Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2019 zur Zukunft der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI‑Personen (2019–2024) (2019/2573(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union,
– gestützt auf die Artikel 8 und 10 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 21,
– unter Hinweis auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
– unter Hinweis auf die Empfehlung CM/Rec(2010)5 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität, die am 31. März 2010 angenommen wurde,
– unter Hinweis auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (COM(2008)0426) und unter Hinweis auf den diesbezüglichen Standpunkt des Parlaments vom 2. April 2009,
– unter Hinweis auf die vom Rat der Europäischen Union auf seiner Tagung vom 24. Juni 2013 angenommenen Leitlinien für die Förderung und den Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen (LGBTI),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 16. Juni 2016 zur Gleichstellung von LGBTI,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse der von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte durchgeführten und am 17. Mai 2013 veröffentlichten EU-weiten LGBT-Umfrage,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Februar 2014 zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2019 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2017(2),
– unter Hinweis auf die Entschließung 2191(2017) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 12. Oktober 2017 mit dem Titel „Promoting the human rights of and eliminating discrimination against intersex people“ (Förderung der Menschenrechte von intersexuellen Personen und Beendigung der Diskriminierung intersexueller Personen),
– unter Hinweis auf die Liste von Maßnahmen der Kommission vom Dezember 2015 zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen,
– unter Hinweis auf die Jahresberichte der Kommission von 2016 und 2017 über die Umsetzung der Liste der Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen,
– unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 5. Juni 2018 in der Rechtssache Relu Adrian Coman und andere gegen Inspectoratul General pentru Imigrări und Ministerul Afacerilor Interne(3) und die sonstige einschlägige Rechtsprechung des EuGH und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom Mai 2015 mit dem Titel „The fundamental rights situation of intersex people“ (Lage der Grundrechte von intersexuellen Personen),
– unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom März 2017 mit dem Titel „Current migration situation in the EU: Lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex asylum seekers“ (Gegenwärtige Migrationssituation in der EU: lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Asylsuchende),
– unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Kommissars für Menschenrechte aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Human rights and intersex people“ (Menschenrechte und intersexuelle Personen),
– unter Hinweis auf die Entschließung 2048(2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 22. April 2015 zur Diskriminierung von Transgender-Personen in Europa,
– unter Hinweis auf Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (VN-Frauenrechtskonvention),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul),
– unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zur Zukunft der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI‑Personen (2019–2024) (O‑000006/2019 – B8‑0014/2019),
– gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass LGBTI-Personen in der Europäischen Union noch immer unter Diskriminierung und Gewalt leiden; in der Erwägung, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten LGBTI-Personen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung bieten;
B. in der Erwägung, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 4. Februar 2014 zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität die Kommission aufforderte, eine Strategie für die Gleichstellung von LGBTI‑Personen festzulegen;
C. in der Erwägung, dass der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen zur Gleichstellung von LGBTI vom 16. Juni 2016 die Mitgliedstaaten ersuchte, hinsichtlich der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI‑Personen mit der Kommission zusammenzuarbeiten;
D. in der Erwägung, dass die Kommission zwar umfassende strategische Rahmen für andere grundrechtsbezogene Themen, z. B. Behinderungen und Inklusion der Roma, festgelegt hat, dass aber ein solcher Rahmen für die Rechte von LGBTI-Personen immer noch aussteht;
E. in der Erwägung, dass die von der Kommission 2015 veröffentlichte Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen eine unverbindliche Strategie ist, die nicht alle Aspekte umfasst;
F. in der Erwägung, dass die Berichte der Kommission über die Umsetzung der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen ein Beleg dafür sind, dass zwar bedeutende Schritte unternommen wurden, aber noch viel getan werden muss, damit alle Bürger in der EU, einschließlich LGBTI-Personen, gleich behandelt werden;
G. in der Erwägung, dass die vom Europäischen Rat angenommenen Leitlinien für die Förderung und den Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen (LGBTI) zwar seit 2013 für die EU und ihre Mitgliedstaaten im Rahmen des auswärtigen Handelns verbindlich sind, dass jedoch der innere und äußere Zusammenhalt bedroht ist, da es bislang keine ergänzende interne Verpflichtung der EU gibt;
H. in der Erwägung, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie im Rat nach wie vor blockiert wird;
1. bekräftigt die in seiner Entschließung zu dem EU-Fahrplan ausgesprochenen Empfehlungen;
2. stellt fest, dass seit einigen Jahren in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter in der EU Rückschläge mit unmittelbaren Folgen für LGBTI-Personen zu beobachten sind; fordert, dass sich die Kommission dazu verpflichtet, etwas gegen diese Rückschläge zu unternehmen, Gleichstellung und Diskriminierungsverbot zu einem vorrangigen Bereich zu machen und dafür zu sorgen, dass die nächste Kommission, die im Laufe des Jahres 2019 ihr Amt antritt, im Rahmen ihrer Arbeit dieser Verpflichtung nachkommt;
3. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass den Rechten von LGBTI-Personen in ihrem Arbeitsprogramm für den Zeitraum 2019–2024 Vorrang eingeräumt wird, und die Zusammenarbeit verschiedener Generaldirektionen in Bereichen zu stärken, in denen die Rechte von LGBTI-Personen durchgängig berücksichtigt werden sollten, etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheit, wie in der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen festgelegt;
4. fordert die Kommission auf, ein weiteres strategisches Dokument zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen anzunehmen;
5. fordert, dass die Kommission die Umsetzung der Antidiskriminierungsvorschriften und der Maßnahmen zur Sicherstellung der Rechte von LGBTI-Personen in allen Bereichen überwacht und sie durchsetzt;
6. fordert die Kommission auf, die Arbeit an den Themen fortzusetzen, die bereits in der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen aufgeführt sind;
7. fordert die Kommission auf, das Parlament und die Organisationen der Zivilgesellschaft an der Gestaltung ihrer künftigen Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen zu beteiligen;
8. fordert, dass die Kommission ihre Sensibilisierungs- und Kommunikationskampagnen in Bezug auf lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen und deren Familien fortsetzt; hebt hervor, wie wichtig es ist, solche Maßnahmen auf allen Ebenen durchzuführen und den Schwerpunkt auf die Vorteile zu legen, die die Vielfalt der Gesellschaft bringt, und nicht darauf, dass LGBTI-Personen lediglich als normale Bürger zu betrachten sind;
9. fordert die Kommission auf, den Mitgliedstaaten die Durchführung hochwertiger und umfassender Bildungsprogramme zu Sexualität und Geschlechterbeziehungen, die über sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte auf unvoreingenommene und positive Weise und unter Einbeziehung von LGBTI-Personen informieren und aufklären, zu ermöglichen und sie bei der Durchführung dieser Programme zu unterstützen;
10. fordert, dass die Kommission im Einklang mit der unlängst vor dem EuGH verhandelten Rechtssache Coman konkrete Maßnahmen ergreift, um die Freizügigkeit aller Familien, und damit auch von Regenbogenfamilien, sicherzustellen;
11. stellt fest, dass die Voraussetzung für die Erwirkung der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit in acht Mitgliedstaaten eine Sterilisierung und in 18 Mitgliedstaaten eine Diagnose über den Geisteszustand ist; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob derartige Voraussetzungen im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen;
12. fordert die Kommission auf, bei ihren künftigen Arbeiten zu den Rechten von LGBTI-Personen eine bereichsübergreifende Perspektive einzunehmen, die sich überschneidenden Diskriminierungserfahrungen ausgegrenzter LGBTI-Personen zu berücksichtigen und Maßnahmen auszuarbeiten, mit denen ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, indem unter anderem Finanzmittel für spezielle Netze zur Unterstützung ausgegrenzter LGBTI-Gruppen bereitgestellt werden;
13. fordert die Kommission auf, in Bezug auf die Durchführung ihrer künftigen Maßnahmen im Bereich der Rechte von LGBTI-Personen auch weiterhin mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten;
14. fordert die Kommission auf, diesbezüglich den Austausch bewährter Verfahren zu verbessern; fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen, damit die Grundrechte von LGBTI-Kindern angemessen geachtet, gefördert und geschützt werden, was den uneingeschränkten Schutz vor Diskriminierung umfasst;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu übermitteln.