Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Mai 2017 zum Thema „Der Umsiedlungspolitik zum Erfolg verhelfen“ (2017/2685(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates vom 14. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland(1),
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vom 22. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland(2),
– unter Hinweis auf den Beschluss (EU) 2016/1754 des Rates vom 29. September 2016 zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1601 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland(3),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 9. September 2015 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland(4),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 17. September 2015 zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien, Griechenland und Ungarn(5),
– unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 15. September 2016 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1601 des Rates vom 22. September 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland(6),
– unter Hinweis auf die elf Berichte der Kommission über die Umverteilung und Neuansiedlung,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Rates und der Kommission vom 16. Mai 2017 zum Thema „Der Umsiedlungspolitik zum Erfolg verhelfen“,
– unter Hinweis auf die im Namen seines Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres durchgeführte und im März 2017 veröffentlichte Studie zum Thema „Umsetzung der Beschlüsse des Rates von 2015 zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland“,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Parlament infolge des in Artikel 78 Absatz 3 AEUV vorgesehenen Anhörungsverfahrens seinen befürwortenden Standpunkt in Bezug auf die Umsiedlungsbeschlüsse mit großer Mehrheit annahm;
B. in der Erwägung, dass die Umsiedlungsbeschlüsse angesichts des Fehlens eines europäischen Asylsystems basierend auf einer geteilten Verantwortung als dringliche Solidaritätsmaßnahme angenommen wurden;
C. in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet haben, 160 000 Asylsuchende aus Italien und Griechenland umzusiedeln; in der Erwägung, dass gemäß dem Beschluss (EU) 2016/1754 des Rates 54 000 dieser Umsiedlungsplätze für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus der Türkei in Anspruch genommen werden können;
D. in der Erwägung, dass sich das Vereinigte Königreich gegen eine Beteiligung an diesem Mechanismus entschieden hat, während sich Irland dafür entschieden hat; in der Erwägung, dass sich Dänemark gegen eine freiwillige Beteiligung entschieden hat, während drei assoziierte Staaten einer Beteiligung zugestimmt haben;
E. in der Erwägung, dass bis zum 27. April 2017 lediglich 17 903 Asylsuchende umgesiedelt wurden, davon 12 490 aus Griechenland und 5 413 aus Italien; in der Erwägung, dass diese Zahl lediglich 11 % der Gesamtverpflichtung entspricht;
F. in der Erwägung, dass die Zahl der Asylsuchenden, die sich derzeit in Italien und Griechenland aufhalten und für eine Umsiedlung infrage kommen, unter den in den Beschlüssen des Rates vorgesehenen Zielvorgaben liegt; in der Erwägung, dass in Griechenland bislang 26 997 Antragsteller, die für eine Umsiedlung infrage kommen, registriert worden sind und die Mitgliedstaaten zugesagt haben, 19 603 Flüchtlinge aufzunehmen; in der Erwägung, dass in Italien bislang 8 000 Antragsteller, die für eine Umsiedlung infrage kommen, registriert worden sind und die Mitgliedstaaten zugesagt haben, 10 659 Umsiedlungsplätze bereitzustellen; in der Erwägung, dass die Zahl der Zusagen in der Regel deutlich höher ist als die Zahl der letztlich tatsächlich umgesiedelten Personen;
G. in der Erwägung, dass ausschließlich Asylsuchende, die bereits vor dem 20. März 2016 in Griechenland waren, tatsächlich für eine Umsiedlung in Betracht gezogen werden; in der Erwägung, dass in den Umsiedlungsbeschlüssen kein solcher Stichtag für eine Umsiedlung vorgesehen ist und die Beschlüsse auch nicht zu diesem Zweck geändert wurden;
H. in der Erwägung, dass den jüngsten vierteljährlich aktualisierten Eurostat-Daten zufolge ausschließlich Staatsangehörige von Ländern, die eine durchschnittliche Anerkennungsquote von mindestens 75 % aufweisen, für eine Umsiedlung infrage kommen; in der Erwägung, dass irakische Staatsangehörige nicht länger für eine Umsiedlung infrage kommen, da ihre durchschnittliche Anerkennungsquote unter 75 % gesunken ist; in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seinem Standpunkt vom 15. September 2016 zu einem Vorschlag der Kommission zur Änderung des Beschlusses (EU) 2015/1601 des Rates forderte, dass auch afghanische Staatsangehörige für eine Umsiedlung infrage kommen sollten; in der Erwägung, dass afghanische Staatsangehörige die zweitgrößte Gruppe von Asylsuchenden bilden, mit der die EU 2016 konfrontiert war; in der Erwägung, dass 56,7 % von ihnen Asyl gewährt wurde; in der Erwägung, dass mit Abstand die meisten afghanischen Flüchtlinge über Griechenland nach Europa einreisen; in der Erwägung, dass viele von ihnen unbegleitete Minderjährige sind;
I. in der Erwägung, dass sich immer noch 62 300 Asylsuchende und Migranten in Griechenland aufhalten;
J. in der Erwägung, dass Italien 2016 mit 181 436 Neuankünften einen Rekordzustrom verzeichnete (was gegenüber 2015 einem Anstieg um 18 % entspricht) und dass es sich bei 14 % davon um unbegleitete Minderjährige handelte; in der Erwägung, dass 20 700 Eritreer, die für eine Umsiedlung infrage kommen, 2016 in Italien ankamen, bislang allerdings erst rund ein Viertel dieser Personen für eine Umsiedlung registriert wurde;
K. in der Erwägung, dass im Jahr 2016 die Zahl der Asylsuchenden, die aus Italien in andere Mitgliedstaaten umgesiedelt wurden, deutlich niedriger war als die Zahl der Asylsuchenden, die gemäß der Dublin-Verordnung von den anderen Mitgliedstaaten nach Italien rücküberstellt wurden;
L. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem achten Bericht über die Umverteilung und Neuansiedlung monatliche Zielvorgaben – die in ihren Folgeberichten wiederholt werden und sich auf 3 000 Umsiedlungen für Griechenland und 1 500 Umsiedlungen für Italien belaufen (zum 1. April 2017) – mit dem Ziel festlegte, eine effektive und reibungslose Umverteilung innerhalb der vom Rat in seinen Beschlüssen festgelegten Frist zu ermöglichen;
M. in der Erwägung, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 15. Dezember 2016 den gemeinsamen Aktionsplan zur Umsetzung der Erklärung EU-Türkei unterstützte, der die Zielvorgaben für die Umsiedlungen aus Griechenland umfasste; in der Erwägung, dass der Europäische Rat ferner seine Forderung bekräftigte, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Umverteilung von Flüchtlingen, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen, zu beschleunigen;
N. in der Erwägung, dass neben den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsiedlungspolitik auch die hierfür erforderliche operative Infrastruktur vorhanden ist;
O. in der Erwägung, dass trotz einiger Fortschritte nur zwei Mitgliedstaaten – Finnland und Malta – auf dem richtigen Weg sind, um ihren Umsiedlungsverpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen; in der Erwägung, dass die meisten Mitgliedstaaten immer noch weit hinter den Zielvorgaben zurückliegen; in der Erwägung, dass vier Mitgliedstaaten nur in sehr begrenztem Umfang Umsiedlungen vorgenommen haben; in der Erwägung, dass nach wie vor zwei Mitgliedstaaten nicht an dem Programm teilnehmen;
P. in der Erwägung, dass ausschließlich Finnland systematisch unbegleitete Minderjährige aufnimmt; in der Erwägung, dass in Italien ein Bedarf an rund 5 000 Umsiedlungsplätzen für unbegleitete Minderjährige besteht, während bislang nur ein einziger umgesiedelt wurde; in der Erwägung, dass seit dem 12. April 2017 weitere 163 Plätze für Griechenland benötigt werden;
Q. in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten überaus restriktive und diskriminierende Präferenzen anwenden und beispielsweise ausschließlich alleinerziehende Mütter aufnehmen oder Antragsteller aus bestimmten Ländern wie z. B. Eritrea ausschließen und darüber hinaus verschärfte Sicherheitskontrollen durchführen; in der Erwägung, dass bis zum 7. Mai 2017 in 961 Fällen die Umsiedlung aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten abgelehnt worden war;
R. in der Erwägung, dass im Beschluss (EU) 2015/1523 des Rates eindeutig festgelegt ist, dass Umsiedlungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten nicht von der umfassenden Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 einschließlich der Bestimmungen zur Familienzusammenführung, zum besonderen Schutz für unbegleitete Minderjährige und der Ermessensklausel im Zusammenhang mit humanitären Gründen entbinden;
1. würdigt die bislang erzielten Fortschritte, bringt jedoch seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen zur Solidarität und Lastenteilung nicht nachkommen;
2. begrüßt die Einrichtung eines Systems durch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, das einen automatisierten Abgleich der Präferenzen ermöglicht; fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Genehmigung bzw. Ablehnung von Umsiedlungsanträgen keine willkürlichen Entscheidungen zu treffen; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Ablehnungen ausschließlich von den Gründen abhängig zu machen, die in den Beschlüssen des Rates über die Umsiedlung von Flüchtlingen ausdrücklich dargelegt sind;
3. fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, ihren sich aus den Beschlüssen des Rates ergebenden Verpflichtungen nachzukommen und systematisch Asylsuchende aus Griechenland und Italien, einschließlich derjenigen, die nach dem 20. März 2016 in Europa ankamen, aufzunehmen, bis alle Asylsuchenden, die für eine Umsiedlung infrage kommen, innerhalb der vom Rat in seinen Beschlüssen festgelegten Frist wirksam und in angemessener Weise umverteilt worden sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich zur Durchführung einer konstant hohen Zahl von Umsiedlungen zu verpflichten;
4. fordert die Mitgliedstaaten auf, der Umsiedlung von unbegleiteten Minderjährigen und anderen schutzbedürftigen Antragstellern Vorrang einzuräumen;
5. begrüßt, dass die Kommission in ihrem zehnten Bericht über die Umverteilung und Neuansiedlung vom 2. März 2017 angekündigt hat, dass sie nicht zögern werde, von den ihr durch die Verträge übertragenen Befugnissen Gebrauch zu machen, wenn die Mitgliedstaaten die Zahl ihrer Umsiedlungen nicht bald erhöhen; ist sich bewusst, dass dies auch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren beinhaltet;
6. beharrt darauf, dass die rechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nicht am 26. September 2017 auslaufen und sich die Mitgliedstaaten auch nach diesem Datum darum bemühen müssen, alle für eine Umsiedlung infrage kommenden Antragsteller, die vor diesem Stichdatum in Europa ankamen, umzusiedeln;
7. hebt hervor, dass sich der Rat ein Ziel von 160 000 Umsiedlungen gesetzt hat; stellt fest, dass die Zahl der Personen, die für eine Umsiedlung infrage kommen, nicht mit dieser Zahl übereinstimmt; fordert die Kommission auf, vorzuschlagen, die Umsiedlungsmaßnahmen gemäß ihrem Vorschlag vom 4. Mai 2016 (COM(2016)0270) bis zur Annahme der Neufassung der Dublin-Verordnung zu verlängern;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.