Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 2016 zu der besonderen Situation von Inseln (2015/3014(RSP))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 174 und 175 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1301/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und mit besonderen Bestimmungen hinsichtlich des Ziels „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005,
– unter Hinweis auf den sechsten Bericht der Kommission über wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (COM(2014)0473) ,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Besondere Probleme der Inselgebiete“ (1229/2011),
– unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zur besonderen Situation von Inseln (O-000013/2016 – B8-0106/2016),
– gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass als NUTS-2 und NUTS-3 eingestufte Inseln gemeinsame und dauerhafte spezifische Merkmale aufweisen, durch die sie sich klar von Regionen auf dem Festland unterscheiden;
B. in der Erwägung, dass in Artikel 174 AEUV die dauerhaften natürlichen und geografischen Nachteile einer Insellage anerkannt werden;
C. in der Erwägung, dass die Verringerung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Unterschiede zwischen den Regionen und eine polyzentrische harmonische Entwicklung die Hauptziele der Kohäsionspolitik sind, die eng mit der Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 zusammenhängen;
D. in der Erwägung, dass die Wirtschaftskrise dramatische Auswirkungen auf die nationalen und regionalen Haushalte vieler Mitgliedstaaten hatte, da die Verfügbarkeit von Finanzmitteln in vielen Sektoren eingeschränkt wurde und öffentliche Investitionen um 20 % eingebrochen sind; in der Erwägung, dass die Krise beträchtliche Auswirkungen auf die potenzielle Entwicklung vieler benachteiligter Regionen, darunter auch Inseln, hatte, worauf auch im sechsten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt hingewiesen wird; in der Erwägung, dass sich der langfristige Trend der Konvergenz von BIP und Arbeitslosenquoten in der EU durch die Wirtschaftskrise umgekehrt hat, wodurch es zu verstärkter Armut und sozialer Ausgrenzung gekommen ist und die Verwirklichung des langfristigen Unionsziels –wirtschaftliche und territoriale Kohäsion – behindert wurde;
E. in der Erwägung, dass die Inseln der EU in einigen Fällen auch Regionen in Randlage an den Außengrenzen der EU sind, die besonders stark von den Herausforderungen betroffen sind, vor denen Europa gerade steht, beispielsweise Globalisierung, demografische Trends, Klimawandel, Energieversorgung und, insbesondere für die südlichen Gebiete, zunehmende Migrationsströme;
F. in der Erwägung, dass die europäischen Inseln sowohl in ökologischer Hinsicht (spezielle Lebensräume und endemische Arten) als auch in kultureller Hinsicht (architektonisches Erbe, Stätten, Landschaften, landwirtschaftliche und nicht landwirtschaftliche Merkmale und geografische Identitäten) zur Vielfalt in der Union beitragen;
G. in der Erwägung, dass die europäischen Inseln dazu beitragen können, nachhaltige Entwicklung in der Union zu stärken, da sie aufgrund des besonders starken Einflusses von Windströmen, Gezeiten und Sonnenlicht über ein großes Potenzial zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen verfügen;
H. in der Erwägung, dass die Zugänglichkeit von Regionen und Verbindungen innerhalb der Inseln entscheidende Faktoren zur Steigerung der Attraktivität der Inseln für qualifizierte Arbeitnehmer und Unternehmen sind; in der Erwägung, dass im Einklang mit dem Grundsatz der territorialen Kontinuität Investitionen angezogen, neue Arbeitsplätze geschaffen und die Kosten für den See- und Lufttransport von Menschen und Waren gesenkt werden müssen, während gleichzeitig Bemühungen unternommen werden müssen, Emissionen und Verschmutzung durch den See- und Luftverkehr zu reduzieren;
I. in der Erwägung, dass Landwirtschaft, Zucht und Fischerei ein wesentliches Element der örtlichen Inselwirtschaften ausmachen, die eine Bezugsquelle für einen großen Teil der Agroindustrie darstellen, und in der Erwägung, dass diese Sektoren unter mangelnder Zugänglichkeit insbesondere für KMU, einer geringen Produktdifferenzierung und den klimatischen Bedingungen leiden;
J. in der Erwägung, dass ein intensiver Tourismus für die meisten Inseln ein wesentlicher Teil der örtlichen Wirtschaft ist,sich aber normalerweise nur auf einige Jahreszeiten konzentriert und außerhalb der Saison nicht angemessen geplant wird, und dass dies Risiken für die ökologisch nachhaltige Entwicklung der Inselregionen mit sich bringen kann;
1. legt der Kommission nahe, unter Verweis auf Artikel 174 AEUV eine klare Definition der Art geografischer, natürlicher und demografischer dauerhafter Nachteile zu verfassen, von denen Inselregionen betroffen sein können;
2. fragt die Kommission, wie sie den Wortlaut von Artikel 174 AEUV bezüglich der dauerhaften Nachteile von Inselregionen, die ihre natürliche Entwicklung beeinträchtigen und verhindern, dass sie wirtschaftliche, soziale und territoriale Kohäsion erreichen, umzusetzen gedenkt;
3. erkennt, an, dass Unterstützung geleistet werden muss, um gegen den beträchtlichen Trend zur Entvölkerung von Inselregionen vorzugehen; verweist darauf, dass gewisse Nachteile für Inseln schwerer wiegen im Verhältnis zu ihrer geringen Größe und ihrer Entfernung von den Küsten des europäischen Kontinents;
4. fordert die Kommission auf, eine eingehende Studie/Analyse dazu in Auftrag zu geben, welche zusätzlichen Kosten durch die Insellage in Bezug auf die Systeme für den Transport von Menschen und Gütern, die Energieversorgung und den Zugang zu Märkten, insbesondere für KMU, entstehen;
5. vertritt die Auffassung, dass es für Inseln eine angemessene Definition/Kategorisierung geben sollte, bei der nicht nur ihre Unterschiede und Besonderheiten, sondern auch ihre besondere Situation berücksichtigt wird; fordert die Kommission auf, auf der Grundlage von Artikel 174 AEUV, in dem die besondere Situation von Inseln anerkannt wird, eine homogene Gruppe zu bilden, der alle Inselgebiete angehören; fordert die Kommission außerdem auf, neben dem BIP noch andere statistische Indikatoren zu berücksichtigen, die die wirtschaftliche und soziale Anfälligkeit widerspiegeln können, die durch die dauerhaften natürlichen Nachteile bedingt sind;
6. verweist darauf, dass einigen europäischen Inseln im Einklang mit der Richtlinie 2006/112/EG steuerliche Sonderregelungen gewährt wurden, um ihre natürlichen und demografischen dauerhaften Nachteile auszugleichen; betont die Bedeutung dieser steuerlichen Sonderregelungen für die örtlichen Gemeinschaften und die Wirtschaft und fordert ihren Erhalt insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen wirtschaftliche Anpassungsprogramme durchgeführt werden;
7. weist insbesondere darauf hin, dass durch Schifffahrtsrouten, verbesserten Zugang zu Häfen und bessere Luftverkehrsdienste eine bessere Anbindung geschaffen werden muss; ist der Auffassung, dass Verkehrsknotenpunkten, intermodalem Verkehr und nachhaltiger Mobilität besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte; betont weiterhin, dass eine ausgewogene territoriale Entwicklung von Inselregionen unterstützt werden muss, indem Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in diesem Regionen unterstützt wird, die von den großen Verwaltungs- und Wirtschaftszentren weit entfernt sind und keinen einfachen Zugang zu Verkehrsmitteln haben, und indem die lokale Produktion für lokale Märkte gestärkt wird;
8. betont, dass digitale Kapazität ein entscheidender Aspekt ist, um die Nachteile der Inselregionen in Bezug auf Konnektivität auszugleichen; betont, dass Investitionen in Infrastruktur erforderlich sind, um für Breitbandzugang auf Inseln und die uneingeschränkte Teilhabe der Inseln am digitalen Binnenmarkt zu sorgen;
9. verweist darauf, dass auf vielen Inseln im Mittelmeer Massen von Migranten angekommen sind und sie diese Situation bewältigen müssen; betont, dass ein ganzheitlicher Ansatz der EU erforderlich ist, der eine Unterstützung durch die EU und gemeinsame Bemühungen aller Mitgliedstaaten umfassen sollte;
10. betont, dass es wichtig ist, Ausbildung auf allen Ebenen zu ermöglichen, gegebenenfalls auch durch die intensivere Nutzung von Systemen für den Fernunterricht; weist darauf hin, dass Inseln auch stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, der dort besonders schwerwiegende Folgen hat, unter anderem eine Zunahme der Naturrisiken;
11. unterstreicht, dass Inseln zwar gewisse Nachteile haben, aber auch von einem territorialen Potenzial profitieren, das als Gelegenheit für Entwicklung, Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt werden sollte; hebt die Bedeutung von geringen Steuern und Maßnahmen zum Bürokratieabbau als wesentliche Anreize für das Anziehen von Investitionen hervor; erwähnt in diesem Zusammenhang die Entwicklung von nachhaltigem Tourismus neben dem saisonabhängigen Tourismus, in dessen Mittelpunkt die Förderung des kulturellen Erbes und bestimmte handwerkliche Wirtschaftstätigkeiten stehen sollten; betont außerdem das enorme Potenzial von Meeres-, Windkraft- und Solarenergie und das Potenzial der Inseln, zu Quellen alternativer Energien zu werden, so energieautonom wie möglich zu werden und vor allem eine billigere Energieversorgung für ihre Einwohner sicherzustellen;
12. betont in diesem Zusammenhang, dass alle möglichen Synergien zwischen dem europäischen Struktur- und Investitionsfonds und anderen Unionsinstrumenten genutzt werden müssen, um die Nachteile von Inseln auszugleichen und ihre Situation in Bezug auf Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltige Entwicklung zu stärken;
13. fordert die Kommission auf, einen „Strategischen Rahmen der EU für Inseln“ zu schaffen, um Instrumente so zu verknüpfen, dass sie eine maximale territoriale Wirkung entfalten;
14. fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Behörden auf, bei den Entwicklungsstrategien von Inseln auf der Grundlage eines vertikalen Ansatzes, an dem alle Ebenen der Regierung beteiligt sind, im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip eine wichtige Rolle zu spielen, um für eine nachhaltige Entwicklung der Inseln der EU zu sorgen;
15. schlägt der Kommission vor, ein „Inselreferat“ einzurichten, das der Generaldirektion für Regionalpolitik und Stadtentwicklung (DG REGIO) der Kommission angeschlossen ist und aus einer kleinen Gruppe von Beamten besteht, die Fragen in Verbindung mit Inselregionen koordinieren und analysieren;
16. fordert die Kommission auf, eine Mitteilung mit einer „Agenda für die Inseln der EU“ und daran anschließend ein Weißbuch zur Beobachtung der Entwicklung der Inseln vorzulegen, das auf bewährten Verfahren beruht und in dessen Ausarbeitung die lokalen, regionalen und nationalen Behörden sowie andere einschlägige Akteure wie Wirtschafts- und Sozialpartner und Vertreter der Zivilgesellschaft eingebunden sind;
17. fordert die Kommission auf, ein Europäisches Jahr der Insel- und der Berggebiete vorzuschlagen;
18. fordert die Kommission auf, bei der Ausarbeitung des Vorschlags für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der besonderen Situation der Inseln Rechnung zu tragen;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Ausschuss der Regionen und den Mitgliedstaaten zu übermitteln.