Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2019 zur Bewertung der Verwendung von Mitteln aus dem EU-Haushalt für Reformen des öffentlichen Sektors (2018/2086(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Studie zu dem Thema „Reform des öffentlichen Sektors: der Beitrag des EU-Haushalts“, die 2016 von seiner Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union veröffentlicht wurde(1),
– unter Hinweis auf die Strategie Europa 2020,
– unter Hinweis auf den aktuellen Finanzierungszeitraum der EU (2014–2020) und den Vorschlag der Kommission für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021–2028,
– unter Hinweis auf die im Juli 2018 von den Legislativorganen erzielte Einigung über die Aufstockung der Haushaltsmittel für das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSP),
– unter Hinweis auf Artikel 197 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltskontrollausschusses und die Stellungnahme des Ausschusses für regionale Entwicklung (A8-0378/2018),
A. in der Erwägung, dass die öffentliche Verwaltung in den Mitgliedstaaten für die Ausführung des EU-Haushalts von wesentlicher Bedeutung ist und dass durch ihr wirksames Funktionieren für moderne Systeme gesorgt werden kann, durch die der Wohlstand und das Wohlergehen in der EU verbessert werden;
B. in der Erwägung, dass der Vorschlag für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) in seiner derzeitigen Form kein spezifisches Ziel im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung umfasst;
1. weist darauf hin, dass die Zuständigkeiten im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung auf verschiedene Dienststellen der Kommission verteilt sind und daher die wirksame Koordinierung der zuständigen Dienststellen und der von der EU finanzierten Programme und Initiativen erschwert wird; fordert eine bessere Koordinierung aller Programme der technischen Hilfe, um Doppelarbeit und Ineffizienz der Maßnahmen zu vermeiden, durch die alle Bemühungen der Kommission zur Förderung der kombinierten Nutzung von Mitteln zwecks Nutzung von Synergien untergraben werden; fordert die Kommission auf, die Systeme für den Austausch über bewährte Verfahren zu verbessern, um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung bewährter Verfahren zu unterstützen, ohne ihnen jedoch Strategien aufzuerlegen, die auf Lohnabwertung und gesellschaftlich nicht tragfähige Reformen ausgerichtet sind;
2. fordert den nächsten Präsidenten der Kommission auf, die Zuständigkeit für Fragen im Zusammenhang mit der Verbesserung der öffentlichen Verwaltung und der Staatsführung einem Mitglied der Kommission zu übertragen;
3. ist der Ansicht, dass wirksame Reformen des öffentlichen Sektors wesentlich sind, um die Mitgliedstaaten bei der Anpassung an sich ändernde Umstände zu unterstützen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Krisen zu stärken, die elektronischen Behördendienste auszuweiten und die Erbringung von Dienstleistungen in der gesamten EU zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf neue Technologien und IT-Systeme, und dass sie deutlich zur Verringerung der Verschwendung und der dadurch verursachten Belastung, des Verlusts oder der betrügerischen Nutzung von Unionsmitteln beitragen würden; fordert daher, dass auch in den künftigen Programmplanungszeiträumen die Finanzierung von Maßnahmen zur Verbreitung von elektronischen Behördendiensten gemäß den Grundsätzen und Prioritäten des Aktionsplans der EU für elektronische Behördendienste vorgesehen wird;
4. weist erneut darauf hin, dass der Zugang zu Finanzierungen und ihre Nutzung insbesondere in strukturschwachen Gebieten häufig schwierig sind, was auf Bürokratie, begrenzte Verwaltungskapazitäten oder Unregelmäßigkeiten zurückzuführen ist; hofft daher, dass die Mitgliedstaaten interne Reformen vorantreiben werden, damit mit Blick auf den Grundsatz der guten Verwaltung konkretere Ergebnisse erzielt werden können und Gerichtsverfahren beschleunigt werden;
5. weist darauf hin, dass im EU-Haushalt für die Unterstützung der Mitgliedstaaten der EU bei Reformen der öffentlichen Verwaltung etwa 9 Mrd. EUR vorgesehen sind; fordert die Kommission auf, den gezielten Austausch über Erkenntnisse, Erfahrungen und bewährte Verfahren unter den Mitgliedstaaten an diese finanzielle Unterstützung anzugleichen;
6. fordert die Kommission auf, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Unterstützung strukturschwacher Gebiete bei der Verbesserung ihrer Kapazitäten und ihres Verwaltungshandelns zu intensivieren;
7. fordert Maßnahmen für eine bessere Durchführung von Programmen zur Förderung der Entwicklung und Umsetzung von Personalstrategien, unter anderem durch den Austausch über bewährte Verfahren unter den Mitgliedstaaten unter Einbeziehung von führenden Politikern und anderen hochrangigen Persönlichkeiten;
8. weist darauf hin, dass häufig Überschneidungen zwischen bestimmten operationellen Programmen und anderen Finanzierungsquellen der EU zu beobachten sind, und fordert, dass entsprechende Verbesserungsvorschläge vorgelegt werden; hofft in diesem Sinne mit Blick auf die Koordinierung, Komplementarität und Vereinfachung auf eine Verbesserung der Unterstützung;
9. betont, dass für eine möglichst effiziente und nutzerfreundliche Durchführung der operationellen Programme gesorgt werden muss; erachtet es als wesentlich, dass die Mitgliedstaaten keine zusätzlichen Vorschriften hinzufügen, die die Verwendung der Mittel für den Begünstigten erschweren;
10. stellt fest, dass die Kommission weder über einen standardisierten und gemeinsamen Rahmen für die Bewertung der öffentlichen Verwaltung noch über ein Verfahren für die systematische Datenerfassung verfügt; stellt mit Besorgnis fest, dass die Kommission aufgrund des Fehlens dieser Instrumente unvollständige Analysen der Probleme in den Mitgliedstaaten erstellt; schlägt vor, in den Jahreswachstumsbericht wieder ein Kapitel zur öffentlichen Verwaltung und Staatsführung aufzunehmen;
11. ersucht die Kommission, vorab eine Bewertung der Verwaltungskapazität der für die Durchführung der Entwicklungspolitik zuständigen Strukturen vorzunehmen und bei aus strategischer Sicht besonders wichtigen Projekten den Einsatz nationaler Stellen und Agenturen zu fördern, die in der Lage sind, die Durchführung von Programmen und Einzelmaßnahmen in die Wege zu leiten und zu beschleunigen;
12. vertritt die Ansicht, dass der MFR genutzt werden sollte, um Anreize für Programme zu schaffen, mit denen für eine bessere öffentliche Verwaltung und Staatsführung gesorgt wird, insbesondere um die Mitgliedstaaten in Zeiten eines Konjunkturrückgangs zu unterstützen, wobei anerkannt werden sollte, dass Reformen im Bereich der Systeme der öffentlichen Verwaltung in solchen Fällen in den betroffenen Mitgliedstaaten Abhilfe schaffen können;
13. begrüßt, dass im nächsten MFR Vorschläge unterbreitet wurden, um Programmüberschneidungen zu vermeiden und eine weitere Vereinfachung zu fördern;
14. fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten einen spezifischen Bewertungsrahmen auszuarbeiten, der die quantitativen und qualitativen Aspekte einer hochwertigen öffentlichen Verwaltung umfasst, und eigene Analysekapazitäten aufzubauen; betont, dass die Schwächen eines jeden Mitgliedstaats ermittelt werden müssen und dass unter Verwendung der verfügbaren Ressourcen Maßnahmen unterstützt werden müssen, mit denen diese Probleme gelöst werden, indem das Kriterium der Ex-ante-Konditionalität aufgewertet wird und Ziele festgelegt werden;
15. schlägt vor, dass die Kommission den politischen Dialog mit den Mitgliedstaaten ausbaut, indem sie für die Einrichtung eines spezifischen Forums sorgt;
16. schlägt vor, in seinem parlamentarischen Kalender Zeit für einen strukturierten Dialog mit den nationalen Parlamenten über die Fragen im Zusammenhang mit der Verbesserung der öffentlichen Verwaltung in der gesamten EU vorzusehen; fordert die EU auf, die Überwachung und Bewertung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) im Hinblick auf das thematische Ziel Nr. 11 zu verbessern, und zwar durch die Einführung spezieller Indikatoren, mit denen die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele und Prioritäten der EU in Bezug auf die Reform der öffentlichen Verwaltung gemessen werden können;
17. begrüßt die Entwicklung eines Referenzwerts für die Bewertung der Kapazitäten der öffentlichen Verwaltung der EU-Bewerberländer im Hinblick auf die Übernahme der mit der EU-Mitgliedschaft verbundenen Aufgaben; fordert, dass die Mitgliedstaaten interne Reformen vorantreiben, damit der Grundsatz der guten Verwaltung noch konkreter in die Tat umgesetzt werden kann;
18. stellt fest, dass der Europäische Verwaltungspreis (EPSA) von der Kommission und einigen Mitgliedstaaten kofinanziert wird und dazu beiträgt, dass die besten, innovativsten und effizientesten Akteure des europäischen öffentlichen Sektors miteinander vernetzt werden; ist der Ansicht, dass die Kommission dafür sorgen sollte, dass der Austausch von Erkenntnissen und Informationen ausgeweitet wird, und dass sie darauf hinarbeiten sollte, die europaweite Reichweite auszubauen;
19. erachtet es als notwendig, innovative Verfahren in der öffentlichen Verwaltung zu fördern, um eine bessere Vernetzung, Digitalisierung und hochwertige digitale Dienste für Bürger, Unternehmen und Behörden zu bewirken und gleichzeitig mit den rasanten Entwicklungen bei neuen Technologien in den betroffenen Bereichen beständig Schritt zu halten; begrüßt, dass den künftigen Begünstigten im Rahmen des neuen Vorschlags für die Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen (Dachverordnung) angemessene Informationen bereitgestellt werden, sodass sie diese Dienste möglichst rasch nutzen können;
20. stellt fest, dass die Beteiligung der kommunalen Verwaltung eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele auf EU-Ebene in diesem Bereich ist; weist auf den Vorschlag aus der Erklärung von Tallinn hin, wonach die gemeinsamen Verwaltungsstrukturen auf nationaler Ebene in Zusammenarbeit mit den kommunalen und regionalen Behörden verbessert werden sollen(2);
21. begrüßt die bestehenden Netze(3), durch die Vertreter von Mitgliedstaaten – insbesondere jener, die EU-Mittel erhalten – miteinander in Kontakt kommen, um die öffentliche Verwaltung durch den Austausch über bewährte Verfahren und wechselseitiges Lernen zu verbessern;
22. ist der Ansicht, dass die Leistung der bestehenden Netze deutlich verbessert werden könnte, wenn sie ehrgeizigere Ziele setzen und stärker proaktive Ansätze – etwa das Lernen durch Leistungsvergleiche, bei dem eine Selbstbewertung durch die Mitgliedstaaten mit einem Peer-Review-System kombiniert wird – entwickeln würden;
23. vertritt die Auffassung, dass eine hochwertige öffentliche Verwaltung eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der EU im Rahmen des MFR und anderer Zielvorgaben darstellt; betont, dass eine gute Kommunikation und politisches Bewusstsein für den Aufbau von Vertrauen und die Bewirkung positiver Reformmaßnahmen und -programme von Bedeutung sind;
24. erachtet eine ständige Prüfung als notwendig, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Zusätzlichkeit und Komplementarität bei der Kohäsionspolitik in Bezug auf die aus herkömmlichen Mitteln finanzierten Maßnahmen eingehalten wird, nicht zuletzt, um zu verhindern, dass die Maßnahmen der Kohäsionspolitik an die Stelle herkömmlicher nationaler Mittel treten;
25. weist darauf hin, dass die Überwachung trotz der Aufstockung der Mittel der ESI-Fonds für den regionalen Durchführungsplan im letzten Programmplanungszeitraum verbessert werden könnte, damit die Wirkung dieser Finanzierung für den regionalen Durchführungsplan bewertet werden kann;
26. fordert, dass die Tätigkeit der Arbeitsgruppen der Kommission fortgesetzt wird, die dafür zuständig sind, nationale Behörden der Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, dass in den Mitgliedstaaten, die bei der Ausschöpfung der Mittel der ESI-Fonds im Rückstand sind, die kohäsionspolitischen Mittel besser genutzt werden;
27. hebt die Bedeutung des Programms zur Unterstützung von Reformen hervor und spricht sich für seine Stärkung im kommenden Programmplanungszeitraum aus, indem seine Funktion als Wegbereiter und nicht nur als technischer Unterstützer klar bestimmt wird, sowie für die Erhöhung seiner Wirksamkeit und Effizienz, ohne dass die gegenwärtig von der Kommission im MFR 2021–2027 vorgeschlagenen Beträge für den Kohäsionshaushalt gesenkt werden;
28. stellt fest, dass die EU zwar keine direkte rechtliche Zuständigkeit im Verwaltungsbereich hat, dass von ihr jedoch positive Impulse für die öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten ausgehen und sie insbesondere mittelbar durch die Festlegung von Verwaltungsstandards im gemeinschaftlichen Besitzstand, durch die Ermöglichung des Austauschs über bewährte Verfahren in der gesamten Union sowie durch die Bereitstellung von Haushaltsinstrumenten zur Unterstützung und Förderung der Reform der öffentlichen Verwaltung mittels der Stärkung der Verwaltungskapazitäten, der Erhöhung der Effizienz der Verwaltungen und der Förderung von Innovationen im öffentlichen Sektor dabei eine Rolle spielt;
29. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Studie mit dem Titel „Public Sector Reform: How the EU budget is used to encourage it“ (Reform des öffentlichen Sektors: der Beitrag des EU-Haushalts), Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union, Fachabteilung D – Haushaltsfragen, 2016.
Europäisches Netz der öffentlichen Verwaltungen (EUPAN), Thematic Network on Public Administration and Governance (PAG, thematisches Netz für öffentliche Verwaltung und Staatsführung) und andere Plattformen und Netze mit besonderem Schwerpunkt auf den Bereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung, Digitalisierung, Vergabe öffentlicher Aufträge usw.