Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Oktober 2016 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (Antrag Estlands – EGF/2016/003 EE/petroleum and chemicals) (COM(2016)0622 – C8-0389/2016 – 2016/2235(BUD))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2016)0622 – C8-0389/2016),
– gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1309/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (2014–2020) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1927/2006(1) (EGF-Verordnung),
– gestützt auf die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1311/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2014–2020(2), insbesondere auf Artikel 12,
– gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung(3) (IIV vom 2. Dezember 2013), insbesondere auf Nummer 13,
– unter Hinweis auf das in Nummer 13 der IIV vom 2. Dezember 2013 vorgesehene Trilogverfahren,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für regionale Entwicklung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltsausschusses (A8-0314/2016),
A. in der Erwägung, dass die Union Legislativ- und Haushaltsinstrumente geschaffen hat, um Arbeitnehmer, die unter den Folgen weitreichender Strukturveränderungen im Welthandelsgefüge oder den Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu leiden haben, zusätzlich zu unterstützen und ihnen bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt behilflich zu sein;
B. in der Erwägung, dass die finanzielle Unterstützung der Union für entlassene Arbeitnehmer gemäß der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, die in der Konzertierungssitzung vom 17. Juli 2008 angenommen wurde, dynamischen Charakter haben und so zügig und effizient wie möglich bereitgestellt werden sollte, wobei hinsichtlich der Beschlussfassung über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 2. Dezember 2013 gebührend zu beachten ist;
C. in der Erwägung, dass im Erlass der EGF-Verordnung die Einigung zwischen Parlament und Rat zum Ausdruck kommt, das Kriterium der krisenbedingten Inanspruchnahme des Fonds wiedereinzuführen, den Finanzbeitrag der Union auf 60 % der geschätzten Gesamtkosten der vorgeschlagenen Maßnahmen zu erhöhen, für eine effizientere Bearbeitung der EGF-Anträge in der Kommission und durch Parlament und Rat zu sorgen, indem die Fristen für die Bewertung und Genehmigung verkürzt werden, die förderfähigen Maßnahmen und den Begünstigtenkreis auszudehnen, indem Selbständige und junge Menschen einbezogen werden, und Anreize zur Unternehmensgründung zu finanzieren;
D. in der Erwägung, dass Estland den Antrag EGF/2016/003 EE/petroleum and chemicals auf einen Finanzbeitrag aus dem EGF infolge von Entlassungen im Wirtschaftszweig NACE Rev. 2, Abteilung 19 (Kokerei und Mineralölverarbeitung) und Abteilung 20 (Herstellung von chemischen Erzeugnissen) eingereicht hat; in der Erwägung, dass Estland nicht in NUTS-2-Regionen eingeteilt ist und davon auszugehen ist, dass von den 1 550 entlassenen Arbeitnehmern, die für den Beitrag aus dem EGF in Betracht kommen, 800 an den Maßnahmen teilnehmen werden;
E. in der Erwägung, dass eine Intervention gemäß Artikel 4 Absatz 2 der EGF-Verordnung beantragt wird – in Abweichung von den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b genannten Kriterien jener Verordnung, wonach es innerhalb eines Bezugszeitraums von neun Monaten in Unternehmen, die in derselben NACE-Rev.-2-Abteilung in einer oder zwei aneinandergrenzenden Regionen auf NUTS-2-Niveau in einem Mitgliedstaat tätig sind, in mindestens 500 Fällen zur Entlassung von Arbeitskräften gekommen sein muss;
F. in der Erwägung, dass die Unternehmen Eesti Energia AS, Nitrofert AS und Viru Keemia Grupp AS infolge der jüngsten Turbulenzen auf dem globalen Erdölmarkt, der allgemeinen Verschlechterung von Europas Stellung im internationalen Handel mit Dünger (zugunsten chinesischer Hersteller) und der niedrigeren Erdgaspreise in außereuropäischen Regionen Standorte geschlossen oder die Produktion gedrosselt haben, was zu massenhaften Kündigungen führte;
G. in der Erwägung, dass Estland beschlossen hat, diese Entlassungen in einem regionalen Antrag zusammenzufassen, da die Entlassungen an demselben Ort und in demselben Zeitraum stattfanden und davon Arbeitskräfte mit vergleichbarem Hintergrund betroffen sind;
1. teilt die Auffassung der Kommission, dass die Bedingungen nach Artikel 4 Absatz 2 der EGF-Verordnung erfüllt sind und dass Estland somit Anspruch auf einen Finanzbeitrag in Höhe von 1 131 358 EUR hat – was 60 % der Gesamtkosten von 1 885 597 EUR entspricht –, der für personalisierte Dienstleistungen wie die Unterstützung für formale Bildungsgänge, Bezahlung der Ausbildungskosten, Erstattung der Ausbildungskosten für Arbeitgeber, Arbeitsmarktschulungen, Arbeitserfahrung, Schuldenberatung, psychologische Beratung, Studienbeihilfe für die Teilnahme an formalen Bildungsgängen sowie Stipendien und Reise- und Unterbringungszulagen für Estnisch-Sprachkurse vorgesehen ist;
2. begrüßt den ersten von Estland eingereichten Antrag auf einen EGF-Beitrag; vertritt die Auffassung, dass der EGF ein besonders wertvolles Instrument sein könnte, um Arbeitnehmern in kleinen und eher fragilen Volkswirtschaften der Union zu helfen;
3. stellt fest, dass die Kommission ihre Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Finanzbeitrags vorliegen, am 28. September 2016, d. h. innerhalb der dafür vorgesehenen Frist von zwölf Wochen nach Eingang des vollständigen Antrags der estnischen Behörden am 6. Juli 2016, abgeschlossen und dies dem Parlament noch am selben Tag mitgeteilt hat;
4. stellt fest, dass die Union ihre Position als weltweit führender Hersteller chemischer Erzeugnisse zunehmend an China verloren hat, das im selben Zeitraum seinen Marktanteil von 9 % auf knapp 35 % ausbauen konnte; weist darauf hin, dass die Produktion von Mineraldüngern sehr energieintensiv ist (die Gaskosten machen bis zu 80 % der gesamten Produktionskosten aus); stellt fest, dass die Mineraldüngerausfuhren Estlands aufgrund der sinkenden Ölpreise in den ersten beiden Monaten 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 25 % zurückgegangen sind; stellt fest, dass Estland eine hohe Konzentration von Industriezweigen verzeichnet, die von den Öl- und Gaspreisen abhängig sind;
5. weist darauf hin, dass davon auszugehen ist, dass die Entlassungen schwerwiegende Auswirkungen auf die lokale und regionale Wirtschaft und die Beschäftigung haben werden;
6. begrüßt den Beschluss Estlands, aufgrund der Tatsache, dass die Entlassungen dieselbe Region betreffen, zwei Wirtschaftszweige in einem regionalen Antrag zusammenzufassen, da dadurch der Verwaltungsaufwand begrenzt und gemeinsame Maßnahmen für die in beiden Branchen entlassenen Arbeitskräfte organisiert werden können;
7. begrüßt, dass eine Strategie für die regionale Entwicklung ausgearbeitet wurde, die in dem Aktionsplan für den Kreis Ida-Viru 2015–2020(4) beschrieben ist und in der Logistik und Tourismus als potenzielle Wachstumsbranchen identifiziert werden; nimmt zur Kenntnis, dass Infrastrukturprojekte eingeleitet wurden, um Wachstum zu fördern und die Voraussetzungen für eine strukturelle Diversifizierung der Wirtschaft zu schaffen;
8. stellt fest, dass sich die Tatsache, dass voraussichtlich relativ wenige der entlassenen Arbeitnehmer an den Maßnahmen teilnehmen werden (800 von 1 550), damit erklären lässt, dass vor allem die Arbeitnehmer angesprochen werden sollen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben werden, und dass einige Arbeitnehmer eigenen Angaben zufolge nicht für eine Teilnahme an den von Estland geplanten Maßnahmen zur Verfügung stehen; stellt fest, dass die Begünstigten zu einem relativ hohen Anteil keine Unionsbürger sind (63,3 %);
9. stellt fest, dass zu den aus dem EGF kofinanzierten personalisierten Dienstleistungen für die entlassenen Arbeitnehmer die Bezahlung formaler Bildungsgänge, die Erstattung der Ausbildungskosten für Arbeitgeber, Arbeitsmarktschulungen, Estnisch-Sprachkurse, praktische Arbeitserfahrung und Beratung zählen; stellt fest, dass Estland die angeforderten Angaben zu den Maßnahmen vorgelegt hat, die nach nationalem Recht oder aufgrund von Tarifvereinbarungen für die betroffenen Unternehmen zwingend vorgeschrieben sind, und bestätigt hat, dass der Finanzbeitrag aus dem EGF nicht an die Stelle solcher Maßnahmen tritt;
10. stellt fest, dass Estland ferner erklärt, dass das Paket koordinierter Maßnahmen mit der Umstellung auf eine ressourceneffiziente und nachhaltige Wirtschaft vereinbar ist und diese Umstellung deutlich erleichtern kann, womit Artikel 7 der EGF-Verordnung entsprochen wird;
11. begrüßt, dass auf nationaler und regionaler Ebene Konsultationen mit Interessenträgern, darunter Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Unternehmen und öffentliche Arbeitsvermittlungen, stattgefunden haben, bevor das koordinierte Paket personalisierter Dienstleistungen zusammengestellt wurde;
12. weist darauf hin, dass auf Maßnahmen nach Artikel 7 Absatz 4 der EGF-Verordnung – nämlich Vorbereitung, Verwaltung, Information und Werbung sowie Kontrolle und Berichterstattung – ein recht hoher Teil der Gesamtkosten entfällt (7,7 %);
13. weist darauf hin, dass es wichtig ist, die Beschäftigungsfähigkeit aller Arbeitnehmer durch eine adäquate Fortbildung und die Anerkennung der während der beruflichen Laufbahn eines Arbeitnehmers erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern; erwartet, dass die im koordinierten Paket angebotenen Fortbildungsmaßnahmen nicht nur auf den Bedarf der entlassenen Arbeitnehmer, sondern auch auf das tatsächliche wirtschaftliche Umfeld abgestimmt werden;
14. weist darauf hin, dass sich die einkommensunterstützenden Maßnahmen auf 27,25 % des Gesamtpakets personalisierter Maßnahmen belaufen und damit unter dem in der EGF-Verordnung festgelegten Höchstwert von 35 % liegen werden und dass die aktive Teilnahme der Begünstigten an den Aktivitäten zur Arbeitsuche bzw. Weiterbildung Vorbedingung für diese Maßnahmen ist;
15. weist darauf hin, dass die Kosten der technischen Hilfe einen relativ hohen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen; hält dies angesichts der Tatsache, dass es sich um den ersten EGF-Antrag von Estland handelt, für gerechtfertigt;
16. stellt fest, dass Estland bestätigt, dass für die förderfähigen Maßnahmen keine Unterstützung aus anderen Finanzinstrumenten der Union in Anspruch genommen wird; fordert die Kommission erneut auf, in ihren Jahresberichten eine vergleichende Bewertung dieser Daten vorzulegen, damit die geltenden Rechtsvorschriften voll und ganz eingehalten und keine Dienstleistungen von der Union doppelt finanziert werden;
17. stellt fest, dass diese Maßnahmen dem Bedarf entsprechen, der in Estlands Strategie für die regionale Entwicklung ermittelt wurde, und mit der Umstellung auf eine ressourceneffiziente und nachhaltige Wirtschaft vereinbar sind;
18. fordert die Kommission auf, die mit den EGF-Fällen zusammenhängenden Unterlagen offenzulegen;
19. billigt den dieser Entschließung beigefügten Beschluss;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss mit dem Präsidenten des Rates zu unterzeichnen und seine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veranlassen;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung einschließlich der Anlage dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (nach dem Antrag Estlands – EGF/2016/003 EE/petroleum and chemicals)
(Der Text dieser Anlage ist hier nicht wiedergegeben; er entspricht dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss (EU) 2016/2099.)