Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Januar 2019 zu grenzübergreifende Forderungen nach Rückgabe von Beutekunst aus bewaffneten Konflikten und Kriegen (2017/2023(INI))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und das 1999 angenommene Zweite Protokoll zu dieser Konvention,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Dezember 1995 zur Rückgabe geraubten Eigentums an jüdische Gemeinden(1) und auf seine Entschließung vom 16. Juli 1998 zur Rückerstattung der Vermögen von Holocaust-Opfern(2),
– unter Hinweis auf das im Dezember 2016 verabschiedete Maßnahmenpaket zur Stärkung der Fähigkeit der EU zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung und organisierten Kriminalität, mit dem die im Rahmen des Aktionsplans für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung eingegangenen Verpflichtungen vom 2. Februar 2016 (COM(2016)0050) erfüllt werden, und auf seinen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2017 über die Einfuhr von Kulturgütern (COM(2017)0375),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. April 2015 zur Zerstörung von Kulturstätten durch den ISIS/Da’esh(3),
– unter Hinweis auf das am 24. Juni 1995 unterzeichnete UNIDROIT-Übereinkommen über gestohlene oder unrechtmäßig ausgeführte Kulturgüter,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern(4),
– unter Hinweis auf Artikel 1 des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention,
– unter Hinweis auf Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 116/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern(5),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(6), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 4,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2003 zu einem rechtlichen Rahmen für den freien Verkehr von Waren, deren Eigentum bestritten werden könnte, im Binnenmarkt(7),
– unter Hinweis auf die Studie aus dem Jahr 2016 mit dem Titel „Grenzüberschreitende Rückgabeforderungen für bei bewaffneten Konflikten und Kriegen geplünderte Kunst und Alternativen zu Gerichtsverfahren“ der Generaldirektion Interne Politikbereiche,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (8),
– unter Hinweis auf das UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut,
– unter Hinweis auf die Entschließung 14232/12 des Rates vom 4. Oktober 2012 zur Schaffung eines informellen Netzes von Strafverfolgungsbehörden und Experten mit Zuständigkeit für den Bereich der Kulturgüter (EU CULTNET),
– gestützt auf Artikel 52 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses sowie die Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung (A8-0465/2018),
A. in der Erwägung, dass laut Interpol der Schwarzmarkthandel mit Kunstwerken schon fast ebenso lukrativ ist wie der mit Drogen, Waffen und nachgeahmten Waren;
B. in der Erwägung, dass gemäß der Folgenabschätzung zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Einfuhr von Kulturgütern 80 bis 90 % der im weltweiten Antiquitätenhandel verkauften Güter illegaler Herkunft sind;
C. in der Erwägung, dass das Kulturerbe eines der wesentlichen Elemente der Zivilisation darstellt, auch weil es einen symbolischen Wert hat, ein kulturelles Gedächtnis der Menschheit darstellt und die Menschen vereint; in der Erwägung, dass in den vergangenen Jahren Kriegsparteien und terroristische Gruppierungen auf der ganzen Welt eine Reihe von Straftaten gegen das Weltkulturerbe verübt haben und dass wertvolle Kunstwerke, Skulpturen und archäologische Artefakte aus bestimmten Drittländern verkauft und in die EU eingeführt und die Gewinne möglicherweise zur Finanzierung von terroristischen Aktivitäten verwendet werden; in der Erwägung, dass es unerlässlich ist, sich entschieden gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern wie Kunstwerken einzusetzen, die im Verlauf der bewaffneten Konflikte und Kriege in Libyen, in Syrien und im Irak geraubt wurden; in der Erwägung, dass Kulturgüter von wesentlicher kultureller, künstlerischer, historischer und wissenschaftlicher Bedeutung sind und vor unrechtmäßiger Aneignung und Plünderung geschützt werden müssen;
D. in der Erwägung, dass bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Anstrengungen unternommen wurden, um geraubtes Eigentum aufzufinden und in die Herkunftsländer zurückzugeben;
E. in der Erwägung, dass im Hinblick auf das Eintreten der EU für faire Gerichtsverfahren und Entschädigungen von Opfern sowie auf die Verfassung der UNESCO und die Übereinkommen zum Schutz des Erbes die Rückerstattung von illegal gehandelten, ausgegrabenen bzw. erworbenen Objekten sichergestellt werden muss;
F. in der Erwägung, dass in den Grundsätzen der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden (Washington Principles / Washingtoner Erklärung), in der Erklärung von Vilnius („Vilnius Forum Declaration“) und in der Erklärung von Terezin („Terezin Declaration on Holocaust Era Assets and Related Issues“) die große Bedeutung von Entschädigungen für individuelles unbewegliches Eigentum hervorgehoben wird; in der Erwägung, dass seit der Washingtoner Konferenz nach Schätzungen etwa 1 000 bis 2 000 Kunstwerke zurückerstattet wurden(9); in der Erwägung, dass es kein vollständiges Verzeichnis der in den vergangenen Jahren zurückerstatteten Kunstwerke gibt;
G. in der Erwägung, dass immer noch Kunstwerke vermisst werden und ihren rechtmäßigen Eigentümern oder deren Erben noch nicht wieder zurückgegeben wurden; in der Erwägung, dass Jonathan Petropoulos auf der Washingtoner Konferenz im Jahr 1998 die Einschätzung äußerte, dass ungefähr 650 000 Kunstwerke in ganz Europa geraubt worden seien, und dass Ronald Lauder erklärte, 11 000 Kunstwerke im Wert von 10 Mrd. bis 30 Mrd. USD würden zu jenem Zeitpunkt (1998) noch vermisst; in der Erwägung, dass die „Claims Conference-WJRO“ auf diese Frage zumeist erklärt, es gebe keine genauen Schätzungen: etwa 650 000 Kunstwerke seien gestohlen worden, und etwa 100 000 von diesen seien noch nicht wieder aufgefunden worden;
H. in der Erwägung, dass Personen, die Forderungen erheben, weiterhin einerseits aufgrund der häufig sehr speziellen Natur dieser Forderungen und andererseits aufgrund des Auslaufens der Gültigkeit der nach dem Krieg verabschiedeten Gesetze zur Rückerstattung, des Rückwirkungsverbots herkömmlicher Regelungen, des Fehlens einer Definition von „Beutekunst“ und der Bestimmungen über die Verjährung von Ansprüchen bzw. über Ersitzung und Erwerb in gutem Glauben auf rechtliche Hürden stoßen;
I. in der Erwägung, dass Forderungen nach Rückgabe von geraubten Kunstwerken und Kulturgütern vor allem mit Instrumenten des Völkerrechts behandelt werden; in der Erwägung, dass diese Bestimmungen durch schärfere Bestimmungen des internationalen Privatrechts ergänzt werden müssen;
J. in der Erwägung, dass die sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene nur ungenügende Ausprägung des internationalen Privatrechts zu Rechtsunsicherheit bei grenzüberschreitenden Fällen in Bezug auf die Rückgabe von geraubten Kunstwerken und Kulturgütern beiträgt, und zwar nicht nur im Hinblick auf bereits durchgeführte Transaktionen von durch die Nazis geraubten Kunstwerken, sondern auch im Hinblick auf zukünftige Fälle;
K. in der Erwägung, dass es keine Rechtsvorschriften der EU gibt, die Rückerstattungsforderungen in Bezug auf Kunstwerke und Kulturgüter, die im Verlauf von bewaffneten Konflikten von Einzelpersonen geraubt wurden, ausdrücklich und umfassend regeln;
L. in der Erwägung, dass die UNESCO in Zusammenarbeit mit den großen Auktionshäusern, Museen und renommierten Sammlern in Europa intensive Forschungstätigkeiten zur Herkunft dieser Werke durchführt, um sie ihren Eigentümern zurückgeben zu können;
M. in der Erwägung, dass der Internationale Museumsrat (ICOM) zur Ergänzung der Interpol-Datenbank über gestohlene Kunstwerke seit mehr als einem Jahrzehnt ‚Rote Listen‘ veröffentlicht, in denen Kategorien von Objekten aufgeführt sind, die leicht dem illegalen Handel zum Opfer fallen können;
1. verleiht seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass es zu seiner Entschließung zu einem rechtlichen Rahmen für den freien Verkehr von Waren, deren Eigentum bestritten werden könnte, im Binnenmarkt, in der es die Kommission aufgefordert hat, eine Studie über einschlägige Bestimmungen des Zivil- und Verfahrensrechts, Provenienzforschung, Katalogisierungssysteme, alternative Verfahren der Streitbeilegung und die Bedeutung der Schaffung einer Verwaltungsstelle zur länderübergreifenden Koordinierung zu erstellen, praktisch keine Folgemaßnahmen gegeben hat; vertritt die Ansicht, dass Artikel 81 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als Rechtsgrundlage für die Übertragung von Befugnissen an die Union in diesem Bereich dienen könnte;
2. hebt hervor, dass der Raub von Kunstwerken und anderen Kulturgütern im Verlauf von bewaffneten Konflikten und Kriegen sowie in Zeiten des Friedens ein großes gemeinsames Problem darstellt, das sowohl durch die Verhinderung derartiger Ereignisse als auch durch Rückgabe von geraubtem Kulturgut bekämpft werden muss, um die Integrität des kulturellen Erbes und der kulturellen Identität von Gesellschaften, Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen zu schützen und zu wahren;
3. weist darauf hin, dass auf EU-Ebene der Rückgabe von unter anderem im Verlauf von bewaffneten Konflikten geraubten, gestohlenen oder rechtswidrig erworbenen Kunstgegenständen und Kulturgütern insbesondere im Bereich des Privatrechts, des internationalen Privatrechts und des Zivilprozessrechts zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde; fordert die Kommission auf, grenzüberschreitende Ansprüche auf eine Rückerstattung von Kulturgütern, die bei staatlich sanktionierten Plünderungen bzw. im Verlauf von bewaffneten Konflikten geraubt und widerrechtlich angeeignet wurden, zu schützen, zu unterstützen und zu bestärken; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Empfehlungen und Leitlinien auszuarbeiten, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit zu schärfen, die nationalen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten bei Forderungen nach Rückgabe zu unterstützen;
4. hebt hervor, dass Einrichtungen wie die UNESCO und Interpol einen verbesserten Schutz des kulturellen Erbes fordern und hervorheben, dass es in der Verantwortung der Staaten liege, Regelungen zu schaffen, die Rückerstattungen leichter möglich machen;
5. äußert sein Bedauern darüber, dass es keine verlässlichen Statistiken zum genauen Umfang des Raubs von Kulturgütern und des illegalen Handels mit ihnen gibt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, verlässliche statistische Daten hierzu zu erheben;
6. äußert seine Besorgnis darüber, dass sich politische und rechtliche Initiativen zumeist ausschließlich auf Bestimmungen des öffentlichen Rechts oder des Verwaltungsrechts bzw. des Strafrechts beschränken; hebt hervor, dass zur Schaffung eines umfassenden Rechtsrahmens das Privatrecht stärker berücksichtigt werden muss; fordert die zuständigen Stellen auf, alle erforderlichen Maßnahmen und Initiativen zu ergreifen, um dies zu erreichen;
7. vertritt die Auffassung, dass weitere Untersuchungen, wie etwa das derzeit in Deutschland durchgeführte ILLICID-Projekt, erforderlich sind, um Licht in das Dunkel des illegalen Handels mit Kulturgut zu bringen und mehr Informationen über Größenordnungen, Strukturen und Umfang zu gewinnen;
8. begrüßt es, dass einige Mitgliedstaaten anerkannt haben, dass die einzigartigen Probleme im Zusammenhang mit Forderungen nach der Rückgabe von Kunstgegenständen und Kulturgütern, die im Verlauf von bewaffneten Konflikten und Kriegen geraubt, gestohlen oder rechtswidrig erworben wurden, gelöst werden müssen, um rechtliche Lösungen zu finden, die die Eigentumsrechte von Privatpersonen, staatlichen und kommunalen Einrichtungen und Glaubensgemeinschaften, die im Verlauf eines bewaffneten Konflikts oder eines Krieges in ungerechtfertigter Weise ihrer Kunstwerke beraubt wurden, zu schützen;
9. erklärt, dass das allgemeine Bewusstsein geschärft werden muss, damit diese illegalen Praktiken gemeldet werden, und weist darauf hin, dass jedes seinem Besitzer geraubte Objekt einen geschichtlichen und wissenschaftlichen Wert darstellt, der mit dem Raub für immer verloren gegangen ist;
10. weist darauf hin, dass die Förderung der Schaffung von fairen Verfahren im Bereich des Kunsthandels und der Rückgabe von Kunstwerken aus länderübergreifender und weltweiter Sicht das wirksamste Mittel ist, um den illegalen Handel mit Kulturgütern und die Entwicklung des illegalen Kunstmarktes zu bekämpfen sowie die Rückgabe zu fördern, sowohl mit Blick auf die präventive Wirkung als auch auf die Auswirkungen im Bereich von Zwangsmaßnahmen und Sanktionierung;
11. ist der Auffassung, dass die Kommission unter Berücksichtigung der im UNIDROIT‑Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter festgelegten Grundsätze die Zusammenarbeit mit Drittländern und nutzbringende Partnerschaften mit diesen anstreben sollte, um so über Bestimmungen zu verfügen, mit denen dem Raub und Schmuggel von Kunstwerken und Kulturgütern wirksam vorgebeugt werden kann, und um einen uneingeschränkt transparenten, verantwortungsvollen und ethischen weltweiten Kunstmarkt zu erreichen;
12. vertritt die Ansicht, dass EU-Rechtsakte, die sich auch auf das internationale Privatrecht beziehen, nur für zukünftige Transaktionen geeignet wären;
13. ist der Auffassung, dass das jahrelange Zaudern und Ausweichen beendet werden muss, damit ein verantwortungsvoller und ethischen Anforderungen genügender europäischer Kunstmarkt entstehen kann; fordert die Kommission daher auf, Maßnahmen im Bereich des Zivilrechts zu ermitteln, die dazu beitragen können, die schwierigen Probleme zu überwinden, denen sich Privatpersonen gegenübersehen, die die Rückerstattung von Kunstwerken fordern, die ihnen tatsächlich gehören; fordert die Kommission zugleich auf, einen neuen Diskussionsrahmen auszuarbeiten, um die besten Verfahren und Lösungen für Gegenwart und Zukunft zu ermitteln;
14. begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Einfuhr von Kulturgütern sowie die vom Parlament am 25. Oktober 2018 angenommenen Abänderungen zu dem Vorschlag(10); bekräftigt angesichts des globalen Charakters des Kunstmarkts und der Anzahl der sich in Privatbesitz befindlichen Objekte, dass weitere Anstrengungen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Rückgabe von im Verlauf von bewaffneten Konflikten und Kriegen geraubten Kunstwerken und Kulturgütern unternommen werden müssen; betont, dass sich die Provenienzforschung und die europäische Zusammenarbeit als hilfreich für die Identifizierung gestohlener Gegenstände und ihre anschließende Rückgabe erwiesen haben und dass dadurch in einigen Fällen die Finanzierung von terroristischen Gruppen oder Kriegen verhindert werden konnte;
15. bedauert, dass einer Vielzahl von grenzübergreifenden Rückgabeforderungen aufgrund fehlender, laxer oder unterschiedlicher Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf Provenienzforschung und Sorgfaltspflicht nicht wirksam und koordiniert nachgekommen werden kann, wodurch möglicherweise Plünderungen und illegaler Handel gefördert und dadurch Anreize für den Schmuggel geschaffen werden; weist darauf hin, dass das jeweils anzuwendende Verfahren sämtlichen Akteuren, wie etwa Museen, Kunsthändlern, Sammlern, Touristen und Reisenden, aufgrund fehlender gemeinsamer Standards häufig unklar ist; fordert die Kommission daher auf, die Vorschriften in Bezug auf die Provenienzforschung zu harmonisieren und einige der Grundsätze des UNIDROIT‑Übereinkommens von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter aufzunehmen;
16. betont, dass der systematische Rückgriff auf eine hochwertige und unabhängige Provenienzforschung dringend aktiv gefördert werden muss, um geraubte Kunstwerke zu identifizieren, deren Rückgabe an die rechtmäßigen Eigentümer zu erleichtern, einen vollkommen transparenten, verantwortungsvollen und ethischen Kunstmarkt zu schaffen und Plünderungen sowie dem illegalen Handel mit Kunstwerken und Kulturgütern aus bewaffneten Konflikten und Kriegen wirksam vorzubeugen und ihnen entgegenzuwirken; weist in diesem Zusammenhang auf die von den europäischen Finanzierungsinstrumenten gebotenen Möglichkeiten hin; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, besondere Fortbildungsprogramme im Bereich der Provenienzforschung auf Unionsebene und auf nationaler Ebene zu fördern und zu unterstützen, damit vor allem die Personen, die an der Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgütern mitwirken, ihr Fachwissen etwa im Rahmen von grenzüberschreitenden Projekten ausbauen und verbessern können;
17. vertritt die Ansicht, dass die Provenienzforschung eng mit der Sorgfaltspflicht verbunden ist, die für den Erwerb von Kunstwerken gilt, und für alle Akteure des Kunstmarktes von großer Bedeutung ist, da der wissentliche oder fahrlässige Erwerb gestohlener Kunstwerke gemäß dem nationalen Recht bestimmter Staaten strafbar ist;
18. ist der Auffassung, dass selbstverständlich Anstrengungen unternommen werden sollten, eine umfassende Auflistung aller Kulturgegenstände, – auch Juden gehörenden Kulturgegenstände – die von den Nazis und ihren Verbündeten geraubt wurden, vom Zeitpunkt der Plünderung bis zur Gegenwart zu erstellen; fordert die Kommission auf, ein Katalogisierungssystem zu fördern, das auch öffentlichen Stellen und privaten Kunstsammlungen zugänglich ist und in dem Angaben über den Sachstand geraubter, gestohlener oder illegal erworbener Kulturgüter und den genauen Status bestehender Forderungen zusammengeführt werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Digitalisierungsprojekte zu unterstützen, mit denen digitale Datenbanken eingerichtet oder bestehende Datenbanken verknüpft werden, um den Austausch dieser Daten und die Provenienzforschung zu erleichtern;
19. vertritt die Ansicht, dass für eine ordnungsgemäße Provenienzforschung ein möglichst detailliertes Dokumentations- oder Transaktionsregister erstellt werden muss; fordert die Kommission auf, die Ausarbeitung gemeinsamer Leitlinien für derartige Register aktiv zu unterstützen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, eine allgemeine Verpflichtung für sämtliche Akteure des Kunstmarkts einzuführen, ein solches Transaktionsregister zu führen, und sie generell darin zu bestärken, dem UNIDROIT‑Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter beizutreten;
20. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, Tätigkeiten im Bereich der Provenienzforschung in der gesamten Union zu fördern und finanziell zu unterstützen; empfiehlt, dass die Kommission ein Diskussionsforum organisiert, damit ein Austausch über bewährte Verfahren stattfindet und die besten Lösungen für die Gegenwart und die Zukunft gefunden werden;
21. fordert die Kommission auf, die Einrichtung eines alternativen Verfahrens der Streitbeilegung für Fälle der Rückforderung von Kunstwerken und Kulturgütern zu prüfen, um die bestehenden rechtlichen Hürden zu überwinden, wie etwa Mischformen zwischen Schiedsverfahren und Mediation; betont, wie wichtig eindeutige Standards und transparente, neutrale Verfahren sind;
22. weist darauf hin, dass Verjährungsfristen bei Rückgabesachen häufig zu Schwierigkeiten für die Personen führen, die Forderungen erheben; fordert die Kommission auf, diese Angelegenheit zu prüfen und dafür zu sorgen, dass bei der Regelung der Verjährungsfrist für Rückerstattungsforderungen etwa für von den Nazis geraubte Kunstwerke ein Gleichgewicht gefunden wird, das sowohl den Schutz der Interessen der Opfer von Raub und Diebstahl als auch den Schutz der Interessen des Marktes Rechnung trägt; vertritt die Auffassung, dass das US-Gesetz zur Rückgabe von während des Holocausts enteigneter Kunst („Holocaust Expropriated Art Recovery Act“) als Beispiel dienen könnte;
23. fordert die Kommission auf, die Schaffung von Rechtsakten zu erwägen, um den Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Forderungen für die Rückgabe von im Verlauf von bewaffneten Konflikten und Kriegen geraubten Kunstwerken und Kulturgütern durch Instrumente des internationalen Privatrechts auszubauen;
24. fordert die zuständigen Organe und Einrichtungen der EU auf, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, Informationen über bei der Provenienzforschung in Bezug auf Kulturgüter verwendete Verfahren untereinander auszutauschen und ihre Zusammenarbeit zu intensivieren, um die Kontrollmaßnahmen und Verwaltungsverfahren, mit denen die Herkunft von Kulturgütern festgestellt werden soll, zu vereinheitlichen;
25. weist darauf hin, dass es auf der Ebene der Mitgliedstaaten an einer Koordinierung bei der Auslegung des Begriffs der ‚Sorgfaltspflicht’ fehlt; fordert die Kommission auf, den Begriff der ‚Sorgfaltspflicht’ in Bezug auf den guten Glauben zu präzisieren; verweist als Beispiel auf Artikel 16 des Schweizer Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer, das es im Kunsthandel und im Auktionswesen tätigen Personen verbietet, sich an dem Transfer eines Kulturguts zu beteiligen, wenn sie Zweifel an der Provenienz des Objekts haben; weist darauf hin, dass mit diesem Gesetz die Beweislast zum Teil beim Verkäufer liegt, sich der Besitzer eines Kunstwerks jedoch nicht auf den Grundsatz des guten Glaubens berufen kann, wenn er nicht nachweisen kann, dass er zum Zeitpunkt des Kaufs diese Frage in angemessener Weise geprüft hat; fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Kunstmarkt und auch potenzielle Käufer von Artefakten für die Bedeutung der Provenienzforschung sensibilisiert werden sollen, da die Provenienzforschung im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht steht;
26. fordert die Kommission nachdrücklich auf, allgemeine Grundsätze für den Zugang zu öffentlichen oder privaten Archiven zu entwickeln, die Informationen über die Identität und den Aufbewahrungsort von Gütern enthalten, und eine umfassende Erfassung der bestehenden Datenbanken zu Kulturgütern durchzuführen und die Schaffung einer zentralen, regelmäßig aktualisierten Metadatenbank in Erwägung zu ziehen, in der die verfügbaren Informationen erfasst werden und zu der alle einschlägigen Akteure Zugang haben; vertritt die Ansicht, dass auf der Grundlage dieser zentralen Metadatenbank ein allgemeines Katalogisierungssystem eingerichtet werden sollte, in dessen Rahmen standardisierte Objektidentifizierungen genutzt werden könnten; fordert die Kommission daher auf, die Einführung der vom Internationalen Museumsrat (ICOM) und anderen Einrichtungen entwickelten und verbreiteten Objektidentifizierungen als Marktstandard im gesamten Binnenmarkt zu fördern; weist darauf hin, dass diese Datenbank an die Interpol-Datenbank gestohlener Kunstgegenstände gekoppelt sein und regelmäßig aktualisiert werden sollte;
27. ist der Auffassung, dass die Erstellung eines Dokumentations- oder Transaktionsregisters für Kulturgüter eine weitere nützliche Ergänzung der vorstehend genannten Datenbank sein könnte, um eine gründlichere und präzisere Provenienzforschung zu ermöglichen; fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, eine allgemeine Verpflichtung für sämtliche Akteure des Kunstmarkts einzuführen, derartige Dokumentations- oder Transaktionsregister zu unterhalten, und sie generell darin zu bestärken, dem UNIDROIT‑Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter beizutreten;
28. vertritt die Ansicht, dass die zentrale Datenbank auf der Grundlage eines allgemeinen Katalogisierungssystems arbeiten sollte, mit dem die Objekte in standardisierter Weise identifiziert werden (wobei Merkmale wie Material, verwendete Technik, Maße, Beschriftungen, Thema, Datum oder Zeitraum usw. berücksichtigt werden sollten);
29. fordert die Kommission auf, allgemeine Grundsätze zur Feststellung von Eigentums- oder Besitzrecht sowie Regelungen zu Verjährung und Beweisnormen sowie zu dem Begriff des Raubs und der Kunst zu benennen und dabei die in den Mitgliedstaaten hierzu bestehenden Bestimmungen zu berücksichtigen;
30. fordert die Mitgliedstaaten und die Bewerberländer auf, alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um Maßnahmen zur Schaffung von Verfahren zu ergreifen, die die Rückgabe der in dieser Entschließung genannten Güter befördern, und dabei zu beachten, dass die Rückgabe von im Verlauf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit geraubten, gestohlenen oder illegal erworbenen Kunstwerken an die Anspruchsberechtigten gemäß Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention von übergeordneter Bedeutung ist;
31. betont, dass die Kommission unter Berücksichtigung der im UNIDROIT‑Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter festgelegten Grundsätze sowie von Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention die Zusammenarbeit mit Drittländern und nutzbringende Partnerschaften mit diesen anstreben sollte, um so über Bestimmungen zu verfügen, mit denen dem Raub und Schmuggel von Kunstwerken und Kulturgütern wirksam vorgebeugt werden kann, und um einen uneingeschränkt transparenten, verantwortungsvollen und ethischen weltweiten Kunstmarkt zu erreichen;
32. weist darauf hin, dass die Achtung und die Wertschätzung von Kunstwerken und anderen Kulturgütern als Symbole des kulturellen Erbes durch Bildung gefördert werden und dass ihr daher eine wichtige Rolle dabei zukommt, dem Raub von Kulturgütern und dem illegalen Handel mit ihnen vorzubeugen und entgegenzuwirken; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diesbezügliche Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen, auch im nichtformalen und informellen Rahmen, zu fördern und zu unterstützen;
33. fordert die Kommission und alle jeweils zuständigen Stellen auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Kunstmarkt und auch potenzielle Käufer von Artefakten für die Bedeutung der Provenienzforschung sensibilisiert werden sollen, da die Provenienzforschung im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht steht;
34. weist darauf hin, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Zoll auf europäischer und internationaler Eben für den Kampf gegen den illegalen Handel mit Werken, die zum Kulturerbe gehören, von entscheidender Bedeutung ist;
35. befürwortet die Idee, dass grenzübergreifende Verfahren für die Rückgabe von geraubten, gestohlenen oder illegal erworbenen Kunstwerken und Kulturgütern und die aktive Förderung der Provenienzforschung im Rahmen der Initiative „Europäisches Jahr des Kulturerbes 2018“ behandelt werden sollten; fordert die Kommission und die von ihr eingerichtete Arbeitsgruppe daher auf, diesen Punkt in den Arbeitsplan aufzunehmen, in dem die Aktivitäten für das Europäische Jahr des Kulturerbes 2018 aufgeführt sind;
36. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.