Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2017 zur Kontrolle des Registers und die Zusammensetzung der Sachverständigengruppen der Kommission (2015/2319(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Beschluss der Kommission vom 30. Mai 2016 mit horizontalen Bestimmungen über die Einsetzung und Arbeitsweise der Sachverständigengruppen der Kommission (C(2016)3301),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an die Kommission – Rahmenregelung für Expertengruppen der Kommission: Horizontale Bestimmungen und öffentliches Register (C(2016)3300),
– unter Hinweis auf die Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2016 zur Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2014, Einzelplan III – Kommission und Exekutivagenturen(2),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltskontrollausschusses sowie die Stellungnahmen des Rechtsausschusses und des Haushaltsausschusses (A8-0002/2017),
A. in der Erwägung, dass es seine Besorgnis wegen der Funktionsweise der vorausgegangenen Rahmenregelung für Expertengruppen der Kommission vom November 2010(3) zum Ausdruck gebracht hat, die eingeführt worden war, um erhebliche operative Innovationen zur Verbesserung der Transparenz und Koordinierung im Rahmen der interinstitutionellen Tätigkeit zu bewirken;
B. in der Erwägung, dass insbesondere sein Haushaltsausschuss angesichts der mangelnden Transparenz und unausgewogenen Zusammensetzung einer Reihe von Sachverständigengruppen und vor dem Hintergrund, dass sichergestellt werden muss, dass die Sachverständigengruppen so zusammengesetzt sind, dass ein ausgewogenes Verhältnis in Bezug auf das vertretene Fachwissen und die vertretenen Meinungen besteht, 2011 und 2014 Haushaltsmittel in die Reserve eingestellt und Forderungen erhoben hat, denen noch nicht nachgekommen wurde;
C. in der Erwägung, dass im Rahmen einer neueren, von ihm in Auftrag gegebenen Studie ein allgemeiner Mangel an Transparenz und eine Unausgewogenheit in der Zusammensetzung einer Reihe von Sachverständigengruppen festgestellt wurde(4);
D. in der Erwägung, dass eine ausgewogene Zusammensetzung und Transparenz entscheidende Voraussetzungen dafür sind, dass die Sachverständigengruppen den Erfordernissen des gesetzgeberischen Handelns in angemessener Weise entsprechen können, und sich ihre Legitimität und die des gesetzgeberischen Handelns in den Augen der europäischen Bürger erhöhen;
E. in der Erwägung, dass die Europäische Bürgerbeauftragte in ihrer strategischen Untersuchung(5) eine Empfehlung zur Zusammensetzung der Sachverständigengruppen der Kommission abgegeben und dabei insbesondere den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit einer größeren Transparenz in den Sachverständigengruppen gelegt hat;
F. in der Erwägung, dass sich die Kommission vor Erlass des Beschlusses mit Vertretern des Parlaments und mit der Europäischen Bürgerbeauftragten ins Benehmen gesetzt hat;
G. in der Erwägung, dass die Kommission dem Parlament ein Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vorgelegt hat, das den in einem Arbeitsdokument des Berichterstatters für den Haushaltskontrollausschuss enthaltenen Empfehlungen Rechnung trug;
H. in der Erwägung, dass bedauerlicherweise weder das Arbeitsdokument der Kommissiondienststellen noch der Beschluss der Kommission für alle vom Parlament geäußerten Bedenken Lösungen enthält;
1. begrüßt den Beschluss der Kommission vom 30. Mai 2016 mit horizontalen Bestimmungen über die Einsetzung und Arbeitsweise der Sachverständigengruppen der Kommission, bedauert aber, dass die Kommission, obwohl zahlreiche Nichtregierungsorganisationen ihr Interesse geäußert hatten, keine umfassende Anhörung der Öffentlichkeit durchgeführt hat; hebt hervor, wie wichtig es ist, Formen der Mitwirkung der Vertreter der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner in den entscheidenden Sektoren, wie die Transparenz und das Funktionieren der europäischen Organe, wieder einzuführen;
2. weist darauf hin, dass durch den Erlass der neuen horizontalen Bestimmungen offenbar zahlreichen vom Parlament zuvor geäußerten Bedenken Rechnung getragen wurde, insbesondere was die Notwendigkeit öffentlicher Aufforderungen zur Einreichung von Bewerbungen für die Auswahl der Mitglieder der Sachverständigengruppen, die Überarbeitung des Registers der Sachverständigengruppen der Kommission und die Schaffung von Synergien zwischen diesem Register, dem Transparenzregister der Kommission und des Parlaments und den Bestimmungen betrifft, in denen es um die Notwendigkeit der Vermeidung von Interessenkonflikten, insbesondere in Bezug auf Sachverständige, die ad personam ernannt werden, geht;
3. weist darauf hin, dass die Transparenz und Koordinierung der interinstitutionellen Tätigkeiten von außerordentlicher Bedeutung sind, da sie im Hinblick auf das in den Sachverständigengruppen vorhandene Fachwissen und die in ihnen vertretenen Meinungen zu einer angemessenen Ausgewogenheit und damit zu einer Optimierung ihrer Arbeit beitragen; begrüßt daher, dass der Auswahlprozess nun öffentlich erfolgt; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die praktischen Erfahrungen und Qualifikationen der Sachverständigen ersichtlich sein müssen; ist der Ansicht, dass während des gesamten Auswahlverfahrens ein hohes Maß an Transparenz sichergestellt werden muss und diesem klarere und präzisere Kriterien zugrunde gelegt werden müssen, wobei neben der wissenschaftlichen Qualifikation der Bewerber ein besonderes Interesse vor allem ihrer praktischen Erfahrung und ihren möglichen Interessenskonflikten gelten sollte;
4. begrüßt, dass bereits eine Verbindung zwischen dem Register der Sachverständigengruppen der Kommission und dem Transparenzregister hergestellt wurde, wodurch ein höheres Maß an Transparenz gewährleistet wird;
5. bedauert, dass der Versuch, eine öffentliche Anhörung zu der Einführung neuer Vorschriften durchzuführen, nicht erfolgreich verlaufen ist; fordert die Kommission auf, transparent vorzugehen und den europäischen Bürgern gegenüber Rechenschaft abzulegen;
6. weist darauf hin, dass sich mangelnde Transparenz negativ auf das Vertrauen der Unionsbürger in die Organe der EU auswirkt; ist der Ansicht, dass daher eine wirksame Reform des Systems der Sachverständigengruppen der Kommission, die auf eindeutigen Grundsätzen der Transparenz und einer ausgewogenen Zusammensetzung beruht, die Zugänglichkeit und die Glaubwürdigkeit der Daten steigert, wodurch wiederum das Vertrauen der Bürger in die EU gestärkt wird;
7. betont, dass die neuen Bestimmungen in strenger und gleicher Weise auf alle Sachverständigengruppen der Kommission ungeachtet ihrer Bezeichnung (womit besondere, hochrangige oder andere „außerordentliche“ Gruppen und formelle oder informelle Gruppen eingeschlossen sind) Anwendung finden sollten, die nicht ausschließlich aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehen oder unter den Beschluss 98/500/EG der Kommission vom 20. Mai 1998 über die Einsetzung von Ausschüssen für den sektoralen Dialog zur Förderung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern auf europäischer Ebene fallen; bekräftigt, dass die neuen Vorschriften eine ausgewogene Vertretung sicherstellen müssen, indem Vertreter aller Interessenträger beteiligt werden;
8. ist der Ansicht, dass die Kommission Fortschritte auf dem Weg zu einer ausgewogeneren Zusammensetzung der Sachverständigengruppen erzielen sollte; bedauert, dass bislang noch keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Interessenvertretern vorgenommen wird, was zu einem Höchstmaß an Transparenz und Ausgewogenheit beitragen würde; betont in diesem Zusammenhang, dass die Kommission in der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen darlegen müsste, wie sie eine ausgewogene Zusammensetzung definiert und welche Interessen sie bei der Einsetzung der Sachverständigengruppen vertreten sehen möchte; hält es daher für wichtig, das Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss einzubinden, damit eine ausgewogenere Definition einer solchen Unterscheidung entwickelt werden kann;
9. fordert die Kommission auf, bei der Einsetzung neuer Sachverständigengruppen oder bei der Änderung der Zusammensetzung bestehender Sachverständigengruppen in der öffentlichen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen klar anzugeben, wie sie eine ausgewogene Zusammensetzung definiert und welche Interessen sie vertreten sehen möchte und warum, sowie für den Fall, dass bei der Einsetzung der Sachverständigengruppen von der im Voraus definierten ausgewogenen Zusammensetzung abgewichen wird, diese Abweichungen zu begründen;
10. weist in diesem Zusammenhang und unter Bezugnahme auf die Ziffern 34-45 der vorgenannten Stellungnahme der Bürgerbeauftragten darauf hin, dass „Ausgewogenheit“, auch wenn die Kommission diesen Begriff noch nicht förmlich definiert hat, nicht als Ergebnis einer Rechenaufgabe zu verstehen ist, sondern vielmehr als das Ergebnis von Bemühungen, die sicherstellen sollen, dass die Mitglieder einer Sachverständigengruppe zusammen über das für die Erfüllung des Mandats der jeweiligen Sachverständigengruppe nötige Maß an Fachwissen und breitgefächerten Sichtweisen verfügen; ist der Ansicht, dass der Begriff der Ausgewogenheit daher in Abhängigkeit von dem spezifischen Mandat der jeweiligen Sachverständigengruppe verstanden werden sollte; steht auf dem Standpunkt, dass im Rahmen der Kriterien, nach denen beurteilt wird, ob eine Sachverständigengruppe ausgewogen ist, auch die Aufgaben der Gruppe, das erforderliche Fachwissen, die Interessenträger, die höchstwahrscheinlich von der Angelegenheit betroffen wären, die Organisation der Gruppen von Interessenträgern und das angemessene Verhältnis von wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Interessen berücksichtigt werden sollten;
11. fordert die Kommission auf, möglichst bald zu prüfen, ob ein neuer Beschwerdemechanismus erforderlich ist, falls die Definition einer abgewogenen Zusammensetzung von interessierten Kreisen angefochten wird, oder die derzeitigen Vorkehrungen angemessen sind; verlangt, dass das Parlament an diesem Kontrollmechanismus beteiligt wird;
12. weist darauf hin, dass es für die Kommission in der Vergangenheit nicht immer möglich war, genügend Sachverständige zu finden, die KMU, Verbraucher, Gewerkschaften oder andere Organisationen von allgemeinem öffentlichem Interesse vertreten, und dass dies häufig an den Kosten lag, wie sie z. B. eine Beurlaubung oder im Falle von KMU die Einstellung eines Vertreters für die Zeit der Mitgliedschaft in der Sachverständigengruppe mit sich bringen (im Folgenden als „Alternativkosten“ bezeichnet);
13. fordert die Kommission daher auf, zu prüfen, wie die Vertretung von unterrepräsentierten Organisationen oder auch gesellschaftlichen Gruppen in Sachverständigengruppen erleichtert und gefördert werden kann, und fordert sie auf, zu diesem Zweck unter anderem ihre Bestimmungen über die Kostenerstattung auf wirksame und gerechte Weise zu bewerten, auch im Hinblick auf mögliche Vorgehensweisen zur Deckung von Auslagen im Zusammenhang mit solchen „Alternativkosten“, allerdings unter gebührender Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit;
14. fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung eines Vergütungssystems zu prüfen, mit dem unterrepräsentierte Gruppen dabei unterstützt werden, das Fachwissen zu erlangen, das für eine vollumfänglich wirksame Beteiligung an den Sachverständigengruppen erforderlich ist;
15. fordert die Kommission auf, es europäischen Nichtregierungsorganisationen zu ermöglichen, sich in Sachverständigengruppen durch Vertreter ihrer nationalen Mitgliederorganisationen vertreten zu lassen, sofern sie über ein klares Mandat seitens der europäischen Organisationen verfügen;
16. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass für den Fall, dass es trotz besonderer Vorkehrungen immer noch nicht möglich ist, genügend Sachverständige zu finden, die alle relevanten Interessen vertreten, die betreffende Sachverständigengruppe alle angemessenen Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass in den Abschlussberichten dieser Sachverständigengruppen tatsächlich alle relevanten Interessen in ausgewogener Weise vertreten sind;
17. weist darauf hin, dass sowohl das Parlament als auch die Europäische Bürgerbeauftragte der Kommission empfohlen haben, die Tagesordnungen, Hintergrunddokumente und Sitzungsprotokolle zu veröffentlichen und die Beratungen der Sachverständigengruppen öffentlich zu machen, sofern deren Mitglieder nicht mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dass eine spezielle Sitzung oder ein spezieller Teil einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden muss, und bedauert, dass die Kommission an einem System festgehalten hat, bei dem die Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sofern die Mitglieder der Sachverständigengruppen nicht mit einfacher Mehrheit beschließen, dass die Beratungen öffentlich sein sollten; hält es für unabdingbar, die größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, und fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Sitzungen und Protokolle öffentlich zugänglich sind;
18. betont, dass Nutzern der Zugang zu unterschiedlichen Dokumenten (Tagesordnungen, Referenzdokumenten, verschiedenen Berichten) ermöglicht werden muss, damit eine wirksame Überwachung seitens der Interessenträger sichergestellt wird; ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Website des Registers der Sachverständigengruppen – entweder als solche oder über Hyperlinks zu anderen einschlägigen Websites – zu den Instrumenten oder Mechanismen gehören sollte, auf die zurückgegriffen wird, um fortlaufend aktualisierte Informationen über politische Entwicklungen zu erhalten, wodurch ein hohes Maß an Transparenz sichergestellt würde;
19. ersucht die Kommission, in Absprache mit interessierten Akteuren, einschließlich des Parlaments, unverzüglich konkrete Leitlinien auszuarbeiten, in denen erklärt wird, wie sie die Bestimmung auslegt, dass die Protokolle der Sachverständigengruppen aussagekräftig und vollständig sein sollten, vor allem wenn die Sitzungen nicht öffentlich sind, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, in diesem Zusammenhang im Einklang mit der Empfehlung der Europäischen Bürgerbeauftragten für die größtmögliche Transparenz zu sorgen, d. h. auch für die Veröffentlichung der Tagesordnung, der Hintergrunddokumente, der Abstimmungsergebnisse und der ausführlichen Protokolle, einschließlich abweichender Meinungen;
20. weist darauf hin, dass sich neben ad personam benannten Sachverständigen auch Mitglieder von Universitäten, Forschungsinstituten, Anwaltskanzleien, europäische und sonstige Denkfabriken und Unternehmensberatungsgesellschaften in einem Interessenkonflikt befinden können, und fordert die Kommission auf klarzustellen, wie sie Interessenkonflikte bei diesen speziellen Kategorien von Sachverständigen vermeidet;
21. fordert die Kommission auf, unter Heranziehung positiver Beispiele dafür zu sorgen, dass die verbesserten horizontalen Bestimmungen auch systematisch angewendet werden, und zwar im Rahmen einer zentralen Kontrolle der Umsetzung dieser horizontalen Bestimmungen, und diese Aufgabe nicht den einzelnen Generaldirektionen zu übertragen;
22. fordert die Kommission auf, insbesondere genügend Ressourcen für die das Register betreffenden Tätigkeiten vorzusehen, indem innovative und besonders effektive Methoden entwickelt werden, sodass das Register auf dem neuesten Stand gehalten wird und keine sachlichen Fehler und/oder Auslassungen enthält und Daten in maschinenlesbarem Format exportiert werden können;
23. stellt fest, dass die Kommission erklärt hat, dass die neue Rahmenregelung für Expertengruppen der Kommission bis Ende 2016 von allen Generaldirektionen angewandt werden muss, und fordert die Kommission auf, dem Parlament spätestens ein Jahr nach Erlass des Beschlusses, d. h. vor dem 1. Juni 2017, einen Umsetzungs- und Evaluierungsbericht vorzulegen; fordert die Kommission auf, dass im Rahmen des strukturierten Dialogs mit dem Parlament bereits innerhalb der nächsten sechs Monate eine erste mündliche Vorstellung des Berichts stattfinden kann;
24. erinnert außerdem daran, dass die Kommission bei der Vorbereitung und Ausarbeitung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten sowie bei der Erarbeitung strategischer Leitlinien gewährleisten muss, dass alle Dokumente einschließlich der Entwürfe von Rechtsakten dem Parlament und dem Rat zur gleichen Zeit wie den Sachverständigen der Mitgliedstaaten übermittelt werden, wie im Rahmen der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung vereinbart wurde.
25. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Fachabteilung D (Haushaltsfragen), Zusammensetzung der Sachverständigengruppen der Kommission und Stand des Registers der Sachverständigengruppen, 2015.