Beschluss des Europäischen Parlaments vom 13. September 2016 über den Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität von Rosario Crocetta (2016/2015(IMM))
Das Europäische Parlament,
– befasst mit einem am 7. Januar 2016 von Rosario Crocetta übermittelten und am 21. Januar 2016 im Plenum bekanntgegebenen Antrag auf Schutz seiner Vorrechte und seiner Immunität im Zusammenhang mit einem vor der dritten Strafkammer des Gerichts von Palermo (Italien) anhängigen Strafverfahren (Aktenzeichen Nr. 20445/2012 RGNR),
– nach Anhörung von Rosario Crocetta gemäß Artikel 9 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
– gestützt auf die Artikel 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,
– unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011 und 17. Januar 2013(1),
– in Kenntnis des Artikels 595 des italienischen Strafgesetzbuchs,
– gestützt auf Artikel 5 Absatz 2 und die Artikel 7 und 9 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A8-0230/2016),
A. in der Erwägung, dass Rosario Crocetta, ein ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, den Schutz seiner parlamentarischen Immunität im Zusammenhang mit einem vor der dritten Strafkammer des Gerichts von Palermo anhängigen Strafverfahren beantragt hat; in der Erwägung, dass Herr Crocetta laut der Mitteilung der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird, verleumderische Äußerungen getätigt zu haben, was nach Artikel 595 des italienischen Strafgesetzbuchs strafbar ist;
B. in der Erwägung, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments nach Artikel 8 des Protokolls Nr. 7 wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden dürfen; in der Erwägung, dass diese Immunität, da sie die Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Mitglieder des Europäischen Parlaments schützen soll, als absolute Immunität anzusehen ist, die jedem Gerichtsverfahren wegen einer in Ausübung des Abgeordnetenamts erfolgten Äußerung oder Abstimmung entgegensteht(2);
C. in der Erwägung, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Äußerung eines Mitglieds des Europäischen Parlaments nur dann unter die Immunität fallen kann, wenn sie in Ausübung seines Amtes erfolgt ist, womit das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen der erfolgten Äußerung und der parlamentarischen Tätigkeit impliziert wird; in der Erwägung, dass solch ein Zusammenhang unmittelbar und offenkundig sein muss(3);
D. in der Erwägung, dass Rosario Crocetta Mitglied des Europäischen Parlaments war, als er die betreffenden Äußerungen machte;
E. in der Erwägung, dass sich Herr Crocetta im Parlament nachweislich sehr im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und seine Folgen für die EU und ihre Mitgliedstaaten engagiert hat; in der Erwägung, dass er dabei auch den Einfluss der systematischen Korruption auf die Politik und die Wirtschaft unter die Lupe genommen hat, insbesondere im Hinblick auf öffentliche Vergabeverfahren im Rahmen der Umweltpolitik;
F. in der Erwägung, dass die Fakten in dem Fall, wie sie aus den dem Rechtsausschuss zur Verfügung gestellten Unterlagen und der Anhörung vor diesem Ausschuss hervorgehen, darauf hindeuten, dass seine Aussagen in unmittelbarem und offenkundigem Zusammenhang mit seiner parlamentarischen Tätigkeit stehen;
G. in der Erwägung, dass daher davon ausgegangen werden kann, dass Rosario Crocetta in Ausübung seines Amtes als Mitglied des Europäischen Parlaments handelte;
1. beschließt, die Vorrechte und die Immunität von Rosario Crocetta zu schützen;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich den entsprechenden Behörden der Italienischen Republik und Rosario Crocetta zu übermitteln.
Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 1964, Wagner/Fohrmann und Krier, 101/63, ECLI:EU:C:1964:28; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Wybot/Faure und andere, 149/85, ECLI:EU:C:1986:310; Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T-345/05, ECLI:EU:T:2008:440; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C-163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23.