– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in China, insbesondere jene vom 4. Februar 2016 zu dem Fall der verschollenen Buchverleger aus Hongkong(1), vom 16. Dezember 2015 zu den Beziehungen zwischen der EU und China(2) und vom 13. März 2014 zu den Prioritäten der EU für die 25. Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen(3),
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 7. Januar 2016 zu dem Verschwinden von Personen, die dem Verlagshaus „Mighty Current“ in Hongkong nahestehen,
– unter Hinweis auf den 18. Jahresbericht der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes vom April 2016 zum Sonderverwaltungsgebiet Hongkong,
– unter Hinweis auf den 1995 eingeleiteten Dialog zwischen der EU und China über Menschenrechte und auf die 34. Gesprächsrunde am 30. November und 1. Dezember 2015 in Peking,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 16. Februar 2016,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Europäischen Kommission und des EAD an das Europäische Parlament und den Rat vom 22. Juni 2016 mit dem Titel „Elemente für eine neue China-Strategie der EU“,
– unter Hinweis auf das Grundgesetz (Basic Law) des Sonderverwaltungsgebiets Hongkong der Volksrepublik China, insbesondere auf die Artikel zu den individuellen Freiheitsrechten und zur Pressefreiheit, sowie auf die Hongkonger Grundrechtecharta (Hong Kong Bill of Rights Ordinance),
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Verabschiedung des neuen Gesetzes über die nationale Sicherheit durch den Ständigen Ausschuss des chinesischen Nationalen Volkskongresses am 1. Juli 2015, die Verabschiedung des neuen Gesetzes über die Regulierung ausländischer nichtstaatlicher Organisationen durch den chinesischen Nationalen Volkskongress am 28. April 2016 und die Verabschiedung des neuen Gesetzes über Cybersicherheit am 7. November 2016,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Gui Minhai, ein Buchverleger und Miteigentümer eines Verlagshauses und einer Buchhandlung, in der Peking-kritische literarische Werke verkauft wurden, am 17. Oktober 2015 in Pattaya (Thailand) spurlos verschwunden ist;
B. in der Erwägung, dass zwischen Oktober und Dezember 2015 vier weitere in Hongkong wohnhafte Mitarbeiter derselben Buchhandlung (Lui Bo, Zhang Zhiping, Lam Wing-Kee und Lee Bo) ebenfalls verschwunden sind;
C. in der Erwägung, dass Gui Minhai schwedischer Staatsbürger chinesischer Herkunft und somit Unionsbürger ist;
D. in der Erwägung, dass Gui Minhai bei einem Auftritt in einer chinesischen Fernsehsendung am 17. Januar 2016 offenbar erklärt hat, er sei freiwillig nach Festlandchina zurückgekehrt, um sich dort einem Gerichtsverfahren wegen eines angeblichen Vergehens im Zusammenhang mit einem Autounfall im Jahr 2003 zu stellen; in der Erwägung, dass schwerwiegende Gründe dafür sprechen, dass sein Fernsehauftritt inszeniert war und er dabei von einem Manuskript ablesen musste;
E. in der Erwägung, dass Gui Minhai seit über einem Jahr in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt ist und dass nicht bekannt ist, wo er sich derzeit befindet, in der Erwägung, dass Gui Minhai der einzige Buchhändler der Gruppe ist, der immer noch in Haft ist;
F. in der Erwägung, dass die schwedische Regierung die chinesischen Staatsorgane um uneingeschränkte Unterstützung bei der Wahrung der Rechte ihrer Staatsbürger sowie der anderen „Verschwundenen“ ersucht hat; in der Erwägung, dass weder Gui Minhais Angehörige noch die schwedische Regierung darüber informiert wurden, was ihm offiziell zur Last gelegt wird oder wo er offiziell inhaftiert ist;
G. in der Erwägung, dass Lui Bo und Zhang Zhiping am 4. März bzw. 8. März 2016 aus ihrer Haft in Festlandchina entlassen wurden und nach Hongkong zurückkehren durften; in der Erwägung, dass sie die Polizei gebeten haben, ihre Fälle nicht weiterzuverfolgen, und noch am Tag ihrer Ankunft erneut nach Festlandchina zurückgekehrt sind; in der Erwägung, dass Lee Bo am 24. März 2016 nach Hongkong zurückgekehrt ist und bestreitet, entführt worden zu sein; in der Erwägung, dass Lam Wing-Kee am 16. Juni 2016 nach Hongkong zurückgekehrt ist;
H. in der Erwägung, dass Lam Wing-Kee, einer der Buchverleger, im Juni 2016 zwecks Abschluss der Untersuchungen über sein Verschwinden nach Hongkong zurückgekehrt ist, jedoch anstatt anschließend nach Festlandchina zurückzukehren den Medien mitgeteilt hat, er sei durch chinesische Sicherheitsdienste entführt, in Isolationshaft gehalten und gezwungen worden, vor Fernsehkameras Verbrechen zuzugeben, die er nicht begangen hatte;
I. in der Erwägung, dass in Hongkong die Rede-, Meinungs- und Publikationsfreiheit geachtet und geschützt werden; in der Erwägung, dass die Veröffentlichung von Inhalten, die sich kritisch mit der chinesischen Führung auseinandersetzen, in Hongkong legal ist, auch wenn sie in Festlandchina verboten sind; in der Erwägung, dass Hongkong gemäß dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ Autonomie gegenüber Peking genießt, was die Freiheitsrechte anbelangt, wie sie in Artikel 27 des Grundgesetzes von Hongkong verankert sind;
J. in der Erwägung, dass die Kommission und der EAD den Fall der fünf Buchverleger im Jahresbericht 2015 zum Sonderverwaltungsgebiet Hongkong als größte Herausforderung für das Grundgesetz von Hongkong und den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ seit der Rückkehr Hongkongs zur Volksrepublik China im Jahr 1997 bezeichnet haben; in der Erwägung, dass nur Strafverfolgungsbehörden in Hongkong rechtlich befugt sind, das Gesetz in Hongkong durchzusetzen;
K. in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter seine ernste Sorge über übereinstimmende Berichte aus unterschiedlichen Quellen zum Ausdruck gebracht hat, wonach es nach wie vor die Praxis der gesetzwidrigen Inhaftierung an unbekannten und inoffiziellen Orten, den sogenannten „schwarzen Gefängnissen“, gibt; in der Erwägung, dass der Ausschuss außerdem seine ernste Sorge über übereinstimmende Berichte zum Ausdruck gebracht hat, die darauf hindeuten, dass Folter und Misshandlung immer noch gängige Praxis im Strafrechtsystem sind, das allzu häufig auf Geständnisse als Grundlage für Schuldsprüche zurückgreift;
L. in der Erwägung, dass China den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat; in der Erwägung, dass China das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen weder unterzeichnet noch ratifiziert hat;
M. in der Erwägung, dass auf dem 17. Gipfeltreffen EU-China vom 29. Juni 2015 die bilateralen Beziehungen auf eine neue Stufe gehoben wurden und dass sich die EU in ihrem strategischen Rahmen für Menschenrechte und Demokratie dazu verpflichtet hat, die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Beziehungen mit allen Drittstaaten einschließlich ihrer strategischen Partner zu stellen; in der Erwägung, dass es in der Abschlusserklärung des 18. Gipfeltreffens EU-China vom 12./13. Juli 2016 hieß, es werde noch vor Ende 2016 eine weitere Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China geben;
1. bringt seine ernste Sorge darüber zum Ausdruck, dass es keine Informationen über Gui Minhais derzeitigen Aufenthaltsort gibt; fordert die sofortige Bekanntgabe detaillierter Informationen über seinen derzeitigen Aufenthaltsort, und fordert, dass er umgehend und unversehrt freigelassen wird und sich öffentlich äußern darf;
2. stellt mit Besorgnis fest, dass die festlandchinesischen Strafverfolgungsbehörden angeblich in Hongkong tätig sind; erinnert die chinesischen Staatsorgane daran, dass alle Maßnahmen ihrer Strafverfolgungsbehörden in Hongkong nicht mit dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ vereinbar wären;
3. legt den zuständigen staatlichen Stellen in Thailand, China und Hongkong nahe, die Umstände des Verschwindens im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen aufzuklären;
4. verurteilt aufs Schärfste alle Fälle von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere willkürliche Festnahmen, illegale Auslieferungen, erzwungene Geständnisse, geheime Inhaftierung, Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und Verstöße gegen die Publikations- und Meinungsfreiheit; weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit von Buchverlegern, Journalisten und Bloggern gewährleistet sein muss; fordert ein sofortiges Ende der Menschenrechtsverletzungen und der politischen Einschüchterung;
5. verurteilt die Beschränkungen und die Kriminalisierung der Meinungsfreiheit und beklagt, dass diese immer mehr beschnitten wird; fordert die chinesische Regierung auf, den freien Informationsfluss nicht länger unter anderem durch Beschränkungen der Internetnutzung zu behindern;
6. äußert seine Besorgnis über das am 7. November 2016 verabschiedete neue Gesetz über Cybersicherheit, mit dem die Zensur und Überwachung des Internets verschärft und institutionalisiert würden, sowie über das verabschiedete Gesetz über nationale Sicherheit und den Entwurf eines Gesetzes zur Terrorismusbekämpfung; weist darauf hin, dass diese Gesetze nach Befürchtungen von reformorientierten chinesischen Juristen und Personen, die sich für die Bürgerrechte einsetzen, die freie Meinungsäußerung weiter einschränken und der Selbstzensur weiter Vorschub leisten werden;
7. fordert China auf, friedvolle Regierungskritiker, Menschen, die sich aktiv gegen Korruption einsetzen, sowie Rechtsanwälte und Journalisten freizulassen bzw. sämtliche Anklagepunkte gegen sie fallenzulassen;
8. ist besorgt über das bevorstehende Inkrafttreten des neuen Gesetzes über die Regulierung ausländischer nichtstaatlicher Organisationen am 1. Januar 2017, da man damit die Aktivitäten der chinesischen Zivilgesellschaft drastisch einengen und die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit in China erheblich einschränken würde, unter anderem, indem ausländischen nichtstaatlichen Organisationen, die nicht beim chinesischen Ministerium für öffentliche Sicherheit registriert sind, verboten und den Abteilungen für öffentliche Sicherheit in den Provinzen untersagt wird, chinesische Personen oder Organisationen finanziell zu unterstützen, und chinesischen Gruppen untersagt wird, im Namen nicht registrierter ausländischer nichtstaatlicher Organisationen, wozu auch Organisationen mit Sitz in Honkong oder Macau gehören, oder mit Genehmigung dieser Organisationen „tätig zu werden“; fordert die chinesischen Staatsorgane auf, für ein sicheres und faires Umfeld und transparente Prozesse zu sorgen, die es nichtstaatlichen Organisationen ermöglichen, in China frei und effektiv tätig zu sein;
9. unterstützt das Engagement der Europäischen Union zur Stärkung der Demokratie, wozu die Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz, die Grundrechte und Grundfreiheiten, Transparenz sowie Informations- und Meinungsfreiheit in Hongkong gehören;
10. fordert China auf, unverzüglich den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren und das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen zu unterzeichnen und zu ratifizieren;
11. hebt das Engagement der Europäischen Union zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, der Unabhängigkeit der Justiz und der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere der Transparenz sowie der Redefreiheit und der freien Meinungsäußerung, in all den Ländern hervor, mit denen sie bilaterale Beziehungen unterhält; vertritt die Ansicht, dass ein sinnvoller und offener Menschenrechtsdialog auf der Grundlage gegenseitiger Achtung verwirklicht werden muss; vertritt die Ansicht, dass starke und dauerhafte Beziehungen zwischen der EU und China eine echte Plattform für einen reifen, sinnvollen und offenen Menschenrechtsdialog auf der Grundlage gegenseitiger Achtung bieten müssen;
12. verweist mit Nachdruck darauf, dass Handels- und Wirtschaftsbeziehungen für die Förderung unseres Wohlstands wichtig sind; verweist darauf, dass sich diese Beziehungen nur in einem Klima guten Glaubens und gegenseitigen Vertrauens weiterentwickeln können; betont, dass die Achtung der Menschenrechte und die Transparenz Teil moderner Handelsabkommen sind;
13. legt den zuständigen EU-Organen nahe, rasch zu handeln und den Fall von Gui Minhai auf die Tagesordnung des nächsten Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China zu setzen;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China und dem Verwaltungschef und der Gesetzgebenden Versammlung des Sonderverwaltungsgebiets Hongkong zu übermitteln.
Lage der Guarani-Kaiowá im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zur Lage der Guarani-Kaiowá im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul (2016/2991(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Notwendigkeit, die Rechte der indigenen Völker Brasiliens zu schützen, insbesondere seine Entschließung zu der Verletzung der Verfassungsrechte der Eingeborenenvölker in Brasilien vom 15. Februar 1996(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Oktober 1995 zur Lage der Eingeborenenvölker Brasiliens(2),
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP), wie sie am 13. September 2007 von der Generalversammlung angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,
– unter Hinweis auf die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung vom September 2015,
– unter Hinweis auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Unternehmen und Menschenrechte sowie die Initiative „Global Compact“ der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (Übereinkommen 169), wie es am 27. Juni 1989 verabschiedet und von Brasilien unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, vom 9. August 2016 anlässlich des Internationalen Tags der indigenen Bevölkerungen der Welt,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen zu Menschenrechtsverteidigern aus dem Jahre 1998, die Leitlinien der Europäischen Union für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern und das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR),
– unter Hinweis auf den Bericht der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli Corpuz, über ihre Reise nach Brasilien vom 7. bis 17. März 2016 (A/HRC/33/42/Add.1),
– unter Hinweis auf den Bericht des kirchlichen Indigenen-Rats (Conselho Indigenista Missionário – CIMI) von 2016,
– unter Hinweis auf die Erklärungen, die der EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte während des Menschenrechtsdialogs EU-Brasilien abgegeben hat,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass in der derzeitigen brasilianischen Verfassung von 1988, die mit indigenen Völkern ausgehandelt wurde, das Recht solcher Völker anerkannt wird, ihre kulturellen Traditionen zu wahren, und ihnen ihr ureigenes Recht auf die Gebiete ihrer Vorfahren zugestanden wird; in der Erwägung, dass es die Pflicht des Staates ist, dieses Recht zu regeln und zu schützen;
B. in der Erwägung, dass nach Angaben der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker in den letzten acht Jahren ein beunruhigender Mangel an Fortschritt bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vereinten Nationen und der Lösung seit langem bestehender Probleme von entscheidender Bedeutung für indigene Völker in Brasilien, wie etwa der Homologisierung ihrer Gebiete, sowie ein Besorgnis erregender Rückgang beim Schutz der Rechte indigener Völker berichtet wurde;
C. in der Erwägung, dass nach offiziellen Daten des Sondersekretariats für die Gesundheit indigener Völker (SESAI) und des Gesundheitsdistrikts für indigene Völker von Mato Grosso do Sul (DSEI-MS) zu Morden an indigenen Guarani-Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul in den letzten 14 Jahren mindestens 400 indigene Menschen und 14 indigene Führer bei ihrem Versuch, das Land ihrer Vorfahren bei friedlichen Demonstrationen wieder in Besitz zu nehmen, ermordet wurden, unter ihnen Simião Vilharva und Clodiodi de Souza;
D. in der Erwägung, dass nach der Nationalen Untersuchung der Gesundheit und Ernährung indigener Völker in Brasilien, die in den Jahren 2008 und 2009 durchgeführt wurde, die Rate chronischer Unterernährung unter indigenen Kindern 26 % im Vergleich zum Durchschnitt von 5,9 % unter nicht indigenen Kindern betrug; in der Erwägung, dass nach Forschungsergebnissen von FIAN Brazil und des kirchlichen Indigenen-Rats (CIMI) 42 % der Menschen in Guarani- und Kaiowá-Gemeinwesen unter chronischer Unterernährung leiden;
E. in der Erwägung, dass die Tatsache, dass Gesundheitsversorgung, Bildung und soziale Dienstleistungen nur unzureichend zur Verfügung gestellt werden und dass die Flächen der indigenen Völker nicht abgegrenzt sind, Auswirkungen auf die Selbstmordrate bei Jugendlichen und die Kindersterblichkeit hat; in der Erwägung, dass in den letzten 15 Jahren mindestens 750 Personen, zumeist junge Leute, Selbstmord begangen haben und mehr als 600 Kinder unter fünf Jahren gestorben sind, die meisten an vermeidbaren, leicht zu behandelnden Krankheiten;
F. in der Erwägung, dass 98,33 % der indigenen Gebiete in Brasilien auf das Amazonas-Gebiet entfallen und dass diese Bevölkerungsgruppen dazu beitragen, die biologische Vielfalt in diesem Raum zu erhalten, und damit den Klimawandel abwenden helfen; in der Erwägung, dass nach Aussagen der Studie mit dem Titel „Toward a Global Baseline of Carbon Storage in Collective Lands: An Updated Analysis of Indigenous Peoples’ and Local Communities’ Contributions to Climate Change Mitigation“ (Auf dem Weg zu einer weltweiten Referenz für die Kohlendioxidlagerung auf kollektivem Boden: Eine aktualisierte Analyse indigener Völker), die die „Rights and Resources Initiative“ (Initiative Rechte und Ressourcen) des „Woods Hole Research Center and World Resources Institute“ am 1. November 2016 veröffentlicht hat, die Ausweitung der Rechte an indigenem Land erheblich dazu beitragen kann, Wälder, die biologische Vielfalt und Ökosysteme zu schützen;
G. in der Erwägung, dass die Bundesstaatsanwaltschaft (Ministério Público Federal) und die nationale Stiftung für die Unterstützung indigener Völker (FUNAI) 2007 die Vereinbarung über Verhaltensanpassungen unterzeichnet haben, aufgrund deren bis 2009 36 Gebiete der Gemeinschaft der Guarani-Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul ermittelt und ihre Grenzen festgelegt werden sollen;
H. in der Erwägung, dass derzeit mehrere Initiativen zur Reform, Auslegung und Anwendung der brasilianischen Bundesverfassung im Gang sind und dass die möglichen Änderungen die in der Verfassung anerkannten Rechte indigener Völker infrage stellen könnten;
1. würdigt die seit langem bestehende Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Brasilien, die sich auf gegenseitiges Vertrauen und Achtung der demokratischen Grundsätze und Werte stützt; spricht der brasilianischen Regierung Lob für die Fortschritte in Bezug auf Angelegenheiten aus wie die konstruktive Rolle der Stiftung FUNAI, eine Reihe von Entscheidungen des obersten Bundesgerichts, durch die Gebietsräumungen verhindert wurden, mehrere Bemühungen zur Einführung differenzierter Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung, die beträchtlichen Erfolge bei der Abgrenzung von Flächen im Amazonas-Gebiet, die Veranstaltung der ersten nationalen Konferenz über die Politik für indigene Völker und die Einsetzung des Nationalen Rates für die Politik zugunsten indigener Völker;
2. verurteilt mit Nachdruck die Gewalthandlungen gegen die indigenen Gemeinschaften Brasiliens; beklagt die Armut und die schlechte Menschenrechtslage der Bevölkerungsgruppe Guarani-Kaiowá in Mato Grosso do Sul;
3. fordert die brasilianischen Staatsorgane auf, unverzüglich tätig zu werden, um für die Sicherheit indigener Völker und dafür zu sorgen, dass unabhängige Ermittlungen über die mörderischen Angriffe und Übergriffe gegen indigene Menschen – die versucht haben, ihre Menschenrechte und Gebietsrechte zu verteidigen – durchgeführt werden, damit die Täter gerichtlich belangt werden können;
4. weist die brasilianischen Staatsorgane auf ihre Verantwortung dafür hin, die Bestimmungen der brasilianischen Verfassung zum Schutz der Individualrechte und der Rechte von Minderheiten und schutzlosen ethnischen Gruppen zu wahren und gegenüber der Bevölkerungsgruppe Guarani-Kaiowá voll und ganz anzuwenden;
5. weist die brasilianischen Staatsorgane auf ihre Pflicht hin, die internationalen Menschenrechtsnormen in Bezug auf indigene Völker einzuhalten, wie es in der brasilianischen Bundesverfassung und dem Gesetz 6.001/73 über den Status der indianischen Bevölkerung vorgesehen ist;
6. würdigt die Beiträge des brasilianischen Bundesgerichtshofs zum fortgesetzten Schutz der angestammten und verfassungsmäßigen Rechte indigener Völker und fordert den Nationalrat auf, Verfahren und Maßnahmen zu konzipieren, die die Bedürfnisse schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen besser zur Geltung bringen;
7. fordert die brasilianischen Staatsorgane auf, uneingeschränkt den Empfehlungen nachzukommen, die die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker im Anschluss an ihre Reise vom März 2016 nach Brasilien abgegeben hat;
8. fordert die brasilianische Staatsorgane auf, einen Arbeitsplan auszuarbeiten, in dem die Vollendung der Abgrenzung aller von den Guarani-Kaiowá beanspruchter Gebiete als vorrangige Aufgabe vorgesehen ist, und die technischen Bedingungen für die Durchführung zu schaffen, und zwar vor dem Hintergrund, dass viele Tötungen durch Repressalien im Zusammenhang mit der Wiederbesetzung des Landes ihrer Vorfahren stehen;
9. empfiehlt, dass die brasilianischen Staatsorgane ausreichende Haushaltsmittel für die Tätigkeit der Stiftung FUNAI bereitstellen und diese Stiftung durch die Ressourcen unterstützen, die nötig sind, damit die wesentlichen von den indigenen Völker gebrauchten Dienstleistungen erbracht werden können;
10. bringt seine Bedenken gegen den Verfassungsänderungsvorschlag 215/2000 (PEC 215) zum Ausdruck, gegen den die indigenen Völker Brasiliens erbitterten Widerstand leisten, weil im Fall seiner Annahme die Landrechte dieser Völker dadurch in Gefahr geraten, dass es möglich wird, dass gegen die Indianer gerichtete Interessen, die mit dem agroindustriellen Sektor sowie der Holz-, Bergbau- und Energiewirtschaft in Verbindung stehen, verhindern können, dass neue indigene Gebiete anerkannt werden; ist fest davon überzeugt, dass Unternehmen für alle von ihnen verursachten Umweltschäden und alle von ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden sollten und dass die EU und die Mitgliedstaaten dieses Grundprinzip achten sollten, indem sie eine verbindliche Klausel in alle handelspolitischen Instrumente aufnehmen;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der Präsidentin und der Regierung Brasiliens, dem Präsidenten des brasilianischen Parlaments, den Kopräsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und dem Ständigen Forum der VN für indigene Fragen (UNPFII) zu übermitteln.
Der Fall des gewaltlosen politischen Gefangenen Ildar Dadin in Russland
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu dem Fall des in Russland aus Gewissensgründen inhaftierten Ildar Dadin (2016/2992(RSP))
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Berichte über sowie Empfehlungen und Entschließungen zu Russland, insbesondere auf seine Empfehlung an den Rat vom 23. Oktober 2012 zur Einführung gemeinsamer Visabeschränkungen gegen Amtsträger aus Russland, die für den Tod von Sergei Magnitski mitverantwortlich sind(1), seine Entschließungen vom 13. Juni 2013 zur Rechtsstaatlichkeit in Russland(2) und vom 13. März 2014 zu Russland und zur Verurteilung von Demonstranten, die an den Vorfällen auf dem Bolotnaja-Platz beteiligt waren(3), auf seine Empfehlung an den Rat vom 2. April 2014 zur Verhängung eines Einreiseverbots gegen Personen aus Russland, die für den Tod von Sergei Magnitski mitverantwortlich sind(4) sowie auf seine Entschließungen vom 23. Oktober 2014 zur Schließung der nichtstaatlichen Organisation „Memorial“ (Träger des Sacharow-Preises 2009) in Russland(5), vom 12. März 2015 zu der Ermordung des russischen Oppositionsführers Boris Nemzow und dem Zustand der Demokratie in Russland(6), vom 10. Juni 2015 zum Stand der Beziehungen zwischen der EU und Russland(7) und vom 10. September 2015 zu Russland, insbesondere den Fällen Eston Kohver, Oleh Senzow und Olexander Koltschenko(8),
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des Gipfeltreffens EU-Russland vom 3. und 4. Juni 2013 und die Ergebnisse der Menschenrechtskonsultationen vom 19. Mai 2013,
– unter Hinweis auf die russische Verfassung, insbesondere auf Artikel 29, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt wird, und Artikel 31, der das Recht auf friedliche Versammlung umfasst,
– gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der russische Oppositionelle Ildar Dadin Anfang Dezember 2015 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil er mehrere friedliche Antikriegsdemonstrationen und ‑versammlungen veranstaltet hatte, und dass er damit der erste Angeklagte ist, der in Russland aufgrund des 2014 erlassenen verschärften Gesetzes über öffentliche Versammlungen auch verurteilt wurde;
B. in der Erwägung, dass Ildar Dadin zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, was über die von der Staatsanwaltschaft geforderte Haftstrafe von zwei Jahren hinausgeht; in der Erwägung, dass die Strafe in der Berufungsinstanz auf zweieinhalb Jahre reduziert wurde;
C. in der Erwägung, dass Ildar Dadin in der Haft, die er derzeit in der den russischen Staatsorganen unterstehenden Strafkolonie Nummer 7 in Karelien verbüßt, Berichten zufolge immer wieder gefoltert, verprügelt, menschenunwürdig behandelt und mit dem Tode bedroht worden ist;
D. in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dem Antrag des Anwalts von Ildar Dadin stattgab und die Russische Föderation dazu verpflichtete, wirkliche Ermittlungen durchzuführen, ihn in eine andere Haftanstalt zu verlegen und dafür zu sorgen, dass er mit seinem Rechtsbeistand in Verbindung stehen kann;
E. in der Erwägung, dass Ildar Dadin kein Einzelfall ist und dass in glaubwürdigen Menschenrechtsberichten darauf hingewiesen wird, dass Gefangene im russischen Strafvollzug systematisch gefoltert, misshandelt und menschenunwürdig behandelt werden; in der Erwägung, dass diejenigen, die die Insassen von Gefängnissen, Strafvollzugs- oder Haftanstalten foltern und missbrauchen in vielen Fällen ebenso ungestraft bleiben wie die dafür Verantwortlichen;
F. in der Erwägung, dass Thorbjørn Jagland, der Generalsekretär des Europarats, am 3. November 2016 gegenüber Alexander Konowalow, dem Justizminister der Russischen Föderation, seine Besorgnis darüber zum Ausdruck brachte, dass Ildar Dadin mutmaßlich misshandelt wurde;
G. in der Erwägung, dass die Zahl der politischen Gefangenen in Russland in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen ist und nach Angaben des Menschenrechtszentrums Memorial mittlerweile einen Stand von 102 Gefangenen erreicht hat, zu denen Alexander Fjodorowitsch Kostenko, Iwan Nepomnjaschtschich, Dmitri Butschenkow, Wladimir Ionow und Maxim Panfilow zählen; in der Erwägung, dass Russland 2015 in 109 Fällen und mithin weltweit am häufigsten nachweislich gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention verstieß;
H. in der Erwägung, dass es Aufzeichnungen zufolge 2015 in Polizeigewahrsam zu 197 Todesfällen kam, davon 109 aufgrund angeblich plötzlich verschlechterten Gesundheitszustands, und zu 62 Selbstmorden, was nahelegt, dass im Strafvollzug in der Russischen Föderation Inhaftierte in großer Zahl missbraucht, gefoltert und misshandelt werden;
I. in der Erwägung, dass ein Moskauer Gericht am 26. Oktober 2016 ein Bußgeld in Höhe von 300 000 Rubel gegen das Analysezentrum Juri Lewada (Lewada-Zentrum), eines der drei größten Meinungsforschungsinstitute in Russland, verhängte, weil es sich nicht als „ausländischer Agent“ registriert hatte;
J. in der Erwägung, dass Präsident Putin unlängst einen Erlass unterzeichnete, wonach Russland künftig vom Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) zurücktritt; in der Erwägung, dass der russische Außenminister den IStGH als ineffizient und einseitig bezeichnete und angesichts der Untersuchung der Ereignisse in Südossetien vom August 2008 Bedenken anmeldete; in der Erwägung, dass die Ankläger des IStGH auf der Website des Strafgerichtshofs einen Bericht veröffentlichten, wonach die Besetzung der Krim durch Russland mit der Schikanierung und Einschüchterung der Krimtataren einhergehe;
K. in der Erwägung, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Oktober 2016 beschloss, Russland die Wiederwahl zum Mitglied zu verwehren, nachdem mehr als 80 Menschenrechts- und internationale Hilfsorganisationen ein Schreiben unterzeichnet hatten, in dem die Mitglieder der Vereinten Nationen eindringlich aufgefordert werden, die Wahl Russlands in das Gremium zu verhindern;
1. fordert, dass Ildar Dadin und alle anderen, die aufgrund falscher oder unbegründeter Anschuldigungen oder wegen der Inanspruchnahme ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind, unverzüglich und ohne Bedingungen freigelassen werden;
2. ist zutiefst beunruhigt darüber, dass das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation um einen Artikel ergänzt wurde, wonach öffentliche Versammlungen weiter eingeschränkt werden und als Straftaten eingestuft werden können;
3. fordert die russischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die Vorwürfe Ildar Dadins, er sei gefoltert und misshandelt worden, gründlich und transparent zu untersuchen und dabei unabhängige Sachverständige für Menschenrechte hinzuzuziehen; fordert eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe gegen Staatsbedienstete in russischen Haftanstalten, Arbeitslagern und Gefängnissen, sie hätten Häftlinge gefoltert, missbraucht sowie erniedrigend und menschenunwürdig behandelt;
4. fordert die Russische Föderation in diesem Zusammenhang auf, ihr Strafvollzugssystem gründlich zu überprüfen und auf dieser Grundlage tiefgreifend zu reformieren sowie die in den einschlägigen internationalen Übereinkommen vereinbarten Normen uneingeschränkt zu erfüllen;
5. bekundet seine Solidarität mit all jenen, die in Russland und den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine aufgrund falscher oder unbegründeter Anschuldigungen inhaftiert sind, z. B. mit Krimtataren, und fordert, dass sie unverzüglich freigelassen werden;
6. weist Russland erneut darauf hin, dass es seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen als Mitglied des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa uneingeschränkt nachkommen sowie die grundlegenden Menschenrechte und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip, die in verschiedenen internationalen Verträgen und Überkommen, die Russland unterzeichnet hat und deren Vertragspartei es ist, verankert sind, in vollem Umfang einhalten muss; betont, dass die Russische Föderation nur dann als zuverlässiger Partner bei der internationalen Zusammenarbeit angesehen werden kann, wenn sie ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält; ist in diesem Zusammenhang besorgt über den Präsidentenerlass, wonach Russland vom Römischen Statut des IStGH zurücktritt;
7. fordert die russische Regierung auf, die konkreten Sofortmaßnahmen zu ergreifen, die sich aus den Urteilen des EGMR gegen Russland ergeben; bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Russische Föderation in einem neuen, im Dezember 2015 erlassenen Rechtsakt ihr Verfassungsgericht ermächtigte, Urteile des EGMR aufzuheben;
8. fordert den Rat mit Nachdruck auf, eine einheitliche Politik gegenüber Russland zu verfolgen, in deren Rahmen sich die 28 Mitgliedstaaten und die Organe der EU verpflichten, eine deutliche gemeinsame Position dazu zu vertreten, welchen Stellenwert die Menschenrechte und die Achtung des Völkerrechts für die Beziehungen zwischen der EU und Russland haben; fordert die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, gemeinsam mit dem EAD und der Kommission eine umfassende und konkrete Strategie für die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Russland auszuarbeiten und dabei auf das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte zurückzugreifen;
9. fordert den Rat auf, eine Reihe gezielter Sanktionen zu erlassen, um die für die Misshandlung Ildar Dadins und anderer Menschenrechtsverfechter Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem EAD, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat und der Kommission sowie dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über eine weitere Makrofinanzhilfe für das Haschemitische Königreich Jordanien (COM(2016)0431 – C8-0242/2016 – 2016/0197(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2016)0431),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 212 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C8‑0242/2016),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments und des Rates, die gleichzeitig mit dem Beschluss Nr. 778/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 über eine weitere Makrofinanzhilfe für Georgien(1) angenommen wurde,
– unter Hinweis auf das Schreiben des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten sowie auf das Schreiben des Haushaltsausschusses,
– unter Hinweis auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 4. November 2016 gemachte Zusage, den Standpunkt des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für internationalen Handel (A8‑0296/2016),
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. billigt die dieser Entschließung beigefügte gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission;
3. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;
4. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 24. November 2016 im Hinblick auf den Erlass des Beschlusses (EU) 2016/... des Europäischen Parlaments und des Rates über eine weitere Makrofinanzhilfe für das Haschemitische Königreich Jordanien
(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Beschluss (EU) 2016/2371.)
Anhang zur legislativen Entschließung
Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission
Angesichts der finanziellen Herausforderungen und der außergewöhnlichen Umstände, mit denen Jordanien durch die Aufnahme von über 1,3 Millionen Syrern zu kämpfen hat, wird die Kommission 2017 gegebenenfalls einen neuen Vorschlag zur Ausweitung und Erhöhung der Makrofinanzhilfe (MFA) für Jordanien nach dem erfolgreichen Abschluss des zweiten MFA machen, vorausgesetzt, die üblichen Voraussetzungen für diese Art von Unterstützung, einschließlich einer aktualisierten Bewertung des externen Finanzierungsbedarfs Jordaniens durch die Kommission, werden erfüllt. Diese für Jordanien sehr wichtige Unterstützung würde dem Land helfen, die makroökonomische Stabilität sowie die Entwicklungserfolge aufrechtzuerhalten und die Reformagenda des Landes fortzusetzen.
Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (Neufassung) (COM(2014)0167 – C7-0112/2014 – 2014/0091(COD))
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2014)0167),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und die Artikel 53, 62 und 114 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C7-0112/2014),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die von der niederländischen Zweiten Kammer gemäß dem Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vorgelegte begründete Stellungnahme, in der geltend gemacht wird, dass der Entwurf des Gesetzgebungsakts nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 10. Juli 2014(1),
– gestützt auf die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 28. November 2001 über die systematischere Neufassung von Rechtsakten(2),
– unter Hinweis auf das Schreiben des Rechtsausschusses vom 4. September 2014 an den Ausschuss für Wirtschaft und Währung gemäß Artikel 104 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die mit Schreiben vom 30. Juni 2016 vom Vertreter des Rates gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,
– gestützt auf die Artikel 104 und 59 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie die Stellungnahmen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A8-0011/2016),
A. in der Erwägung, dass der Vorschlag der Kommission nach Auffassung der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission keine anderen inhaltlichen Änderungen enthält als diejenigen, die im Vorschlag als solche ausgewiesen sind, und dass sich der Vorschlag in Bezug auf die Kodifizierung der unveränderten Bestimmungen der bisherigen Rechtsakte mit jenen Änderungen auf eine reine Kodifizierung der bestehenden Rechtstexte ohne inhaltliche Änderungen beschränkt;
1. legt unter Berücksichtigung der Empfehlungen der beratenden Gruppe der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie beabsichtigt, ihren Vorschlag entscheidend zu ändern oder durch einen anderen Text zu ersetzen;
3. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 24. November 2016 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie (EU) 2016/... des Europäischen Parlaments und des Rates über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) (Neufassung)
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Syrien, einschließlich seine Entschließung vom 6. Oktober 2016(1),
– unter Hinweis auf die in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsätze,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Da’esh und zur Al-Nusrah-Front sowie die Resolutionen zum Konflikt in der Arabischen Republik Syrien, insbesondere die Resolutionen 2118 (2013), 2139 (2014), 2165 (2014), 2191 (2014), 2199 (2015), 2254 (2015), 2258 (2015) und 2268 (2016),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Oktober 2016 und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19. Februar und 20./21. Oktober 2016,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und des für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement zuständigen Kommissionsmitglieds, Christos Stylianides, vom 16. September 2016 zu Syrien, vom 20. September 2016 zu den Luftangriffen auf den von den Vereinten Nationen und dem syrischen Roten Halbmond organisierten Konvoi mit humanitärer Hilfe, vom 24. September 2016 zur Lage in Aleppo, vom 2. Oktober 2016 zu der Initiative für humanitäre Nothilfe für Aleppo und vom 25. Oktober 2016 zur Tatsache, dass die humanitäre Hilfe dringend Aleppo erreichen muss,
– unter Hinweis auf die Berichte der durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzten unabhängigen internationalen Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien und die Resolutionen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 27. September und 21. Oktober 2016 zur Arabischen Republik Syrien,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union, Federica Mogherini, vom 17. November 2016 zu Russland und dem Internationalen Strafgerichtshof,
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Konflikt, die extreme Gewalt und die Brutalität in Syrien in den vergangenen sechs Jahren dazu geführt haben, dass mehr als 400 000 Menschen ums Leben kamen und mehr als 13 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen; in der Erwägung, dass sich die Zahl der Binnenvertriebenen in Syrien 2016 voraussichtlich auf 8,7 Millionen belaufen wird und 4,8 Millionen Menschen aus dem Land geflohen sind;
B. in der Erwägung, dass die Kämpfe und Bombenangriffe in Syrien unvermindert fortgesetzt werden und sich die humanitäre Lage weiter verschlechtert hat; in der Erwägung, dass Aleppo immer noch das Zentrum des syrischen Konflikts ist, sich die Kämpfe aber auch in Hama, Idlib, dem Nordwesten Syriens und den Außenbezirken von Damaskus und Deir ez-Zor fortsetzen; in der Erwägung, dass über vier Millionen Menschen in belagerten Städten und schwer erreichbaren Gebieten leben, in denen die grundlegende Wasser- und Stromversorgung zerstört wurde; in der Erwägung, dass die Menschen im östlichen Teil Aleppos und in anderen belagerten Städten, wie der von Rebellen besetzten Stadt Zabadani und den von der Regierung kontrollierten Dörfern Kefraya und Foua in der Provinz Idlib, trotz der vom Assad-Regime und von Russland ausgerufenen einseitigen Waffenruhen aus humanitären Gründen unter einem erheblichen Mangel an Grundnahrungsmitteln und Arzneimitteln leiden; in der Erwägung, dass seit Juli 2016 keine humanitäre Hilfe in die belagerten Teile im östlichen Aleppo gelangt ist;
C. in der Erwägung, dass in Aleppo und in ganz Syrien eine ständige Gesundheitskrise herrscht; in der Erwägung, dass Angaben von UNICEF zufolge mehr als zwei Drittel der in der Region lebenden Syrer keinen regelmäßigen Zugang zu Wasser haben und fast 6 Millionen Kinder dringend lebensrettende Hilfe brauchen;
D. in der Erwägung, dass alle Parteien des Konflikts, aber insbesondere das von Russland und dem Iran unterstützte Assad-Regime in starkem Maße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verstoßen haben, unter anderem durch den rücksichtslosen Einsatz von Waffen, Brandbomben, Fassbomben und bunkerbrechenden Bomben in zivilen Gebieten sowie von Stoffen, die in dem Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen als chemische Waffen aufgeführt sind; in der Erwägung, dass das Vorsorgeprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht eingehalten wurden; in der Erwägung, dass bewusst zivile Gebiete, Schulen, Krankenhäuser, humanitäre Helfer und Flüchtlingslager angegriffen wurden; in der Erwägung, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht ungestraft bleiben dürfen;
E. in der Erwägung, dass die von den Vereinten Nationen eingesetzte unabhängige internationale Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien und einige Menschenrechtsgruppen Beweise dafür gesammelt haben, dass mindestens 200 000 Personen von der syrischen Regierung unter unmenschlichen Haftbedingungen festgehalten werden; in der Erwägung, dass tausende von der syrischen Regierung inhaftierte Syrer in den letzten Jahren an den Folgen von Folterungen und Krankheiten gestorben sind; in der Erwägung, dass Verschleppungen und schreckliche Misshandlungen von Gefangenen weitverbreitet sind; in der Erwägung, dass die syrischen Behörden versucht haben, die Informationen über ihre Hafteinrichtungen geheim zu halten, und anerkannten internationalen Haftüberwachungsstellen den Zugang dazu verwehrt haben; in der Erwägung, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seit 2011 nur einige wenige Haftanstalten besuchen durfte;
F. in der Erwägung, dass die Welt immer wieder von den Gräueltaten des Da’esh und anderer dschihadistischer Gruppierungen, von brutalen Hinrichtungen und von entsetzlicher sexueller Gewalt, Entführungen, Folter, Zwangskonvertierungen und der Versklavung von Frauen und Mädchen erschüttert wurde; in der Erwägung, dass Kinder für Terroranschläge rekrutiert und eingesetzt wurden; in der Erwägung, dass der Da’esh immer noch große Teile Syriens und des Irak unter seiner Kontrolle hat; in der Erwägung, dass der Da’esh Völkermord an ethnischen und religiösen Minderheiten begeht, extreme Formen der Folter anwendet und Kulturerbe zerstört; in der Erwägung, dass große Sorge über das Wohlbefinden der Bevölkerungsteile besteht, die derzeit vom Da’esh kontrolliert und möglicherweise als menschliche Schutzschilde bei den Befreiungskampagnen eingesetzt werden;
G. in der Erwägung, dass Dschabhat Fatah Scham (vormals Al-Nusrah-Front) – syrischer Ableger von Al-Qaida – eine Terrororganisation ist, die einen auf dem Verhandlungswege herbeigeführten politischen Wandel und eine alle Bevölkerungsgruppen einbeziehende demokratische Zukunft für Syrien ablehnt;
H. in der Erwägung, dass Syrien das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) unterzeichnet, aber nicht ratifiziert hat; in der Erwägung, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wiederholt aufgefordert hat, den IStGH mit der Lage in Syrien zu befassen; in der Erwägung, dass Russland und China jeglichen Fortschritt im Hinblick auf die Rechenschaftspflicht in Syrien behindern, indem sie Einspruch gegen alle Resolutionen des Sicherheitsrats einlegen, mit denen der Strafgerichtshof das Mandat erhalten würde, die während des Konflikts in Syrien verübten entsetzlichen Verbrechen zu untersuchen; in der Erwägung, dass Russland am 16. November 2016 beschlossen hat, seine Unterschrift vom Römischen Statut zurückzuziehen; in der Erwägung, dass die mangelnde Rechenschaftspflicht weitere Gräueltaten nach sich zieht und das Leid der Opfer noch vergrößert;
I. in der Erwägung, dass alle in den Konflikt verwickelten Länder und Parteien an ihre Zusagen gemäß der Resolution 2254 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen erinnert werden müssen, insbesondere an die Verpflichtung, jegliche Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Infrastrukturen einzustellen, sowie die Verpflichtung, sicherzustellen, dass humanitäre Helfer Zugang zu allen Teilen des Landes haben; in der Erwägung, dass die Europäische Union ihr gesamtes Instrumentarium, einschließlich der Verhängung von restriktiven Maßnahmen, nutzen muss, um sicherzustellen, dass sich alle Parteien vollständig an diese Resolution halten;
J. in der Erwägung, dass die EU einen großen Teil der humanitären Hilfe für die Menschen leistet, die vor der beispiellosen Gewalt und Zerstörung in Syrien fliehen; in der Erwägung, dass die Tatsache, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht einig ist, es deutlich schwieriger macht, den Krieg in Syrien auf dem Verhandlungsweg zu beenden;
1. äußert erneut seine große Sorge angesichts der anhaltenden Kämpfe und Bombenangriffe und der verschlechterten humanitären Lage in Syrien; verurteilt aufs Schärfste sämtliche Angriffe auf Zivilpersonen und die zivile Infrastruktur sowie die Fortsetzung der Belagerungen in Syrien und den Umstand, dass die humanitäre Hilfe die notleidenden Syrer nicht erreicht; fordert alle Parteien auf, einen ständigen ungehinderten Zugang der humanitären Helfer und die Lieferung von dringend benötigten Hilfsgütern zu ermöglichen, insbesondere für belagerte und schwer erreichbare Gebiete; betont, dass es nach humanitärem Völkerrecht verboten ist, Menschen bewusst verhungern zu lassen, und fordert alle Parteien nachdrücklich auf, den Abtransport von Kranken, Verletzten und Verwundeten aus dem östlichen Teil Aleppos und allen anderen belagerten Gebieten unverzüglich zuzulassen;
2. verurteilt aufs Schärfste die Gräueltaten und die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die von Assads Streitkräften mit der Unterstützung Russlands und des Iran verübt werden, sowie die Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch nichtstaatliche bewaffnete terroristische Gruppierungen, insbesondere den Da’esh, Dschabhat Fatah Scham (Al-Nusrah-Front) und andere dschihadistische Gruppierungen;
3. fordert die unverzügliche Einstellung der Bombenangriffe und der wahllosen Angriffe auf Zivilpersonen; betont, dass alle Parteien dem Schutz der Zivilbevölkerung – ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer religiösen Überzeugung oder ihrer Glaubenszugehörigkeit – höchstmögliche Aufmerksamkeit widmen und alle hierfür geeigneten Maßnahmen ergreifen müssen; verurteilt aufs Schärfste, dass von bewaffneten Oppositionsgruppen wahllos Raketen in hoher Zahl auf von Zivilpersonen bewohnte Außenbezirke des westlichen Teils Aleppos abgeworfen wurden; betont, dass dabei Berichten zufolge viele Zivilpersonen, darunter auch Kinder, verletzt und getötet wurden; fordert alle Konfliktparteien auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Zivilbevölkerung in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu schützen, und dazu unter anderem von gezielten Angriffen auf zivile Einrichtungen wie medizinische Zentren, Schulen und das Wasserversorgungsnetz abzusehen, derartige Einrichtungen unverzüglich zu entmilitarisieren, möglichst keine militärischen Stellungen in dicht besiedelten Gebieten einzurichten und die Evakuierung von Verletzten und allen Zivilpersonen zu erlauben, die belagerte Gebiete verlassen möchten; unterstreicht, dass für den Schutz der syrischen Bevölkerung in erster Linie das syrische Regime verantwortlich ist;
4. würdigt die Bemühungen der humanitären Helfer, den vom Konflikt betroffenen Menschen die dringend benötigte Hilfe, Lebensmittel, Wasser und Arzneimittel zu bringen, und fordert alle am Konflikt beteiligten Parteien nachdrücklich auf, für den sicheren, ungehinderten Zugang von humanitären Hilfsorganisationen zu der unter dem Krieg leidenden Zivilbevölkerung zu sorgen;
5. fordert die Organe und Mitgliedstaaten der EU auf, die Vereinten Nationen und die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) bei ihren weiteren Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Einsatz und der Zerstörung chemischer Waffen durch alle Parteien in Syrien uneingeschränkt zu unterstützen; pocht darauf, dass die Verantwortlichen für den Einsatz chemischer Waffen zur Rechenschaft gezogen werden müssen; unterstützt die Verlängerung des Mandats des Gemeinsamen Untersuchungsmechanismus der Vereinten Nationen und der OVCW, damit die Verantwortlichen für den Einsatz chemischer Waffen in Syrien ermittelt werden;
6. ist besorgt angesichts der rechtswidrigen Inhaftierung, Folterung, Misshandlung, Verschleppung und Tötung von Häftlingen in Gefängnissen des Regimes sowie angesichts der geheimen Hafteinrichtungen, die von aus dem Ausland unterstützten Milizen betrieben werden; fordert die syrischen Behörden, die diese Hafteinrichtungen verwalten, auf, alle Hinrichtungen und die unmenschliche Behandlung von Häftlingen einzustellen;
7. fordert gemäß der Resolution 2139 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 22. Februar 2014 die sofortige Freilassung willkürlich verhafteter Personen und ein Ende des Gebrauchs von Folter und anderer Misshandlungsmethoden sowie der Praxis des Verschwindenlassens; fordert, internationalen Haftüberwachungsstellen – wie dem IKRK – unverzüglich ungehinderten Zugang zu Hafteinrichtungen zu gewähren, damit sie die Situation aller Häftlinge in Syrien beurteilen und ihre Familien beraten und unterstützen können;
8. verurteilt erneut aufs Schärfste die vom Assad-Regime, vom Da’esh, von Dschabhat Fatah Scham (Al-Nusrah-Front) und anderen terroristischen Organisationen verübten Gräueltaten, die als schwere Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen sind; schließt sich dem Appell der Fünfergruppe (USA, Frankreich, Deutschland, Italien und Vereinigtes Königreich) und der VP/HR an alle in Syrien kämpfenden bewaffneten Gruppen an, jede Zusammenarbeit mit Dschabhat Fatah Scham einzustellen; betont, wie wichtig es ist, den Zugang des Da’esh zu Finanzmitteln für die Durchführung seiner Aktivitäten wirksam zu unterbinden, ausländische Kämpfer zu verhaften und den Zustrom von Waffen für dschihadistische Gruppierungen zu stoppen; fordert die syrische Opposition auf, sich eindeutig von derartigen Extremisten und dieser Ideologie zu distanzieren; bekräftigt, dass die Bemühungen darauf ausgerichtet sein sollten, den Da’esh und andere von den Vereinten Nationen als terroristisch eingestufte Vereinigungen zu besiegen; fordert, dass Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass materielle und finanzielle Unterstützung Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen erreicht, die von den Vereinten Nationen als terroristisch eingestuften Vereinigungen nahestehen;
9. fordert erneut, dass die für Kriegsverbrechen und für Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verantwortlichen Konsequenzen tragen und zur Rechenschaft gezogen werden sollten; betont, dass Personen, die Verbrechen gegen religiöse, ethnische oder andere Gruppen und Minderheiten begehen, ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden sollten; ist nach wie vor davon überzeugt, dass es keine wirksame Lösung des Konflikts und keinen tragfähigen Frieden in Syrien geben kann, wenn die für die Verbrechen Verantwortlichen nicht zur Verantwortung gezogen werden; ist der Ansicht, dass das Thema der Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht politisiert werden sollte; weist darauf hin, dass die Verpflichtung, das humanitäre Völkerrecht unter allen Umständen zu achten, für alle am Konflikt beteiligten Parteien gilt und dass sich diejenigen, die derartige Verbrechen begehen, dessen bewusst sein müssen, dass sie früher oder später zur Rechenschaft gezogen werden;
10. fordert die EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass alle Verantwortlichen für Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht vor geeigneten unparteiischen internationalen Strafgerichten oder einzelstaatlichen Gerichten und durch Anwendung des Grundsatzes der universellen Gerichtsbarkeit zur Rechenschaft gezogen werden; bekräftigt, dass es die Verweisung des Falls Syrien an den IStGH unterstützt; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten angesichts der Unfähigkeit des Sicherheitsrats, über dieses Thema zu beraten, jedoch erneut auf, bis zur Befassung des IStGH bei den Bemühungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Vorreiterrolle einzunehmen und die Einrichtung eines syrischen Kriegsverbrechertribunals zu prüfen; betont, wie wichtig die Eigenverantwortung Syriens für den Prozess nach Beilegung des Konflikts ist, damit die Versöhnung gefördert wird;
11. begrüßt die Arbeit der lokalen und internationalen Organisationen der Zivilgesellschaft und betont, dass ihre Arbeit von entscheidender Bedeutung ist, was die Dokumentation von Beweisen für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Verbrechen, darunter auch die Zerstörung von Kulturerbe, angeht; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, diesen Akteuren weiter umfassende Hilfe zu gewähren;
12. bedauert den Beschluss des russischen Präsidenten Wladimir Putin, den IStGH zu verlassen, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Russische Föderation das Römische Statut nie wirklich ratifiziert hatte und dass aufgrund des Zeitpunkts des Beschlusses die Glaubwürdigkeit des Landes untergraben wird und Schlussfolgerungen hinsichtlich seines Engagements für die internationale Gerichtsbarkeit gezogen werden können;
13. begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Oktober 2016 zu Syrien und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20./21. Oktober 2016 zu Syrien; unterstützt die Forderung der EU, dass über dem Stadtgebiet von Aleppo keine Militärflüge mehr stattfinden, dass die Kampfhandlungen sofort eingestellt werden – wobei dies durch einen wirksamen und transparenten Mechanismus zu überwachen ist –, dass die Belagerungen aufgehoben werden und dass alle Parteien humanitären Helfern uneingeschränkten, ungehinderten, dauerhaften und landesweiten Zugang gewähren;
14. begrüßt die Überprüfung der restriktiven Maßnahmen der EU gegen Syrien und gegen alle Personen, die ebenfalls für die Unterdrückung der Zivilbevölkerung im Land verantwortlich sind; betont, dass die EU alle verfügbaren Optionen – einschließlich einer Flugverbotszone über dem Stadtgebiet von Aleppo – prüfen sollte, um Konsequenzen für die abscheulichsten Menschenrechtsverletzungen aller Täter festzulegen, falls die Gräueltaten und die grobe Missachtung des humanitären Völkerrechts anhalten;
15. fordert von allen Parteien, das Recht ethnischer und religiöser Minderheiten in Syrien – einschließlich Christen – zu achten, weiterhin in Würde, Gleichheit und Sicherheit in ihrer historischen und angestammten Heimat zu leben und ungehindert und ohne jeden Zwang, Anwendung von Gewalt oder Diskriminierung ihre Religion auszuüben und ihrer Weltanschauung anzuhängen; unterstützt den interreligiösen Dialog, um das gegenseitige Verständnis zu fördern und Fundamentalismus entgegenzuwirken;
16. fordert alle Mitglieder der Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien auf, die Verhandlungen über die Schaffung einer stabilen Waffenruhe wiederaufzunehmen und sich stärker um eine dauerhafte politische Lösung für Syrien zu bemühen; betont, dass regionale Akteure und vor allem die Nachbarländer besondere Verantwortung tragen;
17. fordert die VP/HR erneut auf, ihre Bemühungen um eine gemeinsame Syrienstrategie der EU zu verstärken; begrüßt und unterstützt nachdrücklich die von der VP/HR Federica Mogherini vor kurzem ergriffenen und dem Mandat des Europäischen Rates entsprechenden diplomatischen Initiativen, die darauf abzielen, die am Konflikt beteiligten Parteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen und den politischen Prozess in Genf wieder aufzunehmen; nimmt mit Interesse die regionalen Gespräche zur Kenntnis, die sie mit dem Iran und Saudi-Arabien geführt hat, und ist der Ansicht, dass ihre Tätigkeiten einen Mehrwert bringen und damit ein hilfreicher Beitrag zu den Bemühungen des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, geleistet wird; legt allen Konfliktparteien nahe, die politischen Verhandlungen so bald wie möglich wieder aufzunehmen und zu intensivieren, um einen neuerlichen und stabilen Waffenstillstand zu bewirken, der auch Bestimmungen zur Gewährleistung einer Übergangsjustiz nach Beendigung des Konflikts in Syrien enthalten sollte; betont, dass diese Friedensgespräche zu einer Einstellung der Feindseligkeiten und zu einem politischen Übergang unter Führung und Verantwortung Syriens führen sollten; betont die Rolle, die die EU bei dem Wiederaufbau und der Versöhnung nach dem Konflikt spielen kann;
18. weist erneut darauf hin, dass es die laufende humanitäre Initiative der EU für Aleppo uneingeschränkt unterstützt, und fordert alle Parteien eindringlich auf, die Durchführung der Initiative zu erleichtern;
19. begrüßt die Prioritäten und Pakte für die Partnerschaft mit Jordanien für den Zeitraum 2016–2018 und für die Partnerschaft mit dem Libanon für den Zeitraum 2016–2020; stellt fest, dass die Pakte den Rahmen für die Umsetzung der auf der Londoner Konferenz vom 4. Februar 2016 zum Thema „Unterstützung Syriens und der Region“ eingegangenen gegenseitigen Verpflichtungen bilden; stellt fest, dass in Verbindung mit der humanitären Hilfe für die Nachbarländer Syriens ein zunehmender Bedarf an Finanzmitteln und eine dauerhafte Finanzierungslücke besteht; fordert die Mitgliedstaaten der EU auf, ihre Zusagen zu erfüllen und den Vereinten Nationen, ihren Sonderorganisationen und anderen humanitären Akteuren die dringend benötigte Unterstützung bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe für die Millionen von vertriebenen Syrern sowohl in Syrien als auch in den Aufnahmeländern und -gemeinschaften zukommen zu lassen;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU, den Vereinten Nationen, den Mitgliedern der Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien und allen am Konflikt in Syrien beteiligten Parteien zu übermitteln.
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, insbesondere jene vom 27. Oktober 2016 zu der Lage der Journalisten in der Türkei(1) und vom 14. April 2016 zu dem Bericht 2015 über die Türkei(2),
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2016 über die Türkei, den die Kommission am 9. November 2016 veröffentlicht hat (SWD(2016)0366),
– unter Hinweis auf den Verhandlungsrahmen der EU für die Türkei vom 3. Oktober 2005,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juli 2016 zur Türkei,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 231/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA II)(3),
– unter Hinweis auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), deren Vertragspartei die Türkei ist, verankert ist,
– unter Hinweis auf die Absichtserklärungen des Menschenrechtskommissars des Europarats,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 26. Juli 2016 zu den Maßnahmen, die in der Türkei unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden;
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union und das Europäische Parlament den gescheiterten Militärputsch in der Türkei aufs Schärfste verurteilt und die legitime Pflicht der türkischen Behörden zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen und Beteiligten anerkannt haben;
B. in der Erwägung, dass die Türkei ein wichtiger Partner ist, von dem als Bewerberland erwartet wird, dass er sich an die höchsten demokratischen Standards hält, was die Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Grundfreiheiten und des Rechts aller auf ein faires Verfahren einschließt; in der Erwägung, dass die Türkei seit 1950 Mitglied des Europarats und daher an die EMRK gebunden ist;
C. in der Erwägung, dass die repressiven Maßnahmen der türkischen Regierung, die unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden, unverhältnismäßig sind, gegen die von der türkischen Verfassung geschützten grundlegenden Rechte und Freiheiten sowie gegen die demokratischen Werte verstoßen, auf denen die Europäische Union beruht, und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zuwiderlaufen; in der Erwägung, dass die Staatsorgane seit dem Putschversuch 10 Mitglieder der Großen Nationalversammlung der Türkei verhaftet haben, die der Oppositionspartei HDP angehören, sowie etwa 150 Journalisten (die höchste Zahl solcher Verhaftungen weltweit); in der Erwägung, dass 2 386 Richter und Staatsanwälte sowie 40 000 weitere Personen in Haft genommen wurden, von denen über 31 000 nach wie vor in Haft sind; in der Erwägung, dass nach dem von der Kommission verfassten Bericht 2016 über die Türkei 129 000 öffentliche Bedienstete entweder weiterhin suspendiert sind (66 000) oder entlassen wurden (63 000) – in den meisten Fällen bis heute ohne Erhebung einer Anklage;
D. in der Erwägung, dass sich Präsident Erdoğan und die Mitglieder der türkischen Regierung wiederholt zur Wiedereinführung der Todesstrafe geäußert haben; in der Erwägung, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 18. Juli 2016 zur Türkei bekräftigt hat, dass die eindeutige Ablehnung der Todesstrafe ein wesentlicher Bestandteil des Besitzstands der Union ist;
E. in der Erwägung, dass erhebliche Bedenken geäußert wurden über die Lage der Personen, die nach dem Putschversuch verhaftet und inhaftiert worden sind, sowie über die schwerwiegenden Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Presse- und Medienfreiheit in der Türkei;
F. in der Erwägung, dass Nummer 5 des Verhandlungsrahmens vorsieht, dass die Kommission im Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der für die Union grundlegenden Werte der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei von sich aus oder auf Antrag von einem Drittel der Mitgliedstaaten die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen und die Bedingungen für eine mögliche Wiederaufnahme vorschlagen wird;
G. in der Erwägung, dass eine Aussetzung der Verhandlungen bedeuten würde, dass die laufenden Gespräche eingefroren, keine neuen Kapitel eröffnet und keine neuen Initiativen im Zusammenhang mit dem Verhandlungsrahmen der EU für die Türkei ergriffen werden würden;
1. verurteilt die unverhältnismäßigen repressiven Maßnahmen, die seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 in der Türkei ergriffen werden, aufs Schärfste; setzt sich nach wie vor dafür ein, dass sich die Türkei der EU verbunden fühlt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten jedoch auf, die laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorübergehend auszusetzen;
2. sagt zu, seinen Standpunkt zu überprüfen, wenn die unverhältnismäßigen Maßnahmen, die in der Türkei unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden, aufgehoben werden; erklärt, dass es sich bei seiner Überprüfung davon leiten lassen wird, ob die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte im ganzen Land wieder hergestellt sind; vertritt die Auffassung, dass eine solche Überprüfung angebracht wäre, wenn der Ausnahmezustand aufgehoben ist;
3. bekräftigt, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe durch die türkische Regierung eine offizielle Aussetzung des Beitrittsprozesses zur Folge haben müsste;
4. weist darauf hin, dass die Türkei nach wie vor 7 der insgesamt 72 Vorgaben im Fahrplan für die Visaliberalisierung, von denen einige besonders wichtig sind, nicht erfüllt;
5. weist darauf hin, dass die Stärkung der Zollunion wichtig für die Türkei ist; hebt hervor, dass die Aussetzung der Arbeit im Hinblick auf die Stärkung der Zollunion schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für das Land hätte;
6. ist zutiefst besorgt über Erklärungen, in denen der Vertrag von Lausanne infrage gestellt wird, der die Grenzen der modernen Türkei festlegt und fast ein Jahrhundert lang zur Wahrung von Frieden und Stabilität in der Region beigetragen hat;
7. fordert die Kommission auf, sich in dem für 2017 geplanten Bericht über die Halbzeitbewertung des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) Gedanken über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei zu machen; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die Unterstützung für die türkische Zivilgesellschaft aus Mitteln des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte aufgestockt werden kann;
8. regt die Kommission, den Europarat und die Venedig-Kommission dazu an, den türkischen Behörden zusätzliche Rechtshilfe anzubieten;
9. hebt hervor, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei für beide Seiten von strategischer Bedeutung sind; stellt fest, dass, die Türkei zwar ein wichtiger Partner der EU ist, der politische Wille zur Zusammenarbeit bei einer Partnerschaft jedoch von beiden Seiten kommen muss; vertritt die Auffassung, dass die Türkei diesen politischen Willen nicht an den Tag legt, wobei die Maßnahmen der Regierung die Türkei weiter vom europäischen Weg abbringen;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.
Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (2016/2966(RSP))
– gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 8, 19, 157 und 216 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),
– unter Hinweis auf die Artikel 21, 23, 24 und 25 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking, die am 15. September 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurden, sowie auf die entsprechenden Abschlussdokumente, die im Rahmen der Sondertagungen der Vereinten Nationen Peking +5 (2005), Peking +10 (2000), Peking +15 (2010) und Peking +20 (2015) angenommen wurden,
– unter Hinweis auf die Bestimmungen der Rechtsinstrumente der Vereinten Nationen im Bereich der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, wie die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und das dazugehörige Fakultativprotokoll, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951, in dem der Grundsatz der Nichtzurückweisung verankert ist, und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
– unter Hinweis auf Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die am 18. Dezember 1979 mit der Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Juni 2015 zu der Strategie der EU für die Gleichstellung von Frauen und Männern nach 2015(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 26. November 2009 zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen(2), vom 5. April 2011 zu den Prioritäten und Grundzügen einer neuen EU-Politik zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(3) und vom 6. Februar 2013 zur 57. Tagung der VN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zum Thema „Beseitigung und Verhütung aller Arten von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“(4),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Februar 2014 mit Empfehlungen an die Kommission zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen(5),
– unter Hinweis auf den im März 2011 vom Rat der Europäischen Union angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter (2011–2020),
– unter Hinweis auf die Leitlinien der EU betreffend Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Bekämpfung aller Formen ihrer Diskriminierung,
– unter Hinweis auf die Bewertung des europäischen Mehrwerts(6),
– unter Hinweis auf das Programm „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“ (2014–2020),
– unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 3. Dezember 2015 mit dem Titel „Strategic engagement for gender equality 2016-2019“ (Strategisches Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter 2016–2019) (SWD(2015)0278),
– unter Hinweis auf die Erklärung des Dreiervorsitzes im Rat der Europäischen Union (Niederlande, Slowakei und Malta) vom 7. Dezember 2015 zur Gleichstellung der Geschlechter,
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit dem Titel „Violence against women: An EU-wide survey“ (Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten(7),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Schutzanordnung(8) und auf die Verordnung (EU) Nr. 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen(9),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer(10) und die Richtlinie 2011/92/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates(11),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul),
– unter Hinweis auf den im Oktober 2015 veröffentlichten Fahrplan der Kommission für einen etwaigen Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul,
– unter Hinweis auf die Vorschläge der Kommission für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen durch die Europäische Union ((COM(2016)0111 und COM(2016)0109),
– unter Hinweis auf die Anfragen an den Rat und die Kommission betreffend den Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (O-000121/2016 – B8-1805/2016 und O-000122/2016 – B8-1806/2016),
– gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein in den Verträgen und in der Charta der Grundrechte verankerter Grundwert der EU ist und die EU sich dazu verpflichtet hat, diesen in alle ihre Maßnahmen einzubinden, und in der Erwägung, dass die Gleichstellung der Geschlechter als strategische Zielsetzung von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung der allgemeinen Ziele der Strategie Europa 2020 im Hinblick auf Wachstum, Beschäftigung und soziale Inklusion ist;
B. in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in den Verträgen der Europäischen Union verankertes, prägendes Grundrecht und tief in der europäischen Gesellschaft verwurzelt ist, und in der Erwägung, dass dieses Recht für die Weiterentwicklung der Gesellschaft unabdingbar ist und in den gesetzlichen Regelungen, in der Praxis, in der Rechtsprechung sowie im täglichen Leben gleichermaßen gelten sollte;
C. in der Erwägung, dass in der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten geschlechtsbezogene Gewalt als Gewalt definiert wird, die sich gegen eine Person aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Ausdrucks der Geschlechtlichkeit richtet, oder die Personen eines bestimmten Geschlechts überproportional stark betrifft; in der Erwägung, dass diese Form von Gewalt zu physischen, sexuellen, seelischen oder psychischen Schäden oder zu wirtschaftlichen Verlusten der Opfer führen und sich ferner auf die Familie und den Bekanntenkreis der Opfer wie auch auf die Gesellschaft insgesamt auswirken kann; in der Erwägung, dass geschlechtsbezogene Gewalt eine extreme Form der Diskriminierung und einen Verstoß gegen die Grundrechte und ‑freiheiten der Opfer darstellt, die zugleich Ursache und Folge der Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern sind; in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen unter anderem Gewalt seitens nahestehender Personen, sexuelle Gewalt (Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und Belästigung), Menschenhandel, Sklaverei, einschließlich neuer Formen des Missbrauchs von Frauen und Mädchen im Internet, sowie verschiedene schädliche Praktiken wie Zwangsehen, Geschlechtsverstümmelung bei Frauen und sogenannte Ehrenverbrechen umfasst;
D. in der Erwägung, dass in der EU Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogene Gewalt nach wie vor weit verbreitet sind; in der Erwägung, dass die Erhebung der Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2014 – entsprechend den Ergebnissen vorheriger Studien – ergeben hat, dass schätzungsweise einem Drittel aller Frauen in Europa mindestens einmal in ihrem Erwachsenenleben körperliche oder sexuelle Gewalt widerfahren ist, 20 % aller jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren mit sexueller Gewalt im Internet konfrontiert sind, jede fünfte Frau (18 %) Opfer von Stalking ist, jede zwanzigste Frau vergewaltigt worden ist und über ein Zehntel aller Frauen aufgrund fehlender Einwilligung oder unter Gewaltanwendung sexueller Gewalt ausgesetzt ist; in der Erwägung, dass aus dieser Erhebung ferner hervorgeht, dass die meisten Fälle von Gewalt den Behörden nicht gemeldet werden, was zeigt, dass neben Verwaltungsstatistiken auch Erhebungen über Opfer erforderlich sind, um ein vollständiges Bild der verschiedenen Formen von Gewalt, denen Frauen ausgesetzt sind, zu erhalten; in der Erwägung, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Frauen, die Gewalt zum Opfer gefallen sind, dazu zu ermutigen, ihre Erfahrungen zu melden und Hilfe zu suchen, und um sicherzustellen, dass die Dienstleistungserbringer den Bedürfnissen der Opfer gerecht werden und sie über ihre Rechte und die bestehenden Formen der Unterstützung informieren können;
E. in der Erwägung, dass sich die jährlichen Kosten der Gewalt gegen Frauen und der geschlechtsbezogenen Gewalt in der EU laut der Bewertung des europäischen Mehrwerts im Jahr 2011 auf schätzungsweise 228 Mrd. EUR (1,8 % des BIP der EU) beliefen, wovon 45 Mrd. EUR jährlich in öffentliche und staatliche Dienste fließen und 24 Mrd. EUR Verluste in der gesamtwirtschaftlichen Leistung darstellen;
F. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Arbeitsdokument zum strategischen Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter 2016–2019 betonte, dass Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogene Gewalt die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen sowie ihr Arbeitsleben, ihre finanzielle Unabhängigkeit und die Wirtschaft im Allgemeinen beeinträchtigen und daher eines der größten Hindernisse für die Verwirklichung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter darstellen;
G. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen allzu oft als Privatangelegenheit angesehen und einfach so hingenommen wird; in der Erwägung, dass diese Form der Gewalt in Wirklichkeit einen Verstoß gegen die Grundrechte und eine schwere Straftat darstellt, die auch als solche bestraft werden muss; in der Erwägung, dass der Straffreiheit für Täter ein Ende gesetzt werden muss, um den Teufelskreis des Schweigens und der Einsamkeit zu durchbrechen, in den Frauen und Mädchen, denen Gewalt widerfahren ist, verstrickt sind;
H. in der Erwägung, dass Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogene Gewalt nicht durch Einzelmaßnahmen beseitigt werden können, sondern dass nur eine Kombination aus Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Recht, Justiz, Strafverfolgung, Kultur, Bildung, Sozialfürsorge, Gesundheitswesen und anderen Dienstleistungen das öffentliche Bewusstsein schärfen und Gewalt und ihre Folgen spürbar reduzieren kann;
I. in der Erwägung, dass Frauen aufgrund bestimmter Faktoren, darunter ethnische Zugehörigkeit, Religion bzw. Glaube, Gesundheit, Personenstand, Wohnsituation, Migrationsstatus, Alter, Behinderung, soziale Schicht, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Ausdruck der Geschlechtlichkeit, besondere Bedürfnisse haben und verstärkt Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sein können und daher in den Genuss eines besonderen Schutzes kommen sollten;
J. in der Erwägung, dass die Annahme der EU-Leitlinien betreffend Gewalt gegen Frauen und Mädchen und die Bekämpfung aller Formen ihrer Diskriminierung sowie das spezifische Kapitel über den Schutz von Frauen vor geschlechtsbezogener Gewalt im Strategischen Rahmen und Aktionsplan der EU für Menschenrechte und Demokratie den klaren politischen Willen der EU verdeutlichen, die Rechte der Frau als vorrangiges Thema zu behandeln und auf diesem Gebiet langfristige Maßnahmen zu ergreifen; in der Erwägung, dass sich hinsichtlich der Kohärenz zwischen den internen und externen Dimensionen der Menschenrechtspolitik bisweilen eine Lücke zwischen Rhetorik und Handeln auftun kann;
K. in der Erwägung, dass die Bürger und Einwohner der EU wegen eines fehlenden kohärenten Rahmens und unterschiedlicher politischer Maßnahmen und Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, unter anderem was die Definition von Straftaten und den Geltungsbereich der Rechtsvorschriften betrifft, nicht in gleichem Maße vor geschlechtsbezogener Gewalt geschützt sind und daher einen geringeren Schutz vor Gewalt im Allgemeinen genießen;
L. in der Erwägung, dass die Kommission am 4. März 2016 den Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul, dem ersten rechtsverbindlichen Instrument zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf internationaler Ebene, vorgeschlagen hat;
M. in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten der EU das Übereinkommen unterzeichnet, aber nur 14 von ihnen es ratifiziert haben;
N. in der Erwägung, dass die Ratifizierung des Übereinkommens allein nicht ausreicht, um Ergebnisse zu erzielen, sondern ferner sichergestellt werden muss, dass das Übereinkommen ordnungsgemäß durchgesetzt wird und dass für die Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogener Gewalt sowie für den Schutz der Opfer ausreichende finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung stehen;
O. in der Erwägung, dass mit dem Übereinkommen von Istanbul ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, in dessen Rahmen Gewalt gegen Frauen und Mädchen und geschlechtsbezogene Gewalt aus einer Vielzahl von Perspektiven in Angriff genommen werden, zu denen Präventionsmaßnahmen, die Bekämpfung von Diskriminierung, strafrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Straffreiheit, Opferschutz und ‑hilfe, der Schutz von Kindern und weiblichen Asylsuchenden und Flüchtlingen sowie eine bessere Datenerhebung zählen; in der Erwägung, dass ein solcher Ansatz die Annahme integrierter Strategien umfasst, mit denen Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen miteinander verknüpft werden, die durch eine Vielzahl von Interessenträgern (z. B. Justiz, Polizei, Sozialbehörden, nichtstaatliche Organisationen, lokale und regionale Organisationen, Regierungen) auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen umgesetzt werden;
P. in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul ein gemischtes Übereinkommen ist, an dem sowohl die EU als auch die Mitgliedstaaten als Parteien beteiligt sein können, da die EU unter anderem für die Rechte der Opfer und Schutzanordnungen, Asyl- und Migrationsfragen sowie die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zuständig ist;
1. weist darauf hin, dass die Kommission gemäß Artikel 2 EUV und durch die Charta der Grundrechte dazu verpflichtet ist, die Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten und zu fördern und sich aktiv für dieses Recht einzusetzen;
2. begrüßt den Vorschlag der Kommission, das Übereinkommen von Istanbul zu unterzeichnen und den Beitritt der EU abzuschließen, bedauert jedoch, dass die Verhandlungen im Rat nicht in gleichem Tempo voranschreiten;
3. hebt hervor, dass mit dem Beitritt der EU ein kohärenter europäischer Rechtsrahmen für die Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogener Gewalt und für den Schutz der Opfer von Gewalt entstehen wird; hebt hervor, dass der Beitritt zu mehr Kohärenz und Effizienz bei den internen und externen Strategien der EU führen, für eine bessere Überwachung, Auslegung und Umsetzung der Rechtsvorschriften, Programme und Fonds der EU, die für das Übereinkommen wichtig sind, sorgen, eine angemessenere und bessere Erhebung vergleichbarer, aufgeschlüsselter Daten über Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogene Gewalt in Europa ermöglichen und die Rechenschaftspflicht der EU auf internationaler Ebene stärken wird; hebt ferner hervor, dass der Beitritt der EU den politischen Druck auf die Mitgliedstaaten, das Übereinkommen zu ratifizieren, verstärken wird;
4. fordert den Rat und die Kommission auf, die Verhandlungen über die Unterzeichnung des Übereinkommens von Istanbul und den Beitritt der EU zu beschleunigen;
5. unterstützt den Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul weitgehend und ohne Vorbehalte;
6. fordert die Kommission und den Rat auf, dafür zu sorgen, dass das Parlament nach dem Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul in vollem Umfang in das Verfahren zur Überwachung des Übereinkommens einbezogen wird, wie es in Artikel 218 AEUV vorgesehen ist;
7. erinnert daran, dass der Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul die Mitgliedstaaten nicht davon entbindet, das Übereinkommen auch auf einzelstaatlicher Ebene zu ratifizieren; fordert daher alle Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen von Istanbul noch nicht ratifiziert haben, auf, dies umgehend zu tun;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Übereinkommen ordnungsgemäß durchgesetzt wird, und ausreichende finanzielle und personelle Mittel für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogener Gewalt und den Schutz der Opfer zur Verfügung zu stellen;
9. ist der Ansicht, dass die Anstrengungen der EU zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in einem umfassenden Plan für die Bekämpfung aller geschlechtsspezifischen Ungleichheiten gebündelt werden müssen; fordert die Ausarbeitung einer Strategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und geschlechtsbezogener Gewalt auf EU-Ebene;
10. fordert die Kommission wie auch schon in seiner Entschließung vom 25. Februar 2014 mit Empfehlungen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen auf, einen Rechtsakt vorzulegen, der sowohl ein kohärentes System zur Erhebung statistischer Daten als auch einen verstärkten Ansatz der Mitgliedstaaten zur Prävention und Verfolgung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie geschlechtsbezogener Gewalt sicherstellt und einen niedrigschwelligen Zugang zur Justiz ermöglicht;
11. fordert den Rat auf, die Überleitungsklausel zu aktivieren, d. h. einen einstimmigen Beschluss zu verabschieden, der Gewalt gegen Frauen und Mädchen (und andere Formen geschlechtsbezogener Gewalt) als Kriminalitätsbereich gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV definiert;
12. erkennt die herausragenden Anstrengungen an, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen unternommen wurden, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern und zu bekämpfen und Opfer von Gewalt zu schützen und zu unterstützen;
13. fordert alle Mitgliedstaaten und Interessenträger auf, in Zusammenarbeit mit der Kommission und nichtstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Rechte der Frau einsetzen, die Verbreitung von Informationen über das Übereinkommen, EU-Programme und die im Rahmen dieser Programme für die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und den Schutz der Opfer zur Verfügung stehenden Mittel zu fördern;
14. fordert die Kommission und den Rat auf, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten, um die in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter erzielten Fortschritte zu ermitteln, und fordert den Dreiervorsitz im Rat auf, sich nach Kräften darum zu bemühen, seine Verpflichtungen in diesem Bereich einzuhalten; fordert die Abhaltung eines EU-Gipfels zum Thema Gleichstellung der Geschlechter und Rechte von Frauen und Mädchen, auf dem neue Verpflichtungen eingegangen werden können;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu übermitteln.
Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten 2015
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu dem Jahresbericht 2015 über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten (2016/2150(INI))
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2015 über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten,
– unter Hinweis auf Artikel 15 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 228 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf Artikel 43 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
– unter Hinweis auf den Beschluss 94/262/EGKS, EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten(1),
– unter Hinweis auf den Kodex für gute Verwaltungspraxis der Europäischen Union, der am 6. September 2001 vom Europäischen Parlament angenommen wurde(2),
– unter Hinweis auf die am 15. März 2006 geschlossene und am 1. April 2006 in Kraft getretene Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Bürgerbeauftragten,
– unter Hinweis auf die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichten Grundsätze für Transparenz und Integrität in der Lobbyarbeit,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten,
– gestützt auf Artikel 220 Absatz 2 Satz 2 und 3 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Petitionsausschusses (A8-0331/2016),
A. in der Erwägung, dass der Jahresbericht 2015 über die Tätigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten dem Präsidenten des Europäischen Parlaments am 3. Mai 2016 offiziell übermittelt wurde und die Bürgerbeauftragte, Emily O’Reilly, ihren Bericht am 20. Juni 2016 in Brüssel dem Petitionsausschuss vorstellte,
B. in der Erwägung, dass in Artikel 15 AEUV festgelegt ist, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit handeln, um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen;
C. in der Erwägung, dass in Artikel 24 AEUV der Grundsatz festgelegt ist, dass sich jeder Unionsbürger an den nach Artikel 228 AEUV eingesetzten Bürgerbeauftragten wenden kann;
D. in der Erwägung, dass der Europäische Bürgerbeauftragte gemäß Artikel 228 AEUV befugt ist, Beschwerden über Missstände bei der Tätigkeit der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, mit Ausnahme des Gerichtshofs der Europäischen Union in Ausübung seiner Rechtsprechungsbefugnisse, entgegenzunehmen;
E. in der Erwägung, dass in Artikel 258 AEUV die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge festgelegt ist; in der Erwägung, dass die Nichtwahrnehmung oder mangelnde Wahrnehmung dieser Verantwortung als Missstand in der Verwaltungstätigkeit angesehen werden kann;
F. in der Erwägung, dass Artikel 298 AEUV vorsieht, dass „sich die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auf eine offene, effiziente und unabhängige europäische Verwaltung stützen“ und dass in demselben Artikel festgelegt wird, dass zu diesem Zweck konkrete und auf alle Bereiche der EU-Verwaltung anwendbare Vorschriften des Sekundärrechts in Form von Verordnungen angenommen werden;
G. in der Erwägung, dass Artikel 41 der Charta der Grundrechte vorsieht, dass jede Person ein Recht darauf hat, „dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“;
H. in der Erwägung, dass Artikel 43 der Charta der Grundrechte vorsieht, dass die „Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat“ das Recht haben, „den Bürgerbeauftragten der Union im Fall von Missständen bei der Tätigkeit der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, mit Ausnahme des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse, zu befassen“;
I. in der Erwägung, dass das durch den Vertrag von Maastricht eingerichtete Büro des Europäischen Bürgerbeauftragten 2015 sein 20-jähriges Bestehen feierte und sich seit 2005 mit 48 840 Beschwerden befasste;
J. in der Erwägung, dass laut der im Oktober 2015 durchgeführten Flash-Eurobarometer-Umfrage zu den mit der Unionsbürgerschaft verknüpften Rechten 83 % der europäischen Bürger wissen, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, eine Beschwerde an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament oder den Europäischen Bürgerbeauftragten zu richten;
K. in der Erwägung, dass die Europäische Bürgerbeauftragte Missstände in der Verwaltungstätigkeit als solche Unzulänglichkeiten oder Mängel auf Verwaltungsebene definiert, bei denen eine Institution oder öffentliche Stelle nicht im Einklang mit den für sie verbindlichen Gesetzen, Vorschriften oder Grundsätzen handelt oder Grundsätze der guten Verwaltungspraxis missachtet oder gegen Menschenrechte verstößt;
L. in der Erwägung, dass durch den Kodex für gute Verwaltungspraxis verhindert werden soll, dass es zu Missständen in der Verwaltung kommt; in der Erwägung, dass der Nutzen dieses Instruments begrenzt ist, da es nicht verbindlich ist;
M. in der Erwägung, dass ein hohes Maß an Transparenz entscheidend ist, um Legitimität sowie das Vertrauen darin zu schaffen, dass Entscheidungen im übergeordneten öffentlichen Interesse gefällt werden;
N. in der Erwägung, dass Intransparenz in Bezug auf Dokumente, die schwerwiegende Auswirkungen auf das sozioökonomische Modell der EU und zudem oft große Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und den Umweltschutz haben, zu Misstrauen unter den Bürgern und der Öffentlichkeit im Allgemeinen führt;
O. in der Erwägung, dass interne Hinweisgeber eine wichtige Rolle dabei spielen, Missstände in der Verwaltung und in einigen Fällen sogar politische Korruption aufzudecken; in der Erwägung, dass die Qualität unserer Demokratie durch diese Vorkommnisse stark gefährdet wird; in der Erwägung, dass interne Hinweisgeber im Anschluss oft in enorme Schwierigkeiten geraten und zu oft nicht nur in beruflicher, sondern sogar in strafrechtlicher Hinsicht verschiedenste negative persönliche Konsequenzen zu tragen haben; in der Erwägung, dass angesichts weiterhin fehlender Schutzmechanismen derartige bekannte Vorfälle in der Vergangenheit dazu führen könnten, dass Menschen in Zukunft abgeschreckt werden, sich ethisch zu verhalten und interne Hinweise zu geben;
P. in der Erwägung, dass die Entscheidungen bzw. Empfehlungen des Büros der Europäischen Bürgerbeauftragten im Jahr 2014 zu 90 % befolgt wurden, was eine Steigerung der Befolgungsquote um 10 Prozentpunkte gegenüber 2013 bedeutet;
Q. in der Erwägung, dass sich die von der Bürgerbeauftragten im Jahr 2015 eingeleiteten Untersuchungen vor allem auf folgende Themen bezogen: Transparenz innerhalb der Institutionen der EU, ethische Fragen, Beteiligung der Öffentlichkeit an den Entscheidungsprozessen der EU, Wettbewerbsregeln der EU und Grundrechte;
R. in der Erwägung, dass der Petitionsausschuss als aktives Mitglied im Europäischen Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten vertreten ist; in der Erwägung, dass dem Ausschuss in dieser Funktion von der Europäischen Bürgerbeauftragten 42 Beschwerden zur Behandlung als Petitionen übermittelt wurden;
1. billigt den von der Europäischen Bürgerbeauftragten vorgelegten Jahresbericht 2015;
2. beglückwünscht Frau Emily O’ Reilly zu ihrer hervorragenden Arbeit und ihren unermüdlichen Anstrengungen zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität, den die Verwaltung der EU den Bürgern bietet; weist darauf hin, dass Transparenz als Kernelement der Schaffung von Vertrauen und einer guten Verwaltung von großer Wichtigkeit ist, wie auch der hohe Prozentsatz von Beschwerden zeigt, die mangelnde Transparenz betreffen (22,4 %), womit dieses Thema das am häufigsten vorkommende ist; würdigt die Bedeutung der strategischen Untersuchungen bei der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis und unterstützt die vom Büro der Europäischen Bürgerbeauftragten in diesem Bereich bisher durchgeführten Untersuchungen;
3. begrüßt die anhaltenden Bemühungen der Europäischen Bürgerbeauftragten, durch Unterbreitung von Vorschlägen an die Kommission eine Verbesserung der Transparenz der TTIP-Verhandlungen zu erreichen; begrüßt, dass dies zur Veröffentlichung zahlreicher TTIP-Dokumente durch die Kommission und somit zur Förderung von Transparenz als einer der drei Säulen der neuen Handelsstrategie der Kommission geführt hat; betont, dass für internationale Abkommen wie die TTIP, CETA und andere eine weitergehende Transparenz erforderlich ist, wie sie von zahlreichen betroffenen Bürgern gefordert wird, die sich an den Petitionsausschuss wenden; fordert diesbezüglich verstärkte und umfassendere Bemühungen, um das Vertrauen der europäischen Bürger zu wahren;
4. fordert die Europäische Bürgerbeauftragte auf, zu untersuchen, inwieweit die Einrichtung sicherer Leseräume mit dem Recht auf Zugang zu Dokumenten und den Prinzipien der guten Verwaltungspraxis in Einklang steht;
5. weist erneut darauf hin, dass die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission von dem Grundsatz des „größtmöglichen Zugangs“ ausgeht; betont daher, dass Transparenz und uneingeschränkter Zugang zu Dokumenten der EU-Organe die Regel sein müssen, um dafür zu sorgen, dass Bürger ihre demokratischen Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können; betont, dass, wie der Europäische Gerichtshof bereits entschieden hat, Ausnahmen von dieser Regel ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung des übergeordneten öffentlichen Interesses an der Offenlegung und den Anforderungen der Demokratie, einer stärkeren Beteiligung der Bürger an der Beschlussfassung, der Legitimität der Verwaltung sowie der Effizienz und der Verantwortung gegenüber den Bürgern ausgelegt werden müssen;
6. legt der Kommission und den Mitgliedstaaten nahe, der Europäischen Bürgerbeauftragten die Befugnis zu übertragen, eine Erklärung über einen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission durch die verschiedenen EU-Organe abzugeben, sofern diese Dokumente nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 4 und Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung fallen; unterstützt die Ansicht, dass die Bürgerbeauftragte die Befugnis haben sollte, nach einer Ermittlung bezüglich des Verstoßes über die Freigabe der einschlägigen Dokumente zu entscheiden;
7. bedauert, dass die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zum Stillstand gekommen ist; ist der Ansicht, dass unverzügliche Fortschritte erforderlich sind, da die Verordnung nicht länger die aktuelle rechtliche Lage und die Gepflogenheiten in den Institutionen widerspiegelt;
8. stellt fest, dass die EU-Entscheidungsprozesse transparenter gemacht werden müssen, und befürwortet eine Untersuchung der informellen Verhandlungen zwischen den drei wichtigsten Organen der EU („Triloge“) durch die Europäische Bürgerbeauftragte sowie eine öffentliche Konsultation zu diesem Thema; befürwortet die Veröffentlichung von „Trilog“-Dokumenten unter angemessener Berücksichtigung von Artikel 4 und Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001;
9. verleiht seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass der Untersuchungsausschuss des Parlaments zu Emissionsmessungen in der Automobilindustrie (EMIS) von der Kommission nicht alle angeforderten Dokumente erhielt, wobei die Dokumente so ausgewählt waren, dass bestimmte Informationen, die von der Kommission als irrelevant eingestuft wurden, fehlten; fordert die Kommission auf, in uneingeschränkter Wahrung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit für eine möglichst gründliche Arbeit und vollständige Transparenz bezüglich der zur Verfügung gestellten Unterlagen zu sorgen, um sicherzustellen, dass der EMIS-Ausschuss seine Ermittlungsbefugnisse vollständig und wirksam ausüben kann;
10. unterstützt die Entschlossenheit der Europäischen Bürgerbeauftragten, die Tätigkeit der Europäischen Zentralbank – insbesondere als Mitglied der Troika/Quadriga, die die Haushaltskonsolidierungsprogramme in den EU-Ländern überwacht – transparenter zu machen und dafür zu sorgen, dass in Bezug auf die Leitungsstrukturen hohe Standards eingehalten werden; begrüßt den Beschluss der EZB, Verzeichnisse der Sitzungen der Mitglieder ihres Direktoriums zu veröffentlichen; unterstützt die neuen Leitlinien für bezahlte Vorträge und die Einführung einer „Sperrzeit“ in Bezug auf marktsensible Informationen vor den Sitzungen des Direktoriums;
11. nimmt den Status der Europäischen Zentralbank zur Kenntnis, die als Geldbehörde einerseits und als Mitglied der Troika/Quadriga andererseits fungiert, und fordert die Europäische Bürgerbeauftragte nachdrücklich auf, für eine ordnungsgemäße Verwaltung einer der wichtigsten Finanzbehörden Europas einzutreten;
12. fordert eine größere Transparenz der Sitzungen der Euro-Gruppe über die bereits vom Präsidenten der Euro-Gruppe nach Intervention der Europäischen Bürgerbeauftragten ergriffenen Schritte hinaus;
13. heißt gut, dass die Bürgerbeauftragte eine Untersuchung über die Zusammensetzung und Transparenz der Arbeit der Expertengruppen der Kommission eingeleitet hat; nimmt die Bemühungen der Kommission um eine stärkere Öffnung dieser Gruppen gegenüber der Öffentlichkeit zur Kenntnis und betont, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, um für uneingeschränkte Transparenz zu sorgen; bekräftigt seine Forderung an den Rat einschließlich seiner Vorbereitungsgremien, sich dem Lobbyisten-Register schnellstmöglich anzuschließen und die Transparenz seiner Arbeit zu erhöhen;
14. unterstützt die Bemühungen der Bürgerbeauftragten, die Lobbyarbeit transparenter zu machen; bedauert die mangelnde Bereitschaft der Kommission, die Öffentlichkeit eingehender über ihre Treffen mit Vertretern der Tabaklobby zu informieren; fordert die Kommission auf, ihre Tätigkeit in umfassender Weise transparent zu gestalten, damit die Öffentlichkeit mehr Vertrauen in ihre Arbeit gewinnt;
15. fordert die Kommission auf, der Öffentlichkeit alle Informationen über die Einflussnahme von Lobbyisten mithilfe einer zentralen Online-Datenbank kostenlos, gut verständlich und leicht zugänglich zur Verfügung zu stellen;
16. fordert die Kommission auf, im Laufe des Jahres 2017 einen Vorschlag für ein obligatorisches und rechtsverbindliches Lobbyisten-Register vorzulegen, mit dem alle Schlupflöcher geschlossen werden sollen und eine vollständige obligatorische Registrierung aller Lobbyisten umgesetzt wird;
17. unterstützt die Bemühungen um die Einführung von Leitlinien zur Transparenz von Lobbyarbeit, die nicht nur für die EU-Organe, sondern auch für die nationalen Behörden gelten würden;
18. nimmt die Besorgnis der Bürger hinsichtlich des Umgangs der Kommission mit Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH und der mangelnden Transparenz bei den einzelnen Schritten des Verfahrens zur Kenntnis; betont, dass das Recht auf eine gute Verwaltung, wie es in Artikel 41 der Grundrechtecharta der EU festgelegt ist, das Recht auf eine angemessene Begründung umfasst, wenn die Kommission entscheidet, kein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH einzuleiten; begrüßt die strategische Untersuchung durch die Europäische Bürgerbeauftragte über Probleme systemischer Natur im Rahmen des Projekts „EU Pilot“;
19. begrüßt es, dass die Bürgerbeauftragte eine Ermittlung (Fall OI/5/2016/AB) bezüglich des Umgangs der Kommission mit Vertragsverletzungsbeschwerden im Rahmen von EU-Pilot-Verfahren in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge eingeleitet hat; weist auf die vorangegangenen Anfragen des Petitionsausschusses hin, Zugang zu den Dokumenten in Verbindung mit EU-Pilot- und Vertragsverletzungsverfahren zu gewährleisten, da Petitionen häufig zur Einleitung derartiger Verfahren führen;
20. begrüßt, dass die Europäische Bürgerbeauftragte ihre Untersuchungen zu Fällen eines „Drehtüreffekts“ innerhalb der Kommission fortsetzt; erkennt an, dass die Kommission infolge dieser Untersuchungen mehr Informationen zu den Namen hochrangiger Beamten veröffentlicht hat, die aus dem Dienst ausgeschieden sind, um eine berufliche Tätigkeit im privaten Sektor zu übernehmen; fordert, dass die Namen und weiteren Daten dieser Personen in kürzeren Abständen veröffentlicht werden; äußert die Hoffnung, dass andere europäische Institutionen und Agenturen dem Beispiel bald folgen werden; begrüßt die Bereitschaft der Kommission, Informationen zur Tätigkeit früherer Kommissionsmitglieder nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst zu veröffentlichen; zeigt sich sehr besorgt darüber, dass der frühere Kommissionspräsident Barroso zum Berater und Präsidenten ohne Geschäftsbereich von Goldman Sachs International berufen wurde; fordert die Bürgerbeauftragte auf, eine strategische Ermittlung bezüglich des Umgangs der Kommission mit Barrosos „Drehtürfall“ einzuleiten und auch Empfehlungen zur Reform des Verhaltenskodex in Einklang mit den Prinzipien der guten Verwaltungspraxis und den Anforderungen des Vertrags gemäß Artikel 245 AEUV zu formulieren;
21. weist erneut darauf hin, dass Interessenkonflikte mehr umfassen als die Fälle eines „Drehtüreffekts“; betont, dass unbedingt alle Ursachen von Interessenkonflikten wirksam bekämpft werden müssen, um eine ordnungsgemäße Verwaltung zu schaffen und für die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsfindung auf politischer und technischer Ebene zu sorgen; ist der Ansicht, dass auf EU-Ebene bei der Ernennung von Kandidaten für Positionen in den Organen, Agenturen und sonstigen Stellen der Union besondere Aufmerksamkeit geboten ist und mit hohen Standards und konkreten Maßnahmen dafür gesorgt werden muss, dass jeder Verdacht eines Interessenkonflikts vermieden wird;
22. begrüßt die Tatsache, dass 2015 alle EU-Organe interne Vorschriften zum Schutz von internen Hinweisgebern gemäß Artikel 22 Absätze a bis c der Geschäftsordnung eingeführt haben und so die interne Hinweisgebung in regulierter Weise fördern; stellt fest, dass der Schutz von internen Hinweisgebern gegen Vergeltungsmaßnahmen wirksamer sein sollte; fordert zu diesem Zweck die Annahme gemeinsamer Regeln für die Unterstützung von internen Hinweisgebern und die Einführung von Mindestgarantien und Sicherungsmaßnahmen für diese;
23. fordert eine Richtlinie über die interne Hinweisgebung, in der angemessene Kanäle und Verfahren festgelegt werden, um alle Formen von Fehlverhalten anzuprangern, sowie angemessene Mindestgarantien und rechtliche Sicherheitsvorkehrungen für interne Hinweisgeber sowohl in öffentlichen als auch in privaten Organisationen und Gremien;
24. begrüßt die Einführung eines Beschwerdeverfahrens für mögliche Grundrechtsverstöße durch Frontex als Ergebnis einer laufenden Untersuchung der Bürgerbeauftragten zu den Verfahren, die von Frontex und den Mitgliedstaaten bei gemeinsamen Rückführungsaktionen irregulärer Migranten angewandt werden; befürwortet, dass ein solcher Mechanismus auch bei der neuen Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache eingeführt wird;
25. begrüßt die Untersuchung der Bürgerbeauftragten bezüglich der Frage, ob die Charta der Grundrechte durch die Mitgliedstaaten eingehalten wird, wenn sie aus EU‑Fonds finanzierte Maßnahmen umsetzen, beispielsweise Projekte, die auf die Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in Heimen statt auf ihre Eingliederung in die Gesellschaft abzielen; fordert die Europäische Bürgerbeauftragte auf, weiterhin derartige Untersuchungen durchzuführen, um die Transparenz und den Mehrwert der Projekte zu gewähren;
26. begrüßt die Zusammenarbeit zwischen der Bürgerbeauftragten und dem Europäischen Parlament innerhalb des EU-Rahmens für das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, insbesondere in Bezug auf die Forderung nach der uneingeschränkten Umsetzung des Übereinkommens auf EU-Ebene und nach der Zuweisung von dafür ausreichenden Ressourcen; bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die Umsetzung des Übereinkommens und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die vollständige Umsetzung des Übereinkommens auf EU-Ebene zu sorgen;
27. unterstützt die Bemühungen der Bürgerbeauftragten bei der Behandlung von Fällen mit Bezug auf Diskriminierung, die Rechte von Minderheitengruppen und die Rechte von älteren Menschen beim Seminar des europäischen Verbindungsnetzes der Bürgerbeauftragten zu dem Thema „Bürgerbeauftragte gegen Diskriminierung“;
28. unterstützt die Bemühungen der Bürgerbeauftragten, bei den Entscheidungen der Kommission in Wettbewerbsfragen Unparteilichkeit sicherzustellen;
29. weist darauf hin, dass das Recht der Bürger auf Mitsprache bei der Politikgestaltung der EU heute wichtiger ist denn je; begrüßt die von der Bürgerbeauftragten vorgeschlagenen Leitlinien für die Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Bürgerinitiative, insbesondere den Vorschlag, dass Ablehnungen einer Europäischen Bürgerinitiative durch die Kommission nur mit stichhaltiger Begründung erfolgen sollen; erkennt jedoch an, dass es erhebliche Defizite gibt, die angegangen und behoben werden müssen, um die europäische Bürgerinitiative wirksamer zu gestalten; bekräftigt, dass die Glaubwürdigkeit der EU-Organe durch eine stärkere Einbeziehung der Bürger in die Ausarbeitung von Maßnahmen der EU verbessert wird;
30. nimmt anerkennend zur Kenntnis, dass die Bürgerbeauftragte einen kontinuierlichen Dialog mit einer großen Bandbreite an EU-Organen, darunter das Europäische Parlament und andere Einrichtungen, unterhält und enge Beziehungen zu ihnen pflegt, um für Zusammenarbeit und Kohäsion in der Verwaltung zu sorgen; lobt die Bemühungen der Bürgerbeauftragten um eine kontinuierliche und offene Kommunikation mit dem Petitionsausschuss;
31. weist darauf hin, dass die Agenturen der EU dieselben hohen Standards hinsichtlich Transparenz, Rechenschaftspflicht und Ethik erfüllen müssen wie alle anderen Institutionen; nimmt mit Anerkennung Kenntnis von der wichtigen Arbeit, die die Europäische Bürgerbeauftragte in mehreren Agenturen innerhalb der EU geleistet hat; unterstützt den der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vorgelegten Vorschlag, dem zufolge Registranten nachweisen müssen, dass sie ihr Möglichstes getan haben, um Tierversuche zu vermeiden, und Informationen darüber bereitstellen müssen, wie Tierversuche vermieden werden können;
32. befürwortet die Empfehlungen der Bürgerbeauftragten, dass die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit ihre Vorschriften und Verfahren über Interessenkonflikte überarbeiten sollte, um eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit und öffentlichen Konsultationen sicherzustellen;
33. weist erneut darauf hin, dass die Bürgerbeauftragte auch die Befugnis und daher die Pflicht hat, im Rahmen ihrer Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Verwaltung für Unionsbürger zu sorgen, die Arbeit des Parlaments zu kontrollieren;
34. fordert eine wirksame Aktualisierung des Kodex für gute Verwaltungspraxis mittels der Annahme einer verbindlichen diesbezüglichen Verordnung in dieser Wahlperiode;
35. fordert die Europäische Bürgerbeauftragte auf, zukünftige Jahresberichte um eine Kategorisierung der außerhalb des Mandats des Amtes des Europäischen Bürgerbeauftragten liegenden Beschwerden zu ergänzen, so dass sich die Mitglieder des Europäischen Parlaments einen Überblick über die Probleme, die die EU-Bürger beschäftigen, verschaffen können;
36. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und den Bericht des Petitionsausschusses dem Rat, der Kommission, der Europäischen Bürgerbeauftragten, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie ihren Bürgerbeauftragten oder entsprechenden Einrichtungen zu übermitteln.
Wege zu einem endgültigen Mehrwertsteuersystem und zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu dem Thema „Wege zu einem endgültigen Mehrwertsteuersystem und zur Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug“ (2016/2033(INI))
– unter Hinweis auf den am 7. April 2016 von der Kommission vorgelegten Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer (COM(2016)0148),
– unter Hinweis auf den Sonderbericht Nr. 24/2015 des Europäischen Rechnungshofs vom 3. März 2016 mit dem Titel „Bekämpfung des innergemeinschaftlichen MwSt.-Betrugs: Weitere Maßnahmen sind erforderlich“,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Oktober 2011 zu der Zukunft der Mehrwertsteuer(1),
– unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug (COM(2012)0363),
– unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (COM(2013)0534),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. März 2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft(2),
– unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Verordnung betreffend die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) (COM(2013)0535),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. April 2015 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft(3),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie die Stellungnahmen des Haushaltskontrollausschusses und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A8‑0307/2016),
A. in der Erwägung, dass mit dem am 1. Januar 1993 eingeführten Binnenmarkt die Grenzkontrollen im innergemeinschaftlichen Handel abgeschafft wurden, und in der Erwägung, dass das seit 1993 bestehende Mehrwertsteuersystem der Europäischen Union nach den Artikeln 402 bis 404 der geltenden Mehrwertsteuerrichtlinie eine Übergangsregelung ist und nur vorläufig gilt;
B. in der Erwägung, dass der Rat gemäß Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einstimmig geeignete Richtlinien zur Vervollständigung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und insbesondere zur allmählichen Einschränkung bzw. Aufhebung der von diesem System abweichenden Regelungen zu erlassen hat;
C. in der Erwägung, dass die Kommission verpflichtet ist, dem Europäischen Parlament und dem Rat alle vier Jahre einen Bericht über das Funktionieren des bestehenden Mehrwertsteuersystems und insbesondere das Funktionieren der Übergangsregelung vorzulegen;
D. in der Erwägung, dass die Mehrwertsteuer mit einem Aufkommen von fast einer Billion EUR im Jahr 2014 eine bedeutende und wachsende Einnahmequelle der Mitgliedstaaten ist und in die Eigenmittel der EU einfließt und dass sich die Gesamteinnahmen in der Kategorie der Mehrwertsteuer-Eigenmittel im Jahr 2014 auf 17,667 Mrd. EUR beliefen und 12,27 % der Gesamteinnahmen der EU ausmachten(4);
E. in der Erwägung, dass beim jetzigen Mehrwertsteuersystem – insbesondere, wenn es von Großkonzernen auf grenzüberschreitende Transaktionen angewendet wird – die Gefahr besteht, dass betrogen wird, Steuervermeidungsstrategien angewandt werden, die Mehrwertsteuer insolvenzbedingt nicht erhoben wird oder Fehlkalkulationen durchgeführt werden; in der Erwägung, dass die geschätzte „Mehrwertsteuerlücke“ jährlich rund 170 Mrd. EUR beträgt und bessere digitale Technologien verfügbar werden, mit denen sich dieser Fehlbetrag senken lässt;
F. in der Erwägung, dass laut einer Studie der Kommission(5) allein durch den sogenannten Karussellbetrug (Missing Trader Intra-Community fraud – innergemeinschaftlicher Missing-Trader-Betrug) ein Mehrwertsteuerausfall in Höhe von etwa 45–53 Mrd. EUR jährlich verursacht wird;
G. in der Erwägung, dass in den Mitgliedstaaten der Erfolg im Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug und ‑vermeidung unterschiedlich groß ist, da die Spanne bei der „Mehrwertsteuerlücke“ Schätzungen zufolge je nach Staat von weniger als 5 % bis zu über 40 % reicht;
H. in der Erwägung, dass laut Schätzungen von Europol den Mitgliedstaaten durch kriminelle Vereinigungen Mehrwertsteuerausfälle in Höhe von 40 bis 60 Mrd. EUR jährlich entstehen und dass 2 % dieser Vereinigungen in 80 % des Karussellbetrugs involviert sind;
I. in der Erwägung, dass die Bezifferung der Steuerausfälle infolge grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs sehr schwierig ist, da nur zwei Mitgliedstaaten – das Vereinigte Königreich und Belgien – diesbezügliche Daten statistisch erfassen und verbreiten;
J. in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten unlängst drei von Eurojust und Europol koordinierte erfolgreiche und aufeinanderfolgende Operationen unter dem Namen Vertigo durchgeführt haben, in deren Rahmen ein Karussellbetrugssystem, bei dem der verursachte Schaden auf insgesamt 320 Mio. EUR beziffert wird, aufgedeckt wurde;
K. in der Erwägung, dass das bestehende Mehrwertsteuersystem insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr hohe Bürokratiekosten verursacht, die speziell für kleine und mittlere Unternehmen unter anderem durch Vereinfachungsmaßnahmen mit digitalen Meldesystemen und gemeinsamen Datenbanken deutlich gesenkt werden könnten;
L. in der Erwägung, dass es viel Spielraum für Verbesserungen beim Abbau verwaltungstechnischer und steuerlicher Hindernisse gibt, durch die besonders Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beeinträchtigt werden;
M. in der Erwägung, dass die Mehrwertsteuer eine Verbrauchsteuer ist, die auf dem Grundsatz der fraktionierten Zahlung mit möglicher Selbstkontrolle durch die Steuerpflichtigen beruht, aber nur zulasten der Endverbraucher gehen sollte, damit sie für die Unternehmen kostenneutral ist; in der Erwägung, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, die Mehrwertsteuer in der Praxis tatsächlich bei den Endverbrauchern zu erheben;
N. in der Erwägung, dass 23 Jahre nach Einführung der Mehrwertsteuerrichtlinie die sogenannten Stillhalte-Ausnahmeregelungen insbesondere im Hinblick auf die heutige digitale Wirtschaft nicht mehr zeitgemäß sind;
O. in der Erwägung, dass die Kommission in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr als 40 Vertragsverletzungsverfahren gegen mehr als zwei Drittel der Mitgliedstaaten eröffnet hat, weil sie gegen Vorschriften der Richtlinie verstoßen haben;
P. in der Erwägung, dass für die Forderung nach einem endgültigen Mehrwertsteuersystem nach dem Ursprungslandprinzip keine Mehrheiten zu erreichen sind, da dann eine stärkere Harmonisierung der Steuersätze notwendig wäre, um massive Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern;
Q. in der Erwägung, dass es sich bei der Bekämpfung von Steuerbetrug um eine der größten steuerpolitischen Herausforderungen handelt, vor denen die Mitgliedstaaten stehen;
R. in der Erwägung, dass es sich bei Mehrwertsteuerbetrug um eine äußerst schädliche Praxis handelt, durch die die Mitgliedstaaten einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen einbüßen und ihre Haushaltskonsolidierungsbemühungen beeinträchtigt werden;
S. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten und die Steuerzahler in der EU durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug Jahr für Jahr Einnahmeeinbußen in Höhe von fast 50 Mrd. EU erleiden;
T. in der Erwägung, dass es viele Arten des Mehrwertsteuerbetrugs gibt, die ständig weiterentwickelt werden und viele Wirtschaftsbereiche betreffen, weshalb es einer zügigen Anpassung der einschlägigen Rechtsvorschriften mit dem Ziel bedarf, zu einem dauerhaften und einfachen Mehrwertsteuersystem zu gelangen, mit dem sich Betrug und potenzielle Steuereinnahmeverluste verhindern lassen;
U. in der Erwägung, dass durch Pilotprojekte zum Reverse-Charge-Verfahren keine Verzögerungen bei der Einführung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems, so wie es im Fahrplan zum Aktionsplan der Kommission vorgesehen ist, verursacht oder bewirkt werden dürfen;
V. in der Erwägung, dass zwecks Mehrwertsteuerbetrug am häufigsten auf sogenannte Karussellgeschäfte zurückgegriffen wird; in der Erwägung, dass diese Art des Betrugs im Handel mit elektronischen Bauteilen, in der Mobilfunkbranche und in der Textilbranche sehr gängig ist und darin besteht, Waren zwischen mehreren Unternehmen, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, „zirkulieren“ zu lassen und dabei die Tatsache auszunutzen, dass auf innergemeinschaftliche Warenlieferungen keine Steuer erhoben wird;
W. in der Erwägung, dass es dringend einer verstärkten und dauerhaften Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bedarf, in deren Rahmen umfassende und ganzheitliche Betrugsbekämpfungsstrategien entwickelt werden, vor allem in Anbetracht der derzeitigen Haushaltszwänge in der EU und der Zunahme des elektronischen Handels und des Internethandels, durch die die territoriale Kontrolle über die Mehrwertsteuererhebung schwächer geworden ist;
X. in der Erwägung, dass der Schutz der finanziellen Interessen der Union und der Mitgliedstaaten ein wichtiger Punkt auf der politischen Agenda der Union ist, mit dem das Vertrauen der Bürger gestärkt und vergrößert sowie dafür Sorge getragen wird, dass deren Geld ordnungsgemäß verwendet wird;
Y. in der Erwägung, dass Mehrwertsteuerbetrug dazu führt, dass die Mitgliedstaaten und mithin auch die EU Einnahmeverluste erleiden und die steuerlichen Rahmenbedingungen verzerrt werden, was kleinen und mittleren Unternehmen besonderen Schaden bereitet, und dass Mehrwertsteuerbetrug von kriminellen Vereinigungen betrieben wird, indem sie die Gesetzeslücken ausnutzen, die zwischen den Mitgliedstaaten und ihren zuständigen Aufsichtsbehörden bestehen;
Z. in der Erwägung, dass der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht Nr. 24/2015 zu dem Schluss kam, dass Mehrwertsteuerbetrug in erster Linie als kriminelle Praxis eingestuft wird, der ein Ende gesetzt werden muss;
AA. in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C‑105/14, Taricco und andere, feststellte, dass der Begriff „Betrug“ in Artikel 1 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften so definiert wird, dass er auch Mehrwertsteuereinnahmen umfasst;
1. begrüßt die Absicht der Kommission, bis 2017 ein endgültiges Mehrwertsteuersystem vorzuschlagen, das einfach, gerecht, robust, effizient und weniger betrugsanfällig ist;
2. betont, dass ein einfaches Mehrwertsteuersystem, in dem weniger Ausnahmen erforderlich sind, für das ordnungsgemäße Funktionieren des digitalen Binnenmarkts notwendig ist;
3. ist der Ansicht, dass das wissenschaftliche Gutachten, das den Vorschlägen der Kommission für das Aktionsprogramm zugrunde liegt, eine Reihe wertvoller Empfehlungen enthält; betont, dass die Liste der Vorschläge der Kommission für ein robustes, einfaches und weniger betrugsanfälliges Mehrwertsteuersystem keine vollständige Liste ist;
4. begrüßt die aktuelle Mitteilung der Kommission vom 7. April 2016 und die Absicht, weitere Vorkehrungen gegen Betrug zu treffen und die Verbesserung des bestehenden Mehrwertsteuersystems voranzutreiben;
5. hält es zugleich für wichtig, das bestehende System zu verbessern, und fordert grundlegende Reformen, mit denen die Probleme des bestehenden Systems beseitigt oder zumindest deutlich reduziert werden, insbesondere was das Problem der Mehrwertsteuererhebung in der EU betrifft;
6. ist der Ansicht, dass die Kommission alle möglichen Optionen gleichermaßen und ergebnisoffen prüfen und in das Legislativverfahren einbringen sollte;
7. stellt fest, dass es gemeinsamer Anstrengungen der Mitgliedstaaten bedarf, sich auf ein endgültiges Mehrwertsteuersystem zu einigen;
8. stellt fest, dass Einstimmigkeit eine Vorbedingung für eine Einigung über ein besser funktionierendes Mehrwertsteuersystem ist, und fordert daher eine klare Strategie für mehr Einfachheit und weniger Ausnahmen im Rahmen eines pragmatischen Ansatzes, bei dem den Interessen der sich schnell entwickelnden digitalen Wirtschaft Rechnung getragen wird;
9. erachtet es als wesentlich, dass die Mitgliedstaaten eine koordinierte Steuerpolitik betreiben und schneller und häufiger Informationen über den innergemeinschaftlichen Handel austauschen, um Steuerhinterziehung und Steuervermeidung wirkungsvoller zu bekämpfen und die bestehende „Mehrwertsteuerlücke“ endlich zu schließen;
10. bestärkt die Kommission und die staatlichen Stellen darin, neue Technologien, z. B. die Technologie der dezentralen Transaktionsnetzwerke (Distributed Ledger Technology) und die Echtzeitüberwachung, als Teil einer RegTech-Agenda in Betracht zu ziehen und zu testen, um die derzeit beachtlich große „Mehrwertsteuerlücke“ in der Union erheblich zu verkleinern;
11. betont, dass die Steuerverwaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Mehrwertsteuer einfach und KMU-freundlich entrichtet werden kann, was durch eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Behörden unterstützt werden kann;
12. ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten in der Vergangenheit unzureichend waren und auch die Tätigkeiten des Netzes Eurofisc bisher nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben; ist der Ansicht, dass der Datenaustausch über Eurofisc stärker auf die Aufdeckung betrügerischer Aktivitäten ausgerichtet werden sollte; begrüßt den anstehenden Vorschlag der Kommission zur Verbesserung der Funktionsweise von Eurofisc;
13. weist darauf hin, dass sich das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) als hilfreiches Instrument im Kampf gegen Betrug erwiesen hat, da die Steuerverwaltungen über dieses System händlerbezogene Daten länderübergreifend abstimmen können, jedoch nach wie vor Defizite bei der Anwendung bestehen, insbesondere was die Aktualität der Informationen, die Schnelligkeit bei der Beantwortung von Anfragen und die Reaktionsgeschwindigkeit bei gemeldeten Fehlern anbelangt; empfiehlt daher, dass die Mitgliedstaaten der Behebung dieser Missstände gebührende Aufmerksamkeit widmen;
14. stellt fest, dass die von den nationalen Behörden an Eurofisc weitergeleiteten Daten nicht so gefiltert werden, dass ausschließlich Verdachtsfälle übermittelt werden, wodurch das optimale Funktionieren des Netzes verhindert wird; befürwortet die Initiative einiger Mitgliedstaaten zur Einrichtung nationaler Risikoanalysewerkzeuge, mit denen Daten gefahrlos so gefiltert werden können, dass in keinem Mitgliedstaat Verdachtsfälle außer Acht gelassen werden, und dank deren Eurofisc zügig auf grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug reagieren kann;
15. betont, dass die Steuerverwaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Mehrwertsteuer ordnungsgemäß und unkompliziert entrichtet wird;
16. weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten – um die Mehrwertsteuer in ihrem Hoheitsgebiet einziehen zu können – in hohem Maße auf die Informationen anderer Mitgliedstaaten über den innergemeinschaftlichen Handel angewiesen sind; fordert, dass die zuständigen Stellen insbesondere die Mehrwertsteuer- und Zolldaten automatisch untereinander austauschen und vergleichen und zuverlässige und benutzerfreundliche Möglichkeiten im Bereich der Informationstechnologie, z. B. einheitliche elektronische Formulare, nutzen, um grenzüberschreitende Lieferungen von Waren und Dienstleistungen an die Endverbraucher zu erfassen; ist der Ansicht, dass die Verwendung von Mehrwertsteuer-Lokationsnummern (VLN) eine sinnvolle Maßnahme sein könnte, bei der Kunden keine Vorsteuer abziehen dürfen, wenn die Mehrwertsteuer auf einer Rechnung ohne gültige VLN ausgewiesen wird;
17. vertritt die Auffassung, dass der Mangel an vergleichbaren Daten und einschlägigen aussagekräftigen Kennzahlen zur Bewertung der Leistung der Mitgliedstaaten die Wirksamkeit des EU-Systems zur Bekämpfung des innergemeinschaftlichen Mehrwertsteuerbetrugs beeinträchtigt, und fordert daher die Steuerverwaltungen auf, in Abstimmung mit der Kommission ein gemeinsames System einzurichten, mit dem sich das Ausmaß dieses Betrugs abschätzen lässt, und anschließend Ziele für dessen Eindämmung zu setzen, da auf dieser Grundlage der Erfolg der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung dieses Problems bewertet werden könnte;
18. fordert die Mitgliedstaaten auf, den Informationsaustausch mit Justiz- und Rechtsdurchsetzungsbehörden wie Europol und dem OLAF gemäß der Empfehlung des Rechnungshofs zu fördern;
19. weist darauf hin, dass das Zollverfahren 42, nach dem eine Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn in einen Mitgliedstaat eingeführte Waren anschließend in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden, offensichtlich anfällig für betrügerischen Missbrauch ist; stellt fest, dass wirksame Überkreuzprüfungen der im Besitz der Steuerverwaltungen befindlichen Daten entscheidend dazu beitragen, diese Art des Betrugs aufzudecken und auszumerzen; fordert daher die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, im Einklang mit den Empfehlungen des Rechnungshofs Maßnahmen zu ergreifen, um den Informationsfluss zwischen den Steuerverwaltungen und Zollbehörden hinsichtlich der Einfuhren gemäß Zollverfahren 42 zu fördern;
20. unterstützt das Ziel des Aktionsplans, einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum einzuführen, der eine Stütze für einen vertieften und faireren Binnenmarkt sein und zur Förderung von Steuergerechtigkeit, nachhaltigem Verbrauch, Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit beitragen soll und mit dem zugleich die Möglichkeiten zum Mehrwertsteuerbetrug eingeschränkt werden sollen;
21. fordert in diesem Zusammenhang, dass Dienstleistungen so bald wie möglich vollständig in das neue System eingegliedert werden, und fordert insbesondere, dass Finanzdienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen;
22. teilt die Ansicht der Kommission, dass das endgültige Mehrwertsteuersystem auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsland der Waren und Dienstleistungen beruhen soll, da die Durchsetzung des Ursprungslandprinzips nicht möglich war;
23. befürwortet die allgemeine Anwendung des Bestimmungslandprinzips bei Fernverkäufen an Privatpersonen und die Einführung harmonisierter Maßnahmen zugunsten von Kleinunternehmen;
24. fordert, bei der Einführung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems den technologischen Fortschritt in der digitalen Welt in die bestehenden Besteuerungsmodelle einzubauen, damit es sich auch für das 21. Jahrhundert eignet;
25. stellt fest, dass das momentane Nebeneinander vieler unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze große Unsicherheiten für Unternehmen, die grenzüberschreitend handeln, mit sich bringt, insbesondere in der Dienstleistungsbranche und für KMU; stellt fest, dass diese Unsicherheiten auch durch die Frage nach der Zuständigkeit für die Mehrwertsteuererhebung, Belege für innergemeinschaftliche Lieferungen, das Risiko, in Karussellbetrug verwickelt zu sein, Liquiditätsprobleme und unterschiedliche Mehrwertsteuersätze für unterschiedliche Produktkategorien innerhalb desselben Landes bedingt sind; fordert die Kommission daher auf, bis Mitte 2017 zu untersuchen, wie sich Karussellbetrug auswirkt; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich auf eine stärkere Konvergenz der Mehrwertsteuersätze zu einigen;
26. fordert die Kommission auf, eine Abschätzung der Folgen einer ausbleibenden Harmonisierung der Steuersätze auf Unionsebene, insbesondere bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten, durchzuführen und Möglichkeiten zur Beseitigung der diesbezüglichen Hindernisse zu prüfen;
27. unterstützt die von der Kommission vorgeschlagene Option, das vom Rat zu billigende Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze angewandt werden können, regelmäßig zu überprüfen; fordert, dass im Zusammenhang mit diesem Verzeichnis politischen Prioritäten in Bereichen wie Sozialpolitik, Geschlechtergleichstellung, Gesundheit, Umweltschutz, Ernährung und Kultur Rechnung getragen werden muss;
28. ist der Ansicht, dass die von der Kommission als Alternative vorgeschlagene völlige Abschaffung der Mindeststeuersätze zu beachtlichen Wettbewerbsverzerrungen und Problemen im Binnenmarkt führen kann; vertritt die Auffassung, dass der notwendigen stärkeren Harmonisierung, die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, Rechnung getragen werden sollte;
29. fordert, zu prüfen, ob mit dem Ziel, eine Alternative zu dem bisherigen System ermäßigter Mehrwertsteuersätze zu finden, ein einheitliches EU-Verzeichnis der ermäßigt besteuerten Waren und Dienstleistungen beschlossen werden könnte, wodurch das Mehrwertsteuersystem wesentlich effizienter gestaltet werden könnte und ein besser strukturiertes System als das bisherige entstünde;
30. erachtet es als wichtig, weniger Ausnahmen zuzulassen, wenn es gilt, den Mehrwertsteuerbetrug zu bekämpfen, und hält ein einfaches Mehrwertsteuersystem mit einem möglichst niedrigen Satz für das beste und wirkungsvollste Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs;
31. ist der Ansicht, dass das komplizierte bestehende System wesentlich vereinfacht werden könnte, wenn die Zahl der Waren und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze angewandt werden dürfen, verringert würde und wenn bestimmte Waren und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze angewandt werden dürfen, von den Mitgliedstaaten gemeinsam auf EU-Ebene festgelegt würden, während die Mitgliedstaaten über die Höhe der Steuersätze entscheiden dürfen, solange sie mit den in der Mehrwertsteuerrichtlinie niedergelegten Mindeststeuersätzen im Einklang stehen und sofern dadurch keine Risiken des unlauteren Wettbewerbs geschaffen werden;
32. fordert, dass Produkte nach dem Bestimmungslandprinzip der gleichen Besteuerung unterliegen, egal in welcher Form oder auf welcher Plattform sie erworben werden und ob sie digital oder physisch geliefert werden;
33. stellt fest, dass es für KMU derzeit ein großes Problem ist, dass die Mitgliedstaaten die Begriffe Produkt und Dienstleistung unterschiedlich auslegen; fordert deshalb die Kommission auf, diese Begriffe klarer zu definieren und besser voneinander abzugrenzen;
34. fordert die Mitgliedstaaten auf, private und öffentliche Unternehmen in Bereichen, in denen sie miteinander konkurrieren, bei der Mehrwertsteuer gleichzustellen;
35. weist darauf hin, dass das System der fraktionierten Zahlung der Mehrwertsteuer im Rahmen des BEPS-Projekts der OECD (Aktionspunkt 1) als Referenz für indirekte Besteuerung gewählt wurde, weil dabei die Wirksamkeit der Steuererhebung sichergestellt ist und es schon seinem Wesen nach die Selbstkontrolle der Marktteilnehmer ermöglicht;
36. stellt fest, dass die Artikel 199 und 199a der Mehrwertsteuerrichtlinie die vorübergehende und gezielte Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf grenzüberschreitende Transaktionen und bestimmte stark gefährdete inländische Branchen in den Mitgliedstaaten vorsehen;
37. fordert die Kommission auf, die Folgen des Reverse-Charge-Verfahrens sorgfältig zu analysieren und zu prüfen, ob mit diesem Verfahren Vereinfachungen in Bezug auf die Situation der KMU einhergehen und sich der Mehrwertsteuerbetrug eindämmen lässt;
38. fordert die Kommission auf, die Auswirkungen des Reverse-Charge-Verfahrens nicht nur für einzelne, besonders betrugsanfällige Branchen, sondern generell hinsichtlich Nutzen, Befolgungskosten, Betrug, Wirksamkeit, Umstellungsproblemen und dauerhafter Vor- und Nachteile im Rahmen von Pilotprojekten zu prüfen, so wie es einige Mitgliedstaaten gefordert haben und von der Kommission in der Zwischenzeit ausdrücklich bestätigt worden ist, auch wenn es bislang nicht in ihrem Aktionsplan enthalten war; betont, dass durch diese Pilotprojekte jedoch auf keinen Fall Verzögerungen bei der Gestaltung und Umsetzung einer dauerhaften Mehrwertsteuerregelung, so wie sie im Fahrplan zum Aktionsplan der Kommission vorgesehen ist, verursacht oder bewirkt werden dürfen;
39. ist der Ansicht, dass bei der generellen Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips die nationalen Steuerverwaltungen mehr Verantwortung für die Einhaltung der Steuerpflicht und die Reduzierung der Umgehungsmöglichkeiten übernehmen müssen; stimmt der Auffassung der Kommission zu, dass konventionelle Verwaltungsmaßnahmen sowie die Aufstockung des Personals und der Ausbau seiner Kompetenzen bezüglich Steuererhebung und Steuerprüfung in den Mitgliedstaaten noch reichlich Spielraum für Verbesserungen bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs bieten; hält es für dringend geboten, die Steuerprüfung zu intensivieren und die Sanktionen gegen die größten Steuerhinterzieher zu verschärfen; fordert die Kommission auf, in diesem Zusammenhang angemessene finanzielle und fachliche Unterstützung bereitzustellen;
40. ist der Ansicht, dass die Kommission die Leistung der nationalen Steuerverwaltungen genau überwachen und deren Zusammenarbeit verbessern sollte;
41. begrüßt die Ankündigung der Kommission, die Regelung mit einer einzigen Mini-Anlaufstelle auszuweiten und zu einer Regelung mit einer einzigen Anlaufstelle umzugestalten; stellt fest, dass es von überragender Bedeutung ist, die Regelung mit einer einzigen Anlaufstelle in allen 28 Mitgliedstaaten benutzerfreundlich und gleichermaßen effizient zu gestalten; stellt fest, dass Bürokratiekosten, durch die Unternehmen an einer grenzüberschreitenden Tätigkeit gehindert werden, abgebaut würden und KMU weniger Kosten entstünden, wenn die Regelung mit einer einzigen Anlaufstelle eingeführt würde (COM(2016)0148);
42. stellt fest, dass eine einzige Anlaufstelle unentbehrlich ist, wenn es gilt, das Bestimmungslandprinzip durchzusetzen und weniger betrugsanfällig zu machen; fordert, die Regelung mit einer einzigen Anlaufstelle nach Maßgabe der aktuellen Erfahrungen mit der Regelung mit einer einzigen Mini-Anlaufstelle für digitale Produkte zu verbessern; weist darauf hin, dass nach dem neuen Bestimmungslandprinzip kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen mit erheblichen Bürokratiekosten konfrontiert sein können, selbst wenn die Regelung mit einer einzigen Mini-Anlaufstelle eingeführt wird; begrüßt daher den im Aktionsplan der Kommission enthaltenen Vorschlag, eine EU-weit einheitliche Vereinfachung (Mehrwertsteuerschwelle) einzuführen; fordert, klar zu definieren, welcher Mitgliedstaat bei grenzüberschreitenden Transaktionen für die Steuerprüfung zuständig ist; begrüßt das Vorhaben der Kommission, im Rahmen ihres Aktionsplans im Bereich der Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr von Sendungen mit geringem Wert aus Drittländern aufzuheben;
43. stellt fest, dass unterschiedliche Mehrwertsteuervorschriften in der EU auch als nichttarifäres Handelshemmnis im Binnenmarkt aufgefasst werden könnten; betont, dass die Regelung mit einer einzigen Mini-Anlaufstelle im Bereich der Mehrwertsteuer eine gute Möglichkeit bietet, bei der Beseitigung dieses Hemmnisses voranzukommen und insbesondere KMU bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten zu unterstützen; räumt ein, dass es bei der genannten Regelung immer noch einige kleinere Probleme gibt; fordert die Kommission auf, die Zahlung der Mehrwertsteuerverbindlichkeiten für Unternehmen in der gesamten Union weiter zu vereinfachen;
44. verweist auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑97/09 (Ingrid Schmelz gegen Finanzamt Waldviertel); stellt fest, dass es 28 unterschiedliche Schwellenwerte für die Mehrwertsteuerbefreiung gibt; stellt fest, dass KMU und Kleinstunternehmen, die gemäß den jeweiligen nationalen Vorschriften von der Mehrwertsteuer befreit wären, mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert sind, die infolge der unterschiedlichen Regelungen entstehen; fordert die Kommission auf, weitere Studien über die Einführung eines Schwellenwerts für die Mehrwertsteuerbefreiung von Kleinstunternehmen durchzuführen;
45. fordert, alle Vorschläge zu prüfen, um den Bürokratieaufwand im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer für Kleinstunternehmen und KMU zu minimieren; legt der Kommission in diesem Zusammenhang nahe, auch international bewährte Verfahren zu prüfen, beispielsweise die Gold-Card-Regelungen in Singapur und Australien, wobei festzustellen ist, dass das Betrugsrisiko seitens einiger Anbieter sehr gering ist;
46. begrüßt die Ankündigung der Kommission, 2017 ein KMU-Paket im Bereich der Mehrwertsteuer vorzulegen; empfiehlt jedoch, die neue Rahmenregelung schrittweise einzuführen, da infolge dieser Regelung zusätzliche Verwaltungskosten (z. B. für IT‑Infrastruktur oder Mehrwertsteuerverfahren) entstehen;
47. stellt fest, dass KMU durch das komplexe Einreichungssystem ein hoher Bürokratieaufwand entsteht, der eine abschreckende Wirkung auf den grenzüberschreitenden Handel entfaltet; fordert die Kommission auf, in ihr KMU-Paket auch einen Vorschlag aufzunehmen, die Einreichung von Mehrwertsteuererklärungen sowie die Meldepflichten und ‑fristen zu vereinheitlichen;
48. betont, dass es ein harmonisiertes Mehrwertsteuerumfeld für den B2B‑ und den B2C‑Fernabsatz zu schaffen gilt; stellt fest, dass der Schwellenwert im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer in den einzelnen Mitgliedstaaten infolge mangelnder Koordinierung nicht mit dem gleichen Erfolg eingeführt wurde;
49. betont, dass eine neue vereinfachte Mehrwertsteuerregelung so gestaltet sein muss, dass KMU die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Handel problemlos einhalten und in jedem Mitgliedstaat Unterstützung erhalten können, und zwar nicht nur bezüglich der Anpassung an die Vorschriften, sondern auch des Umgangs mit den Mehrwertsteuerverfahren;
50. fordert, in allernächster Zeit ein umfassendes und öffentlich zugängliches Internetportal einzurichten, auf dem sich Unternehmen und Endverbraucher in allen Einzelheiten unkompliziert und übersichtlich über die Mehrwertsteuersätze informieren können, die in den Mitgliedstaaten für einzelne Produkte und Dienstleistungen gelten; hebt hervor, dass Sprache und Design dieses Portals leicht verständlich und benutzerfreundlich sein sollten; bekräftigt seine Überzeugung, dass Maßnahmen gegen den Mehrwertsteuerbetrug noch besser greifen würden, wenn Unternehmen dabei unterstützt würden, die in den Mitgliedstaaten geltenden Mehrwertsteuervorschriften zweifelsfrei zu verstehen; stellt außerdem fest, dass zertifizierte Steuersoftware dazu beitragen könnte, das Risiko bestimmter Arten von Betrug und anderer Unregelmäßigkeiten zu begrenzen, und ehrlichen Unternehmen, die im Inland und grenzüberschreitend tätig sind, Sicherheit geben kann; fordert die Kommission überdies auf, den nationalen Steuerverwaltungen Leitlinien zur Einstufung von Transaktionen hinsichtlich des angewandten Mehrwertsteuersatzes bereitzustellen, um die Befolgungskosten und die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten zu senken; fordert die Mitgliedstaaten auf, Systeme zur Information der Öffentlichkeit, beispielsweise ein Internetportal zur Mehrwertsteuer, einzurichten und dort verlässliche Informationen zu veröffentlichen;
51. fordert die Kommission auf, eine Liste mit aktualisierten Informationen über die Mehrwertsteuervorschriften in jedem einzelnen Mitgliedstaat zu erstellen; hebt gleichzeitig hervor, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die Kommission von ihren Vorschriften und Steuersätzen in Kenntnis zu setzen;
52. stellt fest, dass bei Verkäufen im elektronischen Handel durch die fehlende Einheitlichkeit bei den Schwellenwerten für die Mehrwertsteuerbefreiung den KMU, die im elektronischen Handel tätig sind, hohe Transaktionskosten entstehen, wenn sie unbeabsichtigt oder versehentlich den Schwellenwert überschreiten;
53. fordert die Mitgliedstaaten auf, der Kommission rasch Informationen über die in dem jeweiligen Land geltenden Mehrwertsteuersätze, besonderen Anforderungen und Befreiungen zu übermitteln; fordert die Kommission auf, diese Informationen zu sammeln und Unternehmen und Verbrauchern zur Verfügung zu stellen;
54. ist der Ansicht, dass für die von der Kommission im Aktionsprogramm angekündigten Reformpläne zur Mehrwertsteuer eine umfassende, qualitativ zuverlässige Folgenabschätzung unter Beteiligung der Wissenschaft, der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, der KMU und der Unternehmen in der EU notwendig ist;
55. betont, dass das Steuerrecht in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt; hebt hervor, dass gemäß Artikel 329 Absatz 1 AEUV eine Gruppe von mindestens neun Mitgliedstaaten untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit begründen können; fordert die Kommission auf, Vorschläge in Bezug auf eine verstärkte Zusammenarbeit zu unterstützen, mit denen darauf abgezielt wird, im Bereich der Mehrwertsteuer Betrug zu bekämpfen und Bürokratiekosten zu senken;
56. ist der Ansicht, dass eine Lösung im Rahmen der OECD gegenüber für sich allein stehenden Maßnahmen zu bevorzugen ist, die ohnehin mit den OECD-Empfehlungen und dem Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Aktionsplan) im Einklang stehen müssten;
57. begrüßt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „EU-eGovernment-Aktionsplan 2016–2020: Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“ (COM(2016)0179);
58. stellt fest, dass der neue Aktionsplan weitere Schritte in Richtung einer endgültigen Regelung enthält, die effizienter und betrugssicher und im Zeitalter der digitalen Wirtschaft und des elektronischen Handels unternehmensfreundlicher ist;
59. unterstützt den Vorschlag der Kommission, der vorsieht, dass die Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Verkäufe (von Waren und Dienstleistungen) von der Steuerverwaltung des Ursprungslandes in Höhe des im Verbrauchsland geltenden Mehrwertsteuersatzes erhoben und an das Land überwiesen wird, in dem die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich verbraucht bzw. in Anspruch genommen werden;
60. erachtet es als sehr wichtig, einen Legislativvorschlag zur Ausweitung des einheitlichen elektronischen Verfahrens für die Meldung und Entrichtung der Mehrwertsteuer auf den grenzüberschreitenden Online-Handel mit physischen Gütern zwischen Unternehmen und Verbrauchern vorzulegen, um den Verwaltungsaufwand – eines der größten Hindernisse für grenzüberschreitend tätige Unternehmen – zu verringern;
61. fordert die Kommission auf, dem Verwaltungsaufwand für Unternehmen, der sich aus der fragmentierten Mehrwertsteuerregelung ergibt, entgegenzuwirken, indem sie Legislativvorschläge zur Ausweitung der derzeitigen Regelung mit einer einzigen Mini-Anlaufstelle auf im Internet vertriebene materielle Güter vorlegt, wodurch Unternehmen in der Lage wären, eine einzige Steuererklärung abzugeben und die Mehrwertsteuer nur einmal in ihrem Sitzmitgliedstaat zu entrichten;
62. fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre nationalen Steuersysteme zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und stabiler zu machen, um die Einhaltung der Vorschriften zu erleichtern, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu verhindern, zu bestrafen und davon abzuschrecken und die Wirksamkeit der Mehrwertsteuererhebung zu erhöhen;
63. ist besorgt darüber, dass mit dem System der Rechnungslegungspflicht für die Mehrwertsteuer als Eigenmittel die angestrebte Vereinfachung nicht in vollem Umfang erreicht worden ist; weist darauf hin, dass das System für die Verwaltung von Eigenmitteln weiter vereinfacht werden muss, um Fehlerquellen und Betrugsmöglichkeiten zu reduzieren; bedauert, dass im neuen Aktionsplan nicht auf die Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel eingegangen wird;
64. weist darauf hin, dass die Mehrwertsteuerlücken der Mitgliedstaaten und die Verluste bei der Mehrwertsteuererhebung in der EU im Jahr 2015 schätzungsweise 170 Mrd. EUR ausmachten; betont, dass in 13 der 26 im Jahr 2014 untersuchten Mitgliedstaaten der geschätzte durchschnittliche Mehrwertsteuerausfall über 15,2 % betrug; fordert die Kommission auf, ihre Durchführungsbefugnisse in vollem Umfang auszuschöpfen, um die Mitgliedstaaten sowohl zu kontrollieren als auch zu unterstützen; weist darauf hin, dass wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Mehrwertsteuerlücke nur mit einem gemeinsamen und multidisziplinären Ansatz getroffen werden können, da diese Lücke nicht nur auf Betrug, sondern auf ein Zusammenspiel von Faktoren zurückzuführen ist, darunter Konkurse und Insolvenzen, statistische Fehler, Zahlungsverzug sowie Steuerhinterziehung und Steuervermeidung; fordert die Kommission erneut auf, zur Erleichterung der Ermittlungen in Betrugsfällen und als Abschreckungsmaßnahme rasch Vorschriften über das Mindestmaß an Informantenschutz in der EU auf den Weg zu bringen und finanzielle Unterstützung für grenzüberschreitenden aufklärerischen Journalismus einzuführen, der seine Wirkmächtigkeit im Zuge von Skandalen wie LuxLeaks, dem Abgasskandal und den Panama-Papieren eindeutig unter Beweis gestellt hat;
65. bedauert, dass durch Mehrwertsteuerbetrug, insbesondere den sogenannten Karussell- oder Missing-Trader-Betrug, der Wettbewerb verzerrt wird, den Staatshaushalten beträchtliche Mittel entzogen werden und dem Haushalt der Union Schaden zugefügt wird; ist darüber besorgt, dass der Kommission keine verlässlichen Daten über Karussellbetrug im Bereich der Mehrwertsteuer vorliegen; fordert die Kommission daher auf, koordinierte Anstrengungen seitens der Mitgliedstaaten anzustoßen, die darauf abzielen, ein gemeinsames System zur Erhebung von Statistiken zu Karussellbetrug im Bereich der Mehrwertsteuer einzurichten; weist darauf hin, dass ein solches System auf Verfahren aufbauen könnte, die in einigen Mitgliedstaaten bereits angewandt werden;
66. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Einführung eines gemeinsamen Systems, mit dem sich der Umfang des innergemeinschaftlichen Mehrwertsteuerbetrugs im Wege der Erhebung einschlägiger statistischer Daten besser schätzen ließe, in die Wege zu leiten, sodass die Mitgliedstaaten ihre diesbezüglichen Leistungen bewerten könnten, und zwar auf der Grundlage präziser und zuverlässiger Indikatoren im Zusammenhang mit der Senkung der Mehrwertsteuersätze in der EU und mit dem Anstieg der Zahl aufgedeckter Betrugsfälle und der damit einhergehenden Steuerbeitreibung; vertritt die Auffassung, dass neue Prüfkonzepte wie die Modelle der einzigen Prüfung und der gemeinsamen Prüfung auf grenzüberschreitende Tätigkeiten ausgeweitet werden sollten;
67. weist darauf hin, dass neue Strategien umgesetzt und die bestehenden Unionsstrukturen effizienter genutzt werden müssen, um verstärkt gegen Mehrwertsteuerbetrug vorzugehen; hebt hervor, dass sowohl mehr Transparenz im Interesse einer wirksamen Kontrolle als auch ein besser strukturierter und „risikobasierter“ Ansatz unbedingt notwendig sind, wenn es gilt, Betrugsmechanismen und Korruption zu erkennen und zu unterbinden;
68. bedauert, dass die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs immer noch nicht so gestaltet ist, dass wirksam gegen die Hinterziehung der Mehrwertsteuer und die Betrugsmechanismen in der EU vorgegangen werden könnte und grenzüberschreitende Transaktionen und der grenzüberschreitende Handel effizient geregelt wären; betont, dass es eines vereinfachten, wirksamen und verständlichen Mehrwertsteuersystems bedarf, das alle Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, ihre Mehrwertsteuerbelastung zu verringern und Mehrwertsteuerbetrug zu bekämpfen; fordert die Kommission daher auf, im Rahmen der Auswertung von Vereinbarungen über die Verwaltungszusammenarbeit Mitgliedstaaten, die im Wege einer Risikoanalyse ausgewählt wurden, verstärkt Kontrollbesuche abzustatten; ersucht die Kommission, im Rahmen der Prüfung der Verwaltungsvereinbarungen den Schwerpunkt auf die Beseitigung rechtlicher Hindernisse zu legen, durch die der Austausch von Informationen zwischen Verwaltungs-, Justiz- und Rechtsdurchsetzungsbehörden auf nationaler und auf EU-Ebene verhindert wird; fordert die Kommission darüber hinaus auf, zu empfehlen, dass die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Risikoanalyse – auch unter Rückgriff auf Analysen der sozialen Netzwerke – einführen, damit die über Eurofisc ausgetauschten Informationen gezielt für die Betrugsbekämpfung genutzt werden können; fordert die Mitgliedstaaten auf, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorzusehen und das derzeit eingesetzte System des Informationsaustauschs zu verbessern;
69. hebt hervor, dass Eurofisc gestärkt werden muss, um den Austausch von Informationen zu beschleunigen; stellt fest, dass nach wie vor Probleme in Bezug auf die Genauigkeit, Vollständigkeit und rechtzeitige Übermittlung der Informationen bestehen; hält es für notwendig, die Maßnahmen der Steuerverwaltungen und der Justiz- und Polizeibehörden der Mitgliedstaaten und europäischer Einrichtungen wie Europol, Eurojust und OLAF, die mit der Bekämpfung von Betrug, organisierter Kriminalität und Geldwäsche betraut sind, zu bündeln und ihre Strategien zu koordinieren; fordert alle Akteure auf, einfache und verständliche Modelle für den Austausch von Echtzeit-Informationen weiter zu prüfen, damit im Rahmen der Bekämpfung bestehender oder neu entstehender Betrugsmechanismen sofort reagiert werden kann oder Maßnahmen zu deren Eindämmung getroffen werden können;
70. hält es für unbedingt notwendig, dass alle Mitgliedstaaten an sämtlichen Tätigkeitsbereichen von Eurofisc mitwirken, damit Mehrwertsteuerbetrug wirksam bekämpft werden kann;
71. fordert die Kommission auf, Vorschläge vorzulegen, auf deren Grundlage wirksame Überkreuzprüfungen zwischen Zoll- und Steuerdaten durchgeführt werden können, und bei ihrer Aufsicht über die Mitgliedstaaten den Schwerpunkt auf Maßnahmen zu legen, die dazu geeignet sind, dass Antworten der Mitgliedstaaten auf Informationsersuchen rascher erteilt werden und das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) verlässlicher wird;
72. ersucht die Kommission, denjenigen Mitgliedstaaten, die noch keine zweifachen Umsatzsteuer-Identifikationsnummern (die Identifikationsnummer für Wirtschaftsbeteiligte, die sich am innergemeinschaftlichen Handel beteiligen möchten, unterscheidet sich von der inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) eingeführt haben, nahezulegen, diesen Schritt nachzuholen und die in Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 vorgesehenen Überprüfungen durchzuführen und gleichzeitig Wirtschaftsbeteiligten kostenfreie Beratung anzubieten;
73. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass die elektronischen Zollabfertigungssysteme der Mitgliedstaaten die automatische Überprüfung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern ermöglichen und auch durchführen;
74. fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie mit dem Ziel vorzuschlagen, eine weitere Harmonisierung der von den Mitgliedstaaten zu erfüllenden Meldepflicht bezüglich der Mehrwertsteuer auf innergemeinschaftliche Lieferungen von Waren und Dienstleistungen herbeizuführen;
75. bedauert, dass der Rat den Vorschlag der Kommission über die gesamtschuldnerische Haftung in Fällen von grenzüberschreitendem Handel nicht angenommen hat; stellt fest, dass dadurch die Abschreckungswirkung in Bezug auf Geschäfte mit betrügerischen Wirtschaftsbeteiligten beeinträchtigt wird; ist der Ansicht, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie im Hinblick auf die Frist für die Abgabe der zusammenfassenden Meldungen in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt wird und dass sich dadurch der Verwaltungsaufwand für Wirtschaftsbeteiligte, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind, erhöht; fordert den Rat daher eindringlich auf, den Vorschlag der Kommission über die gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen;
76. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich auf internationaler Ebene stärker einzubringen, die Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu verstärken und eine effiziente Mehrwertsteuererhebung durchzusetzen, um so Normen und Strategien für die Zusammenarbeit zu entwickeln, die vor allem auf den Grundsätzen der Transparenz, des verantwortungsvollen staatlichen Handelns und des Austauschs von Informationen aufgebaut sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, Informationen von Drittstaaten untereinander auszutauschen, um die Durchsetzung der Mehrwertsteuererhebung – insbesondere in Bezug auf den elektronischen Geschäftsverkehr – zu erleichtern;
77. fordert den Rat mit Nachdruck auf, die Mehrwertsteuer in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug („PIF-Richtlinie“) aufzunehmen, um schnellstmöglich eine Einigung in dieser Angelegenheit zu erzielen;
78. fordert die Kommission auf, auch künftig eine Schätzung der durch Mehrwertsteuerbetrug erzielten Einnahmen krimineller Vereinigungen vorzunehmen und eine umfassende, gemeinsame und multidisziplinäre Strategie vorzulegen, in deren Rahmen gegen die auf Mehrwertsteuerbetrug gestützten Geschäftsmodelle krimineller Vereinigungen vorgegangen wird – falls notwendig, auch mit gemeinsamen Ermittlungsteams;
79. hält es für sehr wichtig, eine einzige, leistungsstarke und unabhängige Europäische Staatsanwaltschaft zu errichten, die tatsächlich in der Lage ist, gegen die Personen, denen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteter Betrug, einschließlich Mehrwertsteuerbetrug, vorgeworfen wird, nach Maßgabe der PIF‑Richtlinie zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen, und vertritt die Auffassung, dass jede schwächere Lösung zulasten des Haushalts der Union gehen würde; hebt überdies hervor, dass bei der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden der Mitgliedstaaten dafür Sorge getragen werden muss, dass Straftaten mit wesentlichen Auswirkungen auf den Unionshaushalt nicht aus dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Staatsanwalt ausgeschlossen werden;
80. fordert alle Mitgliedstaaten auf, Schätzungen zu den durch innergemeinschaftlichen Mehrwertsteuerbetrug entstandenen Einnahmeverlusten zu veröffentlichen, die Schwachstellen von Eurofisc in Angriff zu nehmen und ihre politischen Strategien zur Umkehrung der Mehrwertsteuerschuldnerschaft im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen besser zu koordinieren;
81. hält es im Hinblick auf die wirksame Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug für entscheidend, dass die Mitgliedstaaten auf multilaterale Prüfungen zurückgreifen und in diesem Rahmen mindestens zwei Mitgliedstaaten auf koordinierte Weise die Steuerschuld eines oder mehrerer betroffener Steuerpflichtiger prüfen;
82. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten zu übermitteln.
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Aktionsplan der EU zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels“ (COM(2016)0087),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2014 zu Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten,(1)
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES), das in der EU im Wege der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels und gemäß der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates durchgeführt wird,
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2015/451 des Rates vom 6. März 2015 über den Beitritt der Europäischen Union zum Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES),(2)
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 2003 gegen Korruption,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Übereinkommen von Bern),
– unter Hinweis auf den World Wildlife Crime Report (Bericht über Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten) des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) von 2016,
– unter Hinweis auf die am 30. Juli 2015 angenommene Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 69/314 zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels,
– unter Hinweis auf die Resolution der Umweltversammlung der Vereinten Nationen 2/14 zum illegalen Handel mit Exemplaren wildlebender Tiere und Pflanzen,
– unter Hinweis auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2015–2030,
– unter Hinweis auf das Internationale Konsortium für die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten (International Consortium on combating Wildlife Crime, ICCWC), dem das CITES-Sekretariat, Interpol, das UNODC, die Weltbank und die Weltzollorganisation angehören,
– unter Hinweis auf die Erklärung, die auf der Londoner Konferenz zu illegalem Artenhandel und Wilderei 2014 unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Buckingham-Palasts von 2016 über die Rolle des Verkehrssektors bei der Verhinderung des illegalen Artenhandels,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen,(3) 4 und den diesbezüglichen Umsetzungsbericht der Kommission von 2016,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates vom 29. September 2008 über ein Gemeinschaftssystem zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Fischerei)(4),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 605/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1185/2003 des Rates über das Abtrennen von Haifischflossen an Bord von Schiffen(5) und Verordnung (EG) Nr. 206/2009 der Kommission vom 5. März 2009(6), nach der es zulässig ist, 20 kg Fischerzeugnisse für den persönlichen Verbrauch einzuführen,
– unter Hinweis auf die Bedeutung der durch die Verordnung (EG) Nr. 768/2005 des Rates eingerichteten Europäischen Fischereiaufsichtsagentur für die Bekämpfung des illegalen Fangs und Verkaufs von Meerestieren,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt,(7)
– unter Hinweis auf die Richtlinie 1999/22/EG des Rates vom 29. März 1999 über die Haltung von Wildtieren in Zoos,(8)
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten,(9)
– unter Hinweis auf die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen,(10)
– unter Hinweis auf die von der zuständigen Fachabteilung für den Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im März 2016 veröffentlichte Studie über Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten,
– unter Hinweis auf das Natura-2000-Netz, das wichtige Brut- und Raststätten für seltene und bedrohte Arten und einige seltene natürliche Lebensraumtypen, die ihrer selbst wegen unter Schutz stehen, umfasst,
– unter Hinweis auf den Bericht über das EU-Forschungsprojekt zur Bekämpfung von Umweltkriminalität (EFFACE) von 2014,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Februar 2016 zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der VN-Kommission für Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege vom 4. März 2003 über den illegalen Handel mit geschützten Arten wildlebender Pflanzen und Tiere und den illegalen Zugang zu genetischen Ressourcen,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juni 2016 zum EU‑Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels,
– unter Hinweis auf die 2016 vorgenommene Bewertung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und Interpols über die Zunahme der Umweltkriminalität (The Rise of Environmental Crime),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie die Stellungnahmen des Entwicklungsausschusses, des Ausschusses für internationalen Handel, des Fischereiausschusses und des Rechtsausschusses (A8‑0303/2016),
A. in der Erwägung, dass der illegale Artenhandel als Straftatbestand der organisierten internationalen Kriminalität gilt, die Erträge daraus etwa 20 Milliarden EUR pro Jahr betragen und er weltweit in den letzten Jahren zugenommen hat, sodass er mittlerweile einen der größten und lukrativsten Bereiche der organisierten grenzüberschreitenden Kriminalität darstellt; in der Erwägung, dass der illegale Artenhandel als Finanzquelle für andere Formen des schweren und organisierten Verbrechens dient und mit diesen in engem Zusammenhang steht;
B. in der Erwägung, dass der derzeitige Schwund der Artenvielfalt auf der Welt ein schwerwiegender Vorgang und die sechste Welle des massiven Artensterbens ist;
C. in der Erwägung, dass die Artenvielfalt und Ökosystemdienstleistungen aufgrund von Landnutzungsänderungen, einer nicht nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen sowie aufgrund von Umweltverschmutzung und Klimawandel weltweit gefährdet sind; in der Erwägung, dass insbesondere die Herausforderungen für viele gefährdete Arten aufgrund der rasch voranschreitenden Verstädterung, des Lebensraumverlusts und des illegalen Artenhandels zugenommen haben;
D. in der Erwägung, dass der illegale Artenhandel schwerwiegende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die bestehenden Ökosysteme, das Naturerbe der Herkunftsländer, die natürlichen Ressourcen und den Artenschutz hat;
E. in der Erwägung, dass der illegale Artenhandel eine erstzunehmende und wachsende Bedrohung für die weltweite Sicherheit, die politische Stabilität, die wirtschaftliche Entwicklung, die Lebensgrundlagen in den betroffenen Ländern und die Rechtstaatlichkeit darstellt und dass daher ein strategischer, koordinierter EU-weiter Ansatz erforderlich ist, der alle Akteure miteinbezieht;
F. in der Erwägung, dass die Unterbindung des illegalen Handels mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sowie mit aus ihnen gewonnenen Erzeugnissen von ausschlaggebender Bedeutung ist, wenn die Ziele der Vereinten Nationen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung verwirklicht werden sollen;
G. in der Erwägung, dass das CITES ein wichtiges internationales Übereinkommen ist, das 35 000 Tier‑ und Pflanzenarten umfasst, seit 1975 in Kraft ist und von 183 Vertragsparteien (einschließlich aller EU-Mitgliedstaaten und seit Juli 2015 der EU selbst) unterzeichnet wurde;
H. in der Erwägung, dass die Handels- und Entwicklungspolitik unter anderem dazu dienen sollte, die Achtung der Menschenrechte sowie den Tier- und den Umweltschutz voranzubringen;
I. in der Erwägung, dass der illegale Artenhandel seit 2005 durch EU-TWIX (EU Trade in Wildlife Information Exchange) überwacht wird, indem eine Datenbank über Beschlagnahmen sowie Kommunikationskanäle zwischen Beamten in europäischen Ländern geschaffen wurden;
J. in der Erwägung, dass die wirksame Bekämpfung des illegalen Artenhandels in wesentlichem Maße dadurch behindert wird, dass es an Informationen und politischem Willen mangelt;
K. in der Erwägung, dass in der Europäischen Sicherheitsagenda für den Zeitraum 2015 bis 2020 Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten als eine Art des organisierten Verbrechens definiert werden, das auf EU-Ebene bekämpft werden muss, indem EU-weit weitere strafrechtliche Sanktionen im Wege einer Überprüfung der vorhandenen Rechtsvorschriften über Umweltkriminalität in Erwägung gezogen werden;
L. in der Erwägung, dass die im Mai 2015 durchgeführte Operation COBRA III der bisher größte koordinierte internationale Strafverfolgungseinsatz war, der auf den illegalen Handel mit gefährdeten Arten abzielte und zu 139 Verhaftungen und über 247 Beschlagnahmungen unter anderem von Elfenbein, Arzneipflanzen, Rhinozeros-Hörnern, Schuppentieren, Rosenholz, Schildkröten und vielen weiteren Pflanzen und Tierarten führte;
M. in der Erwägung, dass durch die Nachfrage nach illegalen Produkten aus wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in den Zielmärkten die Korruption entlang der gesamten Lieferkette des illegalen Artenhandels begünstigt wird;
N. in der Erwägung, dass die EU nicht nur ein bedeutender Zielmarkt und eine Transitstrecke für den illegalen Artenhandel, sondern auch ein Ursprungsmarkt für den Handel mit bestimmten gefährdeten europäischen Tier- und Pflanzenarten ist.
O. in der Erwägung, dass den Mitgliedstaaten der Kommission für Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege der Vereinten Nationen in der Resolution vom April 2013, die am 25. Juli 2013 vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen angenommen wurde, nahegelegt wird, den illegalen Handel mit geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten als schwere Straftat einzustufen, wenn organisierte kriminelle Vereinigungen beteiligt sind, und ihn somit auf die gleiche Stufe wie Menschen- und Drogenhandel zu stellen;
Allgemeine Anmerkungen
1. begrüßt den Aktionsplan der Kommission zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels, in dem betont wird, dass ein koordiniertes Vorgehen erforderlich ist, um die Ursachen des illegalen Artenhandels zu bekämpfen, bestehende Vorschriften wirksam durchzuführen und durchzusetzen und die internationale Zusammenarbeit von Ursprungs‑, Transit‑ und Zielmarktländern zu stärken;
2. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten, den Europäischen Auswärtigen Dienst und die EU-Agenturen Europol und Eurojust auf, anzuerkennen, dass der illegale Artenhandel eine ernstzunehmende und wachsende Gefahr darstellt, gegen die auf politischer Ebene dringend vorgegangen werden muss; betont, dass hierzu umfassende und koordinierte Ansätze, unter Beteiligung verschiedener politischer Bereiche wie z. B. Handel, Entwicklung, Außenpolitik, Verkehr, Tourismus, Justiz und Innenpolitik erforderlich sind;
3. betont, dass ausreichend finanzielle und personelle Mittel veranschlagt und zugewiesen werden müssen, damit der Aktionsplan durchgeführt werden kann; hebt hervor, dass ausreichende Finanzmittel im EU-Haushalt und in den nationalen Haushalten bereitgestellt werden müssen, damit dieser Plan wirksam umgesetzt werden kann;
4. betrachtet den Aktionsplan als wichtig, hebt aber hervor, dass aquatische Arten nicht genügend berücksichtigt werden;
5. fordert, dass alle Bereiche des Aktionsplans vollständig und zügig durchgeführt werden, da illegalen und nicht nachhaltigen Praktiken sowie einem weiteren Artensterben Einhalt geboten werden muss; fordert die Kommission auf, dem Parlament und dem Rat jährlich den aktuellen Stand der Durchführung schriftlich mitzuteilen und einen Mechanismus für die detaillierte und ständige Überwachung und Bewertung einzurichten, mit dem die Fortschritte – dazu zählen auch die von den Mitgliedstaaten unternommenen Maßnahmen – gemessen werden können;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, die Lebensräume der Zielarten stärker zu schützen; betont, dass ein besserer Schutz der als gefährdete marine Ökosysteme gekennzeichneten Gebiete, der ökologisch und biologisch wertvollen Seegebiete und der Natura‑2000‑Gebiete sichergestellt werden sollte;
7. fordert die Kommission auf, ein Koordinationsbüro für den Kampf gegen den illegalen Artenhandel nach dem Vorbild des Büros für den Kampf gegen den Menschenhandel einzurichten, damit die unterschiedlichen Dienststellen der Kommission und der Mitgliedstaaten gemeinsam vorgehen können;
8. weist die Kommission darauf hin, dass auch viele Meerestierarten vom Aussterben bedroht sind, was sich auf die Fortbestandsfähigkeit vieler Ökosysteme auswirken wird;
9. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, wissenschaftliche Studien zu technologischen Anpassungsmöglichkeiten der Fanggeräte voranzutreiben, um so Beifang vorzubeugen, da viele Arten, einschließlich Schildkröten, nicht nur infolge des illegalen Handels mit wildlebenden Tieren, sondern auch durch Beifang bedroht sind;
Unterbindung des illegalen Artenhandels und Bekämpfung seiner Ursachen
10. fordert die EU, Drittländer, Interessenträger und die Zivilgesellschaft auf, eine zielgerichtete und koordinierte Reihe von Informationskampagnen durchzuführen, um einen wirklichen und nachhaltigen kollektiven und individuellen Wandel beim Verhalten zu bewirken und so die Nachfrage im Zusammenhang mit dem illegalen Handel mit Produkten aus wildlebenden Tier- und Pflanzenarten zu senken; stellt fest, dass zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung des Aktionsplans spielen können;
11. fordert die EU auf, Initiativen zur Entwicklung alternativer und nachhaltiger Lebensgrundlagen für die ortsansässigen Bevölkerungsgruppen, die in der Nähe der Lebensräume von wildlebenden Arten leben, zu fördern, sodass vor Ort größerer Nutzen aus den Erhaltungsmaßnahmen gezogen werden kann, der Interessenkonflikt zwischen Menschen und wildlebenden Arten verringert wird und wildlebende Arten als eine wertvolle Einkommensquelle der Bevölkerungsgruppen gefördert werden; vertritt die Ansicht, dass durch derartige Initiativen – wenn sie in Konsultation mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt werden – der Einsatz für den Arterhalt gesteigert wird und zur Erholung, zum Erhalt und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Populationen von wildlebenden Arten und ihren Lebensräumen beitragen wird;
12. betont, dass der Schutz der natürlichen Pflanzen- und Tierwelt ein entscheidender Bestandteil der EU‑Strategien zur Armutsreduzierung sein muss; fordert, dass Maßnahmen ergriffen werden, die die ortsansässigen Bevölkerungsgruppen in die Lage versetzen, direkte Vorteile aus dem Schutz wildlebender Arten – der in den verschiedenen Kooperationsabkommen mit Drittländern zu verankern ist – zu ziehen;
13. weist die Kommission darauf hin, dass der illegale Handel mit Meerestierarten auch die Wirtschaftsentwicklung von Küstengemeinden und die ökologische Eignung unserer Gewässer beeinträchtigt;
14. fordert die EU mit Nachdruck auf, die Korruption und die ordnungspolitischen Defizite auf internationaler Ebene in Angriff zu nehmen, die der illegalen Handelskette von wildlebenden Arten Vorschub leisten; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam mit anderen Ländern im Rahmen von Foren wie dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) die Probleme in den Ursprungs-, Transit- und Zielmarktländern anzugehen; fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Vorgaben des UNCAC uneingeschränkt einzuhalten und wirksam umzusetzen; begrüßt das internationale Engagement im Kampf gegen Korruption, das in Ziffer 10 der Resolution 69/314 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom Juli 2015 zum Ausdruck kommt;
15. stellt fest, dass die Behörden in den Ursprungs-, Transit- und Zielländern bei der Ermittlungstätigkeit, der Durchsetzung und bei gerichtlichen Verfahren auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene Unterstützung, Anleitung und Fortbildung benötigen; hebt hervor, dass diese Anstrengungen auf wirksame Weise mit allen beteiligten Agenturen abgestimmt werden müssen; fordert die EU auf, den Austausch von bewährten Vorgehensweisen zu unterstützen und bei Bedarf Spezialausstattungen und Fachwissen zur Verfügung zu stellen;
16. nimmt die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juni 2016 über den EU-Aktionsplan zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels zur Kenntnis, in denen anerkannt wird, dass Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten eine wachsende und ernstzunehmende Bedrohung für die Artenvielfalt und die Umwelt, aber auch für die weltweite Sicherheit, die Rechtstaatlichkeit, die Menschenrechte und die nachhaltige Entwicklung darstellen; bedauert zutiefst den Mangel an eindeutigen Verpflichtungen seitens der Mitgliedstaaten; betont, dass den Mitgliedstaaten bei der vollständigen und kohärenten Umsetzung des Aktionsplans auf einzelstaatlicher Ebene und bei dem Erreichen der darin festgelegten Zielvorgaben eine entscheidende Rolle zukommt;
17. fordert die Ursprungsländer nachdrücklich auf, i) die Lage in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und wirksame, abschreckende Maßnahmen zu ergreifen, indem vermehrt strafrechtlich ermittelt und vermehrt Anklage erhoben wird und dann auch Urteile verhängt werden, ii) striktere Gesetze zu erlassen, in deren Rahmen der illegale Artenhandel als „schwere Straftat“ gilt, der dasselbe Maß an Aufmerksamkeit gewidmet und die ebenso schwer bestraft wird wie andere Formen der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, iii) mehr Ressourcen für die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit wild lebenden Tier- und Pflanzenarten bereitzustellen und insbesondere auch die Strafverfolgung, die Handelskontrollen, die Überwachung und die Aufspürung bzw. Beschlagnahme durch die Zollbehörden zu stärken und iv) in Hinblick auf Korruption eine Politik der Nulltoleranz zu verfolgen;
Effizientere Durchführung und Durchsetzung
18. fordert die Mitgliedstaaten auf, Aktionspläne zum illegalen Artenhandel zu erstellen, in denen die Maßnahmen zur Durchsetzung und das Strafmaß im Detail aufgelistet sind, und zwecks Kohärenz und Harmonisierung der Konzepte der Mitgliedstaaten Informationen über Beschlagnahmungen und Verhaftungen im Zusammenhang mit dem illegalen Artenhandel zu veröffentlichen und auszutauschen; begrüßt die Einrichtung eines Mechanismus, durch den der Kommission regelmäßig neue Daten und Informationen über Beschlagnahmen und Verhaftungen in den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden und durch den der Austausch bewährter Vorgehensweisen gefördert wird;
19. fordert, dass der Aktionsplan und die EU‑Verordnungen zum illegalen Artenhandel vollständig durchgeführt und durchgesetzt werden;
20. regt strenge Strafen für den illegalen Handel an, insbesondere in Gebieten mit gefährdeten marinen Ökosystemen und in Natura-2000-Gebieten, durch die potenzielle Täter abgeschreckt werden;
21. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaften und ihr jeweiliges Gerichtswesen über ausreichende finanzielle und personelle Mittel sowie geeignetes Fachwissen zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels verfügen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich verstärkt für die Schulung und Sensibilisierung aller in diesem Zusammenhang maßgeblichen Behörden und Einrichtungen einzusetzen;
22. begrüßt die Anstrengungen des Gemeinschaftsnetzes für die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts (IMPEL), des Europäischen Netzes der in Umweltsachen tätigen Staatsanwälte (ENPE), des Europäischen Forums „Richter für die Umwelt“ (EUFJE) und des informellen Polizeinetzes zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (EnviCrimeNet);
23. weist darauf hin, dass der illegale Artenhandel in die Europäische Sicherheitsagenda 2015–2020 aufgenommen wurde, in der anerkannt wird, dass der illegale Artenhandel eine Bedrohung der biologischen Vielfalt in den Ursprungsregionen darstellt sowie die nachhaltige Entwicklung und regionale Stabilität gefährdet;
24. regt an, dass die Mitgliedstaaten die Einnahmen aus den Strafen für illegalen Handel für den Schutz und die Erhaltung von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten einsetzen;
25. fordert grundlegende Veränderungen, was den Erkenntnisgewinn, die Rechtsetzung, die Rechtsdurchsetzung und die Bekämpfung von Korruption im Zusammenhang mit dem illegalen Artenhandel in den Mitgliedstaaten sowie in anderen Ziel- und Transitländern angeht; fordert die Kommission daher auf, der damit zusammenhängenden Verwaltung und Überwachung bei der Durchsetzung der internationalen Normen im Zusammenhang mit dem illegalen Artenhandel besondere Bedeutung beizumessen;
26. betont, dass insbesondere die Maßnahmen und die rechtlichen Rahmen in Bezug auf Straftaten im Zusammenhang mit wild lebenden Tier- und Pflanzenarten harmonisiert werden sollten, damit sich die in diesem Bereich gebildeten kriminellen Netzwerke nicht „verlagern“;
27. betont, dass eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Behörden sowie ein funktionierender und rechtzeitiger Informationsaustausch zwischen den Umsetzungsstellen und den Strafverfolgungsbehörden auf einzelstaatlicher Ebene und EU-Ebene erforderlich ist; fordert, dass Netzwerke für die strategische Durchsetzung auf EU-Ebene und auf einzelstaatlicher Ebene geschaffen werden, um eine solche Zusammenarbeit zu fördern und zu verbessern; fordert alle Mitgliedstaaten auf, Einheiten einzurichten, die auf Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten spezialisiert sind, um die Umsetzung in den verschiedenen Agenturen zu fördern;
28. fordert die Mitgliedstaaten auf, Europol kontinuierlich relevante Informationen und Daten zu übermitteln; fordert Europol nachdrücklich auf, zu prüfen, ob der illegale Artenhandel nicht in die nächste Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität (SOCTA) aufgenommen werden sollte; fordert innerhalb von Europol die Einrichtung einer Sondereinheit mit umfassenden grenzüberschreitenden Befugnissen und Zuständigkeiten, die auf Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten spezialisiert und mit ausreichendem Fachpersonal und hinreichenden Mitteln ausgestattet ist, um Informationen zentral zu erfassen und auszuwerten und um Durchsetzungsstrategien und Ermittlungen zu koordinieren;
29. fordert die Kommission auf, das EU-TWIX-System als ein bewährtes und gut funktionierendes Instrument zum Austausch von Daten und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern und eine langfristige Mittelbindung für dieses System sicherzustellen; ist der Ansicht, dass nichtstaatliche Organisationen bei der Überwachung der Durchsetzung und der Berichterstattung über Straftaten im Zusammenhang mit wild lebenden Arten eine wichtige Rolle spielen können; fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, um solche von nichtstaatlichen Organisationen unternommenen Anstrengungen zu unterstützen;
30. weist darauf hin, dass zwischen Straftaten, bei denen es um wildlebende Tier- und Pflanzenarten geht, und anderen Formen des organisierten Verbrechens wie der Geldwäsche und der Finanzierung von Milizen und terroristischen Gruppen Verbindungen bestehen; vertritt die Auffassung, dass die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Kapitalströme eine Priorität darstellt; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, alle geeigneten Instrumente – dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit der Finanzbranche – zu nutzen und die Auswirkungen neuer Finanzprodukte und Praktiken, die mit diesen Aktivitäten im Zusammenhang stehen, zu überwachen und zu untersuchen;
31. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Bestimmungen der Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt uneingeschränkt umzusetzen und angemessene Sanktionen für Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten festzulegen; ist darüber besorgt, dass einige Mitgliedstaaten die Richtlinie noch nicht vollständig umgesetzt haben; fordert die Kommission auf, die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten, insbesondere in Hinblick auf die eingeführten Sanktionen, zu bewerten und Orientierungshilfen anzubieten; fordert die Kommission auf, die Richtlinie 2008/99/EG insbesondere im Hinblick auf ihre Wirksamkeit im Kampf gegen Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten innerhalb des im Rahmen der Europäischen Sicherheitsagenda vorgesehenen Zeitraums zu überprüfen und bei Bedarf einen Vorschlag für die Überarbeitung vorzulegen; fordert die Kommission auf, gemäß Artikel 83 Absatz 1 AEUV Maßnahmen zur Ausarbeitung und Umsetzung gemeinsamer Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftatbeständen und Sanktionen für den illegalen Artenhandel bei besonders schweren, grenzüberschreitenden Straftaten zu ergreifen;
32. vertritt die Auffassung, dass die zollpolitischen Aspekte des Aktionsplans stärker hervorgehoben werden sollten, und zwar sowohl mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Partnerländern als auch auf eine bessere und effizientere Umsetzung innerhalb der Union; sieht deshalb der Überprüfung der Anwendung und Durchführung der einschlägigen geltenden EU-Rechtsvorschriften, die die Kommission 2016 durchzuführt, erwartungsvoll entgegen und fordert, dass diese Überprüfung eine Bewertung der Zollverfahren umfasst;
33. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Vorgaben des Übereinkommens von Palermo (UNTOC), das die Grundlage für das internationale Vorgehen und für gegenseitige Rechtshilfe darstellt, wirksam umzusetzen und zu befolgen und so einen entscheidenden Schritt hin zu einem in gemeinsamer Mitsprache konzipierten Kampf gegen Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten zu vollziehen; bedauert in diesem Zusammenhang zutiefst, dass elf Mitgliedstaaten das UNTOC noch nicht ratifiziert haben; fordert die betroffenen Mitgliedstaaten auf, das Übereinkommen schnellstmöglich umzusetzen;
34. hält im Kampf gegen Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten konsequente, wirksame und abschreckende Strafmaßnahmen für erforderlich; fordert die Mitgliedstaaten auf, den illegalen Artenhandel gemäß Artikel 2 Buchstabe b des UNTOC als schwere Straftat einzustufen;
35. stellt fest, dass den Richtern und Staatsanwälten der Mitgliedstaaten Anleitungen zur Strafverfolgung und Verurteilung an die Hand gegeben werden müssen und dass Schulungen für die Zoll‑ und Vollzugsbeamten an den Grenzübergangsstellen der EU notwendig sind; vertritt die Auffassung, dass sich die EU das „Global Judges Programme“ der UNEP und die Partnerschaft „Green Customs Initiative“ zum Vorbild nehmen sollte;
36. fordert die Kommission, die relevanten EU-Agenturen und die Mitgliedstaaten auf, sich das Ausmaß des illegalen Online-Handels mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten bewusst zu machen, in den Zollbehörden und in den Einheiten, die auf Umweltkriminalität spezialisiert sind, Kapazitäten zu schaffen, sich besser mit den auf Cyberkriminalität spezialisierten Einheiten abzustimmen und das Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen zu fördern, damit Kanäle zur Verfügung stehen, über die Unterstützung durch auf Cyberkriminalität spezialisierte grenzüberschreitende Einheiten angefordert werden kann;
37. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, sich gemeinsam mit den Betreibern von Plattformen sozialer Medien, von Suchmaschinen und von Plattformen des elektronischen Handels gegen den illegalen Online-Handel mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten einzusetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Überwachungsmaßnahmen zu stärken und politische Maßnahmen zu entwickeln, um möglichen illegalen Aktivitäten im Internet entgegenzuwirken; fordert die Kommission daher auf, Leitlinien für den Umgang mit dem Problem der Internet-Kriminalität im Zusammenhang mit wildlebenden Tier‑ und Pflanzenarten auf EU-Ebene auszuarbeiten;
38. fordert die EU und die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten auf, die Muster, nach denen in anderen Formen der schweren und organisierten Kriminalität, wie z. B. dem Menschenhandel, vorgegangen wird, zu ermitteln und zu beobachten, um Präventivmaßnahmen und die Untersuchung von Unregelmäßigkeiten in der Versorgungskette zu fördern, wenn diese mit dem Kampf gegen den illegalen Artenhandel im Zusammenhang stehen, z. B. bei verdächtigen Lieferungen und Finanztransaktionen;
39. begrüßt, dass die EU erstmals an der COP 17 als CITES-Vertragspartei teilnimmt, sowie die Tatsache, dass die EU und die Mitgliedstaaten sich entschlossen für das CITES einsetzen und diesem beachtliche finanzielle Unterstützung zukommen lassen;
40. begrüßt das Verfahren der UNEP-Sachverständigenprüfung, in dessen Rahmen eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Umweltstraftat erarbeitet werden soll; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die rechtlichen Grenzen zwischen verschiedenen Umweltstraftaten in manchen Fällen unscharf verlaufen, was eine Einschränkung der Möglichkeiten einer wirksamen Strafverfolgung und Bestrafung zur Folge haben kann;
Stärkung der globalen Partnerschaft
41. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Ursprungs-, Transit- und Zielmarktländern des illegalen Artenhandels zu intensivieren und ihnen technische, wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung anzubieten; ist der Ansicht, dass die EU auf internationaler Ebene tätig werden muss, was die Unterstützung von Drittländern bei der Bekämpfung des illegalen Artenhandels angeht, und dass sie im Rahmen der bilateralen und multilateralen Abkommen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der notwendigen rechtlichen Rahmens leisten muss;
42. betont, dass die weit verbreitete Korruption, geschwächte Institutionen, Staatsverfall, Misswirtschaft und die Tatsache, dass auf Straftaten im Zusammenhang mit wild lebenden Arten nur geringe Strafen verhängt werden, große Probleme darstellen, die bewältigt werden müssen, wenn es gilt, wirksam gegen den grenzüberschreitenden illegalen Artenhandel vorzugehen; fordert die EU nachdrücklich auf, die Entwicklungsländer in deren Bemühungen zu unterstützen, die Anreize zu beseitigen, die zu Wilderei führen, und zu diesem Zweck mehr Möglichkeiten für wirtschaftliche Tätigkeiten zu schaffen und eine verantwortungsvolle Regierungsführung und Rechtstaatlichkeit zu fördern;
43. fordert die Organe der EU, die Mitgliedstaaten und alle betroffenen Staaten auf, die Zusammenhänge zwischen dem illegalen Artenhandel, regionalen Konflikten und Terrorismus systematischer zu untersuchen;
44. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen Treuhandfonds oder eine ähnliche Fazilität gemäß Artikel 187 der überarbeiteten Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union mit dem Ziel einzurichten, Schutzgebiete zu erhalten und gegen den illegalen Handel mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten sowie die Wilderei als Teil eines Aktionsplans zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels vorzugehen;
45. fordert die EU auf, die über das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI) und den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) bereitgestellte finanzielle und technische Hilfe, mit der die Entwicklungsländer dabei unterstützt werden sollen, die nationalen Vorschriften über wild lebende Arten gemäß den CITES-Empfehlungen umzusetzen, aufzustocken, und zwar insbesondere für die Länder, denen für die Rechtsdurchsetzung und die Strafverfolgung von Schmugglern nur unzureichende Ressourcen zur Verfügung stehen;
46. fordert die Kommission auf, im Einklang mit Schwerpunkt 1 des Aktionsplans eine Finanzierung von Initiativen im Rahmen des Partnerschaftsinstruments zu erwägen, die darauf ausgerichtet sind, die Nachfrage nach illegalen Erzeugnissen aus wildlebenden Arten in Schlüsselmärkten zu verringern; betont, dass die Zivilgesellschaft in diesem Zusammenhang maßgebliche Beiträge leisten kann, indem sie im Rahmen der Kapitel Handel und nachhaltige Entwicklung in EU-Handelsabkommen an den Überwachungsstrukturen mitwirkt;
47. hält es für sehr wichtig, im Rahmen der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und China das sensible Thema der wachsenden Nachfrage nach Erzeugnissen aus wildlebenden Arten, z. B. Elefanten-Elfenbein, Nashorn-Horn und Tigerknochen, in Angriff zu nehmen, da diese eine tatsächliche Gefahr für die Erhaltung der betroffenen Arten und die Artenvielfalt im Allgemeinen darstellt;
48. fordert die Kommission auf, verbindliche und durchsetzbare Kapitel über die nachhaltige Entwicklung in alle Handelsabkommen und Verhandlungen, an denen die EU beteiligt ist, einzubinden – wobei speziell darauf verwiesen werden muss, dass dem illegalen Artenhandel in allen Wirtschaftszweigen ein Ende zu setzen ist – und Untersuchungen zu diesen Bestimmungen in ihre Umsetzungsberichte einzufügen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, der Umsetzung des CITES und den Maßnahmen zur Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten einen höheren Stellenwert im Kontext des APS+-Systems einzuräumen;
49. weist darauf hin, dass unter anderem Korruption ein Nährboden für den illegalen Handel mit wildlebenden Arten und Erzeugnissen aus wildlebenden Arten ist; begrüßt die von der Kommission in ihrer Strategie mit dem Titel „Handel für alle“ abgegebene Zusage, ehrgeizige Vorschriften zur Bekämpfung der direkten und indirekten Auswirkungen der Korruption und des illegalen Artenhandels in alle künftigen Handelsabkommen aufzunehmen; fordert die Kommission daher auf, der Verwaltung und Überwachung bei der Durchsetzung der internationalen Normen im Zusammenhang mit dem illegalen Handel mit wildlebenden Arten besondere Bedeutung beizumessen;
50. fordert die EU auf, zu prüfen, wie im Rahmen der WTO der Welthandel und Umweltvorschriften einander förderlich sein können, insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Arbeiten für mehr Kohärenz zwischen den WTO-Übereinkommen und multilateralen Umweltübereinkommen sowie im Zusammenhang mit dem Übereinkommen über Handelserleichterungen, mit dem sich neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit der für Zollangelegenheiten, wildlebende Arten und Handelsfragen zuständigen Beamten – vor allem in Entwicklungsländern – eröffnen; vertritt die Auffassung, dass weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen der WTO und dem CITES geprüft werden sollten, insbesondere wenn es darum geht, Beamten aus Entwicklungsländern fachliche Unterstützung und Kapazitätsaufbau in den Bereichen Handel und Umwelt anzubieten;
51. betont, dass die internationale Zusammenarbeit der an der Durchsetzung beteiligten Organisationen entscheidend ist; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, das Internationale Konsortium für die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten (International Consortium on Combating Wildlife Crime, ICCWC) weiterhin zu unterstützen; begrüßt jede Verstärkung dieser Unterstützung, auch durch die Bereitstellung von Finanzmitteln und Fachexpertise, um den Aufbau von Kapazitäten, den Austausch von Informationen und Erkenntnissen sowie die Durchsetzung und Einhaltung von Rechtsvorschriften zu fördern; fordert die Kommission auf, Indikatoren des ICCWC zu nutzen, um die Wirksamkeit der finanziellen Unterstützung, die Drittländern für die Bekämpfung des illegalen Artenhandels gewährt wird, zu bewerten und auf diesem Wege eine einheitliche und glaubwürdige Bewertung der Entwicklungsfinanzierung zu fördern;
52. begrüßt internationale Strafverfolgungseinsätze wie die Operation COBRA III, durch die auch ermöglicht wird, dass bedeutende Mengen an illegalen Produkten aus wildlebenden Tier- und Pflanzenarten beschlagnahmt werden, Händler festgenommen werden und der illegale Artenhandel von der Öffentlichkeit zunehmend als ein Bereich der schweren organisierten Kriminalität wahrgenommen wird;
53. fordert die Mitgliedstaaten auf, die für das CITES vorgesehenen Mittel aufzustocken, damit die Organisation ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Überwachung und Bestimmung von Arten erweitern kann; bedauert in diesem Zusammenhang, dass sechs Mitgliedstaaten für den Zeitraum 1992 bis 2015 in Bezug auf das CITES immer noch im Zahlungsrückstand sind;
54. begrüßt ferner, dass mit dem Aktionsplan der EU ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung geleistet wird, die in der von den Staats- und Regierungschefs im September 2015 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen vereinbarten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verankert sind;
Die EU als Zielmarkt, Ursprungs- und Transitgebiet
55. weist darauf hin, dass das CITES, die EU-Holzverordnung und der verordnungsrechtliche Rahmen der EU im Zusammenhang mit der IUU-Fischerei wichtige Instrumente zur Regelung des internationalen Artenhandels sind; ist jedoch besorgt angesichts der unzureichenden Umsetzung und Durchsetzung und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren und ihre Tätigkeiten besser abzustimmen, um eine wirksame Umsetzung sicherzustellen; ist außerdem besorgt angesichts der bestehenden Regelungslücken im Hinblick auf die Arten und Akteure; fordert daher, dass die EU den bestehenden verordnungsrechtlichen Rahmen prüft, um ihn dahingehend zu ergänzen, dass das Anbieten, das Inverkehrbringen, der Transport, der Erwerb und der Besitz von Arten, die illegal geerntet bzw. erbeutet wurden, oder mit denen in Drittländern Handel getrieben wird, verboten wird; vertritt die Ansicht, dass durch eine solche Rechtsvorschrift der bestehende EU-Rahmen harmonisiert werden könnte und dass die grenzüberschreitenden Auswirkungen einer solchen Rechtsvorschrift entscheidend zur Verringerung des weltweiten illegalen Artenhandels beitragen könnten; betont in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen einer solchen Rechtsvorschrift vollständige Transparenz über Handelsverbote von bestimmten wildlebenden Tier‑ und Pflanzenarten, die in Drittländern unter Schutz stehen, gegeben werden muss, damit die Rechtssicherheit für alle am legalen Handel Beteiligten sichergestellt ist;
56. betont, dass die Trophäenjagd zu einem massiven Rückgang der in den Anhängen I und II des CITES gelisteten gefährdeten Arten beigetragen hat, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die Einfuhr von Jagdtrophäen, die von Arten stammen, die gemäß den EU-Artenschutzverordnungen unter Schutz gestellt sind, ein Vorsorgekonzept zu entwickeln und außerdem die EU-Rechtsvorschriften, in denen die Einfuhr von Jagdtrophäen in die EU-Mitgliedstaaten geregelt wird, weiter zu stärken und Einfuhrgenehmigungen für Trophäen aller in Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 gelisteten Arten zu fordern;
57. begrüßt die Buckingham-Palast-Erklärung von 2016, in der sich die Unterzeichner – wie etwa Luftverkehrsunternehmen, Schifffahrtsunternehmen, Hafenbetreiber, Zollbehörden, zwischenstaatliche Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände, die sich für die Arterhaltung einsetzen, dazu verpflichtet haben, die Standards im gesamten Verkehrssektor zu erhöhen, wobei besonderes Gewicht auf den Informationsaustausch, Mitarbeiterschulungen, technologische Verbesserungen sowie die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln durch mehrere Unternehmen und Organisationen auf der ganzen Welt gelegt werden soll; fordert sämtliche Parteien auf, die im Rahmen dieser Erklärung eingegangenen Verpflichtungen vollständig umzusetzen; bestärkt die Mitgliedstaaten darin, angelehnt an die Buckingham-Palast-Erklärung freiwillige Selbstverpflichtungen auch in anderen Bereichen, insbesondere in der Finanzbranche und im elektronischen Geschäftsverkehr, zu fördern;
58. fordert, dass der Elfenbeinhandel sowie die Ausfuhr oder die Wiederausfuhr von Elfenbein in der EU und in Drittländer, einschließlich des Elfenbeins, das vor Abschluss des Abkommens ausgeführt wurde, sowie von Nashorn-Horn uneingeschränkt und umgehend verboten werden; fordert, dass ein Mechanismus eingeführt wird, mit dem bewertet werden soll, ob es notwendig ist, vergleichbare Einschränkungen für andere vom Aussterben bedrohte Arten einzuführen;
59. stellt fest, dass die EU-Verordnung zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU-Verordnung) Wirkung erzielt hat, verlangt aber, dass ihre Durchführung energischer betrieben wird, damit keine illegal gefangenen Fischereierzeugnisse auf den EU-Markt gelangen; empfiehlt den EU-Mitgliedstaaten, die Kontrollen der Fangdokumentation (Fangbescheinigungen) und der Sendungen (besonders aus Ländern, denen ein hohes Risiko zugeordnet wird) konsequenter und wirkungsvoller durchzuführen, damit sichergestellt ist, dass die Fischereierzeugnisse legal gefangen sind;
60. betont, dass die Beteiligung des Privatsektors am Kampf gegen den illegalen Artenhandel durch Selbstregelung und die soziale Verantwortung der Unternehmen wichtig ist; erachtet die Rückverfolgbarkeit im rechtmäßigen und nachhaltigen gewerblichen und nicht gewerblichen Handel als unbedingt notwendig; betont, dass auf internationaler Ebene sowie im öffentlichen und privaten Sektor ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen notwendig ist; fordert die EU auf, die vorhandenen Kontrollinstrumente, einschließlich der Nutzung von Mechanismen zur Rückverfolgung, zu stärken; ist der Ansicht, dass der Verkehrssektor hierbei eine entscheidende Rolle – zum Beispiel durch die Einführung eines Frühwarnsystems – spielen sollte; weist darauf hin, dass die öffentlich-privaten Partnerschaften in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielen können;
61. fordert, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den in der Verordnung (EG) Nr. 338/97 vorgeschriebenen Kontrollen an den Grenzübergängen künftig auch überwachen sollten, ob die Bestimmungen auf nationaler Ebene eingehalten werden – mit regelmäßigen Kontrollen von Händlern und Inhabern von Genehmigungen wie Tierhandlungen, Tierzüchtern, Forschungszentren und Gärtnereien sowie in den Branchen Mode, Kunst, Arzneimittel und Catering, in denen möglicherweise illegal erworbene Teile von Pflanzen und Tieren verwendet werden;
62. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass sämtliche beschlagnahmten Exemplare sofort eingezogen werden und dass beschlagnahmte oder eingezogene lebendige Exemplare in geeigneten Tierschutzeinrichtungen versorgt und untergebracht werden; fordert die Kommission auf, Anleitungen zur Verfügung zu stellen, damit sichergestellt ist, dass alle von den Mitgliedstaaten herangezogenen Tierschutzeinrichtungen für wildlebende Tiere den notwendigen Anforderungen genügen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, für ausreichende finanzielle Mittel für Tierschutzeinrichtungen zu sorgen;
63. fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, nationale Pläne für den Umgang mit beschlagnahmten lebendigen Exemplaren im Einklang mit Anlage 3 der CITES-Entschließung Conf. 10.7 (Rev. CoP15) anzunehmen; betont, dass die Mitgliedstaaten Informationen über alle eingezogenen lebendigen Exemplare an EU-TWIX leiten, zusammenfassende Jahresberichte veröffentlichen und sicherstellen sollten, dass die Fortbildung von Vollzugsbeamten auch Fragen im Zusammenhang mit dem Tierwohl und der Sicherheit beim Umgang mit lebenden Tieren umfasst; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende finanzielle Mittel zur Unterstützung von Tierschutzeinrichtungen für wildlebende Tiere zur Verfügung zu stellen;
64. fordert die Mitgliedstaaten auf, Positivlisten für Arten in Erwägung zu ziehen, nach denen exotische Arten objektiv und auf der Grundlage wissenschaftlicher Kriterien daraufhin zu beurteilen sind, ob der Handel mit ihnen und ihre Haltung als Haustiere für sie sicher ist und sie hierfür geeignet sind;
o o o
65. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2016 zu neuen Chancen für kleine Verkehrsunternehmen einschließlich solcher, die kollaborative Geschäftsmodelle verfolgen (2015/2349(INI))
– gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 5 Absatz 3,
– unter Hinweis auf das Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,
– unter Hinweis auf das Weißbuch der Kommission mit dem Titel „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (COM(2011)0144),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. September 2015 zur Umsetzung des Weißbuchs Verkehr von 2011: Bestandsaufnahme und künftiges Vorgehen im Hinblick auf nachhaltige Mobilität(1),
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission 2003/361/EG betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen,
– unter Hinweis auf den Jahresbericht über europäische KMU 2014/2015,
– unter Hinweis auf die Mitteilungen der Kommission mit den Titeln „Vorfahrt für KMU in Europa – Der ‚Small Business Act‘ für Europa“ (COM(2008)0394) und „Überprüfung des ‚Small Business Act‘ für Europa“ (COM(2011)0078),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europäische Agenda für die kollaborative Wirtschaft“ (COM(2016)0356),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität“ (COM(2016)0501),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Februar 2013 zur Verbesserung des Zugangs von KMU zu Finanzmitteln(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2015 zu dem Thema „Chancen für ein umweltverträgliches Wachstum von KMU“(3),
– unter Hinweis auf das KMU-Instrument im Rahmen von Horizont 2020 sowie auf InnoSup, COSME, das Portal „Ihr Europa – Unternehmen“, das Pilotvorhaben „Der schnelle Weg zur Innovation“ und die Möglichkeiten zur Vernetzung,
– unter Hinweis auf die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (2000/31/EG) und die Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ (COM(2015)0192),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“ (COM(2015)0550),
– unter Hinweis auf die durch die Verordnung (EU) Nr. 1316/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013(4) geschaffene Fazilität „Connecting Europe“,
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr und die Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A8-0304/2016),
A. in der Erwägung, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die wichtigste Triebfeder der europäischen Wirtschaft sind, dass sie Zahlen aus dem Jahr 2014 zufolge 99,8 % aller Unternehmen außerhalb der Finanzwirtschaft stellen und dass zwei Drittel aller Erwerbstätigen auf sie entfallen;
B. in der Erwägung, dass in den letzten Jahren die Arbeitsplätze schaffenden KMU in erster Linie dem Dienstleistungssektor entstammen;
C. in der Erwägung, dass kleine Verkehrsunternehmen eine entscheidende Rolle für das reibungslose Funktionieren der Mobilität in Europa spielen, aber insbesondere aufgrund des Vorkommens von Monopolen in diesem Markt häufig Schwierigkeiten haben, Zugang zum Markt zu erhalten oder sich am Markt zu behaupten;
D. in der Erwägung, dass kleine Unternehmen vor allem in abgelegenen und dicht besiedelten Gebieten dank ausgezeichneter Kenntnis des Marktes vor Ort, Kundennähe bzw. Fähigkeit zu raschem Handeln und Innovationen Mehrwert bieten; in der Erwägung, dass sie überdies in der Lage sind, auf den Bedarf ihrer Kunden zugeschnittene Dienstleistungen zu erbringen, und Instrumente sind, mit denen man soziale Ausgrenzung bekämpfen, Arbeitsplätze schaffen, Wirtschaftstätigkeit hervorbringen, das Mobilitätsmanagement verbessern und zur Entwicklung des Tourismus beitragen kann (bei dem die mobilitätsfördernden Dienste unmittelbar mit der Nachfrage der Besucher nach neuen Produkten und Erfahrungen zusammenhängen);
E. in der Erwägung, dass sowohl die Nachfrage nach Personen- und Warenbeförderungsdienstleistungen als auch die Bedingungen, unter denen Beförderungsdienstleistungen erbracht werden, stark schwanken und dass es nicht angezeigt ist, die Mobilität zu reduzieren;
F. in der Erwägung, dass die Organisation des Verkehrs in Großstädten und auf ihren Zufahrtsstraßen die Entstehung von Verkehrsstockungen und ‑staus begünstigt, wodurch die Wirtschaft erheblich belastet wird; in der Erwägung, dass KMU in der Verkehrsbranche eine wichtige Ergänzung des öffentlichen Verkehrsnetzes in städtischen Verkehrsknoten darstellen, insbesondere zu Zeiten, zu denen die öffentlichen Verkehrsmittel sehr selten fahren, sowie in peripheren Gebieten, die kein ausgebautes Netz für den öffentlichen Nahverkehr besitzen;
G. in der Erwägung, dass einer aktuellen Studie der Kommission zufolge 17 % der europäischen Verbraucher bereits Dienstleistungen der Sharing Economy in Anspruch genommen und 52 % Kenntnis von den angebotenen Dienstleistungen haben; in Erwägung der Erwartungen der Verbraucher, die nach einfach zugänglichen und flexiblen Nutzungsmöglichkeiten der Verkehrsdienstleistungen, bei denen der Preis der Dienstleistung in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten ihrer Erbringung steht, sowie nach einfach zugänglichen Möglichkeiten zur Reservierung von Fahrten und nach sicheren Zahlungsmöglichkeiten für erbrachte Dienstleistungen suchen;
H. in der Erwägung, dass eine kollaborative Wirtschaft in der Verkehrsbranche die Entwicklung nachhaltiger Mobilitätsformen aktiv fördern kann; in der Erwägung, dass die Selbstregulierung nicht immer die Lösung darstellt und dass es eines geeigneten Regelungsrahmens bedarf;
I. in der Erwägung, dass die dringend erforderliche nachhaltige Entwicklung und die Revolution auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien für Unternehmen jeder Größe beispiellose Chancen und Herausforderungen geschaffen haben, wie sie der zunehmenden Nachfrage nach nachhaltiger Mobilität trotz einer begrenzten Infrastruktur gerecht werden können;
J. in der Erwägung, dass mit der exponentiellen Zunahme der Marktdurchdringung intelligenter Mobilgeräte und der umfassenden Abdeckung durch das Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetz die neuen digitalen Instrumente sowohl für die Anbieter von Verkehrsdienstleistungen als auch für die Verbraucher Einzug gehalten haben, wodurch die Transaktionskosten verringert werden und außerdem der physische Standort der Dienstleistungserbringer unwichtiger wird, da diese dank einer umfassenden Vernetzung ihre Dienstleistungen über digitale Netzwerke auch von abgelegenen Gebieten aus nicht nur regional, sondern auch weltweit anbieten können;
K. in der Erwägung, dass es in den vergangenen Jahren durch technologische Neuerungen, neue Geschäftsmodelle und die Digitalisierung zu einem Wandel in der Verkehrsbranche gekommen ist, durch den herkömmliche Geschäftsmodelle, Arbeitsbedingungen und Beschäftigung in dieser Branche stark beeinflusst wurden; in der Erwägung, dass es zum einen zu einer Öffnung in der Verkehrsbranche gekommen ist und sich zum anderen die Arbeitsbedingungen aufgrund der Wirtschaftskrise und in einigen Fällen aufgrund der unzureichenden Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften verschlechtert haben;
L. in der Erwägung, dass in der Verkehrsbranche nicht nur Anbieter tätig sind, die unmittelbare Verkehrsdienstleistungen erbringen, sondern auch KMU, die Dienstleistungen wie die Wartung von Verkehrsmitteln, den Verkauf von Ersatzteilen, Mitarbeiterschulungen und den Fahrzeug- und Materialverleih anbieten; in der Erwägung, dass ein enormes Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen, auch für die Beschäftigung hochqualifizierter Arbeitnehmer, im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten besteht; in der Erwägung, dass mit den Strategien für die Verkehrsbranche den Interessen der gesamten Wertschöpfungskette Rechnung getragen werden sollte;
M. in der Erwägung, dass sich nur 1,7 % der Unternehmen in der EU die modernen digitalen Technologien tatsächlich voll zunutze machen, wogegen 41 % überhaupt nicht darauf zurückgreifen; in der Erwägung, dass die Digitalisierung alle Wirtschaftszweige erfassen muss, wenn die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit behaupten und ausbauen will;
N. in der Erwägung, dass die kollaborative Wirtschaft durch ihre Flexibilität und niedrige Zugangsschwelle Beschäftigungsmöglichkeiten für jene Personengruppen bieten kann, die in der Vergangenheit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren, was insbesondere auf Frauen, junge Menschen und Migranten zutrifft;
O. in der Erwägung, dass die Verkehrsdienstleistungen einen guten Einstieg in die Selbständigkeit bieten und eine Kultur des Unternehmertums fördern können;
P. in der Erwägung, dass Onlineplattformen für Verkehrsdienstleistungen es ermöglichen, die Nachfrage von Verbrauchern nach Dienstleistungen einerseits und das Angebot an Arbeitskräften eingetragener Unternehmen oder gemeldeter Arbeitnehmer andererseits schnell zusammenzubringen;
Q. in der Erwägung, dass hochwertige Arbeitsplätze der OECD zufolge wesentlich sind, wenn starke Ungleichheit bekämpft und sozialer Zusammenhalt gefördert werden soll;
I. Herausforderungen für kleine Verkehrsunternehmen
1. vertritt die Auffassung, dass die Verkehrsunternehmen zur Befriedigung des zunehmenden Mobilitätsbedarfs bei begrenzter Infrastruktur und zunehmenden Umweltauflagen vor erheblichen Herausforderungen stehen; weist darauf hin, dass alle Verkehrsunternehmen unter dem Druck stehen, sichere, nachhaltige und in hohem Maß wettbewerbsfähige Lösungen anzubieten, die sowohl umweltverträglich im Sinne der COP 21 als auch staureduzierend sind, dass es jedoch für kleine Unternehmen schwieriger und kostspieliger ist, diese Herausforderung zu bewältigen;
2. unterstreicht, dass übermäßig häufige Änderungen der Normen für den Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen aufgrund der Abschreibungsdauer der Fahrzeugflotten zu besonderen Schwierigkeiten für kleine Verkehrsunternehmen führen können;
3. hebt die Komplexität des Verkehrsgewerbes hervor, das von einer Mehrebenenverflechtung (der örtlichen, nationalen, europäischen und weltweiten Ebene) gekennzeichnet ist, bei der die Verkehrsträger nach wie vor weitgehend voneinander abgegrenzt sind; stellt fest, dass dieses Gewerbe insbesondere im Hinblick auf den Berufszugang und die Inanspruchnahme und Vermarktung von Verkehrsdienstleistungen stark reglementiert (ausschließliche Rechte, Obergrenze für die Zahl der Lizenzen) sowie subventioniert ist; betont, dass die Themen Sicherheit und Gefahrenabwehr für das Verkehrsgewerbe von herausragender Bedeutung sind, bedauert jedoch, dass sie neben anderen Faktoren gelegentlich als Vorwand für künstliche Barrieren genutzt werden;
4. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Praxis der Überregulierung aufzugeben, die häufig ein korporatistischer Schutzreflex ist, zu Fragmentierung, übermäßig komplizierter Gestaltung und Inflexibilität des Binnenmarktes führt und dadurch die Ungleichheit verstärkt; hält es für sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten auf die Frage der Zulässigkeit dieser Online-Plattformen keine Vielzahl von Antworten geben und dass auf diese Weise ungerechtfertigte und restriktive unilaterale Maßnahmen unterbunden werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr und die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt einzuhalten und vollständig umzusetzen; betont, dass die in den Artikeln 56 bzw. 49 AEUV vorgesehene Freizügigkeit der Dienstleistungserbringer und Niederlassungsfreiheit von grundlegender Bedeutung sind, um die europäische Dimension der Dienstleistungen und somit des Binnenmarkts umzusetzen;
5. betont, dass es wegen der derzeitigen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Definition von Dienstleistern im Verkehrsgewerbe nicht möglich ist, für fairen Wettbewerb zu sorgen, und bedauert die Schwierigkeiten vieler kleiner Unternehmen, in den heimischen und den internationalen Markt einzutreten und neue Dienstleistungen zu entwickeln oder anzubieten; unterstreicht, dass hierdurch der Zugang von KMU zu diesem Gewerbe behindert wird;
6. ist der Ansicht, dass die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates verbessert werden sollte, um die schwerwiegenden Störungen auf den nationalen Verkehrsmärkten in einer Reihe von Mitgliedstaaten zu beseitigen, die nach ihrem Inkrafttreten entstanden sind;
7. begrüßt die neuen Möglichkeiten, die kleine Verkehrsunternehmen und neue kollaborative Geschäftsmodelle bieten, bedauert jedoch zugleich mögliche wettbewerbswidrige Praktiken, die aus der ungleichen Anwendung der EU-Vorschriften in den Mitgliedstaaten resultieren, vor allem mit Blick auf Entlohnung und Sozialversicherungssysteme, was zu schweren Wettbewerbsverzerrungen wie dem Lohndumping sowie zu sicherheitspolitischen Herausforderungen führen kann;
8. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Rechtsdurchsetzung zu verstärken; geht davon aus, dass bei etwaigen Änderungen der Rechtsvorschriften in Bezug auf Sozial- und Arbeitsbedingungen alle Grundfreiheiten der EU geachtet werden müssen, der auf objektiven Wettbewerbsvorteilen beruhende faire Wettbewerb nicht eingeschränkt werden darf und kein weiterer Verwaltungsaufwand oder zusätzliche Kosten für kleine Verkehrsunternehmen geschaffen werden dürfen;
9. stellt fest, dass kleine Verkehrsunternehmen nicht nur investieren müssen, um geltendem Recht zu entsprechen, sondern auch um wettbewerbsfähig zu bleiben (z. B. indem sie sich auf neue Technologien konzentrieren); bedauert, dass einerseits der Zugang dieser Unternehmen zu Krediten und ihre Finanzmittel auf den Märkten trotz Maßnahmen zur quantitativen Lockerung im Gegensatz zu Großunternehmen weiterhin begrenzt sind und andererseits öffentliche Finanzhilfen – vor allem auf EU-Ebene – aufgrund zu komplizierter und langwieriger Verwaltungsverfahren kaum in Anspruch genommen werden; betont, dass es wichtig ist, Wissen bei kleinen Unternehmen zu verbreiten und im Rahmen des Europäischen Investitionsfonds kleinen Unternehmen, die Anträge stellen möchten, beratend zur Seite zu stehen;
10. merkt an, dass das Transportgewerbe vor dem Hintergrund der zunehmenden Verstädterung immer stärker verzahnt, digitalisiert und multimodal organisiert sein muss und dass die städtischen Verkehrsknotenpunkte für die Organisation nachhaltiger Mobilität immer bedeutender werden; hebt hervor, dass Anwendungen zur Reiseplanung zunehmenden Einfluss haben und dass es für kleine Unternehmen wichtig ist, auf der Liste von verfügbaren Anwendungen und Portfolios von Verkehrsdienstleistungen berücksichtigt zu werden; stellt fest, dass die generelle Verfügbarkeit des Internets die gemeinsame Nutzung von Verkehrsträgern und eine bessere Reiseplanung begünstigen würde;
11. stellt fest, dass aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der fehlenden Finanzmittel für die Instandhaltung des verzweigten Verkehrsnetzes zahlreiche Nebenstrecken in vielen Regionen stillgelegt werden, wobei insbesondere die am schlechtesten angebundenen und am dünnsten besiedelten Regionen betroffen sind; vertritt die Auffassung, dass das Aufkommen von Modellen der kollaborativen Wirtschaft keinesfalls rechtfertigen kann, dass öffentliche Verkehrsdienstleistungen in diesen Regionen nicht mehr angeboten werden;
12. betont, dass für die Mobilität im städtischen Raum Verleihsysteme für Leichtfahrzeuge wie Fahrräder und Roller von besonderer Bedeutung sind; weist darauf hin, dass die allermeisten Anbieter derartiger Dienste KMU sind; ruft dazu auf, das Potenzial dieser Anbieter im Zusammenhang mit der Steigerung der Mobilität im städtischen Raum und der Entwicklung eines energie- und ressourceneffizienten städtischen Personenverkehrs stärker zu berücksichtigen;
13. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Zusammenarbeit von kleinen Verkehrsunternehmen zu prüfen, da so ein Beitrag zum Aufbau einer Partnerschaft zwischen diesen Unternehmen geleistet und den Kunden dabei geholfen würde, die auf ihren Bedarf abgestimmten gewünschten Dienstleistungen eines kleinen Verkehrsunternehmens aufzufinden;
14. fordert die Kommission auf, bei der Ausarbeitung der Leitlinien zu diesem Themengebiet dem Umstand Rechnung zu tragen, dass diese Modelle in einem ländlich geprägten und nicht städtischen Umfeld nur schwerlich Fuß fassen;
15. stellt fest, dass die Entwicklung kollaborativer Wirtschaftsmodelle die Nutzung von Fahrzeugen und Infrastruktur optimieren und somit dazu beitragen kann, die Nachfrage im Bereich der Mobilität nachhaltiger zu befriedigen; stellt fest, dass durch die zunehmende Verwendung von Nutzerdaten ein Mehrwert in der Transportkette entstehen könnte; betont jedoch, dass eine Konzentration von Daten in den Händen nur weniger Vermittlungsplattformen der gerechten Verteilung der Gewinne ebenso abträglich sein könnte wie der ausgewogenen Teilhabe an Infrastrukturinvestitionen und anderen einschlägigen Kosten, was sich wiederum unmittelbar auf KMU auswirkt;
16. begrüßt es, dass Vermittlungsplattformen den Gedanken ins Spiel gebracht haben, sich untereinander, die Stellung der bisherigen Betreiber und die korporatistischen Strukturen anzufechten, bestehende Monopole zu untergraben und das Entstehen neuer Monopole zu verhindern; unterstreicht, dass dies einen viel stärker auf die Verbrauchernachfrage ausgerichteten Markt anregt und die Mitgliedstaaten dazu veranlasst, die Marktstruktur zu überdenken; stellt jedoch fest, dass ohne einen geeigneten und eindeutigen Rechtsrahmen nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip funktionierende Vermittlerplattformen marktbeherrschende Stellungen schaffen werden, die der Vielfalt des Wirtschaftsgefüges schaden;
17. macht auf die Chancen und Herausforderungen aufmerksam (in diesen neuen Bereichen könnten beispielsweise auch kleine Unternehmen entstehen), die sich aus der Entwicklung vernetzter und selbstfahrender Fahrzeuge (Kraftfahrzeuge, Schiffe, Drohnen und Fahrzeugkolonnen) ergeben; fordert deshalb die Kommission mit Nachdruck auf, einen Fahrplan zu vernetzten und automatisierten Fahrzeugen vorzulegen und eine Analyse der potenziellen Folgen anzustellen, die die breite Nutzung dieser Technologie für das europäische Verkehrsgewerbe, insbesondere für KMU, haben könnte;
II. Empfehlungen: Umwandlung der Herausforderungen in Chancen
18. fordert weitere Anstrengungen zur Vollendung des einheitlichen europäischen Verkehrsraums; vertritt die Auffassung, dass jede Regelung, durch die Kleinunternehmen neue, insbesondere steuerliche, soziale oder ökologische Anforderungen auferlegt werden, verhältnismäßig, einfach und eindeutig sein, deren Entwicklung nicht behindern und erforderlichenfalls die regionalen und nationalen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten widerspiegeln sollte; vertritt die Auffassung, dass eine solche Regelung von den erforderlichen (regulatorischen und/oder finanziellen) Anreizen flankiert werden sollte;
19. ist der Ansicht, dass der Anstoß zu einem integrierten und koordinierten europäischen Mobilitätssystem die beste Möglichkeit zur angemessenen Einbindung sämtlicher Unternehmen aller Verkehrsträger in eine gemeinsame Dynamik ist, bei der die Digitalisierung und die Förderung von Innovationen durch den Verkehrssektor selbst der beste Weg dafür sind, dass den Kunden ein einheitliches kohärentes System und den in dem Sektor Beschäftigten bessere Voraussetzungen für die Wertschöpfung geboten werden können;
20. ist der Ansicht, dass bei der Bereitstellung von Dienstleistungen durch KMU die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen nicht immer ausreichend berücksichtigt werden; fordert, dass im Rahmen aller Instrumente und Programme, die diesen Anbietern zur Verfügung stehen, die Notwendigkeit, eine möglichst optimale Ausrichtung der Verkehrsdienstleistungen auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten, berücksichtigt wird;
21. stellt fest, dass angesichts der mangelnden Infrastrukturinvestitionen alle Akteure des Verkehrsgewerbes, die durch Nutzung der Verkehrsinfrastruktur Gewinne erzielen, dazu beitragen sollten, wobei alle bereits bestehenden verkehrlichen Steuern und Gebühren und negativen Wirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit umfassend einbezogen werden sollten; betont, dass im Straßenverkehr die negativen externen Effekte internalisiert werden und Einnahmen der Nutzung der Verkehrsinfrastruktur, auch der grenzüberschreitenden, zugutekommen müssen; räumt jedoch ein, dass dies spezifische Probleme für kleine Unternehmen, auch in den Gebieten in äußerster Randlage, bewirken könnte, denen vorrangig Rechnung getragen werden muss;
22. weist darauf hin, dass der EFSI mit dem Ziel geschaffen wurde, einen Beitrag zu in hohem Maße innovativen marktgestützten Projekten zu leisten, und vertritt deshalb die Ansicht, dass er ein grundlegendes Instrument ist, um KMU der Verkehrsbranche zu helfen, neue Mobilitätslösungen zu entwickeln; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, seine Umsetzung zu beschleunigen und bei der Vorbereitung solcher Projekte KMU und Start-ups vermehrt zu unterstützen;
23. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, angemessen gegen wettbewerbswidrige Praktiken großer Unternehmensgruppen vorzugehen, um unabhängig von der Größe oder Art des Unternehmens Diskriminierung und Einschränkungen des Marktzugangs zu bekämpfen, insbesondere im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle; fordert nachdrücklich, dass ein Dialog geführt wird und insbesondere in neuen und potenziellen Märkten die Beziehungen zwischen Beförderungsunternehmen und Auftraggebern verbessert werden und das Problem der Scheinselbständigkeit gelöst wird;
24. fordert die Einbindung von KMU in das Projekt zum Aufbau eines integrierten europäischen Fahrkartenvertriebsystems; ist der Ansicht, dass ein solches System nur dann erfolgreich sein wird, wenn es möglichst viele Firmen und Anbieter einbezieht, die Verkehrsdienstleistungen anbieten; ist der Ansicht, dass der Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen großen Anbietern und KMU Synergieeffekte zur Folge haben kann, die für den Entwurf eines funktionierenden Verkehrsnetzes in Europa von großem Nutzen sind;
25. fordert, dass im Interesse erhöhter Transparenz der Zugang zu reglementierten Berufen und Tätigkeiten in Europa ebenso überarbeitet und harmonisiert wird wie die einschlägigen Kontrollen, damit sich neue Anbieter und mit digitalen Plattformen und der kollaborativen Wirtschaft zusammenhängende Dienstleistungen in einem unternehmensfreundlichen Umfeld entwickeln können, wozu auch erhöhte Transparenz im Hinblick auf Änderungen der Rechtsvorschriften gehört, und damit sie in einem Umfeld des gesunden Wettbewerbs neben den derzeit tätigen traditionellen Anbietern bestehen können; stellt positive Folgen der Tätigkeit von Anbietern, die im Bereich der Sharing Economy tätig sind, in Form der Entstehung neuer Arbeitsplätze für junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, und Selbständige fest;
26. fordert die Kommission auf, unverzüglich einen Fahrplan für die Freigabe von Daten über den öffentlich finanzierten Verkehr und für die Einführung harmonisierter Standards für Verkehrsdaten und Programmierschnittstellen zu veröffentlichen, damit datenintensive Innovationen und die Erbringung neuer Verkehrsdienstleistungen gefördert werden;
27. vertritt die Auffassung, dass in Anbetracht der Entwicklung der kollaborativen Wirtschaft die Lösung weder in einer branchenspezifischen noch in einer ausschließlich auf Plattformen abzielenden Regulierung besteht und dass nunmehr das Mobilitätssystem als Ganzheit begriffen werden muss; fordert, dass ein modernisierter multimodaler Rechtsrahmen geschaffen wird, durch den Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sowie der Schutz von Verbrauchern und deren Daten gefördert, Arbeitnehmerrechte geschützt und einheitliche Rahmenbedingungen für die verschiedenen Anbieter sichergestellt werden; macht vor diesem Hintergrund auf die wichtige Bedeutung von Interoperabilität im Verkehrssektor aufmerksam, da diese den Kleinunternehmen einheitliche Lösungen ermöglicht;
28. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Notwendigkeit zu prüfen, ihr jeweiliges nationales Arbeitsrecht an das digitale Zeitalter anzupassen, und dabei den Charakteristiken von Modellen der kollaborativen Wirtschaft und dem jeweiligen Arbeitsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen;
29. vertritt die Auffassung, dass ein solches Ziel eine Annäherung der einzelnen Modelle erfordert, deren Grundlage eine eindeutige, einheitliche und überschneidungsfreie Definition von Vermittlern und Dienstleistern ist; fordert, dass zwischen Vermittlerplattformen, die keine wirtschaftlichen Gewinne für ihre Nutzer erzeugen, und solchen, die mit oder ohne Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zwischen dem Dienstleister und der Plattform eine Beziehung zwischen einem (auf Gewinnerwirtschaftung ausgerichteten) Dienstleister und einem Kunden herstellen, unterschieden wird; regt an, dass die nationalen Behörden befähigt werden sollten, von den Vermittlerplattformen die Informationen zu verlangen, die sie für notwendig erachten, damit sämtliche Parteien ihren Steuer- und Sozialversicherungspflichten nachkommen und um sicherzustellen, dass die Dienstleister, die die Plattformen nutzen, über die erforderlichen Fähigkeiten und Berufsqualifikationen verfügen (damit für den Schutz der Verbraucher Sorge getragen wird); betont, dass bereits bestehende Rückmelde- und Bewertungssysteme auch den Vermittlern helfen, ein Vertrauensverhältnis zu den Verbrauchern aufzubauen, und fordert, dass die so erhobenen Daten gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates verarbeitet werden;
30. betont, dass das hohe Transparenzpotenzial der kollaborativen Wirtschaft eine gute Rückverfolgbarkeit der Verkehrsdienstleistungen gemäß dem Ziel der Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften ermöglicht; fordert die Kommission auf, Leitlinien dafür zu veröffentlichen, wie das Unionsrecht auf die unterschiedlichen kollaborativen Geschäftsmodelle anzuwenden ist, damit Regelungslücken im Bereich Beschäftigung und Sozialschutz, falls nötig, auf eine Weise geschlossen werden, die den nationalen Zuständigkeiten Rechnung trägt;
31. betont, dass zu den Unternehmen des Verkehrsgewerbes auch Anbieter gerechnet werden, die keine Verkehrsdienstleistungen erbringen, sondern beispielsweise Schulungen anbieten oder Fahrzeuge vermieten, sowie Werkstätten und Serviceeinrichtungen; weist darauf hin, dass die allermeisten Anbieter derartiger Dienste KMU sind; fordert, die Bedürfnisse dieser Anbieter bei der Erarbeitung von rechtlichen Lösungen und Investitionsprogrammen zu berücksichtigen, die die Förderung von KMU zum Ziel haben;
32. fordert die Kommission auf, die KMU im Verkehrsgewerbe dabei zu unterstützen, in diesem Bereich Cluster zu bilden, denen sich sowohl Verbraucher als auch andere Interessenträger anschließen können;
33. stellt fest, dass die meisten Anbieter in der kollaborativen Wirtschaft aus Drittstaaten kommen; ist der Auffassung, dass die EU mehr innovative Start-up-Unternehmen im Verkehrsgewerbe entwickeln muss, und fordert verstärkte Unterstützung für solche Unternehmen, besonders für die Ausbildung junger Unternehmer in diesem Bereich;
34. bedauert, dass die Reaktion der Mitgliedstaaten auf die Entwicklung kollaborativer Geschäftsmodelle bisher stark fragmentiert und in einigen Fällen dem Potenzial und dem Nutzen, der mit der Entwicklung dieses Sektors einhergeht, völlig unangemessen war und auch den Erwartungen der Verbraucher zuwiderlief, und hält ein koordiniertes und umfassendes Vorgehen auf europäischer Ebene, mit dem die Fragen eines nachhaltigen kollaborativen Geschäftsmodells erfasst werden, für wünschenswert; weist auf den vernünftigen Ansatz der Kommission zu diesem neuen Geschäftsmodell hin, den sie in ihrer jüngst herausgegebenen Mitteilung dargelegt hat, in der sie die große Bedeutung der kollaborativen Wirtschaft für künftiges Wachstum hervorhebt (COM(2016)0356);
35. stellt fest, dass die neuen Technologien ein ungeheures Potenzial hinsichtlich der Entstehung neuer Formen der Dienstleistungserbringung im Güterverkehrssektor besitzen; betont insbesondere die ungeheuren Möglichkeiten von Drohnen, die bereits jetzt ein sehr wirkungsvolles Instrument bei der Arbeit unter schwierigen Bedingungen darstellen; betont, dass die EU das Potenzial von KMU, die sich mit der Entwicklung, der Herstellung und der Nutzung von Drohnen befassen, fördern sollte;
36. ist der Ansicht, dass die Modelle der kollaborativen Wirtschaft ein wichtiges Instrument für den nachhaltigen Ausbau der Anbindung der Regionen in Randlage, der Berggebiete und der ländlichen Gebiete sind, das indirekt auch dem Tourismusgewerbe zugutekommt;
37. ist der Ansicht, dass die legislativen Auflagen der Art der Geschäftstätigkeit und der Größe des Unternehmens angemessen sein sollten; hegt jedoch Bedenken, ob es in Anbetracht des zunehmenden Einsatzes leichter Nutzfahrzeuge im internationalen Güterverkehr immer noch gerechtfertigt ist, leichte Nutzfahrzeuge von der Anwendung einer Reihe europäischer Vorschriften auszunehmen, und fordert die Kommission auf, einen Diagnosebericht über die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen, ökologischen und sicherheitsrelevanten Folgen vorzulegen;
38. fordert die Schaffung von Strukturen einer Zusammenarbeit zwischen kleinen Verkehrsunternehmen, wissenschaftlichen Forschungsinstituten und regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, um die nachhaltige Mobilität in der Stadt und von Stadt zu Stadt besser zu organisieren und so auf das Aufkommen neuer Dienstleistungen und Produkte, auch solcher, die von KMU angeboten werden (z. B. der erste und letzte Abschnitt einer Tür-zu-Tür Beförderung), wirksam zu reagieren und gleichzeitig die vorhandenen öffentlichen Verkehrsnetze besser an die Bedürfnisse und Erwartungen der Fahrgäste anzupassen; fordert, dass Informationen über Mobilitätsdienste, die von Kleinunternehmen angeboten werden, in die Reiseinformations- und Reiseplanungsdienste aufgenommen werden;
39. fordert die Schaffung von Taskforces für Innovation, die die vollständige Umsetzung des Konzepts der „Shareable Cities“ ermöglichen und die lokalen, regionalen und nationalen Institutionen dabei unterstützen, auf das Aufkommen neuer Dienstleistungen und Produkte wirksam zu reagieren;
40. betont die Bedeutung gezielter Ausbildung (z. B. in Bezug auf Massendaten, integrierte Dienstleistungen usw.), um den Verkehrsunternehmen zu helfen, damit der im digitalen Bereich entstandene Mehrwert bei ihnen selbst ankommt; fordert daher, dass die Art und Weise, wie die Beschäftigten des Gewerbes ausgebildet werden, an die Fähigkeiten und Befähigungsnachweise angepasst werden, die die neuen Geschäftsmodelle erforderlich machen, vor allem um Mangel an Personal, insbesondere an Fahrern, zu bewältigen;
41. unterstreicht, dass KMU im Verkehrsgewerbe häufig von einer Expansion absehen, da eine grenzübergreifende Geschäftstätigkeit aufgrund der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen in den einzelnen (Mitglied‑) Staaten mit höheren Risiken behaftet ist; fordert die Kommission auf, gemeinsam mit den nationalen, regionalen und lokalen Behörden in den Mitgliedstaaten Plattformen für die Zusammenarbeit und die Kommunikation aufzubauen, damit KMU mit Blick auf die verschiedenen Finanzierungsregelungen, Zuschüsse und die Internationalisierung beraten und angeleitet werden können; ersucht die Kommission, die bestehenden Förderprogramme für KMU verstärkt zu nutzen und die Akteure des Verkehrssektors im Zusammenhang mit den Synergien zwischen den einzelnen EU-Fonds vermehrt auf diese Programme aufmerksam zu machen;
42. regt die lokalen Behörden dazu an, sich aktiv für die im Weißbuch Verkehr genannten Grundsätze der Reduzierung der CO2-Emissionen im städtischen Verkehr einzusetzen, und fordert die Anbieter auf, ihre Stellung in dem neuen Wettbewerbs- und Tätigkeitsrahmen zu verbessern und dabei die Wettbewerbsvorteile zu nutzen, die die emissionsfreien Dienstleistungen und die schrittweise Digitalisierung ihrer Verwaltung, ihres Betriebs und ihrer Vermarktung in der Zukunft bieten;
43. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen Gebietskörperschaften auf, Innovationen im Bereich der Wirtschaft des Teilens zu fördern, die wiederum durch das Aufkommen von kollaborativen Wirtschaftsmodellen wie der gemeinschaftlichen Nutzung von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern, dem gemeinschaftlich genutzten Gütertransport, gemeinschaftlich genutzten Taxis, Fahrgemeinschaften, Bussen auf Abruf und ihren Verknüpfungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefördert werden;
44. fordert die Kommission auf, den Ausbau der digitalen Wirtschaft und die Auswirkungen der Rechtsetzungsinitiativen im Rahmen der Digitalen Agenda auf das Verkehrsgewerbe durch eine bessere Zusammenarbeit ihrer Generaldirektionen eingehend zu überwachen;
45. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Anzahl und die Art der Arbeitsplätze im Verkehrsgewerbe in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern regelmäßig zu bewerten und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigungs- und Sozialpolitik mit der Digitalisierung des Arbeitsmarkts im Verkehrsgewerbe Schritt hält;
46. empfiehlt kollaborativen Unternehmen und im Verkehrsgewerbe tätigen Personen, Modelle zu finden, in deren Rahmen sie zusammenarbeiten können, um gemeinsame Interessen, zum Beispiel im Bereich Versicherungen, zu verfolgen;
47. begrüßt die von den Sozialpartnern ausgehandelten flexiblen Arbeitszeitmodelle in der Verkehrsbranche, durch die Arbeitnehmer ihr Berufs- und Privatleben besser vereinbaren können; betont jedoch, wie wichtig es ist, die Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten sowie Lenk- und Ruhezeiten zu überwachen, was infolge der Digitalisierung in der Transportbranche vereinfacht werden sollte;
o o o
48. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen und Empfehlungen zu Belarus,
– unter Hinweis auf die Parlamentswahl vom 11. September 2016 und die Präsidentschaftswahl vom 11. Oktober 2015,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzes seiner Delegation für die Beziehungen zu Belarus vom 13. September 2016 zu der unlängst in Belarus abgehaltenen Parlamentswahl,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Diensts vom 12. September 2016 zu der Parlamentswahl in Belarus,
– unter Hinweis auf die vorläufige Erklärung des BDIMR der OSZE, der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) vom 12. September 2016 zu der Parlamentswahl in Belarus,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Belarus, insbesondere jene vom 16. Februar 2016 im Hinblick auf die Aufhebung restriktiver Maßnahmen gegen 170 Personen und drei belarussische Unternehmen,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der OSZE vom 28. Januar 2016 über die Präsidentschaftswahl in Belarus vom 11. Oktober 2015,
– unter Hinweis auf die zahlreichen Erklärungen der Staatsorgane von Belarus, einige der im Anschluss an die Präsidentschaftswahl 2015 abgegebenen Empfehlungen des BDIMR der OSZE würden im Vorfeld der Parlamentswahl 2016 umgesetzt,
– unter Hinweis auf die Freilassung von sechs politischen Gefangenen durch die belarussischen Stellen am 22. August 2015 und die anschließende Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und des für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständigen Mitglieds der Kommission, Johannes Hahn, vom 22. August 2015 zur Freilassung von politischen Gefangenen in Belarus,
– gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das BDIMR der OSZE in seinem Abschlussbericht über die Präsidentschaftswahl 2015 in Belarus gemeinsam mit der Venedig-Kommission des Europarats eine Reihe von Empfehlungen ausgearbeitet hat, die Belarus bis zur Parlamentswahl 2016 umsetzen sollte;
B. in der Erwägung, dass nach Einschätzung des BDIMR die Staatsorgane von Belarus zu dem Zweck, bessere Beziehungen zum Westen aufzubauen, nur widerwillig Maßnahmen getroffen haben, mit denen den Parteien der demokratischen Opposition eine einfachere Registrierung als für die vorherigen Wahlen ermöglicht und ausländischen Beobachtern ein besserer Zugang zur Stimmauszählung gewährt wurde;
C. in der Erwägung, dass der Staatspräsident von Belarus am 6. Juni 2016 die Wahl zum Repräsentantenhaus ausgeschrieben hatte und dass diese Wahl am 11. September 2016 stattfand; in der Erwägung, dass für die Wahlbeobachtung über 827 ausländische Personen und 32 100 Bürger von Belarus akkreditiert wurden; in der Erwägung, dass gemäß den Schlussfolgerungen des BDIMR der OSZE die meisten zivilgesellschaftlichen Beobachter aus Belarus Vertreter öffentlicher Vereinigungen waren, die vom Staat finanziell unterstützt werden und zudem rührig Wahlwerbung für regierungsfreundliche Kandidaten betrieben hatten; in der Erwägung, dass auf Ersuchen des Außenministeriums der Republik Belarus eine Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE eingesetzt wurde;
D. in der Erwägung, dass nach Einschätzung des BDIMR der OSZE die Parlamentswahl 2016 effizient organisiert war, aber nach wie vor mehrere seit langer Zeit bestehende systembedingte Mängel aufwies, beispielsweise Einschränkungen im Rechtsrahmen in Bezug auf die politischen Rechte und Grundfreiheiten; in der Erwägung, dass es bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen und deren Erfassung zahlreiche Verfahrensmängel gab und an Transparenz mangelte;
E. in der Erwägung, dass nach langer Zeit wieder eine demokratische Opposition im Parlament von Belarus vertreten ist; in der Erwägung, dass gemäß dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte in Belarus das Rechts- und Verwaltungssystem, das den Einschränkungen der Menschenrechte zugrunde liegt, unverändert besteht; in der Erwägung, dass die beiden unabhängigen Mitglieder des Parlaments als echte Opposition agieren sollen;
F. in der Erwägung, dass in Belarus seit 1994 keine freien und fairen Wahlen gemäß einem Wahlgesetz im Einklang mit den international anerkannten Normen des BDIMR der OSZE mehr durchgeführt worden sind;
G. in der Erwägung, dass die EU im Februar 2016 als Zeichen ihres guten Willens die meisten ihrer restriktiven Maßnahmen gegen Amtsträger und Rechtspersonen aus Belarus aufgehoben hat, um Belarus dazu zu bewegen, die Lage der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in dem Land zu verbessern; in der Erwägung, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 15. Februar 2016 betonte, die Zusammenarbeit zwischen der EU und Belarus müsse in mehreren Bereichen im Zusammenhang mit Wirtschaft, Handel und Unterstützung verbessert werden, wodurch Belarus die Möglichkeit eröffnet wurde, Mittel der EIB und der EBWE zu beantragen; in der Erwägung, dass durchaus Bemühungen erkennbar waren, bestimmte seit langer Zeit bestehende Probleme im Vorfeld der Wahl 2016 anzugehen, gleichzeitig aber zahlreiche Probleme im Zusammenhang mit dem Wahlrecht und dem Wahlverfahren fortbestehen;
H. in der Erwägung, dass die beiden belarussischen Wahlbeobachtungsgruppen „Menschenrechtsverfechter für freie Wahlen“ und „Recht auf Wahl – 2016“ die vergangene Wahl verurteilt haben, weil dabei mehrere wichtige internationale Normen nicht eingehalten worden seien und der Wille der Bürger von Belarus nicht glaubwürdig zum Ausdruck gekommen sei;
I. in der Erwägung, dass die belarussischen Beobachtungsgruppen konkrete Anhaltspunkte dafür fanden, dass in dem fünftägigen Zeitraum für die vorzeitige Stimmabgabe (6. bis 10. September 2016) und am Wahltag (11. September 2016) landesweit massiv versucht wurde, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben, und in der Erwägung, dass das einzige unabhängige Meinungsforschungsinstitut in Belarus (NISEPI) seine Tätigkeit infolge des Drucks der Regierung ausgesetzt hat, sodass sich nur sehr schwer ermitteln lässt, wo die eigentlichen politischen Präferenzen der Belarussen liegen;
J. in der Erwägung, dass ein Teil der belarussischen Oppositionskräfte erstmals am 18. November 2015 eine Kooperationsvereinbarung über gemeinsame Kandidaturen für die Parlamentswahl 2016 vorstellte;
K. in der Erwägung, dass am 18. und 19. Juni 2015 in Minsk der erste Besuch der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu Belarus seit 2002 stattfand; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament derzeit keine offiziellen Beziehungen zum Parlament von Belarus unterhält;
L. in der Erwägung, dass Belarus konstruktiv daran mitgewirkt hat, eine Vereinbarung über eine Waffenruhe in der Ukraine herbeizuführen;
M. in der Erwägung, dass infolge des Angriffs auf die Ukraine durch Russland und der rechtswidrigen Annexion der Krim Befürchtungen in der belarussischen Gesellschaft verschärft wurden, die Lage im Innern könnte infolge eines Machtwechsels instabil werden; in der Erwägung, dass die belarussische Bevölkerung gleichwohl ihre Hoffnung auf grundlegende Reformen und eine friedliche Umgestaltung ihres Landes nicht aufgegeben hat;
N. in der Erwägung, dass die belarussische Wirtschaft seit 20 Jahren stagniert und wichtige Industriezweige nach wie vor in Staatsbesitz sind und planwirtschaftlich verwaltet und kontrolliert werden; in der Erwägung, dass Belarus in immer stärkerem Maße von der Wirtschaftshilfe Russlands abhängt, und in der Erwägung, dass Belarus zu den wirtschaftlich schwächsten Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion zählt, zumal beispielsweise das BIP des Landes in den Jahren 2015–2016 um mehr als 30 Mrd. USD zurückgegangen ist;
O. in der Erwägung, dass Belarus das einzige Land in Europa ist, das nach wie vor die Todesstrafe vollstreckt; in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof von Belarus am 4. Oktober 2016 mit dem gegen Sjarhej Wostrykau verhängten Todesurteil zum vierten Mal im Jahr 2016 ein Todesurteil bestätigte;
P. in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen auf neue Methoden zur Schikanierung der Opposition aufmerksam gemacht haben; in der Erwägung, dass die Staatsorgane von Belarus nach wie vor repressiv gegen ihre politischen Gegner vorgehen, was bedeutet, dass friedliche Demonstranten immer noch verwaltungsrechtlich haftbar gemacht werden, andere zivile und politische Rechte eingeschränkt werden und es in dem Land neue politische Gefangene gibt; in der Erwägung, dass die Staatsorgane von Belarus insbesondere auf legislativer Ebene bislang keine Maßnahmen ergriffen haben, mit denen im Bereich Menschenrechte Systemveränderungen und Verbesserungen bewirkt würden;
Q. in der Erwägung, dass die Beziehungen zwischen der EU und Belarus nur dann verbessert werden können, wenn Meinungs- und Medienfreiheit erheblich verbessert, die politischen Rechte der Zivilgesellschaft und von Oppositionellen in gleichem Maße geschützt und die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte geachtet werden; in der Erwägung, dass sich die Europäische Union auch künftig entschieden für die Verteidigung der Menschenrechte und die Meinungs- und Medienfreiheit in Belarus einsetzt;
R. in der Erwägung, dass Belarus am 25. Oktober 2016 seinen ersten nationalen Aktionsplan für Menschenrechte beschlossen hat, der mit einer Entschließung des Ministerrates gebilligt wurde; in der Erwägung, dass den Staatsorganen von Belarus zufolge in diesem Plan festgelegt wird, wie die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes im Wesentlichen umgesetzt werden sollen;
S. in der Erwägung, dass eines der Ziele der Teilnahme von Belarus an der Östlichen Partnerschaft und Euronest – ihrem parlamentarischen Gremium – die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Land und der EU ist; in der Erwägung, dass das Parlament von Belarus keinen offiziellen Status in der Parlamentarischen Versammlung Euronest genießt;
T. in der Erwägung, dass Belarus derzeit in Astrawez an der Grenze zur EU sein erstes Kernkraftwerk errichtet; in der Erwägung, dass sich jedes Land, das Kernkraft nutzen will, in den Bereichen kerntechnische Sicherheit und Umweltsicherheit strikt an die einschlägigen internationalen Anforderungen und Normen halten muss; in der Erwägung, dass die Regierung von Belarus, die ausschließlich für den Schutz und die Sicherheit kerntechnischer Anlagen auf ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich ist, ihren Pflichten gegenüber den Bürgern des Landes und den Nachbarländern nachkommen muss; in der Erwägung, dass man sich beim Bau, im Betrieb und bei der Stilllegung sämtlicher kerntechnischer Anlagen stets von den Grundsätzen Offenheit und Transparenz leiten lassen muss;
U. in der Erwägung, dass Belarus der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) angehört und an gemeinsamen Militärmanövern mit Russland teilnimmt, die die Bezeichnung „Sapad“ („Westen“) tragen und bei denen Angriffe auf die westlichen Nachbarstaaten geübt werden und auch der Einsatz von Kernwaffen gegen Polen simuliert wird; in der Erwägung, dass Belarus wahrscheinlich auch im kommenden Jahr an dem Manöver „Sapad 2017“ teilnehmen wird, in dem möglicherweise weitere Angriffsszenarios geübt werden;
1. ist unverändert zutiefst besorgt über die Mängel, die von unabhängigen internationalen Beobachtern bei der Präsidentschaftswahl 2015 und der Parlamentswahl 2016 festgestellt wurden; würdigt die Bemühungen um Fortschritte, die gleichwohl noch unzureichend sind; stellt fest, dass im neu gewählten Parlament ein Abgeordneter einer Oppositionspartei und ein Abgeordneter aus dem nichtstaatlichen Bereich vertreten ist; hält diese Tatsache jedoch nicht für eine Folge des Wahlergebnisses, sondern vielmehr für eine politische Ernennung; stellt fest, dass sich im Rahmen der Prüfung der künftigen Legislativvorschläge, die von diesen zwei Parlamentariern eingereicht werden, erweisen wird, welche politischen Absichten die Staatsorgane mit dieser Ernennung verfolgen;
2. fordert die Staatsorgane von Belarus auf, die Arbeit an einer umfassenden Reform des Wahlsystems im Rahmen des Prozesses der weiteren Demokratisierung und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern unverzüglich wiederaufzunehmen; betont, dass die Empfehlungen des BDIMR der OSZE rechtzeitig vor den Kommunalwahlen im März 2018 umgesetzt und die Kommunalwahlen von in- und ausländischen Beobachtern verfolgt werden müssen; erachtet die entsprechenden Maßnahmen als entscheidend, wenn es gilt, die erwünschte Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Belarus zu erreichen;
3. fordert die Staatsorgane von Belarus erneut auf, dafür zu sorgen, dass die demokratischen Grundsätze, die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den von Belarus ratifizierten internationalen und regionalen Menschenrechtsübereinkünften unter allen Umständen gewahrt werden;
4. fordert die Regierung von Belarus auf, die freigelassenen politischen Gefangenen zu rehabilitieren und ihnen ihre bürgerlichen und politischen Rechte vollständig zurückzugeben;
5. ist besorgt darüber, dass seit 2000 in Belarus keine neue Partei registriert worden ist; fordert, dass alle diesbezüglichen Einschränkungen aufgehoben werden; betont, dass allen Parteien gestattet werden muss, sich uneingeschränkt politisch zu betätigen, insbesondere im Wahlkampf;
6. hegt die Erwartung, dass die Staatsorgane der Praxis, unabhängige Medien aus politischen Gründen zu schikanieren, ein Ende setzen; fordert mit Nachdruck, die Praxis zu beenden, dass freie Journalisten wegen der Zusammenarbeit mit nicht akkreditierten ausländischen Medien verwaltungsrechtlich belangt werden, wobei willkürlich auf Artikel 22.9 Absatz 2 des Verwaltungsgesetzbuchs zurückgegriffen wird, durch den das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Verbreitung von Informationen eingeschränkt werden;
7. fordert die Regierung von Belarus auf, Artikel 193/1 des Strafgesetzbuchs unverzüglich aufzuheben, der die Organisation von Tätigkeiten nicht eingetragener öffentlicher Vereinigungen und Organisationen oder die Teilnahme an solchen Tätigkeiten unter Strafe stellt, und öffentlichen Vereinigungen und Organisationen eine uneingeschränkte, freie und ungehinderte rechtmäßige Tätigkeit zu ermöglichen; weist die Kommission insbesondere darauf hin, dass derzeit infolge der Anwendung von Artikel 193/1 und weiterer restriktiver Maßnahmen mehr als 150 belarussische nichtstaatliche Organisationen in Litauen, Polen, der Tschechischen Republik und anderen Ländern registriert sind;
8. fordert die Staatsorgane von Belarus nachdrücklich auf, die Vorschriften zu überarbeiten, auf deren Grundlage finanzielle Unterstützung aus dem Ausland für den nichtstaatlichen Bereich in Belarus immer noch stark besteuert wird;
9. verurteilt entschieden die Politik der Regierung von Belarus, Spezialkräfte einzusetzen, die sich in die inneren Angelegenheiten von Organisationen der Zivilgesellschaft einmischen, darunter Organisationen, die nationale Minderheiten vertreten, etwa die unabhängige nichtstaatliche Organisation „Vereinigung der Polen in Belarus“;
10. fordert Belarus – das einzige Land in Europa, das nach wie vor die Todesstrafe verhängt und seit kurzem auch wieder vollstreckt – nachdrücklich auf, sich in einem ersten Schritt zur dauerhaften Abschaffung der Todesstrafe einem weltweiten Moratorium für deren Vollstreckung anzuschließen; weist erneut darauf hin, dass die Todesstrafe unmenschlich und entwürdigend ist, dass sie keine nachweislich abschreckende Wirkung hat und dass Justizirrtümer im Fall der Vollstreckung unumkehrbar sind; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Kommission auf, den genannten Bedenken im Rahmen des laufenden Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Belarus absoluten Vorrang einzuräumen; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass der Ministerrat von Belarus den Aktionsplan für die Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die allgemeine regelmäßige Überprüfung angenommen hat, und geht davon aus, dass er in vollem Umfang durchgeführt wird;
11. fordert die EU auf, mit unvermindertem Engagement auf die weitere Normalisierung der Beziehungen zu Belarus hinzuwirken; bekräftigt seinen Standpunkt, wonach sich die bestehenden Differenzen am besten durch bessere Kommunikation beheben lassen und das weitere Engagement der EU und insbesondere des Europäischen Parlaments für den Dialog mit Belarus, vor allem aber mit der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft des Landes sowie mit dem Parlament und verschiedenen Parteien, konkrete Ergebnisse bewirken und zur Unabhängigkeit, zur Souveränität und zum Wohlstand des Landes beitragen kann;
12. fordert den EAD und die Kommission auf, in Belarus und im Ausland tätige Organisationen der Zivilgesellschaft auch künftig und in noch stärkerem Maße zu unterstützen; betont in diesem Zusammenhang, dass alle unabhängigen Informationsquellen der belarussischen Gesellschaft unterstützt werden müssen, darunter auch Sendungen in belarussischer Sprache und im Ausland produzierte Sendungen;
13. nimmt zur Kenntnis, dass im Januar 2014 Verhandlungen über Visaerleichterungen mit dem Ziel eingeleitet wurden, zwischenmenschliche Kontakte zu verbessern und das Entstehen einer Zivilgesellschaft zu fördern; betont, dass die Kommission und der EAD die Maßnahmen treffen sollten, die notwendig sind, damit diesbezüglich rascher Fortschritte erzielt werden;
14. unterstützt die Politik der EU, kritische Gespräche mit den Staatsorganen von Belarus zu führen, und bringt seine Bereitschaft zum Ausdruck, zu dieser Zusammenarbeit unter anderem über seine Delegation für die Beziehungen zu Belarus beizutragen; fordert die Kommission auf, legislative Initiativen genau zu überwachen und ihre Umsetzung eingehend zu prüfen; bekräftigt, dass die EU dafür sorgen muss, dass ihre Ressourcen nicht für die Unterdrückung von Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverfechtern, freien Journalisten und Oppositionsführern eingesetzt werden;
15. ist beunruhigt über die Sicherheitsprobleme, die der Bau des belarussischen Kernkraftwerks in Astrawez mit sich bringt – einem Ort, der weniger als 50 km von der litauischen Hauptstadt Vilnius entfernt ist und in der Nähe der Grenze zu Polen liegt; betont, dass dieses Vorhaben unter umfassender internationaler Aufsicht verwirklicht werden muss, damit es den internationalen Anforderungen und Normen in den Bereichen kerntechnische Sicherheit und Umweltsicherheit genügt, beispielsweise den VN‑Übereinkommen von Espoo bzw. Aarhus; fordert die Kommission auf, bei ihrem Dialog mit Belarus und Russland auch auf Fragen zur Sicherheit dieses im Bau befindlichen Kernkraftwerks und zur Transparenz des Bauverfahrens einzugehen, da das Kernkraftwerk von Russland finanziert wird und auf Technik von Rosatom beruht, und dem Parlament und den Mitgliedstaaten – insbesondere den an Belarus grenzenden Mitgliedstaaten – regelmäßig darüber Bericht zu erstatten; fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Hebel in Bewegung zu setzen, wozu gehört, dass jegliche Makrofinanzhilfe der EU an Auflagen gebunden wird, damit Belarus hinsichtlich des Kernkraftwerks Astrawez die internationalen Sicherheitsnormen erfüllt, was insbesondere für die am 23. Juni 2011 mit der Kommission vereinbarte Durchführung von Belastungstests gilt;
16. legt großen Wert darauf, dass Belarus der Parlamentarischen Versammlung Euronest im Einklang mit ihrer Gründungsakte beitritt, sobald die politischen Bedingungen erfüllt sind, da Belarus hierdurch zwangsläufig stärker in die multilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der Östlichen Partnerschaft eingebunden würde, und sieht diesem Beitritt erwartungsvoll entgegen;
17. bekräftigt seine Zusage, sich für die Bevölkerung von Belarus zu engagieren, ihre Bestrebungen und Initiativen für die Demokratie zu unterstützen und zu einer stabilen, demokratischen und erfolgreichen Zukunft des Landes beizutragen;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie dem BDIMR der OSZE, dem Europarat und den Staatsorganen von Belarus zu übermitteln.