Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. November 2017 zu dem Abbau von Ungleichheiten zur Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung (2016/2269(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union,
– gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 9,
– unter Hinweis auf die überarbeitete Europäische Sozialcharta,
– unter Hinweis auf den Quartalsbericht der Kommission vom September 2015 über die soziale Lage und die Beschäftigungssituation in der EU,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2014 mit dem Titel „Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (COM(2014)0130),
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission über Beschäftigung und soziale Entwicklungen in Europa 2012,
– unter Hinweis auf das Maßnahmenpaket der Kommission für soziale Investitionen vom 20. Februar 2013 einschließlich der Empfehlung der Kommission 2013/112/EU mit dem Titel „Investitionen in Kinder: den Kreislauf der Benachteiligung durchbrechen“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 16. Dezember 2010 mit dem Titel „Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung: Ein europäischer Rahmen für den sozialen und territorialen Zusammenhalt“ (COM(2010)0758),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. März 2010 mit dem Titel „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (COM(2010)2020) und seine Entschließung vom 16. Juni 2010 zu dem Thema „EU 2020“(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Juni 2017 zur Notwendigkeit einer EU-Strategie zur Beendigung und zur Vermeidung des geschlechtsbedingten Rentengefälles(2),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2017 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union 2014–2015(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2017 zu einer europäischen Säule sozialer Rechte(4),
– unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 7. Juli 2016 an den Rat zur 71. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen(5),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. April 2016 zur Verwirklichung des Ziels der Armutsbekämpfung in Anbetracht der steigenden Haushaltskosten(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. November 2015 zur Verringerung von Ungleichheit mit besonderem Schwerpunkt auf Kinderarmut(7),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2014 zu einer EU-Strategie zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit(8),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2013 zu den Auswirkungen der Krise auf den Zugang von schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zu Leistungen der Fürsorge(9),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Juni 2013 zu der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Sozialinvestitionen für Wachstum und sozialen Zusammenhalt – einschließlich Durchführung des Europäischen Sozialfonds 2014–2020“(10),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. November 2011 zu der Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung(11),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2011 zur Frauenarmut in der Europäischen Union(12),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2011 zu dem Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU(13),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2010 zu der Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integrativen Gesellschaft in Europa(14),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2008 zur Förderung der sozialen Integration und zur Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU(15),
– unter Hinweis auf die Anfrage zur mündlichen Beantwortung O-000047/2016 – B8-0369/2016zu dem Thema „Bekämpfung von Ungleichheiten zur Förderung eines inklusiven und nachhaltigen Wirtschaftswachstums in der EU“,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 10. Dezember 2013 zum Thema „Europäisches Mindesteinkommen und Armutsindikatoren”(16),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 15. Juni 2011 zum Thema „Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung: Ein europäischer Rahmen für den sozialen und territorialen Zusammenhalt“(17),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 30. September 2009 mit dem Titel „Arbeit und Armut: die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes“(18),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 31. März 2011 zur Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung(19),
– unter Hinweis auf den Jahresbericht des Ausschusses für Sozialschutz vom 10 März 2015 über die soziale Lage in der Europäischen Union (2014)(20),
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz vom 15. Februar 2011 zur „Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung: Leitinitiative der Strategie Europa 2020“(21),
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Dritte Europäische Erhebung zur Lebensqualität – Lebensqualität in Europa: Auswirkungen der Krise“,
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Dritte Europäische Erhebung zur Lebensqualität – Lebensqualität in Europa: Soziale Ungleichheit“,
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Income inequalities and employment patterns in Europe before and after the great Recession“ (Einkommensunterschiede und Beschäftigungsstrukturen in Europa vor und nach der großen Rezession),
– unter Hinweis auf den zusammenfassenden Bericht von Eurofound über die sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen,
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Social mobility in the EU“ (Soziale Mobilität in der EU),
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „New forms of employment“ (Neue Beschäftigungsformen),
– unter Hinweis auf die aktuelle Mitteilung von Eurofound mit dem Titel „The Posted Workers' remuneration gaps: Challenging the equal treatment principle“ (Lohngefälle bei entsendeten Arbeitnehmern: Eine Herausforderung für den Grundsatz der Gleichbehandlung), in der eine ausführliche Übersicht über die Standpunkte der Regierungen und Sozialpartner in Europa zum Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit gegeben wird,
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Developments in working life in Europe: EurWORK annual review 2016“ (Entwicklungen im Bereich des Erwerbslebens in Europa: Jahresbericht von EurWORK), insbesondere auf das Kapitel mit dem Titel „Pay inequalities – Evidence, debate and policies“ (Einkommensungleichheiten – Erkenntnisse, Debatten und politische Strategien),
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Occupational change and wage inequality: European Jobs Monitor 2017“ (Wandel der Beschäftigungsstrukturen und Einkommensungleichheit: Europäischer Jobmonitor 2017),
– unter Hinweis auf den Bericht von Eurofound mit dem Titel „Women, men and working conditions in Europe“ (Frauen, Männer und Arbeitsbedingungen in Europa),
– unter Hinweis auf die Veröffentlichung der Kommission mit dem Titel „European Economic Forecast Spring 2016“ (Wirtschaftsprognose für Europa für das Frühjahr 2016)(22),
– unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, insbesondere auf das Ziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 10 „Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern“,
– unter Hinweis auf den Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2007 über die weltweite soziale Lage und die Notwendigkeit, für Beschäftigung zu sorgen („UN report on the World Social Situation 2007: The Employment Imperative“),
– unter Hinweis auf den Bericht der OECD vom 21. Mai 2015 mit dem Titel „In It Together: Why Less Inequality Benefits All (Gemeinsam in einem Boot: Warum alle von weniger Ungleichheit profitieren),
– unter Hinweis auf den Bericht der OECD vom 19. Dezember 2011 mit dem Titel „Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising“ (Der Zusammenhalt fehlt: Warum die Ungleichheit zunimmt),
– unter Hinweis auf den Bericht der OECD vom Oktober 2008 mit dem Titel „Growing Unequal? Income Distribution and Poverty in OECD countries“ (Nimmt die Ungleichheit zu?: Einkommensverteilung und Armut in den OECD-Ländern),
– unter Hinweis auf das interne Diskussionspapier des IWF vom 17. Februar 2014 mit dem Titel „Redistribution, Inequality and Growth“ (Umverteilung, Ungleichheit und Wachstum)(23),
– unter Hinweis auf das interne Diskussionspapier des IWF vom 8. April 2011 mit dem Titel „Inequality and Unsustainable Growth: Two Sides of the Same Coin?“ (Ungleichheit und nicht nachhaltiges Wachstum: Zwei Seiten derselben Medaille?)(24),
– unter Hinweis auf die Veröffentlichung der IAO vom 3. Juni 2013 mit dem Titel „World of Work Report 2013: Repairing the economic and social fabric“ (Bericht über die Arbeitswelt 2013: Wiederherstellung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges), insbesondere auf das Kapitel „Snapshot of the United States“ (Bestandsaufnahme der Vereinigten Staaten),
– unter Hinweis auf den als Teil der Veröffentlichung „DRIVERS For Health Equity project“ (Projekt über Maßnahmen für Gleichheit im Gesundheitssektor) im September 2014 vom University College (London) veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Final Scientific Report: Social Inequalities in early childhood health and development: a European-wide systematic review“ (Endgültiger wissenschaftlicher Bericht: Soziale Ungleichheit und frühkindliche Gesundheit und Entwicklung: Eine europaweite systematische Überprüfung),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und die Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie den Standpunkt in Form von Änderungsanträgen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A8-0340/2017),
A. in der Erwägung, dass es sich bei Gleichheit und Gerechtigkeit um zentrale europäische Werte handelt, die das Fundament für das europäische Sozialmodell, die EU und ihre Mitgliedstaaten bilden; in der Erwägung, dass sich sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU zum Ziel gesetzt haben, Beschäftigung zu fördern, um so für ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau zu sorgen und Ausgrenzung zu bekämpfen;
B. in der Erwägung, dass Ungleichheit das Vertrauen in die Gesellschaft und die Unterstützung für die demokratischen Institutionen untergraben kann; in der Erwägung, dass die Bekämpfung der Ungleichheit in wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Hinsicht angegangen werden muss, damit in der gesamten Union eine ausgeglichene Entwicklung gefördert wird;
C. in der Erwägung, dass unter Ungleichheiten sowohl Einkommensungleichheit zwischen als auch der Chancenverlust von Einzelpersonen verstanden werden, die es ihnen unmöglich machen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entfalten, wodurch ihre Entwicklung beeinträchtigt und ihr Potenzial, einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, nicht ausgeschöpft wird;
D. in der Erwägung, dass die Ursache für die sinkende Nachfrage in der Wirtschafts- und Finanzkrise liegt, die seit mehr als zehn Jahren im Euro-Währungsgebiet grassiert;
E. in der Erwägung, dass durch Ungleichheit und Arbeitslosigkeit die effektive Nachfrage gedrosselt, Innovation behindert und die Ungleichheit gesteigert wird, was dazu führen kann, dass die finanzielle Stabilität abnimmt; in der Erwägung, dass starke und zunehmende Ungleichheit nicht nur bewirkt, dass bei der Beseitigung von Armut keine Fortschritte erzielt werden, sondern auch sämtliche Bemühungen um die Verbesserung der sozialen Eingliederung und des sozialen Zusammenhalts behindert;
F. in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Ungleichheiten ein Hebel für die Schaffung von Arbeitsplätzen und und Wachstum sein und gleichzeitig Armut verringern kann; in der Erwägung, dass 2015 etwa 47,5 % aller Erwerbslosen in der EU von Armut bedroht waren(25);
G. in der Erwägung, dass Ungleichheit den Angaben internationaler Organisationen wie des IWF(26) oder der OECD(27) zufolge das Wachstum und die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze beeinträchtigt(28) und dass zu große und wachsende Ungleichheit direkte soziale Kosten verursacht, die soziale Mobilität beeinträchtigt und auch das derzeitige und zukünftige nachhaltige Wirtschaftswachstum bremsen könnte;
H. in der Erwägung, dass eines der fünf Ziele der Strategie Europa 2020 darin besteht, bis 2020 die Zahl der Menschen, die in Armut und sozialer Ausgrenzung leben oder davon bedroht sind, um mindestens 20 Millionen, d. h. von 115,9 Millionen auf 95,9 Millionen, zu verringern; in der Erwägung, dass im Jahr 2015 etwa 117,6 Millionen Menschen – und damit 1,7 Millionen mehr als 2008 – von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren; in der Erwägung, dass im Jahr 2012 etwa 32,2 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren; in der Erwägung, dass im Jahr 2013 etwa 26,5 Millionen Kinder in den 28 Mitgliedstaaten von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren; in der Erwägung, dass die Quote derjenigen, die von Armut und Ausgrenzung bedroht sind, mit 23,7 % immer noch inakzeptabel hoch liegt und dass die Zahlen in einigen Mitgliedstaaten weiterhin sehr hoch sind; in der Erwägung, dass überdies die Energiearmut so hoch bleibt, dass es bei den betroffenen 11 % der EU-Bevölkerung zu einer Spirale wirtschaftlicher Benachteiligungen kommt(29);
I. in der Erwägung, dass von dem durch die Krise verursachten Anstieg der Ungleichheit insbesondere Frauen betroffen sind, unter denen die Armut zugenommen hat und die stärker vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wurden; in der Erwägung, dass die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt verstärkt werden sollte, indem die bestehenden und ergänzenden Rechtsvorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern effizient umgesetzt werden und der derzeitige politische Rahmen so verbessert wird, dass Berufs- und Privatleben leichter miteinander vereinbart werden können;
J. in der Erwägung, dass zwischen einer verbesserten Gleichstellung von Männern und Frauen und einem stärkeren Wirtschaftswachstum, einer besseren Inklusion, der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen eine positive Korrelation besteht; in der Erwägung, dass nicht nur für Gleichbehandlung, sondern auch für einen effizienten Arbeitsmarkt und Wettbewerbsfähigkeit gesorgt werden kann, wenn Ungleichheiten im Berufsleben abgebaut werden;
K. in der Erwägung, dass die OECD betont hat, dass sich eine Verringerung der Ungleichheit um einen Punkt im Gini-Index in den folgenden fünf Jahren in einem Anstieg des kumulierten Wachstums um 0,8 % niederschlagen würde(30);
L. in der Erwägung, dass sich der Begriff „atypische Beschäftigung“ laut Eurofound auf Beschäftigungsverhältnisse bezieht, die nicht dem herkömmlichen oder typischen Modell der regelmäßigen, unbefristeten Vollzeitbeschäftigung bei einem einzigen Arbeitgeber über einen langen Zeitraum entsprechen; in der Erwägung, dass es sich beim Begriff „nicht standardmäßige Beschäftigungsformen“ laut der IAO um einen Sammelbegriff für verschiedene Beschäftigungsverhältnisse handelt, die von herkömmlichen Beschäftigungsverhältnissen abweichen, etwa vorübergehende Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit und andere Beschäftigungsverhältnisse mit mehreren Parteien sowie verschleierte Arbeitsverhältnisse und abhängige Selbständigkeit;
M. in der Erwägung, dass ein höheres Maß an Ungleichheit mit einer Abnahme der sozialen Mobilität und einer geringeren Leistungsfähigkeit sowie Einschränkungen der Grundrechte und -freiheiten einhergeht; in der Erwägung, dass in dem Bericht von Eurofound aus dem Jahr 2017 über soziale Mobilität in der EU(31) Anhaltspunkte dafür geliefert werden, dass in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor der soziale Hintergrund die Zukunftsperspektiven der Menschen bestimmt;
N. in der Erwägung, dass das Wachstum in den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten von mehreren Faktoren abhängt; in der Erwägung, dass sich Ungleichheit negativ auf das Wachstum auswirken könnte; in der Erwägung, dass der IWF weltweit ein gegenläufiges Verhältnis zwischen dem Einkommensanteil der reichsten 20 % und dem Wirtschaftswachstum festgestellt hat, wonach ein Anstieg des Einkommensanteils der reichsten 20 % um einen Prozentpunkt in den darauffolgenden fünf Jahren ein um 0,08 Prozentpunkte niedrigeres BIP-Wachstum nach sich zieht; in der Erwägung, dass ein vergleichbarer Anstieg des Einkommensanteils der ärmsten 20 % zu einem um 0,38 Prozentpunkte höheren Wachstum führt;
O. in der Erwägung, dass Ungleichheit ein vielschichtiges Phänomen ist, das nicht nur finanzielle Belange betrifft, sondern auch die Möglichkeiten beeinflusst, die Menschen beispielsweise aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Ausrichtung, ihres Wohnorts oder ihres Alters in unterschiedlichem Maße wahrnehmen können; in der Erwägung, dass mehrfache Ungleichheiten sowohl beim Zugang zu Arbeit als auch bei der Arbeit selbst ein Risiko für die Gesundheit und das Wohlergehen sowie für die finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen darstellen und daher die Produktivität beeinträchtigen könnten;
P. in der Erwägung, dass die ungleiche Absicherung durch den Sozialschutz im Bericht von Eurofound über neue Beschäftigungsformen(32) analysiert wird, wobei der Schwerpunkt auf die im Hinblick auf den Sozialschutz problematischsten Beschäftigungsformen gelegt wurde, insbesondere Gelegenheitsarbeit; ferner in der Erwägung, dass in dem Bericht exemplarisch auf Rechtsvorschriften hingewiesen wird, bei denen Gelegenheitsarbeiter explizit ausgeschlossen werden, sowie auf andere Rechtsvorschriften, mit denen diese Arbeitnehmer eingebunden werden sollen, obwohl ihre Einkommen geringer sind und sie geringere Beiträge zahlen; in der Erwägung, dass es sich beim Prinzip Arbeit gegen Gutscheine – bei dem Arbeitgeber Gutscheine von staatlichen Behörden erhalten, mit denen sie Arbeitnehmer bezahlen – und dem sogenannten strategischen Mitarbeiter-Sharing um atypische Beschäftigungsformen handelt, mit denen das Problem des unzureichenden Sozialschutzes bei Gelegenheits- oder Teilzeitarbeit angegangen werden soll;
Q. in der Erwägung, dass in Gesellschaften mit großen Einkommensungleichheiten der allgemeine Gesundheitszustand schlechter ist und höhere Gewaltraten sowie schlechtere Werte in den Bereichen Mathematik und Alphabetisierung zu verzeichnen sind und ein höherer Anteil der Bevölkerung fettleibig ist, mehr Menschen inhaftiert sind und die Mordrate höher ist(33); in der Erwägung, dass in gerechteren Gesellschaften geringere Sozialausgaben für den Staat anfallen;
R. in der Erwägung, dass sich Ungleichheiten, mit denen Menschen im Laufe ihres Lebens konfrontiert waren, im Alter widerspiegeln, etwa im Zusammenhang mit der Zahl der zu erwartenden Lebensjahre bei guter Gesundheit, Altersarmut und einem geschlechtsbedingten Rentengefälle von fast 40 %; in der Erwägung, dass europaweite Strategien für die Beseitigung von Armut erforderlich sind, damit eine nachhaltige Entwicklung für alle erreicht werden kann;
S. in der Erwägung, dass finanzielle Sicherheit ein wichtiger Faktor für ein erfülltes Leben ist;
T. in der Erwägung, dass der Rat am 5. Oktober 2015 Schlussfolgerungen zum „Bericht 2015 zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe: gegenwärtige und künftige Angemessenheit der Altersversorgung in der EU“ angenommen hat, in denen er es als unerlässlich erachtet, dass die gesetzlichen Renten und andere Regelungen des sozialen Schutzes angemessene Schutzbestimmungen für Frauen und Männer enthalten, deren Beschäftigungsmöglichkeiten es ihnen nicht ermöglichen oder ermöglicht haben, ausreichende Rentenansprüche zu erwerben, und dass diese Schutzbestimmungen insbesondere eine Mindestrente oder andere Vorgaben zu einem Mindesteinkommen für ältere Menschen umfassen sollten(34);
U. in der Erwägung, dass zukünftige soziale Ungleichgewichte und eine zunehmende Ungleichheit hauptsächlich dadurch verursacht werden, dass öffentliche Bildung nicht ausreichend finanziert wird;
V. in der Erwägung, dass der Gini-Koeffizient für die EU zwischen 2005 und 2015 von 30,6 auf 31 und das Einkommensgefälle zwischen den 20 % der Bevölkerung mit dem höchsten und den 20 % der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen von 4,7 auf 5,2 gestiegen ist; in der Erwägung, dass der Anteil der Menschen, die von Einkommensarmut bedroht sind, eng mit Einkommensungleichheiten verbunden ist, und dass die Einkommensarmut seit 2005 stetig steigt; in der Erwägung, dass zwischen 2008 und 2014 in einer Reihe von Mitgliedstaaten ein Anstieg der Ungleichheit beim verfügbaren Haushaltseinkommen zu verzeichnen war(35);
W. in der Erwägung, dass die Unterschiede beim Wachstum innerhalb der und zwischen den Mitgliedstaaten zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten innerhalb der Union führen; in der Erwägung, dass diese äußerst ungleichen wirtschaftlichen Entwicklungen zu extrem hohen Arbeitslosenraten und lokal zu großer Armut geführt haben;
X. in der Erwägung, dass die weltweite Entwicklung von Ungleichheiten der seit den 1980er-Jahren zu beobachtenden stetigen Zunahme der Ungleichheit in den Industrieländern entspricht, in denen – von spezifischen Ausnahmen abgesehen – die Ungleichheit gemäß den Angaben der OECD(36) unabhängig vom Konjunkturzyklus zugenommen hat, wobei der Gini-Koeffizient zwischen 1980 und 2013 um drei Punkte von 0,29 auf 0,32 gestiegen ist, was einem Anstieg von 10 % in den vergangenen Jahrzehnten entspricht;
Y. in der Erwägung, dass das Ausmaß der Ungleichheit zwar von vielen Faktoren beeinflusst werden kann, dass jedoch Institutionen und politische Entscheidungsträger dafür verantwortlich sind, dieses Problem insbesondere auf struktureller Ebene anzugehen. in der Erwägung, dass es in der EU eine Investitionslücke gibt und dass öffentliche und private Investitionen wesentliche Faktoren sind, wenn es darum geht, die Ungleichheit abzubauen und den Arbeitsmarkt anzukurbeln; in der Erwägung, dass strukturelle Probleme in geeigneter Weise in Angriff genommen werden müssen; in der Erwägung, dass der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) überarbeitet werden soll, damit die Investitionslücke geschlossen werden kann;
Z. in der Erwägung, dass die Entwicklungen der Ungleichheit nicht zwangsläufig den Entwicklungen absoluter Armut bzw. extremer Formen der Armut wie z. B. Obdachlosigkeit entsprechen;
AA. in der Erwägung, dass die angemessene Unterstützung und Finanzierung von nachhaltigem und dauerhaftem Wohnraum von zentraler Bedeutung sind, wenn es darum geht, den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und Gesundheitsleistungen sicherzustellen und Integration und örtliche Akzeptanz zu stärken; in der Erwägung, dass die Erhaltung der Lebensqualität von Wohngebieten sowie die Bekämpfung von Ausgrenzung von großer Bedeutung sind, wenn es darum geht, Integration zu fördern und Ungleichheiten abzubauen;
AB. in der Erwägung, dass gemäß den Angaben von Eurostat im Jahr 2015 in der EU 24,4 % der Bevölkerung und gar 26,9 % der Kinder von Armut bedroht waren;
AC. in der Erwägung, dass Frauen unverhältnismäßig stark von der Krise betroffen sind, und dass sich grüne Arbeitsplätze als krisenresistenter erwiesen haben als andere Arbeitsplätze;
AD. in der Erwägung, dass Frauen einem höherem Risiko ausgesetzt sind, in Armut bzw. prekäre Verhältnisse zu geraten;
Einführung einer Koordinierung der europäischen Politik zur Bekämpfung von Ungleichheit
1. bekräftigt, dass die Ungleichheit die Zukunft des europäischen Projekts gefährden, seine Legitimität untergraben und das Vertrauen in die EU als Motor des sozialen Fortschritts beschädigen kann, wobei es sich um einen Aspekt der EU handelt, an dem weiter gearbeitet werden muss; weist erneut darauf hin, dass die derzeit bestehenden Ungleichheiten negative Auswirkungen haben und die politische und gesellschaftliche Stabilität untergraben; betont, dass die weitere Integration vorangetrieben werden muss, indem die Aufwärtskonvergenz gefördert und das Leben aller EU-Bürger verbessert wird;
2. ist der festen Überzeugung, dass der Abbau von Ungleichheiten als eine der zentralen Prioritäten auf europäischer Ebene angesehen werden muss, und zwar nicht nur, um Armut zu bekämpfen und Konvergenz zu fördern, sondern auch um die Voraussetzungen für eine Erholung der Wirtschaft, die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze, sozialen Zusammenhalt und gemeinsamen Wohlstand zu schaffen;
3. betont, dass es von zentraler Bedeutung ist, Ungleichheit abzubauen, wenn es darum geht, gerechtere und stabilere Demokratien zu fördern, für wirkliche Gleichbehandlung zu sorgen, Populismus, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit den Boden zu entziehen und dafür zu sorgen, dass das Projekt der Europäischen Union von allen Bürgern angenommen wird;
4. weist die Kommission und die Mitgliedstaaten erneut darauf hin, dass die Europäische Union ihre in den Verträgen verankerten Verpflichtungen erfüllen und das Wohlergehen ihrer Völker, Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Gleichbehandlung aller Bürger ungeachtet ihres sozioökonomischen Hintergrunds, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes sowie die Integration aller schutzbedürftigen und ausgegrenzten Menschen fördern muss;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Leistung und die Ergebnisse der Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu bewerten und dabei der Entwicklung des sozialen Fortschritts und der sozialen Gerechtigkeit in der EU Rechnung zu tragen; stellt fest, dass dem Erreichen dieser Ziele und dem Abbau von Ungleichheit im Rahmen des Europäischen Semesters keine Priorität eingeräumt wird; fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Prozess der politischen Koordinierung zu verbessern, damit negative Entwicklungen, die Ungleichheiten verschärfen und den sozialen Fortschritt hemmen bzw. die soziale Gerechtigkeit beeinträchtigen könnten, überwacht, verhindert und korrigiert werden, und zwar indem bei Bedarf Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergriffen werden; vertritt die Auffassung, dass spezifische Strategien zur Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichheiten geprüft und gegebenenfalls in das Europäische Semester aufgenommen werden sollten;
6. vertritt die Auffassung, dass soziale Maßnahmen in einigen Fällen als mildernde Maßnahmen angesehen werden können und durch wirtschaftspolitische Maßnahmen und sozial verantwortungsvolle Strukturreformen ergänzt werden sollten, damit ein positives, dauerhaftes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreicht werden kann und die Entwicklung von Ungleichheiten mittel- und langfristig strukturell reduziert werden kann;
7. fordert die Kommission nachdrücklich auf, innerhalb des Anwendungsbereichs des Europäischen Semesters und unbeschadet der einzelstaatlichen Zuständigkeiten die Ungleichgewichte bei den Einkommen und der Vermögensverteilung besser zu bewerten – auch mittels einzelner Berichte über die eingehende Überprüfung („in-depth review“, IDR) ermittelter Ungleichgewichte –, um so die wirtschaftspolitische Koordinierung mit Beschäftigung und sozialer Leistungsfähigkeit zu verbinden; fordert die Kommission auf, ein genaues und aktuelles Bild der Unterschiede bei Einkommen und Wohlstand, sozialem Zusammenhalt und sozialer Inklusion in und zwischen den Mitgliedstaaten zu erstellen und ihre Vorschläge und Empfehlungen für politische Weichenstellungen auf der Grundlage verlässlicher und ausführlicher Informationen auszusprechen; fordert die Kommission auf, zu ergründen, welche Indikatoren die wirtschaftliche Ungleichheit am genauesten abbilden (z. B. Gini-Index, Palma-Index, Theil-Index, Lohnquote, Verhältnis von Mindestlohn zu BIP pro Kopf bzw. zu Durchschnittslohn usw.), und die Entwicklung von Ungleichheiten auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit und der Produktivität aller Faktoren zu überwachen;
8. stellt fest, dass die Gebiete mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen wie die nördlichsten Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte sowie die Insel-, Grenz- und Bergregionen gemäß Artikel 174 AEUV und entvölkerte Gebiete und Regionen in äußerster Randlage den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung nur schwerlich sicherstellen können und dass aus diesem Grund den öffentlichen Haushalten üblicherweise höhere Kosten für die Bereitstellung dieser Dienstleistungen entstehen und die Bürger größere Entfernungen in Kauf nehmen müssen, um diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können;
9. bekräftigt, dass Investitionen in besserem territorialen Zusammenhalt getätigt werden müssen, mit dem das industrielle Gefüge derjenigen Regionen gestärkt werden kann, die insbesondere mit Blick auf den Breitbandzugang unter schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen leiden;
10. fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich dafür einzusetzen, dass die Mitgliedstaaten ehrgeizige Investitionen in sozialen Schutz, soziale Dienste und soziale Infrastrukturen tätigen, und zwar durch einen stärker zielgerichteten und strategischen Einsatz der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und des Europäischen Fonds für strategische Investitionen, um den sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitgliedstaaten und Regionen zu entsprechen;
11. fordert – als nächsten Schritt des europäischen Integrationsprozesses – erneut die Errichtung einer echten europäischen Säule sozialer Rechte, durch die die aufwärts gerichtete Konvergenz gefördert und der in den Verträgen verankerten Verteilung der Zuständigkeiten und der Entwicklung einer tiefer gehenden und gerechteren sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion Rechnung getragen wird;
12. fordert die Kommission auf, enger mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, damit alle Ziele der Strategie Europa 2020 – unter anderem, dass 20 Millionen Menschen weniger in Armut leben bzw. sozial ausgegrenzt werden – erreicht werden, und den Anwendungsbereich der Strategie Europa 2020 an die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung anzugleichen, was erfordert, dass die Bekämpfung von Ungleichheit und extremer Armut in ihre Ziele aufgenommen wird; ersucht die Kommission darum, weiterhin der Umsetzung der Ziele der Strategie Europa 2020 große Aufmerksamkeit zu widmen und den Eurostat-Anzeiger für die zentralen Indikatoren von Europa 2020 – auch im Verfahren des Europäischen Semesters und in den länderspezifischen Empfehlungen – zu berücksichtigen;
13. erinnert daran, dass die Mitgliedstaaten vorrangig für ihre Sozialpolitik verantwortlich sind, die durch ein europäisches Tätigwerden unterstützt und ergänzt werden muss, und fordert sie und die Kommission auf, ihre Bemühungen um die Verminderung der Ungleichheit zwischen Einkommensgruppen zu verstärken und einen angemessenen Rahmen für Maßnahmen zu fördern, mit denen unter anderem menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle, öffentliche Bildung, das Gesundheitswesen, hinreichende öffentliche Infrastruktur und Sozialleistungen sichergestellt werden und Chancengleichheit gefördert wird; weist darauf hin, dass mit einem derartigen Rahmen dafür gesorgt werden sollte, dass ein sozialer Aufstieg möglich ist;
14. betont, dass durch den Unionshaushalt die Umsetzung einer geeigneten Politik für die Verminderung von Ungleichheiten und eines besseren sozialen Zusammenhalt erreicht werden sollte;
15. betont, dass die Grundrechte Vorrang haben; betont, dass das Arbeitsrecht und anspruchsvolle soziale Standards entscheidend dazu beitragen, die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen, die Einkommen zu stützen und Anreize für Investitionen in Fähigkeiten zu setzen; erinnert daran, wie wichtig es ist, soziale Rechte, wie sie in der Charta der Grundrechte der EU verankert sind, zu achten, einschließlich der Rechte von Gewerkschaften und des Rechts auf Kollektivverhandlungen, und für die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern einzutreten;
16. betont, dass wir die künftige Bedeutung sektorspezifischer Maßnahmen für die Verringerung von Ungleichheiten nicht außer Acht lassen können und dass bei der notwendigen Weiterentwicklung des Binnenmarktes und der erforderlichen Investitionspolitik auf europäischer und nationaler Ebene (z. B. bei größeren Infrastrukturprojekten, bei der Gesundheitsversorgung und bei der Bildung) sowie der Ausgestaltung aller Aspekte der Energiepolitik die Chancen berücksichtigt werden müssen, die eine solche Politik hinsichtlich wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Faktoren bietet, um Chancengleichheit zu gewährleisten; fordert die Kommission auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten umfassende Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zu Unternehmertum und zu Innovation zu erarbeiten, die auf strategische Investitionen in grüne Arbeitsplätze, in den Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich sowie in die Sozialwirtschaft, deren Beschäftigungspotenzial nicht erschlossen ist, abzielen;
Maßnahmen zur Förderung der Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und hochwertiger Beschäftigung
17. ist besorgt darüber, wie sich die Ungleichheit in der EU nach der Krise entwickelt hat, die vor allem durch die wachsende Arbeitslosigkeit vorangetrieben wurde; ist der Meinung, dass Arbeitslosigkeit eine Quelle von Ungleichheiten ist und dass eine Politik zur Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und für hochwertige Beschäftigung, die auf die wichtigsten von Arbeitslosigkeit betroffenen Regionen abzielt, dazu beitragen könnte, die Einkommen der Haushalte im untersten Quintil zu verbessern;
18. fordert die Kommission auf, in die bevorstehende Überarbeitung der Richtlinie über schriftliche Erklärungen Bestimmungen aufzunehmen, durch die eine Ungleichbehandlung aufgrund des Vertragsverhältnisses beseitigt und sichergestellt wird, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf faire Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Einklang mit den Normen der IAO für menschenwürdige Arbeit hat;
19. betont darüber hinaus, dass hohe Arbeitslosenquoten das Lohnniveau drücken und sich mitunter auch nachteilig auf die Arbeitsbedingungen und die gesellschaftlichen Bedingungen auswirken können; hebt hervor, dass die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit eine notwendige Maßnahme ist, die für sich alleine jedoch nicht ausreicht, um Ungleichheiten zu verringern;
20. fordert die Kommission auf, vorzuschlagen, die Mittelausstattung der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen für den Zeitraum 2017–2020 zu erhöhen, und dafür zu sorgen, dass junge Menschen unter 30 besser erreicht werden; fordert die Kommission auf, zu einer besseren Umsetzung der Jugendgarantie beizutragen, den Schwerpunkt dabei auf die schutzbedürftigsten jungen Menschen zu legen, die oft mit komplexen Bedürfnissen konfrontiert sind, und den jüngsten Erkenntnissen aus dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs über die Verwendung der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen Rechnung zu tragen sowie eine korrekte und transparente Umsetzung und Bewertung zu gewährleisten;
21. hält es für wichtig, Jugendliche, die die Jugendgarantie/Beschäftigungsinitiative für junge Menschen verlassen, besser zu begleiten, damit sie wirksam und auf Dauer in den Arbeitsmarkt integriert werden; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer weiteren Flexibilität der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen – auch für Länder, die im Bereich der Jugendpolitik gute Ergebnisse erzielen – zu prüfen, indem Systeme zum Schutz junger Menschen, die sich im Übergang von der Ausbildung bzw. Hochschulausbildung ins Berufsleben befinden, integriert werden, um einen Ausgleich für den Ausschluss junger Menschen von beitragspflichtigen Sozialversicherungssystemen in Europa zu schaffen;
22. betont, dass Programme wie die Jugendgarantie und die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen keinesfalls dazu dienen dürfen, die von den Mitgliedstaaten selbst zu ergreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und für eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ersetzen; stellt fest, dass hochwertige und allen offenstehende Bildung der entscheidende Faktor ist, wenn es darum geht, Ungleichheiten zu überwinden; fordert daher, dass stärker in öffentliche Bildung und lebenslanges Lernen investiert wird;
23. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, grüne Arbeitsplätze und Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten und Gebieten mit rückläufiger Entwicklung zu fördern und solche Gebiete für Frauen attraktiver zu machen;
24. fordert, dass die Kommission mit Hilfe des ESF und des Verfahrens im Rahmen des Europäischen Semesters und die Mitgliedstaaten über ihre nationalen Reformprogramme dafür sorgen, dass die in der Empfehlung des Rates zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt aufgezeigten Reformen auf nationaler Ebene vollständig umgesetzt werden;
25. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Wirtschafts- und Währungsunion um einen voll funktionsfähigen europäischen Arbeitsmarkt mit einer breiten sozialen Absicherung zu ergänzen; vertritt die Auffassung, dass gut funktionierende Arbeitsmärkte und koordinierte und solide Sozialsysteme für den Erfolg der europäischen Währungsunion von entscheidender Bedeutung sind und darüber hinaus zu einem weiter gefassten Prozess von aufwärts gerichteter Konvergenz hin zu wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt gehören; fordert die Kommission in dieser Hinsicht auf, eine Studie darüber vorzulegen, wie die EU Programme für garantierte öffentliche Beschäftigung auf nationaler Ebene unterstützen und fördern kann;
26. fordert die Mitgliedstaaten auf, Bildung und Ausbildung besser an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen und mehr Mobilitätsmöglichkeiten zu schaffen sowie Einstellungs- und Ausbildungsstrategien zu verbessern, insbesondere durch Weiterbildung am Arbeitsplatz und gezielte Investitionen, mit denen die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert und die Nachfrage nach Beschäftigung erhöht wird; weist erneut darauf hin, dass Umschulungen ein wichtiges Instrument sind, mit dem Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können, ein Beitrag zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit geleistet werden kann und Kompetenzen besser auf die verfügbaren Arbeitsplätze abgestimmt werden können; betont, dass die Bestätigung von Qualifikationen und die Anerkennung formellen und informellen Lernens wichtige Instrumente sind, wenn es darum geht, dass erworbene Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden; besteht darauf, dass Möglichkeiten für lebenslanges Lernen während des gesamten Lebens, auch im Alter, gefördert werden, damit sie ihr gesamtes Potenzial für die Bekämpfung von Ungleichheiten entfalten können;
27. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam gegen Diskriminierung bei der Einstellung und diskriminierende Einstellungsverfahren vorzugehen, durch die Menschen unter anderem aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Geschlechtsidentität oder des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsmerkmale, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, einer etwaigen Behinderung oder ihres Alters an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt gehindert werden;
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
28. zeigt sich besorgt angesichts des Umfangs von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, atypischen Arbeitsverträgen und anderen nicht standardmäßigen Beschäftigungsformen, die zu prekären Arbeitsbedingungen, niedrigeren Löhnen, Ausbeutung, einem geringeren Sozialschutzniveau und steigender Ungleichheit in einigen Mitgliedstaaten führen können; weist erneut darauf hin, dass allen Arbeitnehmern ein angemessener Sozialversicherungs- und Sozialschutz geboten werden muss; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft und der nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit zu intensivieren;
29. ist der Auffassung, dass die Qualität der Arbeitsplätze in der gesamten EU verbessert werden sollte, insbesondere hinsichtlich existenzsichernder Löhne, Arbeitsplatzsicherheit, Zugang zu Bildung und lebenslangem Lernen sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz; fordert die Kommission auf, die Forschung in Bezug auf die Überwachung und Verbesserung der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit in der EU auf der Grundlage von Forschungsarbeiten von Eurofound weiter zu unterstützen;
30. ist der Ansicht, dass bestimmte Beschäftigungsformen, wie Null-Stunden-Verträge und unbezahlte Praktika, keinen angemessenen Lebensstandard erlauben; hält es für entscheidend, dass angemessene Lern- und Ausbildungsmöglichkeiten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen gegebenenfalls für Praktikums- und Trainee-Stellen sowie Ausbildungsplätze gewährleistet werden, dass Schranken für atypische Beschäftigungsformen gesetzt werden und dass der Einsatz von Null-Stunden-Verträgen, der Rückgriff auf Leiharbeitsfirmen zum Ersatz von streikenden Arbeitnehmern und die Verwendung befristeter Arbeitsverträge für dauerhafte Tätigkeiten verboten werden;
31. stellt fest, dass freiwillige Teilzeitarbeit bestimmte Gruppen von Menschen, die jetzt unterrepräsentiert sind, dazu anregen kann, am Arbeitsmarkt teilzunehmen, und dass sie für Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nützlich sein kann;
32. ist der festen Überzeugung, dass zur Reduzierung prekärer Arbeitsverhältnisse die Möglichkeit einer genauen Berufsklassifizierung auf europäischer Ebene untersucht werden könnte, die auf wissenschaftlich fundierten Ergebnissen und Daten beruht; ist davon überzeugt, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz zu einem Abbau der Ungleichheiten zwischen Arbeitnehmern führen wird;
33. betont, wie wichtig es ist, die verschiedenen Auswirkungen und Aspekte einer gesteigerten Automatisierung und die Folgen von Verzögerungen bei der Anpassung von Rechtsvorschriften genau zu untersuchen, wodurch die Sozialversicherungssysteme unter Druck zu geraten drohen und Löhne gekürzt werden könnten, was in erster Linie zulasten von Arbeitnehmern mit geringen und mittleren Qualifikationen gehen würde; betont in diesem Zusammenhang, dass der Sozialschutz und die Löhne auf einem angemessenen Niveau gehalten werden müssen;
34. vertritt die Auffassung, dass die neue europäische Kompetenzagenda dafür sorgen muss, dass alle Arbeitnehmer einen erschwinglichen Zugang zum lebenslangen Lernen haben und dass die Anpassung an die Digitalisierung und die stetigen technologischen Veränderungen sichergestellt wird;
35. nimmt die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu einer Rahmenrichtlinie über ein angemessenes Mindesteinkommen in der Europäischen Union, in deren Rahmen gemeinsame Regelungen und Indikatoren festgelegt und Methoden zur Überwachung ihrer Umsetzung bereitgestellt werden sollen, gebührend zur Kenntnis; betont, dass das Instrument für Referenzbudgets, die Informationen über die Kosten für ein menschenwürdiges Leben unter Berücksichtigung der verschiedenen Unterbringungsformen, Haushaltszusammensetzungen und des Alters enthalten, verwendet werden sollte, wenn bewertet wird, ob die in den einzelnen Mitgliedstaaten eingeführte Mindesteinkommensregelung angemessen ist;
36. erklärt sich besorgt über die hohe Quote der Nichtinanspruchnahme bestehender Mindesteinkommensregelungen, was verdeutlicht, wie viele Hürden es gibt, wie beispielsweise einschneidende Verfahren und Stigmatisierung im Zusammenhang mit Anträgen im Rahmen dieser Regelungen; meint, dass Programme für Lohnbeihilfen entscheidend dafür sind, dass ungleiche wirtschaftliche Trends vermieden werden, indem Menschen unterstützt werden, bevor sie in die Phase der Armut und der sozialen Ausgrenzung geraten;
37. betont, wie wichtig der soziale Dialog und Kollektivverhandlungen für die Festlegung von Löhnen sind, und dass diese Mechanismen in den Händen der Sozialpartner gemäß ihrer in den Verträgen verankerten Autonomie verbleiben müssen; fordert die Kommission auf, eine Studie über einen Index für ein existenzsicherndes Einkommen durchzuführen, um die Lebenshaltungskosten und das Einkommen zu schätzen, dass in etwa notwendig ist, um die Grundbedürfnisse einer Familie in jedem Mitgliedstaat und jeder Region zu decken; betont, das für alle Haushalte ein angemessenes Einkommensniveau unverzichtbar ist, damit die erwerbstätigen Armen finanzielle Unabhängigkeit erlangen und gleichzeitig gesicherte Wohnverhältnisse und eine gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln aufrechterhalten werden;
38. betont, dass im Hinblick auf die langfristige Finanzierung des Baus neuer Wohnungen neben den ESI-Fonds und dem EFSI auch andere Formen privater und öffentlicher Finanzierung mobilisiert werden sollten, wodurch einzelstaatliche öffentliche Banken oder weitere Agenturen dazu angeregt werden könnten, ihre Tätigkeit im Bereich des Baus erschwinglicher und sozialer Wohnungen zu intensivieren;
39. fordert die Kommission auf, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu verbessern, was unter anderem durch die ordnungsgemäße Durchsetzung der Arbeitszeitrichtlinie erfolgen könnte;
40. erinnert daran, dass das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen ein Grundrecht in der EU ist und dass die europäischen Institutionen es achten, sich an seine Grundsätze halten und seine Anwendung fördern müssen(37); meint, dass die abnehmende Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften nicht zu diesen Zielen beiträgt und eine Ursache für geringen Lohnanstieg und die Verbreitung ungesicherte Arbeitsverhältnisse sein könnte;
41. betont, wie wichtig es ist, Arbeitnehmerrechte zu schützen und die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern durch Strukturreformen der Arbeitsmärkte zu stärken, durch die ein nachhaltiges Wachstum, menschenwürdige Arbeitsplätze, geteilter Wohlstand und sozialer Zusammenhalt gefördert werden; betont die Rolle des Dialogs zwischen den Sozialpartnern bei der Bekämpfung von Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt; fordert die Mitgliedstaaten und die EU auf, das Recht, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, sowie die Stärkung und Autonomie sowohl von Gewerkschaften als auch von Arbeitgeberverbänden bei der Aufnahme von Verhandlungen auf jeder Ebene zu gewährleisten;
42. unterstreicht darüber hinaus die Bedeutung des Dialogs auf Bürgerebene mit Vertretern der verschiedenen Gesellschaftsgruppen, insbesondere derjenigen, bei denen ein höheres Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung besteht, wenn Angelegenheiten im Zusammenhang mit Ungleichheiten erörtert werden;
43. fordert die Einführung von Antidiskriminierungsstrategien, mit denen ein entscheidender Beitrag zu gleichen Beschäftigungschancen und zur Förderung sozialer Inklusion geleistet wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, sich um Fortschritte im Hinblick auf die Antidiskriminierungsrichtlinie zu bemühen;
44. fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen Diskriminierung, Mobbing und Gewalt unter anderem aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und/oder des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit sowie der Geschlechtsmerkmale am Arbeitsplatz einzuleiten und eindeutige Berichterstattungs- und Unterstützungsmechanismen für Opfer sowie Verfahren gegen Täter einzurichten;
Stärkung des Sozialstaats und des Sozialschutzes
45. hebt hervor, dass die Wohlfahrts- und Sozialsysteme in vielen Ländern unter Druck geraten sind, weil sie von Sparmaßnahmen betroffen waren, was Konsequenzen mit Blick auf Einkommensunterschiede hatte; ist der Ansicht, dass die Sozialsysteme als Sicherheitsnetz dienen und auch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern sollten; betont, dass ein mehrdimensionaler Ansatz zur Erreichung von mehr Gleichheit und sozialem Zusammenhalt erforderlich ist, was auch seinen Niederschlag in der horizontalen Sozialklausel (Artikel 9 AEUV) gefunden hat, wobei der Schwerpunkt auf der sozialen Dimension der Unionspolitik und der Zusage liegen sollte, den Grundsatz der durchgehenden Berücksichtigung der sozialen Dimension in allen Politikbereichen der Union anzuwenden;
46. weist darauf hin, dass sozialer Fortschritt im europäischen Index für sozialen Fortschritt als die Fähigkeit einer Gesellschaft definiert wird, für folgende Aspekte zu sorgen: die menschlichen Grundbedürfnisse ihrer Bevölkerung zu decken, die Grundlage dafür zu schaffen, dass Bürger und Gemeinschaften ihren Lebensstandard halten oder sogar verbessern können, und die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Menschen ihr Potenzial in vollem Umfang entfalten können;
47. empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre Sozialsysteme (Bildung, Gesundheit, Wohnraum, Renten und Transferleistungen) auf der Grundlage hochwertiger sozialer Schutzmechanismen zu verbessern, um einen umfassenden Schutz der Menschen zu erreichen, wobei die neuen sozialen Risiken und schutzbedürftigen Gruppen zu berücksichtigen sind, die Ergebnis der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrisen entstanden sind, die die Mitgliedstaaten überwinden mussten;
48. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Investitionen in hochwertige und erschwingliche Vorschulbildung und Betreuungsdienste zu erhöhen, und betont, dass sich solche Investitionen sicherlich rentieren, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Unterstützung der Kommission und im Einklang mit den Zielen von Barcelona angemessene Maßnahmen einzuleiten, mit denen ein für alle zugänglicher und bezahlbarer Zugang zu hochwertiger frühkindlicher öffentlicher Bildung (für Kinder von 0 bis 3 Jahren) sichergestellt wird, da dies auf lange Sicht ein Schlüsselfaktor beim Abbau von Ungleichheiten ist;
49. fordert einen allgemeinen Zugang zu erschwinglichem Wohnraum, wodurch benachteiligte Haushalte vor Räumung und Überschuldung geschützt werden und auf europäischer Ebene ein wirksamer Rahmen geschaffen wird, in dem Einzelpersonen und Familien eine zweite Chance erhalten;
50. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, in der derzeitigen Migrations- und Flüchtlingskrise umgehend tätig zu werden und dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge rasch Zugang zu Sprach- und Integrationskursen, Ausbildung, hochwertigem Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialschutz erhalten, und dass ihre formellen und informellen Fertigkeiten und Fähigkeiten anerkannt und dass sie in die Gesellschaft integriert werden können;
51. bekräftigt, dass der allgemeine Zugang zu öffentlichen, auf Solidaritätsbasis finanzierten und angemessenen Ruhegehältern und Altersrenten für alle Menschen sichergestellt werden muss; fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, die öffentlichen Rentensysteme und die Systeme der betrieblichen Altersversorgung zu stärken, um eine Altersversorgung zu bieten, die über der Armutsgrenze liegt und die es Rentnern erlaubt, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und ein menschenwürdiges und unabhängiges Leben zu führen; fordert erneut die Einführung von Betreuungsgutschriften in Altersversorgungssystemen, mit denen Beiträge von Frauen und Männern, die aufgrund von Kinderbetreuung oder Langzeitpflege verloren gingen, ausgeglichen werden, damit das geschlechtsbedingte Rentengefälle abgebaut werden kann; betont, dass private Altersversorgungssysteme zwar ein wichtiges Instrument für angemessenere Renten darstellen können, dass jedoch staatliche, auf Solidarität basierende Rentensysteme nach wie vor das wirksamste Instrument sind, wenn es darum geht, Armut und soziale Ausgrenzung im Alter zu bekämpfen;
52. betont, dass die Grundrechte von Menschen mit Behinderungen – einschließlich des Rechts auf angemessene und barrierefreie Arbeit, Leistungen und ein gesichertes, an die spezifischen individuellen Bedürfnisse angepasstes Grundeinkommen, einen angemessenen Lebensstandard und soziale Inklusion sowie besonderer Bestimmungen zum Schutz vor Ausbeutung und Zwangsarbeit – sichergestellt werden müssen;
53. vertritt die Auffassung, dass der internationale Handel ein Motor für das Wachstum ist, dass jedoch die damit einhergehenden Vorzüge nicht immer gerecht verteilt sind, was als eine Quelle von Ungleichheiten angesehen werden kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gerechtere internationale Handelsabkommen zu fördern, bei denen die europäischen Arbeitsmarktregelungen und die Übereinkommen der IAO eingehalten und gleichzeitig hochwertige Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte gefördert und darüber hinaus die europäischen und nationalen Mechanismen zur Entschädigung der Arbeitnehmer und Branchen, die unter bedeutenden Veränderungen im Welthandelsgefüge wegen der Globalisierung leiden, sichergestellt werden, einschließlich des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung;
54. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbspolitik der EU einen fairen Wettbewerb ermöglicht und zur Bekämpfung von Kartellen oder mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen, durch die die Preise verzerrt werden und das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt wird, beiträgt, damit der Verbraucherschutz sichergestellt ist;
Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung
55. ist der Auffassung, dass das Recht auf Chancengleichheit in der Europäischen Union gewährleistet werden sollte; fürchtet, dass die derzeitige Ungleichheit der Lebensumstände, von der alle in der EU lebenden Menschen – insbesondere aber Kinder und junge Menschen – betroffen sind, oftmals durch die nicht egalitäre Ausrichtung der Bildungssysteme verschärft wird und schädliche Auswirkungen auf das Wohlergehen junger Menschen und ihre persönliche Entwicklung hat, was dazu beiträgt, dass die jungen Menschen in Europa – insbesondere diejenigen, denen es an Ressourcen und Chancen fehlt – ein geringes Selbstbewusstsein haben und wenig Bedürfnis verspüren, sich in die Gesellschaft zu integrieren;
56. betont, dass Bildung eine herausragende Rolle spielt, wenn es darum geht, Ungleichheiten abzubauen, und fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu verstärken und ausreichende Investitionen zu tätigen, damit Chancengleichheit sichergestellt wird; weist nachdrücklich darauf hin, dass junge Menschen in Hochschulausbildung uneingeschränkten Zugang zu Bildungs- und Studienförderung erhalten müssen; fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, angemessenen, menschenwürdigen und zugänglichen Wohnraum für junge Menschen zu schaffen, damit diese den Übergang ins Berufsleben bewältigen können;
57. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bekämpfung von Armut, insbesondere unter Kindern, zu intensivieren, indem Ziele zum Abbau von Kinderarmut gesetzt werden, untersucht wird, wie die Empfehlung über Investitionen in Kinder koordiniert umgesetzt werden kann, und eine Kindergarantie geschaffen wird;
58. betont ferner, dass zahlreiche Aktivitäten aus dem sportlichen und kulturellen Bereich wirkungsvolle Instrumente für Kohäsion und soziale Integration sind; weist darauf hin, dass in diesen Bereichen durch den Erwerb von „Soft Skills“ Beschäftigungsmöglichkeiten für die am stärksten benachteiligten Menschen geschaffen werden können;
59. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Ziele der Strategie Europa 2020 im Hinblick auf die Senkung des Risikos von Armut und sozialer Ausgrenzung zu verwirklichen;
60. sieht in dem rasanten Anstieg der Obdachlosigkeit in den meisten EU-Mitgliedstaaten ein dringliches Problem; meint, dass die Kommission im Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte die Mitgliedstaaten dabei unterstützen sollte, der wachsenden Obdachlosigkeit Herr zu werden und sie schrittweise ganz zu beseitigen;
Erreichung eines tatsächlich ausgewogenen Geschlechterverhältnisses
61. stellt fest, dass die Kommission auf seine Forderung reagiert hat, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Frauen und Männer, die in der EU leben und arbeiten, zu verbessern, indem sie einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige vorgelegt hat, mit der die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gemeistert werden sollen; erinnert an seine Forderung nach angemessener Entlohnung und angemessenem Sozialschutz und hebt hervor, dass die von der Kommission vorgelegten Vorschläge eine gute Grundlage für eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und flexibler Arbeitsmodelle für Frauen und Männer darstellen, um sowohl bei bezahlter als auch bei unbezahlter Arbeit Ungleichheiten zu verringern;
62. betont, dass eine stärkere Einbeziehung von Frauen in den Arbeitsmarkt durch eine verbesserte Unterstützung von Unternehmerinnen, durch eine Überwindung der Diskrepanz zwischen dem Bildungsniveau von Frauen und ihrer Position im Arbeitsmarkt sowie durch Gewährleistung von Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen hinsichtlich Bezahlung, Beförderungen und Möglichkeiten für eine Vollzeitarbeit wesentliche Faktoren für die Erreichung von inklusivem und langfristigem Wirtschaftswachstum, die Beseitigung des geschlechtsspezifischen Rentengefälles, die Bekämpfung von Ungleichheiten und die Förderung der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen sind;
63. fordert die Kommission auf, gegebenenfalls Initiativen vorzulegen, mit denen jedwedes Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern beseitigt wird und Strafen für Arbeitsstätten eingeführt werden, die gegen das Recht auf Gleichbehandlung verstoßen, indem sie – abhängig davon, ob in diesen Berufen hauptsächlich Männer oder Frauen tätig sind – unterschiedlich hohe Einkommen für die gleichen Berufskategorien festlegen;
64. bedauert, dass nach wie vor ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle und ein noch größeres geschlechtsspezifisches Rentengefälle vorhanden sind, obwohl der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit in den geltenden Rechtsvorschriften verankert ist; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner auf, die Probleme im Zusammenhang mit dem geschlechtsspezifischen Lohn- bzw. Rentengefälle unverzüglich anzugehen;
65. ist besorgt über den Anstieg der Armutsrate, insbesondere unter Frauen, und über die Tatsache, dass es sich vor allem um allein erziehende Mütter, junge Frauen und ältere Frauen handelt, die von Armut betroffen sind; weist darauf hin, dass mit politischen Strategien zur Bekämpfung der Armut und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, die auf dem Gender Mainstreaming beruhen und vorrangig auf die Stärkung und Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ausgerichtet sind, dafür gesorgt werden kann, dass bis 2020 etwa 20 Millionen Menschen weniger in Armut leben; stellt fest, dass Armut nach wie vor auf der Grundlage des Gesamteinkommens der Haushalte bemessen wird, wobei davon ausgegangen wird, dass alle Mitglieder des jeweiligen Haushalts gleich viel verdienen und die Ressourcen gerecht aufteilen; fordert individualisierte Ansprüche und Berechnungen auf der Grundlage individueller Einkommen, damit das tatsächliche Ausmaß der Armut bei Frauen ans Licht kommt;
66. erinnert daran, wie wichtig die Rolle von hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen bei der Erreichung der Gleichstellung der Geschlechter sowie von Steuer- und Leistungssystemen ist, durch die Zweitverdiener nicht von einer Erwerbstätigkeit oder einer Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit abgeschreckt werden, da dies die Erwerbsbeteiligung von Frauen verbessern könnte;
67. fordert den Rat erneut auf, die Richtlinie für ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter bei den nicht geschäftsführenden Direktoren in börsennotierten Unternehmen als ersten wichtigen Schritt hin zur Verwirklichung der gleichberechtigten Vertretung in öffentlichen wie auch in privaten Sektoren zügig zu verabschieden;
Modernisierung der Steuersysteme
68. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gegen übermäßige Ungleichheiten im interpersonellen Bereich vorzugehen, indem sie die produktivsten Investitionsformen fördern und anregen; weist erneut darauf hin, dass es hierfür steuerpolitischer Maßnahmen bedarf und dass viele Mitgliedstaaten tiefgreifende Steuerreformen durchführen müssen; fordert die Kommission auf, vor dem Hintergrund des Europäischen Semesters Bezugsgrößen zu überwachen, zu fördern und auszuarbeiten sowie in diesem Zusammenhang beratend tätig zu sein;
69. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, konkrete Maßnahmen gegen Steuerumgehung und Steuerbetrug zu ergreifen, um so einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Ungleichheiten und zur Verbesserung des Steueraufkommens in den Mitgliedstaaten zu leisten;
70. fordert die Kommission auf, Reformen bei den steuerpolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten anzuregen, damit ausreichende öffentliche Mittel für Gesundheit, Wohnraum sowie Sozial-, Beschäftigungs- und Bildungsleistungen bereitgestellt werden; ist der Auffassung, dass dazu auch die Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung und der Abbau von Ungleichheiten beim Vermögen gehören sollten, auch durch die Umverteilung einer übermäßigen Konzentration von Vermögen, da dies unverzichtbar ist, wenn die Ungleichheit in vielen Mitgliedstaaten nicht noch verstärkt werden soll; betont darüber hinaus, dass Maßnahmen in Bereichen wie Finanzialisierung der Wirtschaft und gegebenenfalls eine weitere Koordinierung, Angleichung und Harmonisierung der Steuerpolitik sowie Maßnahmen gegen Steueroasen, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, Maßnahmen zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit sowie Maßnahmen zur Optimierung des Steuermixes und Maßnahmen, mit denen das Verhältnis der Steuerlast auf Arbeit bzw. Vermögen und deren Bedeutung im Rahmen der gesamten Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten optimiert wird, erforderlich sind;
o o o
71. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
IWF (2015) „Causes and Consequences of Income Inequality: A Global Perspective“ (Ursachen und Auswirkungen von Einkommensunterschieden: Eine globale Sichtweise). Diskussionspapier SDN/15/13, Washington D. C.: Internationaler Währungsfonds http://www.imf.org/external/pubs/ft/sdn/2015/sdn1513.pdf.
OECD (2015) „In it together: Why Less Inequality Benefits All“ (Gemeinsam in einem Boot: Warum alle von weniger Ungleichheit profitieren), Paris: Veröffentlichung der OECD.
Arbeitsdokument (2017) des IWF 17/76 mit dem Titel „Inequality Overhang“ (Überhang der Ungleichheit). Autoren: Francesco Grigoli und Adrian Robles, Washington D. C.: Internationaler Währungsfonds.
„Inequality and mental illness“ (Ungleichheit und psychische Erkrankungen), R. Wilkinson und K. Pickett, Department of Health Sciences, Universität York, Vereinigtes Königreich; online veröffentlicht am 25. Mai 2017; S2215-0366(17)30206-7.
Ausschuss der Ständigen Vertreter (1. Teil), „Angemessene Renteneinkommen im Kontext alternder Gesellschaften – Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates“, 12352/15: http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-12352-2015-INIT/de/pdf
Eurofound (2017) „Income inequalities and employment patterns in Europe before and after the Great Recession“ (Einkommensunterschiede und Beschäftigungsstrukturen in Europa vor und nach der großen Rezession).