert die Kommission auf, sich bei der Gewährung von Hilfe und politischer Unterstützung besonders Staaten zuzuwenden, die bei der Abschaffung der Todesstrafe vorankommen oder ein universelles Moratorium für die Verhängung der Todesstrafe unterstützen; unterstützt bilaterale und multilaterale Initiativen zwischen den Mitgliedstaaten, der EU, den Vereinten Nationen, Drittstaaten und anderen regionalen Organisationen zu Angelegenheiten in Bezug auf die Todesstrafe;

7.  stellt erneut fest, dass die Todesstrafe nicht mit Werten wie der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, auf die sich die Union gründet, vereinbar ist und dass folglich ein Mitgliedstaat, der die Todesstrafe wieder einführen würde, gegen die Verträge und die Charta der Grundrechte der EU verstoßen würde;

8.  ist besonders über die zunehmenden Einsatz der Todesstrafe im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus in zahlreichen Ländern besorgt, wie auch über die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe in anderen Ländern;

9.  verurteilt insbesondere, dass die Todesstrafe zwecks Unterdrückung der Opposition oder wegen der religiösen Überzeugung, Homosexualität oder Ehebruch oder wegen anderer Gesetzesverstöße verhängt wird, die entweder als geringfügige Delikte gelten würden oder gar nicht als Verbrechen eingestuft würden; fordert daher die Staaten auf, in denen Homosexualität strafbar ist, die Todesstrafe für diesen Straftatbestand nicht anzuwenden;

10.  ist nach wie vor der festen Überzeugung, dass Todesurteile nicht vom Drogenhandel abschrecken und Menschen nicht davon abhalten, dem Drogenmissbrauch anheimzufallen; fordert die Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, auf, bei Drogendelikten Alternativen zur Todesstrafe einzuführen, die insbesondere die Form von Programmen zur Vorbeugung von Drogenmissbrauch und zur Schadensbegrenzung annehmen könnten;

11.  bekräftigt seine Empfehlung an die Kommission und die Mitgliedstaaten, die Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte zur Vorbedingung für die Gewährung von finanzieller und technischer Unterstützung, den Aufbau von Kapazitäten und andere Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der Politik zur strafrechtlichen Verfolgung von Drogendelikten zu machen;

12.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den kategorischen Grundsatz zu bekräftigen, dass europäische Hilfe und Unterstützung – auch für Programme des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) – nicht der strafrechtlichen Verfolgung Vorschub leisten darf, die zu Todesurteilen und der Hinrichtung der Inhaftierten führt;

13.  fordert die Kommission auf, die Kontrollen, was die Ausfuhr von Produkten betrifft, die zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden können, zu verstärken;

14.  ist zutiefst besorgt über die mangelnde Transparenz mit Blick auf die von der Kommission und den Mitgliedstaaten geleistete Unterstützung und Hilfe für Maßnahmen zur strafrechtlichen Verfolgung von Drogendelikten in Ländern, die bei diesen Delikten die Todesstrafe verhängen; fordert die Kommission auf, jährlich eine Bestandsaufnahme ihrer Finanzhilfen für Programme zur Drogenbekämpfung in den Staaten zu veröffentlichen, die an der Todesstrafe für Drogendelikte festhalten, wobei über die Mechanismen für den Schutz der Menschenrechte, die angewandt wurden, damit es nicht zu Todesurteilen kommt, zu berichten ist;

15.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, unverzüglich die in Artikel 10 der IcSP‑Verordnung festgelegten operativen Leitlinien umzusetzen und sie strikt auf die Kokain- und Heroinroutenprogramme anzuwenden;

16.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, der Empfehlung im Drogenaktionsplan der EU (2013–2016) nachzukommen, wonach ein „Instrument für Leitlinien und die Bewertung der Ergebnisse im Bereich Menschenrechte“ ausgearbeitet und umgesetzt werden sollte, damit die Menschenrechte „wirksam in das externe Handeln der EU zur Drogenbekämpfung einbezogen“ werden;

17.  fordert den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, im Hinblick auf Dutzende europäische Staatsbürger, denen in Drittländern die Hinrichtung droht, Vorgaben für eine umfassende und konkrete EU-Politik zum Umgang mit der Todesstrafe zu machen, wobei diese Politik leistungsfähige und verstärkte Mechanismen für die Ermittlung, die Leistung von Rechtsbeistand und die diplomatische Vertretung umfassen sollte;

18.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Anwendung der Todesstrafe für Drogendelikte auf der Sondertagung der VN-Generalversammlung zur weltweiten Drogenproblematik im April 2016 zur Sprache kommt und verurteilt wird;

19.  unterstützt alle Organisationen der Vereinten Nationen, zwischenstaatlichen regionalen Gremien und nichtstaatlichen Organisationen bei ihren anhaltenden Bemühungen, die Staaten dazu aufzurufen, die Todesstrafe abzuschaffen; fordert die Kommission auf, im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte auch künftig einschlägige Projekte zu fördern;

20.  begrüßt, dass das zweite Fakultativprotokoll zum IPBPR zur Abschaffung der Todesstrafe unlängst von mehreren Staaten ratifiziert wurde, wodurch die Zahl der Vertragsstaaten auf 81 angestiegen ist; fordert die unverzügliche Ratifizierung durch alle Staaten, die nicht Vertragsparteien des Protokolls sind;

21.  fordert die Mitgliedstaaten des Europarats, die dies noch nicht getan haben, dazu auf, die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ratifizieren, um für die tatsächliche Abschaffung der Todesstrafe in allen Mitgliedstaaten des Europarats zu sorgen;

22.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen und den Regierungen der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu übermitteln.

(1) ABl. C 371 E vom 20.12.2011, S. 5.


Lehren aus der Rotschlammkatastrophe in Ungarn - fünf Jahre nach dem Unfall
PDF 186kWORD 78k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zu den fünf Jahre nach dem Unfall in Ungarn aus der Rotschlammkatastrophe gezogenen Lehren (2015/2801(RSP))
P8_TA(2015)0349B8-0989/2015

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die in Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerten Grundsätze der EU-Umweltpolitik, insbesondere auf den Grundsatz der Vorbeugung und das Verursacherprinzip,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstengebiete des Mittelmeers („Übereinkommen von Barcelona“) und die dazugehörigen Protokolle;

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle(1),

–  unter Hinweis auf die Entscheidung 2000/532/EG der Kommission vom 3. Mai 2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle(2) (Europäisches Abfallverzeichnis),

–  unter Hinweis auf den Beschluss 2014/955/EU der Kommission vom 18. Dezember 2014 zur Änderung der Entscheidung 2000/532/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(3),

–  unter Hinweis auf die im Juni 2015 von der Kommission an Ungarn übermittelte und mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie das Land aufforderte, die Umweltstandards an einem Auffangbecken für Rotschlamm zu verbessern(4),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG(5) (Richtlinie über Abfälle aus der mineralgewinnenden Industrie),

–  unter Hinweis auf die Empfehlung 2001/331/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen in den Mitgliedstaaten(6),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 2008 zu der Überprüfung der Empfehlung 2001/331/EG zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen in den Mitgliedstaaten(7),

–  unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 1386/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“(8) (siebtes Umweltaktionsprogramm),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden(9) (Umwelthaftungsrichtlinie),

–  unter Hinweis auf die Entscheidung 2009/335/EG der Kommission vom 20. April 2009 über technische Leitlinien für die Festsetzung der finanziellen Sicherheitsleistung gemäß der Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie(10),

–  unter Hinweis auf die Machbarkeitsstudie der Kommission zu einer EU-weiten Fazilität auf Risikoteilungsbasis für Industriekatastrophen(11),

–  unter Hinweis auf den im Jahr 2013 für die Kommission (GD Umwelt) angefertigten endgültigen Bericht mit dem Titel „Implementation challenges and obstacles of the Environmental Liability Directive“ (Herausforderungen und Hindernisse bei der Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie),

–  unter Hinweis auf die an die Kommission und an den Rat gerichteten Anfragen zu den fünf Jahre nach dem Unfall in Ungarn aus der Rotschlammkatastrophe gezogenen Lehren (O-000096/2015 – B8-0757/2015 und O-000097/2015 – B8-0758/2015),

–  gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass am 4. Oktober 2010 bei dem Bruch des Damms eines Deponiebeckens in Ungarn annähernd eine Million Kubikmeter stark alkalischen Rotschlamms austrat, der mehrere Dörfer überflutete und durch den zehn Menschen ums Leben kamen, fast 150 Menschen Verletzungen erlitten und weite Landstriche – darunter vier Natura-2000-Gebiete – verschmutzt wurden;

B.  in der Erwägung, dass es sich bei dem Rotschlamm aus diesem Deponiebecken um gefährlichen Abfall im Sinne der Richtlinie 91/689/EWG des Rates handelt;

C.  in der Erwägung, dass in dem Beschluss 2014/955/EU der Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Rotschlamm bis zum Beweis des Gegenteils als gefährlicher Abfall eingestuft werden sollte; in der Erwägung, dass dieser Beschluss seit dem 1. Juni 2015 in Kraft ist;

D.  in der Erwägung, dass die Gefahr besteht, dass Rotschlamm in der Vergangenheit auch in anderen Mitgliedstaaten fälschlicherweise als nicht gefährlicher Abfall eingestuft wurde und dass deshalb mit Mängeln behaftete Genehmigungen erteilt wurden;

E.  in der Erwägung, dass es sich bei Rotschlamm um Abfall aus der mineralgewinnenden Industrie im Sinne der Richtlinie über Abfälle aus der mineralgewinnenden Industrie handelt, in der – unter anderem auf der Grundlage der besten verfügbaren Technologien – Sicherheitsauflagen für den Umgang mit diesen Abfällen festgelegt sind;

F.  in der Erwägung, dass anderweitige Abbautätigkeiten (z. B. die Verwendung von Zyanid beim Goldabbau) und die unsachgemäße Entsorgung gefährlicher Abfälle in einigen Mitgliedstaaten ebenfalls mit einer starken Verschmutzung der Umwelt einhergehen;

G.  in der Erwägung, dass die Empfehlung 2001/331/EG darauf abzielt, die Einhaltung der Bestimmungen zu verbessern und zu einer kohärenteren Anwendung und Durchsetzung des EU-Umweltrechts beizutragen;

H.  in der Erwägung, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 20. November 2008 die Umsetzung des Umweltrechts in den Mitgliedstaaten als unvollständig und nicht kohärent bezeichnete und die Kommission eindringlich aufforderte, bis Ende 2009 einen Legislativvorschlag über Umweltinspektionen vorzulegen;

I.  in der Erwägung, dass im siebten Umweltaktionsprogramm angekündigt wird, die EU werde die Auflagen für Inspektionen und für Überwachungsmaßnahmen auf das gesamte Umweltrecht ausweiten und auf EU-Ebene zusätzliche Kapazitäten zur Inspektionsunterstützung schaffen;

J.  in der Erwägung, dass die Umwelthaftungsrichtlinie auf einen auf dem Verursacherprinzip beruhenden Rahmen für die Umwelthaftung abzielt und vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Anreize setzen müssen, damit die entsprechenden Wirtschafts- und Finanzakteure Instrumente und Märkte für die Deckungsvorsorge schaffen; in der Erwägung, dass die Kommission in Artikel 18 Absatz 2 aufgefordert wurde, dem Parlament und dem Rat vor dem 30. April 2014 einen Bericht vorzulegen, und dass dieser Bericht bislang nicht vorgelegt wurde;

K.  in der Erwägung, dass in dem im Jahr 2013 für die Kommission angefertigten Bericht zur Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie festgestellt wurde, dass die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht der Mitgliedstaaten nicht zu gleichen Ausgangsbedingungen, sondern zu einer Vielzahl unterschiedlicher Haftungsregelungen für die Verhinderung und Bewältigung von Umweltschäden in der gesamten EU geführt hat;

L.  in der Erwägung, dass die Kommission 2010 in einer Reaktion auf die Rotschlammkatastrophe erklärte, sie würde erneut die Einführung einer harmonisierten obligatorischen Deckungsvorsorge noch vor der für 2014 vorgesehenen Überprüfung der Umwelthaftungsrichtlinie in Erwägung ziehen;

1.  stellt fest, dass die Rotschlammkatastrophe von 2010 das schwerste Industrieunglück in der Geschichte Ungarns war, und gedenkt anlässlich des fünften Jahrestags dieses tragischen Ereignisses der Opfer;

2.  weist darauf hin, dass die staatlichen Stellen in der Phase unmittelbar nach der Krise zügig und effizient vorgegangen sind und die Zivilgesellschaft während dieser beispiellosen Katastrophe immense Anstrengungen unternommen hat;

3.  erinnert daran, dass Ungarn das Katastrophenschutzverfahren der EU in Gang setzte und ein europäisches Expertenteam in das Land reiste, dessen Aufgabe darin bestand, Empfehlungen unter anderem zur Ausarbeitung optimaler Lösungen zur Beseitigung und Verringerung der Schäden zu erstellen;

4.  stellt fest, dass die Rotschlammkatastrophe mit der dürftigen Umsetzung des EU-Rechts, Mängeln bei den Inspektionen, Lücken im einschlägigen EU-Recht und der Arbeitsweise des Betreibers der Anlage in Zusammenhang gebracht werden kann;

5.  ist besorgt darüber, dass in den vergangenen fünf Jahren anscheinend fast keine Konsequenzen gezogen worden sind, da die dürftige Umsetzung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften und internationalen Übereinkommen und die Mängel bei den Inspektionen fortbestehen und so gut wie keine der Lücken im einschlägigen EU-Recht geschlossen worden ist;

6.  stellt fest, dass in erster Linie bei der Richtlinie über Abfälle aus der mineralgewinnenden Industrie und dem Europäischen Abfallverzeichnis Handlungsbedarf besteht;

7.  ist besorgt darüber, dass es in mehreren Mitgliedstaaten ähnliche Auffangbecken gibt; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass sachgemäße Inspektionen durchgeführt werden;

8.  fordert die Mitgliedstaaten, in denen es Rotschlammbecken gibt, auf, der Frage nachzugehen, ob der Rotschlamm ordnungsgemäß als gefährlich eingestuft wurde, und Genehmigungen, die aufgrund falscher Einstufungen erteilt wurden, so schnell wie möglich zu überprüfen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen und ihr darüber Bericht erstatten; fordert die Kommission auf, bis Ende 2016 einen Bericht über die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zu veröffentlichen;

9.  hält es für entscheidend, stärker auf Katastrophenvorbeugung zu setzen, da ähnliche Umweltzwischenfälle auch bereits in anderen Mitgliedstaaten aufgetreten sind;

10.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu verstärken, damit das gesamte einschlägige EU-Recht und alle einschlägigen internationalen Übereinkommen vollständig übernommen und ordnungsgemäß angewendet bzw. durchgeführt werden – nicht nur, was die Herstellung von Aluminium und die umweltgerechte Behandlung von Rotschlamm betrifft, sondern auch in Bezug auf die umweltgerechte Behandlung von gefährlichen Abfällen insgesamt;

11.  betont, dass beim Umgang mit Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie grundsätzlich die besten verfügbaren Technologien verwendet werden müssen, und fordert die vollständige Umstellung auf Trockenentsorgungsanlagen bis 2016, wobei sichergestellt werden muss, dass dies weder zu Luft- noch zu Wasserverschmutzung führt;

12.  fordert die Kommission auf, die Forschung und Entwicklung im Bereich der Vermeidung und Behandlung gefährlicher Abfälle stärker in den Vordergrund zu rücken;

13.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, Leitlinien für die Risiko- und Sicherheitsbewertung von Bergwerken mit großen Auffangbecken zu erstellen;

14.  vertritt die Ansicht, dass der Umweltverschmutzung nur dann wirksam vorgebeugt werden kann, wenn es strikte Regelungen über Umweltinspektionen gibt und geeignete Maßnahmen getroffen werden, um die Durchführung dieser Inspektionen zu kontrollieren;

15.  fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre nationalen Umweltaufsichtsämter zu stärken und in die Lage zu versetzen, Industrieanlagen transparent, regelmäßig und systematisch zu kontrollieren, indem sie unter anderem dafür sorgen, dass diese Ämter unabhängig sind, indem sie ausreichende Ressourcen bereitstellen, die Zuständigkeiten klar festlegen und sich für eine verstärkte Zusammenarbeit und abgestimmte Maßnahmen einsetzen;

16.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Überwachung zu verbessern und dabei auf den bestehenden verbindlichen und nicht verbindlichen Instrumenten aufzubauen, aber auch darauf zu achten, dass kein unnötiger Verwaltungsaufwand verursacht wird;

17.  fordert die Kommission erneut auf, einen Legislativvorschlag über Umweltinspektionen vorzulegen, mit dem der Industrie keine zusätzlichen finanziellen Belastungen auferlegt werden;

18.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, die verbindlichen Kriterien für die Inspektionen durch die Mitgliedstaaten auf einen größeren Teil des umweltrechtlichen Besitzstands der EU auszuweiten und auf EU-Ebene zusätzliche Kapazitäten zur Unterstützung von Umweltinspektionen zu schaffen;

19.  fürchtet, dass durch bedeutende Unterschiede zwischen den Haftungsregelungen in der EU die gemeinsamen Normen möglicherweise geschwächt werden und einige Mitgliedstaaten und Regionen einer höheren Gefahr von Umweltkatastrophen und damit einhergehenden finanziellen Folgen ausgesetzt sein könnten;

20.  hält es für bedauerlich, dass die Kommission ihren in der Umwelthaftungsrichtlinie vorgesehenen Bericht noch nicht vorgelegt hat; fordert die Kommission auf, diesen Bericht bis Ende 2015 vorzulegen;

21.  fordert die Kommission auf, bei der aktuellen Überarbeitung der Umwelthaftungsrichtlinie sicherzustellen, dass dem Verursacherprinzip uneingeschränkt Rechnung getragen wird;

22.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, der Frage nachzugehen, inwieweit die Entscheidung 2009/335/EG der Kommission in den Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist und ob die Obergrenzen der eingeführten Instrumente der Deckungsvorsorge ausreichen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine harmonisierte obligatorische Deckungsvorsorge vorzuschlagen;

23.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für Transparenz bei den finanziellen Gesichtspunkten der Beseitigung der Folgen von Umweltkatastrophen – wozu auch die finanzielle Entschädigung der Opfer gehört – zu sorgen;

24.  fordert die Kommission auf, einen neuen Legislativvorschlag zum Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auszuarbeiten, der mit den Bestimmungen des siebten Umweltaktionsprogramms im Einklang steht; fordert die Kommission auf, diesen Vorschlag bis Ende 2016 vorzulegen;

25.  erachtet es als sehr wichtig, die Gebietskörperschaften, die Bürger und die Zivilgesellschaft in die Beschlussfassung einzubeziehen, was die Beseitigung gefährlicher Abfälle und die Planung von Maßnahmen zum Risikomanagement anbelangt;

26.  fordert die zuständigen staatlichen Stellen auf, die Öffentlichkeit regelmäßig über den Stand der Verschmutzung und die etwaigen Auswirkungen auf Fauna und Flora sowie auf die Gesundheit der ortsansässigen Bevölkerung zu informieren;

27.  fordert die Kommission auf, die Idee einer EU-weiten Fazilität auf Risikoteilungsbasis für Industrieunfälle weiterzuverfolgen, wobei das Verursacherprinzip uneingeschränkt zu achten ist, um die Kosten für die Sanierung über die obligatorische Deckungsvorsorge hinaus abzudecken;

28.  ist der Ansicht, dass im Rahmen einer solchen speziellen EU-Fazilität auf Risikoteilungsbasis für Industrieunfälle auch die Beseitigung von Altlasten abgedeckt werden sollte, die noch immer Gefahren für die Gesellschaft bergen und für die nach dem geltenden Rechtsrahmen objektiv niemand die Verantwortung trägt, der die Beseitigungskosten übernehmen könnte;

29.  weist auf die große Bedeutung von Zusammenarbeit und Solidarität auf EU-Ebene bei Umweltkatastrophen und Industrieunfällen hin;

30.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 377 vom 31.12.1991, S. 20.
(2) ABl. L 226 vom 6.9.2000, S. 3.
(3) ABl. L 370 vom 30.12.2014, S. 44.
(4) Europäische Kommission – Factsheet – Vertragsverletzungsverfahren im Juni: wichtigste Beschlüsse; http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-5162_de.htm.
(5) ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 15.
(6) ABl. L 118 vom 27.4.2001, S. 41.
(7) ABl. C 16 E vom 22.1.2010, S. 67.
(8) ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 171.
(9) ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56.
(10) ABl. L 101 vom 21.4.2009, S. 25.
(11) Machbarkeitsstudie im Hinblick auf die Einrichtung eines Fonds für die Umwelthaftung und zur Deckung von Umweltschäden infolge von Industrieunfällen. Abschlussbericht. Europäische Kommission, GD ENV, 17. April 2013. http://ec.europa.eu/environment/archives/liability/eld/eldfund/pdf/Final%20report%20ELD%20Fund%20BIO%20for%20web2.pdf.


Erneuerung des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung der Geschlechter und Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit
PDF 272kWORD 86k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Erneuerung des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung der Geschlechter und Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit (2015/2754(RSP))
P8_TA(2015)0350B8-0988/2015

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), nach denen die Gleichstellung von Frauen und Männern einer der wichtigsten Grundsätze ist, auf die sich die EU gründet,

–  gestützt auf Artikel 208 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), mit dem der Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung eingeführt wurde, gemäß dem bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung getragen werden muss,

–  unter Hinweis auf die im September 1995 in Beijing abgehaltene Vierte Weltfrauenkonferenz, die Erklärung und Aktionsplattform von Beijing sowie die anschließenden, jeweils am 9. Juni 2000, 11. März 2005, 2. März 2010 und 9. März 2015 angenommenen Abschlussdokumente der Sondertagungen der Vereinten Nationen Beijing +5, Beijing +10, Beijing +15 und Beijing +20 zu weiteren Maßnahmen und Initiativen zur Umsetzung der Erklärung und der Aktionsplattform von Beijing,

–  unter Hinweis auf die Umsetzung des Aktionsprogramms der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD), die im Jahr 1994 in Kairo stattfand und auf der die internationale Gemeinschaft anerkannte und bekräftigte, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die reproduktiven Rechte von grundlegender Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung sind,

–  unter Hinweis auf die Strategie der EU für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010–2015 (COM(2010)0491),

–  unter Hinweis auf den EU-Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter und Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit (2010–2015), den Bericht über seine Umsetzung 2013 (SWD(2013)0509), die Schlussfolgerungen des Rates vom 19. Mai 2014 zu diesem Bericht sowie auf den Bericht über die Umsetzung 2014 SWD(2015)0011),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Mai 2015 zu Gleichstellungsfragen in der Entwicklungspolitik und zu einer neuen globalen Partnerschaft für Armutsbeseitigung und nachhaltige Entwicklung,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2014 zur EU und zum globalen Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015(1),

–  unter Hinweis auf die Bewertung der EU-Unterstützung für die Gleichstellung der Geschlechter und die Machtgleichstellung der Frauen in Partnerländern(2),

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),

–  unter Hinweis auf die Resolutionen 1325 (2000) und 1820 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit,

–  unter Hinweis auf die an die Kommission und an den Rat gerichteten Anfragen zur Erneuerung des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung der Geschlechter und Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit (O-000109/2015 – B8-0762/2015 und O-000110/2015 – B8-0763/2015),

–  unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Entwicklungsausschusses,

–  gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Europäische Union (EU) sich verpflichtet hat, für die Gleichstellung der Geschlechter einzutreten und den Gleichstellungsaspekt in ihrem gesamten Handeln zu berücksichtigen; in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die Machtgleichstellung der Frauen nicht nur eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der Zeit nach 2015 darstellt, sondern auch eine eigenständige Menschenrechtsfrage ist, die unabhängig von ihrem Nutzen für Entwicklung und Wachstum verfolgt werden sollte; in der Erwägung, dass geschlechtsspezifische Gewalt eine schwere Verletzung der Menschenrechte ist, die niemals durch Religion, Kultur oder Traditionen zu rechtfertigen ist;

B.  in der Erwägung, dass bei der Überprüfung der Umsetzung der Erklärung und des Aktionsprogramms von Beijing 20 Jahre nach dessen Annahme festgestellt wurde, dass die Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen langsam und ungleichmäßig waren und kein Staat der Welt das Geschlechtergefälle vollständig abgebaut hat; in der Erwägung, dass bei der Überprüfung festgestellt wurde, dass dieser mangelnde Fortschritt durch das andauernde und chronische Investitionsdefizit bei der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen noch verschärft wurde;

C.  in der Erwägung, dass zwei der Millenniumsentwicklungsziele (MDG), bei denen es ausdrücklich um die Rechte der Frauen geht, nämlich die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Ermächtigung der Frauen (MDG 3) und die Verbesserung der Gesundheit von Müttern (MDG 5), größtenteils noch nicht verwirklicht wurden; in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge weltweit jeden Tag 800 Frauen aufgrund von Komplikationen bei der Schwangerschaft oder der Geburt sterben; in der Erwägung, dass etwa 222 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern keinen Zugang zu sicheren und modernen Methoden der Familienplanung haben und zugleich der Anteil an Entwicklungshilfe, der für die Familienplanung bestimmt ist, im Verhältnis zur weltweiten Hilfe für die Gesundheit insgesamt zurückgeht;

D.  in der Erwägung, dass die Mehrheit der Bedürftigen weltweit Frauen und Menschen in von Frauen geführten Haushalten sind; in der Erwägung, dass die Schutzbedürftigkeit von sozial ausgegrenzten Frauen zunimmt; in der Erwägung, dass weltweit 62 Millionen Mädchen keine Schulausbildung erhalten;

E.  in der Erwägung, dass eine von drei Frauen weltweit zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben mit großer Wahrscheinlichkeit körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist; in der Erwägung, dass jedes Jahr 14 Millionen Mädchen zwangsverheiratet werden; in der Erwägung, dass die EU für das Recht jeder Person eintritt, über Angelegenheiten, die mit ihrer Sexualität und ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheit zusammenhängen, die vollständige Kontrolle zu behalten und frei über diese Fragen zu entscheiden, ohne dabei Diskriminierung, Zwang oder Gewalt ausgesetzt zu sein;

F.  in der Erwägung, dass die Investitionen laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)(3) völlig unzureichend sind, um die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen, obwohl die für diesen Zweck bestimmte Hilfe ihrer Mitglieder im Jahr 2012 auf 28 Milliarden USD verdreifacht wurde; in der Erwägung, dass sich die Finanzierung der Gleichstellung der Geschlechter überwiegend auf soziale Bereiche konzentriert und es in wirtschaftlichen und produktiven Branchen an Investitionen fehlt, obwohl aus Untersuchungen der OECD hervorgeht, dass Investitionen in die Gleichstellung der Geschlechter von allen Investitionen in die Entwicklung zu den besten Ergebnissen führen;

G.  in der Erwägung, dass 2,5 Milliarden Menschen, von denen die Mehrheit Frauen und Jugendliche sind, weiterhin vom offiziellen Finanzsektor ausgeschlossen sind;

Eine erhebliche Veränderung im GAP 2 (zweiter EU-Aktionsplan für die Gleichstellung)

1.  vertritt die Auffassung, dass die Ergebnisse der Bewertung des GAP 1 (erster EU-Aktionsplans für die Gleichstellung) eindeutig zeigen, dass das Handeln der EU im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen erheblich verändert werden muss und zur Verbesserung der Leistung eine erneute politische Zusage des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und der Kommission erforderlich ist; hält es für wichtig, im Nachfolgeplan zum derzeitigen EU-Aktionsplan für die Gleichstellung die zentralen Empfehlungen, die im Rahmen der Bewertung abgegeben wurden, umzusetzen, wobei zunächst darauf einzugehen ist, wie dieser Plan gehandhabt werden sollte;

2.  begrüßt die Absicht der Kommission, mit dem neuen EU-Aktionsplan für die Gleichstellung eine Verlagerung des Schwerpunkts einzuleiten, und ist daher der Ansicht, dass der GAP 2 die Gestalt einer Mitteilung der Kommission erhalten sollte, ; bedauert, dass der GAP 2 als ein gemeinsames Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen ausgearbeitet wurde und nicht als Mitteilung; fordert die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, die Durchführung des neuen Plans so früh wie möglich zu beginnen, sodass konkrete Ergebnisse erzielt werden können, im Rahmen der allgemeinen Verpflichtungen der EU zur Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen in den Zielen der der nachhaltigen Entwicklung und das Parlament in Konsultationen während des gesamten Prozesses einzubinden.

3.  vertritt die Auffassung, dass im Mittelpunkt des GAP 2 alle Aspekte der Außenpolitik der EU stehen sollten – Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Handel, Menschenrechte und auswärtige Angelegenheiten, Migration und Asyl –, und zwar im Einklang mit dem Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, und der GAP 2 für die Entwicklungsländer, die Länder der Europäischen Nachbarschaft und die Erweiterungsländer gleichermaßen gelten sollte;

4.  vertritt die Auffassung, dass die Gleichstellung der Geschlechter und die Machtgleichstellung der Frauen im Mittelpunkt des Handelns der EU-Organe stehen sollten und es hierfür in der zentralen Verwaltung und in den EU-Delegationen eindeutige Zuständigkeiten geben sollte; betont, dass die Delegationsleiter, Referatsleiter und die höheren Führungsebenen hinsichtlich Berichterstattung, Kontrolle und Bewertung der Politik in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Machtgleichstellung der Frauen rechenschaftspflichtig sein müssen und dass die Gleichstellung von Frauen und Männern durchgängig Teil der Stellenbeschreibungen und Schulungen für alle Bediensteten sein muss;

5.  vertritt die Auffassung, dass die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission / Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik dafür sorgen sollte, dass alle Mitglieder der Kommission mit Zuständigkeit für das auswärtige Handeln die notwendige Führung an den Tag legen, damit der GAP 2 erfolgreich umgesetzt wird; begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2015, in denen betont wird, dass sich die Mitgliedstaaten zu einer transformativen Agenda für die Rechte von Frauen und Mädchen verpflichtet haben; betont, dass die Maßnahmen der Kommission bzw. des EAD die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzen müssen;

6.  bedauert, dass im Jahresbericht 2014 der GD DEVCO Gleichstellungsfragen nicht angesprochen werden, und fordert, dass Fragen im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen künftig in die Jahresberichte aller Generaldirektionen (GD) der Kommission mit Zuständigkeit für das auswärtige Handeln und des EAD aufgenommen werden; fordert alle EU-Delegationen auf, einen jährlichen Bericht über den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung vorzulegen und in ihre Jahresberichte, Halbzeitüberprüfungen und Bewertungen auf Ebene der Einzelstaaten eine Zusammenfassung der Leistung im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen aufzunehmen; vertritt die Auffassung, dass die Ergebnisse in das ergebnisorientierte Monitoring (Results Oriented Monitoring – ROM) aufgenommen werden sollten;

7.  stellt fest, dass die Halbzeitüberprüfung 2017 der Dokumente für die Programmplanung des Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI) eine gute Gelegenheit ist, zu bewerten, wie sich die durch das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit finanzierten Programme auf Frauen und Mädchen ausgewirkt haben, und eindeutig zu ermitteln, welcher Anteil der durch das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit finanzierten Programme Frauen und Mädchen zugutekommt, und gegebenenfalls die erforderlichen Umschichtungen vorzunehmen;

8.  weist auf den EU-Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung hin und hält die Kohärenz zwischen den internen Politikbereichen und den auswärtigen politischen Maßnahmen der EU und die politische Kohärenz zwischen dem neuen EU-Aktionsplan für die Gleichstellung und dem nächsten Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie für wichtig und notwendig; betont, dass die Gleichstellung ein systematischer und integraler Bestandteil aller Dialoge über die Menschenrechte zwischen der EU und Drittländern sein muss; fordert den EAD auf, mit den Drittländern zusätzlich zu den Dialogen über die Menschenrechte Dialoge über die Gleichstellung aufzunehmen;

9.  bekräftigt, dass für eine erfolgreiche Umsetzung des GAP 2 die uneingeschränkte Koordinierung zwischen den zentralen Abteilungen, Delegationen und Botschaften der Mitgliedstaaten wesentlich ist und dass hierfür geschlechtsspezifische Länderprofile und weitere Instrumente heranzuziehen sind; betont in diesem Zusammenhang, dass die Überprüfung der länderspezifischen Programmplanung im Rahmen des EEF eine Gelegenheit bietet, dafür zu sorgen, dass die uneingeschränkte Umsetzung des GAP 2 wie geplant erfolgt, und erforderlichenfalls Anpassungen vorzunehmen;

Datenerhebung und Ziele

10.  fordert wirksamere Strategien für die Umsetzung und fordert nachdrücklich, dass im Rahmen des Überwachungs- und Bewertungsprozesses geschlechtsspezifische quantitative und qualitative Indikatoren und eine in Bezug auf die Empfänger und Beteiligten aller Maßnahmen systematische Erhebung zum richtigen Zeitpunkt von Daten eingesetzt werden, die nach Geschlecht aufgeschlüsselt sind; fordert mit Nachdruck, dass die Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit die finanzielle Rechenschaftspflicht und Transparenz sichergestellt ist; vertritt die Auffassung, dass die Berichterstattung auf etablierte Systeme für die Überwachung und Bewertung wie den Ergebnisrahmen der für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung zuständigen Generaldirektion der Kommission (DEVCO) abgestimmt sein und in sie integriert werden sollte; betont, dass in nationale Statistiken investiert werden muss, und fordert alle Mitgliedstaaten auf, gleichstellungbezogene Überwachungssysteme einzuführen;

11.  fordert die EU-Delegationen und die Botschaften der Mitgliedstaaten auf, als erste Maßnahmen aussagekräftige geschlechtsspezifische Untersuchungen als Grundlage für Strategien und die Programmplanung auf der Ebene der Einzelstaaten durchzuführen und in solche Maßnahmen zu investieren; vertritt die Auffassung, dass die EU die nationalen Richtpläne vor dem Hintergrund des neuen EU-Aktionsplans für die Gleichstellung überarbeiten sollte;

12.  stellt fest, dass Mädchen und junge Frauen besonders benachteiligt und gefährdet sind, und dass besonders darauf geachtet werden muss, dass Mädchen Zugang zu Bildung haben, ihnen ein Leben frei von Gewalt ermöglicht wird, diskriminierende Gesetze und Praktiken abgeschafft werden und die Position von Mädchen und jungen Frauen weltweit gestärkt wird;

13.  hält es für notwendig, eindeutige Ziele und Indikatoren zu formulieren, die nach Geschlecht, Alter, Behinderung und weiteren Faktoren gemessen und aufgeschlüsselt werden, und erachtet eine verbesserten Rückverfolgung von Mittelzuweisungen für dringend erforderlich; betont, dass die Ziele und Methoden der Überwachung im Einklang mit dem globalen Entwicklungsrahmen für die Zeit nach 2015 und weiteren einschlägigen internationalen Rahmen stehen sollten;

14.  betont, dass die EU Richtwerte für ausreichende finanzielle Mittel und Personalressourcen angeben muss, um ihre Zusagen im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter und der Machtgleichstellung der Frauen einzuhalten; hält die durchgängige Einbeziehung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich der öffentlichen Finanzen für dringend geboten, und zwar durch eine Haushaltsplanung, die gleichstellungsorientiert ist und Ungleichheiten angeht;

Wesentliche Aspekte des neuen EU–Aktionsplans für die Gleichstellung

15.  vertritt die Auffassung, dass mit dem EU–Aktionsplan für die Gleichstellung die Hindernisse für die uneingeschränkte Umsetzung der Leitlinien der EU zur Beseitigung von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen in jedweder Form angegangen werden müssen; fordert zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen einen umfassenden Ansatz der EU, der verstärkte Anstrengungen und Ressourcen zur Verhütung und Beseitigung aller Frauen diskriminierenden Praktiken ebenso umfasst wie zur Bekämpfung und zum gerichtlichen Vorgehen gegen alle Formen der Gewalt, zu denen auch Menschenhandel, Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen, Zwangssterilisation, erzwungene Schwangerschaft, Genderzid, häusliche Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe, Verheiratung von Kindern, Frühverheiratung und Zwangsverheiratung und geschlechtsbezogene Gewalt in Konflikt- und Postkonfliktsituationen gehören; fordert die Entwicklung von besonderen Maßnahmen der EU zur Stärkung der Rechte von unterschiedlichen Gruppen von Frauen, unter besonderer Berücksichtigung von jugendlichen Frauen, Migrantinnen, mit dem HI-Virus lebenden Frauen, lesbischen, bi-, trans- und intersexuellen Frauen (LGBTI) und Frauen mit Behinderungen;

16.  erachtet es für wichtig, den Zugang von Mädchen zu allen Bildungsebenen zu verbessern und geschlechtsspezifische Hindernisse in Bezug auf das Lernen zu beseitigen;

17.  betont, dass der Einsatz von Vergewaltigung als Kriegswaffe und Mittel der Unterdrückung beendet werden muss und dass die EU auf die Regierungen von Drittländern und alle Interessenträger in Regionen, in denen diese geschlechtsbezogene Gewalt verübt wird, Druck ausüben muss, damit diese der Praxis ein Ende bereiten, die Täter vor Gericht stellen und mit Überlebenden, betroffenen Frauen und Gemeinschaften an der Bewältigung des Themas und der Wiederherstellung der Gesundheit arbeiten;

18.  betont, dass Migrantinnen, weibliche Flüchtlinge und Asylbewerberinnen schutzbedürftig sind und unter besonderen Schutz zu stellen sind; fordert besondere Maßnahmen, um die Rechte von Asylbewerberinnen zu schützen und uneingeschränkt sicherzustellen; fordert mutiges Handeln auf europäischer Ebene, damit die anhaltende Migrations- und Flüchtlingskrise bewältigt werden kann, nicht zuletzt durch ein in allen Mitgliedstaaten einheitliches, ganzheitliches und gleichstellungsorientiertes Migrations- und Asylkonzept;

19.  erkennt die Gesundheit als ein Menschenrecht an; hält einen allgemeinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und einer Krankenversicherung für dringend notwendig, auch im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte, gemäß dem Aktionsprogramm der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD) und der Aktionsplattform von Beijing; fordert in diesem Zusammenhang, dass weitere Bemühungen um einen besseren Zugang von Frauen zu Gesundheit, Gesundheitserziehung, Geburtenkontrolle, pränataler Fürsorge und zu sexueller und reproduktiver Gesundheit unternommen werden, und fordert insbesondere, dass das weitgehend nicht umgesetzte Millenniumsentwicklungsziel 5 zur Gesundheit von Müttern verwirklicht wird, wozu auch eine Verringerung der Säuglings- und Kindersterblichkeit gehört; weist darauf hin, dass dies zur Verwirklichung aller gesundheitsbezogener Entwicklungsziele beiträgt; begrüßt in diesem Zusammenhang insbesondere die Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2015;

20.  betont, dass günstige Bedingungen geschaffen werden müssen – insbesondere durch die Beseitigung sozialer und rechtlicher Hindernisse für den Zugang von Frauen zu Produktionsmitteln, zu denen auch Land und natürliche und wirtschaftliche Ressourcen gehören –, zumal diese die finanzielle Inklusion, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, gleichstellungsorientierten Sozialschutz und die Zahlung gleichen Entgelts für gleiche Arbeit voranbringen;

21.  vertritt die Auffassung, dass Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter zukommt, da sie Maßnahmen ergreifen können, die zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau und der wirtschaftlichen Rechte von Frauen beitragen, z. B. durch die Sicherstellung menschenwürdiger Arbeit von Frauen, eines gleichen Entgelts, des Zugangs zu Finanzmitteln und zu Bankdienstleistungen und durch die Schaffung von Möglichkeiten der Teilhabe an Führung und Beschlussfassung, den Schutz von Frauen vor Diskriminierung und Missbrauch am Arbeitsplatz und die Übernahme gleichstellungsorientierter sozialer Verantwortung; fordert in diesem Zusammenhang verstärkte Unterstützung für örtliche KMU, insbesondere für Unternehmerinnen, damit ihnen das durch den Privatsektor generierte Wachstum zugutekommt; betont, dass nach wie vor Mikrokredite, soziales Unternehmertum und alternative Unternehmensmodelle, wie Gesellschaften auf Gegenseitigkeit und Genossenschaften, im Bereich der Machtgleichstellung und Integration der Frauen in der Wirtschaft eine positive Funktion haben;

22.  stellt fest, dass Frauen wegen Ehe oder Mutterschaft nicht diskriminiert werden dürfen und dass ihr tatsächliches Recht auf Arbeit sichergestellt werden muss;

23.  stellt fest, dass sich die Machtgleichstellung der Frauen und die Ernährungssicherheit gegenseitig unterstützen; betont, dass die Position der Frauen in ländlichen Gebieten gestärkt werden muss, indem die Diskriminierung beim Zugang zu Land, Wasser, allgemeiner und beruflicher Bildung, Märkten und Finanzdienstleistungen abgebaut wird; fordert eine beträchtliche Steigerung der öffentlichen Investitionen in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, wobei der Schwerpunkt auf kleine landwirtschaftliche Betriebe, landwirtschaftliche Genossenschaften und Netze von Landwirten gelegt werden sollte;

24.  betont, dass Frauen in neue Wirtschaftsbereiche, die für die nachhaltige Entwicklung von Bedeutung sind und zu denen die umweltverträgliche Wirtschaft und die Kreislaufwirtschaft und der Bereich der erneuerbaren Energien und der IKT gehören, einbezogen werden und in ihnen vertreten sein müssen;

25.  bekräftigt die entscheidende Rolle der formalen und informellen Bildung bei der Machtgleichstellung von Frauen und Mädchen im sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich; betont, dass eine EU–Strategie für Bildung im Bereich Entwicklung eine deutliche geschlechtsspezifische Perspektive umfassen muss, insbesondere in den Bereichen Kompetenzerwerb in Fragen der Nachhaltigkeit, Aussöhnung nach Konflikten, lebenslange allgemeine und berufliche Weiterbildung, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) und die Rolle der Kunst im interkulturellen Austausch;

26.  misst einer stärkeren Beteiligung von Frauen an der Gestaltung und Umsetzung des Rahmens für die Zeit nach 2015 größere Bedeutung bei; fordert, dass Frauenrechtsorganisationen stärker finanziell unterstützt werden, und dass verstärkt politische Maßnahmen und Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten zum Zweck der ständigen Einbeziehung und stärkeren Beteiligung von Basisorganisationen der Zivilgesellschaft und insbesondere Frauenorganisation in Konsultationen der Interessenträger auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene durchgeführt werden;

27.  stellt fest, dass der EU–Aktionsplan für die Gleichstellung die Lage von LGBTI in Drittländern verbessern und die Förderung und den Schutz der Rechte von LGBTI umfassen muss;

28.  hält es für außerordentlich wichtig, die gesetzlichen Rechte der Frauen und ihren Zugang zur Justiz durch gleichstellungsorientierte Rechtsreformen zu stärken; vertritt die Auffassung, dass die gezielte Bereitstellung von Finanzmitteln für die Gleichstellung der Geschlechter in der Prozesskostenhilfe dazu beiträgt, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken;

29.  fordert die EU auf, sich für eine stärkere Beteiligung der Frauen an Prozessen der Friedenserhaltung und Friedenskonsolidierung und an den militärischen und zivilen Aufgaben der Krisenbewältigung der EU einzusetzen; fordert die EU in diesem Zusammenhang erneut auf, die Resolutionen 1325 (2000) und 1820 (2008) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Frauen, Frieden und Sicherheit zu unterstützen, und fordert, dass in alle Friedens- und Sicherheitsinitiativen eine Geschlechterperspektive und die Rechte der Frau aufgenommen werden;

30.  fordert die EU auf, die grundlegenden Menschenrechte von Frauen und Mädchen, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert werden, zu fördern; fordert in diesem Zusammenhang mit Nachdruck, dass für den Schutz des Rechts aller Frauen und Mädchen auf Leben und Würde gesorgt wird, indem gegen missbräuchliche Praktiken wie Genderzid aktiv vorgegangen wird;

31.  hält Maßnahmen zur Stärkung der Führungsrolle und der Teilhabe von Frauen und Frauenrechtsorganisationen im öffentlichen und privaten Bereich für wichtig; fordert stärkere Bemühungen um eine größere Beteiligung von Frauen und Frauenrechtsorganisationen am politischen Leben, insbesondere indem diese Bemühungen in alle Programme zur Förderung der Demokratie, zu denen auch der umfassende Ansatz des Parlaments zur Demokratieförderung gehört, aufgenommen werden;

32.  betont, dass unbedingt auch Männer und Jungen einzubeziehen sind und ihr aktives Mitwirken und ihre Verantwortung bei der Beseitigung diskriminierender gesellschaftlicher Normen und der Bekämpfung von Geschlechterstereotypen und der gegen Frauen und Mädchen gerichteten Gewalt zu fördern sind;

o
o   o

33.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und UN WOMEN zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2014)0059.
(2) https://ec.europa.eu/europeaid/evaluation-eu-support-gender-equality-and-womens-empowerment-partner-countries-final-report_en
(3) https://europa.eu/eyd2015/sites/default/files/users/Madara.Silina/from_commitment_to_action_financing_for_gewe_in_sdgs_oecd.pdf


Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen
PDF 229kWORD 113k
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Oktober 2015 zur Anwendung der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (2014/2160(INI))
P8_TA(2015)0351A8-0213/2015

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf die Artikel 2 und 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 8, 10, 19 und 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/54/ΕG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(1) (Neufassung),

–  unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission vom 7. März 2014 zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Dezember 2013 mit dem Titel „Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen“ (Neufassung) (COM(2013)0861),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 21. September 2010 mit dem Titel „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010–2015“ (COM(2010)0491),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2010 mit dem Titel „Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern – eine Frauen-Charta“ (COM(2010)0078),

–  unter Hinweis auf den vom Rat am 7. März 2011 angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter (2011–2020),

–  unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gemäß Artikel 157 AEUV,

–  unter Hinweis auf den Geschlechtergleichstellungsindex und -bericht des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE – European Institute for Gender Equality),

–  unter Hinweis auf die Bestimmungen des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zur Teilzeitarbeit von 1994, durch die die Länder verpflichtet sind, in ihre öffentlichen Aufträge eine Klausel über Arbeitsbedingungen einzubeziehen, u. a. auch über gleiche Entlohnung,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der IAO über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit von 1951,

–  unter Hinweis auf Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, die am 18. Dezember 1979 mit der Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,

–  unter Hinweis auf den Bericht der Europäischen Agentur für Grundrechte vom Dezember 2014 mit dem Titel „Being Trans in the EU“ (Das Leben als Transgender in der EU),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2013 zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Mai 2012 mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit,(3)

–  unter Hinweis auf die Bewertung der Umsetzung der Richtlinie 2006/54/EG durch die Generaldirektion Wissenschaftlicher Dienst,

–  gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und die Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A8-0213/2015),

A.  in der Erwägung, dass die Gleichbehandlung von Frauen und Männern einer der wesentlichen Grundsätze des EU-Rechts ist;

B.  in der Erwägung, dass die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung nach dem EU-Recht verboten ist;

C.  in der Erwägung, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit eine Voraussetzung dafür ist, dass Frauen und Männer ihr Leben selbstbestimmt gestalten können;

D.  in der Erwägung, dass in der Richtlinie 2006/54/EG ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verwiesen wird, die festlegt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern nicht nur auf das Verbot der Diskriminierung in Bezug darauf beschränkt sein darf, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, sondern auch für Diskriminierungen aufgrund einer Geschlechtsumwandlung gilt;

E.  in der Erwägung, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts seit den Anfängen 1957 in den Verträgen verankert ist; in der Erwägung, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit nun mit Artikel 157 AEUV anerkannt wird und in die Neufassung der Richtlinie 2006/54/EG (nachfolgend die „neugefasste Richtlinie“) aufgenommen wurde;

F.  in der Erwägung, dass die neugefasste Richtlinie zum Ziel hatte, das EU-Recht in diesem Bereich kohärenter zu gestalten und es der Rechtsprechung des EuGH anzugleichen sowie eine Vereinfachung und Modernisierung der entsprechenden Gleichstellungsgesetze auf nationaler Ebene herbeizuführen und damit zur Verbesserung der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt beizutragen; in der Erwägung, dass der Frauenanteil im höheren Management der Unternehmen in der Europäischen Union noch immer unter 18 % liegt;

G.  in der Erwägung, dass mit der neugefassten Richtlinie einige Neuheiten eingeführt werden, wie die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und die Begriffsbestimmung des Konzepts der unmittelbaren Diskriminierung und der Schutz vor Diskriminierung infolge einer Geschlechtsumwandlung, und darin ausdrücklich auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Privatleben verwiesen wird; in der Erwägung, dass die größte Herausforderung für alle Mitgliedstaaten in der ordnungsgemäßen Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften zur gleichen Entlohnung besteht, wie in der Richtlinie 2006/54/EG niedergelegt, und in der Erwägung, dass die Auswirkungen dieser Neuheiten in den Mitgliedstaaten weiterhin begrenzt sind; in der Erwägung, dass trotz der zahlreichen einschlägigen Rechtsvorschriften, die seit fast 40 Jahren in Kraft sind, trotz der ergriffenen Maßnahmen und trotz der aufgewandten Ressourcen nur sehr langsame Fortschritte in diesem Bereich zu verzeichnen sind, und dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle immer noch existiert und bei 16,4 % im EU-Durchschnitt liegt, wobei es beträchtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt;

H.  in der Erwägung, dass unter anderem Entgelte nun häufiger individuell ausgehandelt werden, was durch einen Mangel an Transparenz in der Lohnstruktur der Arbeitnehmer ein Umfeld für geschlechtsspezifische Verzerrungen und Diskriminierungen in der Entgeltstruktur schafft, die für die Arbeitnehmer und/oder deren Vertreter nicht erkennbar und insofern ausgesprochen schwierig nachzuweisen sind und dadurch die wirksame Umsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit behindern, der außerdem durch einen Mangel an Rechtssicherheit in Bezug auf das Konzept der gleichwertigen Arbeit und durch Verfahrenshindernisse gehemmt wird;

I.  in der Erwägung, dass eine stärkere Gleichstellung von Männern und Frauen für die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen von Vorteil wäre und dass die Verringerung des zwischen Männern und Frauen bestehenden Lohngefälles zum Abbau von Armut und zur Steigerung des von Frauen im Laufe ihres Lebens erworbenen Einkommens beiträgt und von entscheidender Bedeutung für das Beschäftigungswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Erholung der Wirtschaft ist; in der Erwägung, dass das Lohngefälle bei in mehrfacher Hinsicht benachteiligten Frauen, zum Beispiel bei Frauen mit Behinderungen, bei Frauen, die einer Minderheit angehören, sowie bei Frauen, die keine Qualifikationen erworben haben, noch ausgeprägter ist; in der Erwägung, dass Alleinerziehende deutlich häufiger von Erwerbsarmut betroffen sind als andere, und dass der Anteil von Frauen bei Alleinerziehenden höher als der von Männern ist; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle somit ernst zu nehmende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und die Lebenschancen vieler europäischer Familien hat;

J.  in der Erwägung, dass die Beschäftigungsquoten bei Frauen generell niedriger sind als bei Männern; in der Erwägung, dass im Jahr 2013 die Beschäftigungsquote in der EU-28 bei Männern bei 69,4 % und bei Frauen bei 58,8 % lag(4);

K.  n der Erwägung, dass es bei den Erwerbsraten der Frauen einen begrenzten Fortschritt gibt, die geschlechtsspezifische Aufteilung von Männern und Frauen nach Berufsfeldern und Wirtschaftssektoren in verschiedene Beschäftigungsarten jedoch relativ hoch bleibt, wobei in einigen Berufsfeldern hauptsächlich Frauen beschäftigt sind und diese Wirtschaftszweige und Berufe trotz des bestehenden Rahmens auf europäischer und nationaler Ebene tendenziell ein niedrigeres Lohnniveau aufweisen und schlechter angesehen werden; in der Erwägung, dass diese Situation im Laufe eines Lebens Auswirkungen auf das geschlechtsspezifisches Lohngefälle hat; in der Erwägung, dass die vertikale Segregation, wonach Frauen vorwiegend geringer vergütete Tätigkeiten und Teilzeittätigkeiten ausüben oder in den niedrigeren Rängen der Hierarchie tätig sind, ebenso zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle beiträgt; in der Erwägung, dass die horizontale und vertikale Segregation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein Hindernis in ihrer beruflichen Laufbahn darstellt sowie zu einer geringeren Sichtbarkeit und Vertretung von Frauen in gesellschaftlichen und öffentlichen Sphären führt und auf diese Weise insgesamt zur Geschlechterungleichheit beiträgt, und in der Erwägung, dass die Überwindung dieser verschiedenen Arten von Segregation und die verstärkte Präsenz von Frauen in höheren Positionen innerhalb von Organisationshierarchien Mädchen und jungen Frauen positive Vorbilder liefern würden;

L.  in der Erwägung, dass die Beschäftigungsquoten im ländlichen Raum niedriger ausfallen und darüber hinaus sehr viele Frauen gar nicht am offiziellen Arbeitsmarkt teilhaben und deshalb weder als arbeitslos gemeldet sind noch in den Statistiken über Arbeitslosigkeit auftauchen, was spezifische finanzielle und rechtliche Probleme in Bezug auf Mutterschaft, Krankheit, Erwerb eines Rentenanspruchs, Zugang zum Sozialversicherungssystem sowie Probleme im Falle einer Scheidung mit sich bringt; in der Erwägung, dass die ländlichen Gebiete unter dem Mangel an qualitativ hochwertigen Beschäftigungsangeboten leiden;

M.  in der Erwägung, dass die Stärkung der Gestaltungs- und Entscheidungsmacht („Empowerment“) von Mädchen und Frauen durch Bildung, insbesondere in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik, sowie die Ermutigung von Frauen zur Teilnahme an beruflicher Bildung und an Programmen zum lebenslangen Lernen in allen Branchen, wichtige Faktoren zur Förderung der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit bei der Beschäftigung sind; in der Erwägung, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Frauen oftmals unterschätzt werden, ebenso wie Berufe mit einem mehrheitlichen Frauenanteil, ohne dass sich dies unbedingt mit objektiven Kriterien begründen ließe;

N.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2006/54/EG Maßnahmen beibehalten oder beschließen können, die spezifische Vergünstigungen mit dem Ziel der Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben beinhalten(5);

O.  in der Erwägung, dass die Mutterschaft und die Betreuung von Kindern, älteren Menschen, kranken oder behinderten Menschen und sonstiger Angehöriger zusätzliche Arbeit bedeutet und manchmal einer Vollzeitbeschäftigung gleichkommt, die fast ausschließlich von Frauen erledigt wird; in der Erwägung, dass diese Arbeit selten bezahlt und von der Gesellschaft nicht angemessen geschätzt wird, obwohl sie eine große soziale Bedeutung hat, zum Wohlergehen beiträgt und von Wirtschaftsindikatoren wie dem BIP bemessen werden kann; in der Erwägung, dass dies aufgrund des für außerhalb des Arbeitsmarktes verbrachte Jahre oder geringere Stundenzahlen aufgrund von Teilzeitregelungen gezahlten „Preises“ zur Vergrößerung des bestehenden Lohngefälles zwischen Frauen und Männern führt, die Karrieremöglichkeiten von Frauen beeinträchtigt und in der Folge auch das Rentengefälle zwischen Frauen und Männern vergrößert; in der Erwägung, dass die Auswirkungen dieser Elemente auf das Lebenseinkommen je nach Ausmaß der entweder durch Rechtsakte oder Tarifverträge den Eltern angebotenen Unterstützungsmaßnahmen, einschließlich Kinderbetreuung, in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausfällt;

P.  in der Erwägung, dass sich das geschlechtsspezifische Bezügegefälle nach der Pensionierung verschärft und das geschlechtsspezifische Rentengefälle wesentlich höher ist als das geschlechtsspezifische Lohngefälle; in der Erwägung, dass Frauen im Durchschnitt 39 % weniger Rente erhalten als Männer; in der Erwägung, dass diese Situation durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren bedingt ist, wie etwa die berufsspezifische und stark ausgeprägte geschlechtsspezifische Segregation der Arbeitsmärkte, die Unterbewertung der Arbeit von Frauen, sowie die Tatsache, dass ein größerer Anteil von Frauen in Teilzeit, für weniger Stundenlohn und weniger Jahre lang arbeitet; in der Erwägung, dass dadurch für Frauen die Gefahr von Armut im Ruhestand zunimmt; in der Erwägung, dass über ein Drittel älterer Frauen in der EU über keinerlei Rentenbezüge verfügt;

Q.  in der Erwägung, dass bestimmte Frauen einem mehrfachen Diskriminierungsrisiko in Arbeits- und Beschäftigungsfragen unterliegen wie etwa Angehörige von ethnischen Minderheiten, lesbische Frauen, bisexuelle Frauen, Transgender-Frauen, alleinstehende Frauen, Frauen mit Behinderung und ältere Frauen;

R.  in der Erwägung, dass die neugefasste Richtlinie eindeutig vorsieht, dass „jegliche ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub“ als Diskriminierung gilt; in der Erwägung, dass sie eindeutig garantiert, dass Frauen nach ihrem Mutterschaftsurlaub an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückkehren können, und einen Kündigungsschutz für Männer und Frauen bei Inanspruchnahme des Rechts auf Eltern- oder Adoptionsurlaub vorsieht;

S.  in der Erwägung, dass die Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber) und die Organisationen der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle bei der Förderung der Gleichbehandlung und des Konzeptes der auf gleicher Bezahlung basierten Arbeit spielen;

T.  in der Erwägung, dass Gleichstellungsstellen in allen Mitgliedstaaten vorhanden sind, aber ihre Arbeit und Wirkung in Abhängigkeit vom Grad ihrer Unabhängigkeit sowie von ihren Zuständigkeiten und Ressourcen erheblich schwankt; in der Erwägung, dass solche Stellen in der unabhängigen und effektiven Ausübung ihrer Aufgaben der Förderung, Überwachung und Unterstützung der Gleichbehandlung angemessen unterstützt und gestärkt werden sollten;

U.  in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission wiederholt aufgefordert hat, die bestehenden Rechtsvorschriften zu überprüfen, um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu bewältigen; in der Erwägung, dass die Verringerung dieses Gefälles ein Mittel zur Erhöhung der Erwerbsrate von Frauen, zur Verbesserung der Lage vieler europäischer Familien und zur Verringerung des Armutsrisikos für Frauen von Armut insbesondere im Ruhestand wäre;

V.  in der Erwägung, dass die Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles ein Mittel zur Erreichung der Zielsetzungen der Strategie „Europa 2020“ hinsichtlich Beschäftigung und Armutsverringerung sowie zur Sicherstellung der europäischen Grundfreiheit der Freizügigkeit für Arbeitnehmer wäre; in der Erwägung, dass laut den Schlussfolgerungen der Bewertung des europäischen Mehrwerts(6) eine Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles um 1 Prozentpunkt zu einer Steigerung des Wirtschaftswachstums um 0,1 Prozentpunkte führen wird;

W.  in der Erwägung, dass die traditionellen Geschlechterrollen weiterhin einen starken Einfluss auf die Verteilung der Aufgaben zwischen Männern und Frauen in den Bereichen Haushalt, Bildung, berufliche Karriere, Arbeit und der Gesellschaft im Allgemeinen haben;

Gesamtbewertung

1.  nimmt zur Kenntnis, dass die Mitgliedstaaten im Allgemeinen ihre nationalen Rechtsvorschriften an das EU-Recht angepasst haben(7); weist darauf hin, dass sich die alleinige, wenn auch korrekte Umsetzung der Bestimmungen der neugefassten Richtlinie in nationales Recht als unzureichend für die vollständige Anwendung und effektive Durchsetzung der Richtlinie herausgestellt hat und die Unterschiede bei der Vergütung zwischen Frauen und Männern weiter bestehen;

2.  bedauert, dass die Mitgliedstaaten zwar nur die Bestimmungen der neugefassten Richtlinie, bei denen wesentlichen Änderungen vorgenommen wurden, umsetzen mussten, die Umsetzung der Richtlinie jedoch nur in zwei Mitgliedstaaten ausreichend klar und sinngemäß ist und in den übrigen 26 Mitgliedstaaten noch aussteht; weist jedoch darauf hin, dass diese Änderungen nicht eindeutig ausgewiesen wurden; unterstreicht, dass die Bemühungen der Kommission zur Überwachung der Umsetzung im Hinblick auf die Sicherstellung eines kohärenten Ansatzes sowie der notwendigen Führung bei der effektiven Umsetzung auf nationaler Ebene nur begrenzt Auswirkungen haben konnten;

3.  hebt hervor, dass Mitgliedstaaten die Gelegenheit nicht genutzt haben, ihre Rechtsvorschriften über Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen zu vereinfachen und zu modernisieren; weist darauf hin, dass von den Mitgliedstaaten nicht nur erwartet wird, dass sie die Richtlinie umsetzen, sondern dass sie auch die Überwachung der Umsetzung des Grundsatzes „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sowie die Durchsetzung sämtlicher verfügbarer Rechtsmittel gegen Lohndiskriminierung sicherstellen;

4.  bedauert, dass die Kommission die Rechtsetzungsinitiative, die sie im letzten Jahr vorlegen wollte, um die effektive Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts in der Praxis zu fördern und zu erleichtern, noch immer nicht eingeleitet hat; fordert die Kommission daher auf, die Schwachstellen der neu gefassten Richtlinie zu identifizieren und umgehend einen Legislativvorschlag auszuarbeiten, um sie zu ersetzen, und in diesen Vorschlag geeignetere Instrumente zur Überwachung der Einführung und Durchführung der Bestimmungen der Richtlinie auf der Ebene der Mitgliedstaaten aufzunehmen;

5.  weist ferner darauf hin, dass die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes viele Frauen dazu gebracht hat, die Möglichkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa durch verkürzte Arbeitszeiten oder ähnliche Systeme aufzugeben, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert und die Situation rückläufiger Geburtenraten in einigen Mitgliedstaaten verschärft hat; fordert die Kommission auf, diese Tendenz sowie die Maßnahmen der Regierungen zur Bekämpfung des Phänomens zu beurteilen und Maßnahmen vorzulegen, um die Auswirkungen der Krise auf die Gleichbehandlung in der Beschäftigung und auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu reduzieren;

Anwendung der Vorschriften zur Entgeltgleichheit

6.  betont, dass – sollten sich die Unterschiede in Bezug auf Erwerbsquote und Lohnniveau zwischen Männern und Frauen in den letzten Jahren leicht verringert haben – dies nicht auf eine Verbesserung der Lage der Frauen zurückzuführen ist, sondern vielmehr darauf, dass die Erwerbsquoten und Lohnniveaus der Männer im Zuge der Krise zurückgegangen sind;

7.  unterstreicht, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts gemäß der Rechtsprechung des EuGH bei jedem Bestandteil des an Männer und Frauen gezahlten Entgelts eingehalten werden muss;

8.  bekräftigt die Notwendigkeit eindeutiger harmonisierter Begriffsbestimmungen zwecks eines Vergleichs auf EU-Ebene für Begriffe wie geschlechtsspezifisches Lohngefälle, geschlechtsspezifisches Rentengefälle, Entgelt, mittelbare und unmittelbare Diskriminierung in Bezug auf Entgelt, sowie insbesondere als „gleich“ anerkannte Arbeit und gleichwertige Arbeit; ist der Auffassung, dass in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH der Wert von Arbeit auf der Grundlage von objektiven Kriterien, wie Bildungsanforderungen, beruflichen Voraussetzungen und Anforderungen an die Berufsbildung, Befähigung, Beanspruchung und Verantwortung, der auszuführenden Arbeit bzw. der Art der dazu gehörenden Aufgaben bewertet und verglichen werden sollte; weist darauf hin, dass die derzeitige Berechnung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles aufgrund der verschiedenen existierenden Vertragsarten – gesetzlich und tariflich – zu einem verzerrten Verständnis der Problematik des gleichen Entgelts führen kann; fordert die Kommission auf, diese möglichen Verzerrungen zu analysieren und angemessene Lösungen vorzuschlagen, einschließlich der Einführung von obligatorischen Lohnprüfungen bei Unternehmen, die in EU-Mitgliedstaaten börsennotiert sind, mit Ausnahme von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), samt der Möglichkeit von Sanktionen bei Nichteinhaltung;

9.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine Übersicht über die Anwendung der bestehenden Systeme der Bewertung von Tätigkeiten und Klassifizierung zu erstellen, die erheblich voneinander abweichen; fordert die Kommission auf, Leitlinien für geschlechtsneutrale Systeme zur Bewertung der Tätigkeiten und Klassifizierung zu erstellen, einschließlich spezifischer Maßnahmen wie der anteilsmäßigen Vertretung von Frauen und Männern in Bewertungsausschüssen, der Entwicklung geschlechtsneutraler Stellenbeschreibungen und Gewichtungsraster und der Definition eindeutiger Kriterien zur Einschätzung des Wertes einer Erwerbstätigkeit; fordert die Mitgliedstaaten auf, eindeutige und geschlechtsneutrale Systeme zur Bewertung der Tätigkeiten und Klassifizierung einzuführen und zu verwenden, die auf den von der Kommission veröffentlichten Leitlinien beruhen, damit mittelbare Lohndiskriminierungen infolge der Unterbewertung von Tätigkeiten, die in der Regel von Frauen verrichtet werden, erkannt werden können;

10.  betont, dass die Systeme zur Arbeitsplatzbewertung und beruflichen Einstufung vorzugsweise Bestandteil von Tarifverträgen sein sollten;

11.  weist darauf hin, dass ein eindeutiges und harmonisiertes System beruflicher Einstufung und größere Lohntransparenz den Zugang zur Justiz verbessert; nimmt zur Kenntnis, dass mehrere Mitgliedstaaten bereits spezielle Maßnahmen für die Lohntransparenz ergriffen haben; unterstreicht, wie unterschiedlich diese Maßnahmen sind, und nimmt die Empfehlungen der Kommission von 2014 zur Lohntransparenz zur Kenntnis, bedauert jedoch ihren nicht bindenden Charakter; fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Empfehlung der Kommission durch Transparenz und kontinuierliche positive gesetzliche Maßnahmen – was eine nachweislich erfolgreiche Methode darstellt – aktiv umzusetzen, indem sie die empfohlenen und maßgeschneiderten Maßnahmen zur Erhöhung der Lohntransparenz einführen; fordert die Kommission auf, die tatsächlichen Auswirkungen dieser Empfehlungen zu bewerten, einschließlich einer Verpflichtung für Unternehmen, regelmäßig über die durchschnittliche Entlohnung zu berichten, aufgeschlüsselt nach Mitarbeiterkategorie oder Position und nach Geschlecht; fordert die Kommission auf, in ihren neuen Legislativvorschlag die Maßnahmen aufzunehmen, die in den Empfehlungen der Kommission von 2014 über Lohntransparenz, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen und die Befugnisse der Gleichstellungsstellen enthalten sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, gegen ungleiche Entlohnungspraxis Druck aufzubauen und um die Lohntransparenz zu fördern, wie von Gewerkschaften, Gleichstellungsstellen und anderen Interessenträgern gefordert;

Anwendung der Vorschriften zur Gleichbehandlung

12.  betont, wie wichtig es ist, die unmittelbare Diskriminierung in den Rentensystemen, nicht nur in den Betriebsrentensystemen, sondern auch in den gesetzlichen Rentensystemen, zu bekämpfen; betont, dass der EuGH deutlich gemacht hat, dass Betriebsrentensysteme als Entgelt angesehen werden müssen und der Grundsatz der Gleichbehandlung daher auch auf diese Systeme anzuwenden ist, obwohl in einigen Mitgliedstaaten die Unterscheidung zwischen gesetzlichen Rentensystemen und Betriebsrentensystemen problematisch oder das Konzept der Betriebsrentensysteme in anderen gänzlich unbekannt ist, was zu indirekter Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt führen kann; erkennt an, dass der Zugang von Frauen zu Betriebsrentensystemen eingeschränkt ist, was auf kürzere Arbeitszeiten, kürzere Dienstzeiten, horizontale und vertikale Segregation auf dem Arbeitsmarkt und das geschlechtsspezifische Lohngefälle zurückzuführen ist, sowie dass bei Beitragssystemen erziehungs- und pflegebedingte Unterbrechungen sowie unfreiwillige Teilzeitarbeit nur selten berücksichtigt werden; fordert die Kommission auf, die Auswirkungen der Verschiebung von gesetzlichen Renten zu betrieblichen und privaten Renten auf das geschlechtsspezifische Rentengefälle zu untersuchen; fordert die Kommission auf, die Umsetzung dieses Grundsatzes genau zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten, da sich die Umsetzung in einigen Mitgliedstaaten als undurchsichtig herausstellte;

13.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den Anspruch auf Mutterschutz zu gewährleisten sowie gegen ungerechtfertigte Entlassungen schwangerer Arbeitnehmerinnen sowie bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach dem Mutterschutz vorzugehen; fordert den Rat auf, endlich einen Gemeinsamen Standpunkt zur Überarbeitung der Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz anzunehmen (die „Mutterschaftsurlaub-Richtlinie“); fordert die Kommission auf, unverzüglich einen gemeinsamen Standpunkt zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen anzunehmen;

14.  nimmt zur Kenntnis, dass es bei der Umsetzung der Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung im Hinblick auf das Recht auf Mutterschafts-, Vaterschafts- und/oder Adoptionsurlaub erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt; unterstreicht die Notwendigkeit, den spezifischen Herausforderungen auf kohärente Art und Weise auf nationaler Ebene zu begegnen, einschließlich der sektoralen (öffentlich-privat) und organisatorischen Unterschiede (letztere sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen großen und kleinen und mittleren Unternehmen); der Situation in Bezug auf untypische und Teilzeitverträge und der Praktiken der Beendigung befristeter Verträge in der Schutzzeit sowie des Herbeiführens freiwilliger Kündigungen;

15.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Maßnahmen zur Bekämpfung sämtlicher Formen der Mehrfachdiskriminierung zu ergreifen, die Anwendung der Grundsätze der Nicht-Diskriminierung und der Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und beim Zugang zu Beschäftigung sicherzustellen und dabei auch gegen die Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und Personen mit Behinderungen und die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der Religion oder der Weltanschauung, der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität vorzugehen, und insbesondere Maßnahmen zur sozialen Absicherung zu ergreifen, damit die Entlohnung und die Sozialversicherungsansprüche von Frauen, einschließlich ihrer Rentenansprüche, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sowie bei gleicher oder vergleichbarer Erfahrung denen von Männern entsprechen;

16.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen zu ergreifen und wirksame Überwachungssysteme zu schaffen, um die Erhebung von Daten zu Belästigungs - und Diskriminierungsfällen aufgrund des Geschlechts, einschließlich Diskriminierungen in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft sowie anderen Arten von Urlaub zu verbessern; ist der Ansicht, dass dabei für diese Fälle auch ein Sanktionssystem vorzusehen ist, dass vorrangig aber präventiv im Rahmen einer Verpflichtung vorgegangen werden sollte, den mit Schwangerschaft oder Mutterschaft konfrontierten Frauen Dienste zugänglich zu machen, die ihnen dabei helfen können, ihren Zustand mit ihrer Arbeitstätigkeit zu vereinbaren, ohne in eine Lage gebracht zu werden, in der sie sich zwischen Arbeit und Familie entscheiden müssen, wie es immer noch viel zu häufig der Fall ist; fordert die Kommission auf, eine Bewertung der Umsetzung von Artikel 26 (über sexuelle Belästigung) in ihren Bewertungsbericht über die Umsetzung der Richtlinie 2006/54/EG aufzunehmen;

17.  fordert die Kommission auf, klare Maßnahmen zur wirksameren Bekämpfung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz vorzuschlagen; bedauert, dass – ungeachtet der EU-Vorschriften zum Schutz von Einzelpersonen vor Diskriminierung bei der Beschäftigung – 30 % der Transgender-Personen bei der Arbeitssuche diskriminiert werden und dass in dem Jahr vor der Veröffentlichung der LGBT-Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte Transgender-Frauen am ehesten Diskriminierung ausgesetzt waren; hebt hervor, dass dies einen Verstoß gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union darstellt; fordert die Kommission auf, die Wirksamkeit der einzelstaatlichen Beschwerdestellen und -verfahren im Zusammenhang mit der Umsetzung der in den Richtlinien über die Gleichstellung der Geschlechter festgelegten Bestimmungen zur Geschlechtsidentität, zum Ausdruck der Geschlechtlichkeit und zur Geschlechtsumwandlung genau zu überwachen; fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Diskriminierung im Bereich der Beschäftigung aufgrund „geschlechtlicher Merkmale“ mit Fachkenntnissen zur Seite zu stehen; fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen und dazu anzuregen, in Schulungen zum Thema Vielfalt transsexuelle und intersexuelle Personen einzubeziehen und gemeinsam mit den Arbeitgebern arbeitsplatzbezogene Maßnahmen zu erarbeiten, wie z. B. die Förderung anonymer Bewerbungsverfahren; fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) zu nutzen, um die Diskriminierung von Transgender-Personen im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH aktiv zu bekämpfen;

18.  bedauert, dass viele Mitgliedstaaten es bei der Umsetzung der Richtlinie versäumt haben, einen ausdrücklichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund einer Geschlechtsumwandlung einzuführen, und fordert die Kommission auf, diese Mitgliedstaaten dafür zur Rechenschaft zu ziehen; weist erneut darauf hin, dass es wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten in ihre nationalen Rechtsvorschriften ein deutliches Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität oder einer Geschlechtsumwandlung aufnehmen; ist der Überzeugung, dass der Schutz, der gemäß der Richtlinie derzeit jenen Personen gewährt wird, die eine Geschlechtsumwandlung anstreben, durchmachen oder durchgemacht haben, auf sämtliche Transgender-Personen ausgeweitet werden sollte; fordert in diesem Zusammenhang, in eine etwaige zukünftige Neufassung ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität aufzunehmen;

19.  weist darauf hin, dass der Zugang zur Justiz in diesem Bereich aufgrund verschiedener Faktoren wie der Verfahrensdauer oder -kosten, der Herausforderungen, mit denen sich Gleichstellungsstellen in manchen Mitgliedstaaten konfrontiert sehen, des Mangels an Lohntransparenz, des fehlenden Angebots an kostenfreiem Rechtsbeistand und der Angst vor der Stigmatisierung am Arbeitsplatz sowie der Angst der Arbeitnehmerinnen, die ihre berufliche Situation anzeigen, vor Repressalien eingeschränkt ist; unterstreicht, dass die Anwendung der Beweislastregel ebenso in mehreren Mitgliedstaaten Probleme bereitet, da dadurch die Möglichkeit der Verteidigung der Arbeitnehmerinnen, die oftmals keinen oder nur einen begrenzten Zugang zu diesen Informationen haben, erschwert wird und zudem den Verlust ihres Arbeitsplatzes bedeuten kann; fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Behörden auf, sich direkt oder mit der Unterstützung von Gleichstellungsstellen, Gewerkschaften, Gemeinschaftsorganisationen und nichtstaatlichen Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind, aktiv daran zu beteiligen, Hilfe für Diskriminierungsopfer zu leisten; weist darauf hin, dass eine geeignete Lösung zur Verbesserung des Zugangs zur Justiz in diesem Bereich wäre, es unabhängigen Gleichstellungsstellen zu ermöglichen, Opfern von Diskriminierung zu helfen, unter anderem durch kostenfreien Rechtsbeistand; sowie das Recht auf Vertretung von Einzelpersonen in Fällen von Lohndiskriminierung; schlägt vor diesem Hintergrund vor, dass in den Mitgliedstaaten vertrauliche Meldeverfahren eingerichtet werden, die es Frauen ermöglichen, Informationen über mögliche Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz zu übermitteln;

20.  fordert die Kommission auf, die bestehenden bewährten Verfahren zu bewerten, auszutauschen und zu vergleichen und die Ergebnisse dieser Bewertung im Hinblick auf effektive Maßnahmen zu verbreiten, die Mitgliedstaaten treffen könnten, um Arbeitgeber, Gewerkschaften und an der Ausbildung beteiligte Organisationen zu ermutigen, jeglicher Art von geschlechtsspezifischer Diskriminierung, insbesondere Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vorzubeugen, indem der Zugang zur Beschäftigung verbessert wird, weitere Möglichkeiten der beruflichen Aus- und Fortbildung angeboten und bewährte Praktiken gefördert werden;

21.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang von Frauen zum lebenslangen Lernen, zu beruflicher Bildung und Mentoring-Netzwerken überall in Europa zu erleichtern und zu verbessern, insbesondere in männlich dominierten Branchen, sowie die Verbreitung bewährter Praxis zu fördern;

Förderung der Gleichbehandlung und sozialer Dialog

22.  bekräftigt, dass Gleichstellungsstellen die Zuständigkeiten sowie eine angemessene Finanz- und Personalausstattung haben sollten, um die Rechtsvorschriften zur Förderung der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern effektiv und eigenständig zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten; betont, dass die Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen in sämtlichen Mitgliedstaaten geschützt werden muss und dass die konkrete institutionelle Form dieser Stellen im Ermessen der Mitgliedstaaten sind;

23.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber), die Zivilgesellschaft und die Gleichstellungsstellen dazu zu ermutigen, die Überwachung der Gleichstellungspraktiken am Arbeitsplatz einschließlich flexibler Arbeitsmodelle zu fördern, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erleichtern ebenso wie die Prüfung der Tarifverträge, der geltenden Lohngruppen und der Systeme der beruflichen Einstufung, um jegliche mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung von Frauen zu verhindern; unterstreicht ferner die Bedeutung von anderen Instrumenten, wie Verhaltenskodizes, Forschungsergebnissen und des Austauschs von Erfahrungen und bewährten Verfahren auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter, damit ein besserer Schutz gegen Diskriminierung gewährleistet ist;

24.  ist der Auffassung, dass der Datenschutz nicht als legitime Entschuldigung für die Nichtveröffentlichung jährlicher Informationen über Beschäftigungsentgelten angeführt werden kann;

25.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verpflichtungen für große und mittelgroße Unternehmen zur Sicherstellung der systematischen Förderung der Gleichbehandlung sowie zur regelmäßigen Bereitstellung entsprechender Informationen, einschließlich der Frage des gleichen Entgelts, zu verschärfen; bekräftigt, dass die Einführung von Bußgeldern gegen Arbeitgeber, welche die Lohngleichheit missachten, wahrscheinlich ein geeignetes Mittel zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles darstellt;

26.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die institutionellen Mechanismen zu stärken, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen, insbesondere durch die angemessene technische, personelle und finanzielle Ausstattung der Einrichtungen mit Zuständigkeit für Inspektions- und Strafmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts, und die Sozialpartner dabei zu unterstützen, die Dimension der Gleichstellung von Frauen und Männern in den Tarifverträgen zu bewerten;

27.  weist auf die notwendige Stärkung öffentlicher Mechanismen der Arbeitsaufsicht und die Einführung von Methoden hin, die den Arbeitswert messen und beispielsweise aufzeigen, wenn gering verdienende Berufsgruppen geschaffen werden, für die hauptsächlich Frauen eingestellt werden, was einer indirekten Lohndiskriminierung gleichkommt;

28.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, verstärkt Maßnahmen zur Aufklärung über die Rechte von Opfern der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu ergreifen; unterstreicht die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Interessenträger, einschließlich Gleichstellungsstellen, Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber) und nichtstaatlicher Organisationen, um sich mit Stereotypen über Frauen- und Männerberufe und deren Auswirkungen auf den Wert der Arbeit und Niedriglöhne auch beim Zugang zu Arbeitsplätzen auseinanderzusetzen; fordert außerdem, dass Unternehmen die am besten geeigneten Kandidaten auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen anhand vorab festgelegter, klarer, neutral formulierter, nicht diskriminierender und eindeutiger Kriterien auswählen;

29.  weist darauf hin, dass eine der mit der neugefassten Richtlinie eingeführten Neuheiten, der Verweis auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist; fordert die Kommission auf, nach Konsultation mit den Mitgliedstaaten und Sozialpartnern (Gewerkschaften und Arbeitgeber) spezifische Maßnahmen zu entwickeln, um mehr Rechte für Frauen und Männer in diesem Bereich sicherzustellen; betont, dass dafür insbesondere der Ausbau von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen im Sinne der Barcelona-Ziele notwendig ist;

30.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Öffentlichkeit umfassend für eine gleiche Entlohnung, das Rentengefälle sowie die mittelbare und unmittelbare Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu sensibilisieren; fordert die Kommission auf, ein europäisches Jahr zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles auszurufen;

31.  beobachtet mit Aufmerksamkeit, dass sich viele Frauen für die Selbstständigkeit entscheiden, da dies die einzige Form der Arbeit ist, die es ihnen ermöglicht, Familie und Beruf in Einklang zu bringen; stellt jedoch fest, dass das Schutzniveau und die sozialen Vergünstigungen für Selbstständige in vielen Staaten noch immer nicht mit denen von Angestellten vergleichbar sind;

Empfehlungen

32.  fordert die Mitgliedstaaten erneut auf, die neugefasste Richtlinie 2006/54/EG konsequent durchzusetzen, um die Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeber) und NRO zu ermutigen, sich aktiver an der Förderung der Gleichbehandlung zu beteiligen, einschließlich mit Hilfe eines Aktionsplans zur Beseitigung bestehender Fälle ungleicher Bezahlung mit konkreten Maßnahmen und der Überwachung der Ergebnisse auf Unternehmens-, sektoraler, nationaler und EU-Ebene;

33.  fordert die Kommission auf, nach ihrem Bericht über die Anwendung der neugefassten Richtlinie und dieser Entschließung, die neugefasste Richtlinie 2006/54/EG zu überarbeiten, wie bereits vom Parlament, insbesondere in seiner Entschließung vom 24. Mai 2012, die konkrete und eindeutige Empfehlungen enthält; gefordert wurde;

34.  unterstreicht, dass geschlechtsneutrale Systeme für die berufliche Einstufung und Arbeitsplatzbewertung sowie die Lohntransparenz unentbehrliche Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung sind; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, diese Maßnahmen in ihrem Vorschlag für eine neue Richtlinie, die die neugefasste Richtlinie ersetzen soll, einzuschließen; weist darauf hin, dass allein ein harmonisierter Ansatz mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer als europäischer Grundfreiheit vereinbar ist;

35.  betont, dass eine Methode zur Arbeitsplatzbewertung ohne geschlechtsspezifische Verzerrung gefunden werden muss, mit der Arbeitsplätze anhand ihrer Bedeutung und Komplexität verglichen werden können, wobei der Stellenwert einer Arbeitsstelle in Bezug auf eine andere Stelle innerhalb eines Sektors bzw. einer Organisation unabhängig davon bestimmt wird, ob diese von einem Mann oder einer Frau besetzt wird;

36.  fordert eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in den Verwaltungsräten von Unternehmen;

37.  fordert die Kommission auf, in der neuen Richtlinie obligatorische Lohnprüfungen für Unternehmen vorzusehen, die in EU-Mitgliedstaaten börsennotiert sind, mit Ausnahme von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), um das geschlechtsspezifische Lohngefälle sichtbar zu machen; fordert die Kommission zudem auf, in der neuen Richtlinie Sanktionen auf EU-Ebene vorzusehen, wodurch Unternehmen, die ihrer Verantwortung hinsichtlich der Geschlechtergleichstellung nicht nachkommen, von der öffentlichen, aus dem EU-Haushalt finanzierten Beschaffung von Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen würden; fordert die Mitgliedstaaten auf, auf dieselbe Weise gegen Unternehmen vorzugehen, die Beihilfen der öffentlichen Hand erhalten;

38.  fordert die Mitgliedstaaten auf, selbst beispielhaft zu handeln und die ungleiche Entlohnung von Frauen in staatlichen und öffentlichen Einrichtungen sowie allgemein in Unternehmen, die Eigentum der öffentlichen Hand sind, zu bekämpfen;

39.  fordert die Kommission auf, gemeinsame Standards und Prüfungen einzuführen, um die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Gleichstellungsstellen sicherzustellen;

40.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Opfer von Diskriminierung und ungleicher Behandlung – und insbesondere Opfer von mehrfacher Diskriminierung – Anspruch auf angemessene Entschädigung in Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften haben;

41.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Umkehrung der Beweislast zu ergreifen, damit immer der Arbeitgeber den Beweis liefern muss, dass nachgewiesene Unterschiede in der Behandlung keinen diskriminierenden Hintergrund haben;

42.  unterstreicht die Notwendigkeit, die Bemühungen zur Bekämpfung der Zementierung von Geschlechterstereotypen mit Kampagnen zur Sensibilisierung aller Teile der Gesellschaft, einer größeren Beteiligung der Kommunikationsmedien, Strategien zur Motivation der Frauen, Laufbahnen zu wählen, in denen sie weniger vertreten sind und der Integration der Geschlechterfrage in Bildung und Berufsausbildung auf nationaler Ebene und EU-Ebene zu intensivieren;

43.  unterstreicht, dass allein die tatsächliche Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu einer wirklichen Verbesserung der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt führen würde und dass dies einen wirklichen politischen Willen sowie eine strategische Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren auf europäischer, nationaler, sektoraler und organisatorischer Ebene erforderlich macht; fordert die Kommission auf, rechtzeitig eine aktive Strategie mit Bezugswerten, Meilensteinen und Objektiven zu entwickeln, um die Ungleichheiten im Bereich der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu reduzieren, wie es in anderen Bereichen z. B. bei der Reduzierung von Verkehrsunfällen in der EU bereits erfolgreich geschehen ist;

44.  fordert die Mitgliedstaaten auf, eine geschlechtsspezifische Haushaltsplanung („gender budgeting“) aktiv anzuwenden, um die Verbesserung der Situation von Frauen am Arbeitsmarkt voranzutreiben; fordert die Kommission auf, den Austausch von Beispielen bewährter Verfahren aus dem Bereich der geschlechtsspezifischen Haushaltsplanung zu fördern;

45.  betont, wie wichtig es ist, positive Maßnahmen zu ergreifen, anhand derer die Integration der Frauen in die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozesse gefördert wird; weist darauf hin, dass sich der Einsatz verbindlicher Quoten als eine der besten Methoden zur Verwirklichung dieses Ziels erwiesen hat;

46.  weist darauf hin, dass positive Maßnahmen auch erforderlich sind, um Anreize für die Beteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts in bestimmten Berufen zu geben, in denen eine eindeutige horizontale Segregation nach dem Geschlecht existiert;

47.  fordert die Kommission auf, die Faktoren zu untersuchen, die Rentengefälle verursachen, und die Notwendigkeit spezifischer Maßnahmen zu bewerten, diese Gefälle auf EU-Ebene und nationaler Ebene zu beseitigen, einschließlich durch legislative und/oder nicht legislative Maßnahmen;

48.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, geeignete Schritte zu unternehmen, um das geschlechtsspezifische Gefälle bei den Renten als direkte Folge des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen zu verringern und die Auswirkungen der neuen Rentensysteme auf die einzelnen Kategorien von Frauen - mit besonderem Augenmerk auf Teilzeit- und atypische Verträgen - zu prüfen;

49.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern im Rahmen aller relevanten unionsweiten politischen Maßnahmen und einzelstaatlichen Programme, insbesondere der auf Armutsbekämpfung ausgerichteten, entgegenzutreten;

50.  fordert die Kommission auf, eine Studie zum Vergleich der entsprechenden Situationen von berufstätigen Müttern, von Müttern, die sich entscheiden, zuhause zu bleiben, und von Frauen ohne Kinder durchzuführen, um mehr Licht auf die Stellung dieser verschiedenen Gruppen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu werfen, insbesondere im Hinblick auf Erwerbsraten, Lohn- und Rentengefälle und Laufbahnentwicklung;

51.  betont, wie wichtig es ist, sich auf zuverlässige, vergleichbare und verfügbare quantitative und qualitative Indikatoren sowie geschlechtsspezifische Statistiken verlassen zu können, um die Umsetzung der Richtlinie und entsprechende Folgemaßnahmen sicherzustellen, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Rolle des Europäischen Gleichstellungsinstituts; fordert die Mitgliedstaaten auf, Eurostat jährlich qualitativ hochwertige statistische Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu liefern, um die Entwicklungen überall in der EU beurteilen zu können;

52.  fordert die Kommission auf, eine Studie zur Frage durchzuführen, wie Verfahren zur amtlichen Anerkennung der Geschlechtsumwandlung einer Person bzw. das Fehlen solcher Verfahren sich auf die Stellung von Transgender-Personen auf dem Arbeitsmarkt auswirken, insbesondere auf den Zugang zur Beschäftigung, auf das Vergütungsniveau, auf die Laufbahnentwicklung sowie auf die Rente;

53.  weist darauf hin, dass die länderspezifischen Empfehlung, im Rahmen des Europäischen Semesters Ziele zur Reduzierung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, der Diskriminierung und der Gefahr der Altersarmut von Frauen sowie zur wirksamen Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einschließen sollten;

54.  fordert die Kommission auf, die Beschäftigungssituation von Frauen im Dritten Sektor, der Sozialwirtschaft und dem Kokonsum („Share Economy“) eingehend zu prüfen und unverzüglich eine Strategie vorzulegen, die Anreize für Beschäftigung gibt und deren Schutz sowie den Schutz der Stellung der Frauen in diesem Sektoren sicherstellt;

55.  fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen um die Bekämpfung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen zu verstärken; verweist nachdrücklich auf den hohen Anteil nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit bei Frauen, der sich nachteilig auf das Einkommen, die soziale Absicherung und den Sozialversicherungsschutz von Frauen auswirkt und das BIP in der gesamten EU belastet; betont, dass insbesondere das spezifische Problem der vorrangig von Frauen verrichteten Hausarbeit angegangen werden muss, da diese Tätigkeit in erster Linie im informellen Sektor stattfindet sowie isoliert und naturgemäß nicht sichtbar ist, und dass deshalb maßgeschneiderte Maßnahmen entwickelt werden müssen, um dies wirksam zu bekämpfen; bedauert darüber hinaus den Missbrauch von atypischen Arbeitsverhältnissen, einschließlich Null-Stunden-Verträgen, mit dem die Einhaltung von Arbeitgeber- und Sozialversicherungspflichten umgangen wird; bedauert die Tatsache, dass die Zahl der in Armut lebenden erwerbstätigen Frauen angestiegen ist;

56.  betont, dass die Kommission Maßnahmen vorschlagen sollte, um (a) das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern, (b) die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zu steigern, (c) den Zugang zum Arbeitsmarkt und den beruflichen Aufstieg für Frauen zu erleichtern, (d) die Gleichstellung bei der Beschlussfassung grundlegend zu verbessern; und e) diskriminierende geschlechtsspezifische Strukturen und Praktiken zu beseitigen;

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o   o

57.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

(1) ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
(2) Abgenommene Texte, P7_TA(2013)0375.
(3) ABl. C 264 E vom 13.9.2013, S. 75.
(4) http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Employment_statistics.
(5) Artikel 3 der Richtlinie 2006/54/EG und Artikel 157 Absatz 4 AEUV.
(6) Bewertung des europäischen Mehrwerts, „Die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit, Europäisches Parlament, 2013.
(7) Gemäß dem Bericht der Kommission über die Anwendung der neugefassten Richtlinie (COM(2013)0861).

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