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Verfahren : 2019/2611(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B8-0186/2019

Aussprachen :

PV 14/03/2019 - 8.2
CRE 14/03/2019 - 8.2

Abstimmungen :

PV 14/03/2019 - 11.2

Angenommene Texte :

P8_TA(2019)0204

Angenommene Texte
PDF 132kWORD 48k
Donnerstag, 14. März 2019 - Straßburg
Iran, insbesondere der Fall von Menschenrechtsverteidigern
P8_TA(2019)0204RC-B8-0186/2019

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. März 2019 zum Iran, insbesondere zum Fall von Menschenrechtsverteidigern (2019/2611(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran, insbesondere die Entschließung vom 13. Dezember 2018 zum Iran und insbesondere dem Fall Nasrin Sotudeh(1) und der Entschließung vom 25. Oktober 2016 zur Strategie der EU gegenüber dem Iran nach dem Abschluss des Nuklearabkommens(2),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates zum Iran vom 4. Februar 2019,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran vom 30. Januar 2019 und seine Erklärung zum Iran vom 29. November 2018,

–  unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 17. Dezember 2018 zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Iran gehört,

–  unter Hinweis auf die Charta des Präsidenten des Iran über die Rechte der Bürger,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,

–  unter Hinweis auf die Erklärung vom 29. November 2018 von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen mit dem Titel „Iran must protect women’s rights advocates“ (Der Iran muss Frauenrechtler schützen),

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Todesstrafe, auf die Leitlinien der EU betreffend Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und auf die Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung – online und offline,

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 12. April 2018, mit dem die restriktiven Maßnahmen als Reaktion auf schwere Menschenrechtsverletzungen in Iran um weitere zwölf Monate verlängert wurden;

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 12. März 2019 über die Verurteilung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh,

–  gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Rechtsanwälte und Online-Aktivisten im Iran aufgrund ihrer Arbeit nach wie vor Schikanen, willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und der Verfolgung ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass das iranische Ministerium für Nachrichtenwesen und weitere Kräfte in den vergangenen Monaten hart gegen die Zivilgesellschaft vorgegangen sind;

B.  in der Erwägung, dass in seiner Entschließung vom 25. Oktober 2016 zur Strategie der EU gegenüber dem Iran nach dem Abschluss des Nuklearabkommens betont wird, dass im Rahmen der Beziehungen der EU zum Iran die Menschenrechtsleitlinien der EU, auch zu Menschenrechtsverteidigern, hochgehalten werden müssen,

C.  in der Erwägung, dass die bekannte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh vor Kurzem zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wurde; in der Erwägung, dass im Verlauf ihrer zwei Verfahren berichtet wurde, dass ihre Gesamtstrafe erheblich länger ausfallen könnte, wenngleich die genaue Dauer ihrer Gefängnisstrafe nach wie vor unbekannt ist; in der Erwägung, dass der wahre Grund für ihre Inhaftierung offenbar in ihrer friedlichen Verteidigung der Menschenrechte im Iran liegt; in der Erwägung, dass ihre Gerichtsverfahren nicht im Einklang mit den grundlegenden internationalen Standards eines ordnungsgemäßen Verfahrens durchgeführt wurden;

D.  in der Erwägung, dass Resa Chandan, der Ehemann von Nasrin Sotudeh, aufgrund seiner Unterstützung von Frauen festgenommen wurde, die friedlich dafür eingetreten sind, keinen Hidschab tragen zu müssen, sowie aufgrund der Freilassung seiner Ehefrau aus dem Gefängnis; in der Erwägung, dass das Revolutionsgericht in Teheran ihn im Januar 2019 zu sechs Jahren Haft verurteilt hat;

E.  in der Erwägung, dass die Umweltaktivisten Taher Ghadirian, Nilufar Bajani, Amirhossein Chaleghi, Human Dschokar, Sam Radschabi, Sepideh Kaschani, Abdolreza Kuhpajeh und Morad Tahbas, die die persischen „Wildlife Heritage Foundation“ repräsentieren, im Januar und Februar 2018 verhaftet wurden, ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten werden und in den vergangenen Wochen vor Gericht gestellt wurden, wobei die Verfahren kaum als fair bezeichnet werden können; in der Erwägung, dass ein anderes Mitglied der Gruppe, der iranisch-kanadische Hochschulprofessor Kavus Sejed Empami, im vergangenen Jahr unter ungeklärten Umständen im Gewahrsam gestorben ist;

F.  in der Erwägung, dass die Gewerkschaftsaktivisten Esmail Bachschi, Sepideh Gholian und Mohammad Habibi 2018 und 2019 verhaftet wurden, nachdem sie Proteste angeführt hatten, bei denen es um die Rechte von Arbeitnehmern und Lehrern ging; in der Erwägung, dass die Menschenrechtsverteidigerin Marjam Akbari Monfared 2010 zu einer fünfzehnjährigen Haftstrafe aufgrund sogenannter „Gotteslästerung“ verurteilt wurde und dass ihr medizinische Betreuung verweigert wurde, obwohl sie unter verschiedenen Krankheiten leidet;

G.  in der Erwägung, dass die Aktivisten Arasch Sadeghi, Narges Mohammadi und Farhad Mejsami alle zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, weil sie sich für Frauenrechte, für die Abschaffung der Todesstrafe und für Menschenrechte eingesetzt haben;

H.  in der Erwägung, dass die iranischen Gerichte systematisch keine fairen Verfahren durchführen und Geständnisse als Beweismittel zulassen, die unter Folter erhalten wurden; in der Erwägung, dass die Staatsorgane den Einsatz für Menschenrechte nach wie vor als Straftatbestand einstufen und Artikel 48 des iranischen Strafprozessrechts nutzen, um Gefangenen den Zugang zu Rechtsbeistand zu verwehren; in der Erwägung, dass es keine unabhängigen Mechanismen gibt, mit denen die Rechenschaftspflicht innerhalb des Justizapparats sichergestellt wird;

I.  in der Erwägung, dass es weiterhin gängige Praxis ist, Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats und des Iran, beispielsweise die britisch-iranische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe, zu inhaftieren, woran sich stets lang andauernde Einzelhaft und Verhöre, nicht ordnungsgemäße Gerichtsverfahren und langjährige Haftstrafen auf der Grundlage vager oder nicht genau angegebener Anklagepunkte in Verbindung mit „nationaler Sicherheit“ und „Spionage“ und staatlich unterstützte Schmutzkampagnen gegen die inhaftierten Personen anschließen;

J.  in der Erwägung, dass über zahlreiche Fälle unmenschlicher und entwürdigender Bedingungen in Gefängnissen und das Fehlen eines angemessenen Zugangs zu medizinischer Versorgung während der Haft im Iran berichtet wurde, womit gegen die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen verstoßen wird;

K.  in der Erwägung, dass nach einem Bericht der Nichtregierungsorganisation „Iran Human Rights“ 2018 im Iran schätzungsweise 273 Menschen hingerichtet wurden – die zweithöchste Zahl weltweit in diesem Jahr;

L.  in der Erwägung, dass 2018 Tausende von Menschen an friedlichen Demonstrationen und Streiks teilnahmen, um gegen nicht gezahlte Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, Korruption, politische Unterdrückung und andere Missstände zu protestieren; in der Erwägung, dass die Staatsorgane in diesem Zusammenhang Hunderte Menschen verhaftet und zu Haftstrafen und Auspeitschungen verurteilt haben;

M.  in der Erwägung, dass die iranische Justiz weiterhin hart gegen den friedlichen Widerstand von Frauenrechtsaktivisten vorgeht, die gegen das vorgeschriebene Tragen des Hidschabs protestieren; in der Erwägung, dass im Jahr 2018 mindestens 39 Frauen im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen und weitere 55 Frauen für ihre Arbeit im Bereich der Frauenrechte festgehalten wurden;

N.  in der Erwägung, dass im Iran die Pressefreiheit (auch im Internet), die Vereinigungsfreiheit und die geistige Freiheit unterdrückt werden;

O.  in der Erwägung, dass die iranischen Staatsorgane systematisch Journalisten ins Visier nehmen, darunter Journalisten, die für den Persischen Dienst der BBC arbeiten, und ihre Familien, wofür strafrechtliche Ermittlungen, das Einfrieren von Vermögenswerten, willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen, Überwachung und Mobbing genutzt und falsche, böswillige und verleumderische Informationen verbreitet werden; in der Erwägung, dass sich gegenwärtig im Iran mindestens acht Journalisten in Haft befinden;

P.  in der Erwägung, dass der iranische Präsident Hassan Rohani im Dezember 2016 eine Charta über die Rechte der Bürger auf den Weg brachte, in der Erwägung, dass die Charta nicht rechtsverbindlich ist,

Q.  in der Erwägung, dass die Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten, etwa der Bahai-Religion, der aserbaidschanischen, der kurdischen der arabischen und der belutschischen Bevölkerungsgruppen, der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und des Christentums sowie Personen ohne Religionsbekenntnis im Iran Diskriminierung ausgesetzt sind, wenn es um Beschäftigung, Bildung, Freiheit der Religionsausübung und politische Aktivitäten geht,

1.  fordert die iranischen Behörden auf, sämtliche Menschenrechtsverteidiger, gewaltlose politische Gefangene und Journalisten, die wegen der bloßen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung festgenommen und verurteilt wurden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen; hebt hervor, dass die iranischen Staatsorgane unter allen Umständen sicherstellen müssen, dass Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte und Journalisten ihre Arbeit frei von Bedrohungen, Einschüchterung und Beeinträchtigungen ausüben können;

2.  bekräftigt seine Forderung an die iranische Regierung, die Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotudeh unverzüglich und bedingungslos freizulassen, und würdigt ihren Mut und ihren Einsatz für die Menschenrechte und die Rechte der Frauen im Iran; betrachtet das höchst ungerechte Verfahren gegen Nasrin Sotudeh und ihre Verurteilung als ein massives Scheitern der Justiz und begrüßt die Erklärung, die die Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienst am 12. März 2019 zu der Angelegenheit abgegeben hat;

3.  hält die iranischen Staatsorgane dazu an, im Einklang mit den Verpflichtungen des Iran im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte Artikel 48 der Strafprozessordnung des Landes so zu ändern, dass alle Angeklagten das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt ihrer Wahl und das Recht auf ein faires Verfahren haben;

4.  hält die iranischen Staatsorgane dazu an, für die Sicherheit und das Wohlergehen aller Häftlinge zu sorgen, wozu auch der Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung, gehört; fordert darüber hinaus eine unabhängige Untersuchung zum Tod von Kavus Sejed-Emami, der im Gewahrsam verstarb, sowie zu den Vorwürfen der Folter, die weitere in Haft befindliche Aktivisten betreffen, und verurteilt die Praxis, politischen Gefangenen bewusst medizinische Versorgung zu verweigern;

5.  hält die iranischen Behörden dringend dazu an, die Überwachung, Schikanierung und strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Online-Aktivisten und ihren Familien einzustellen und die Internetzensur zu beenden, und fordert, dass Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Medienfreiheit, sowohl online als auch offline, gewahrt werden;

6.  hält die iranische Regierung dazu an, mit dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Menschenrechtslage im Iran zusammenzuarbeiten und ihm die Einreise in das Land zu gestatten;

7.  hält die Vertreter der Mitgliedstaaten und der Organe der EU dazu an, gegenüber ihren iranischen Kollegen immer wieder Fälle von inhaftierten Menschenrechtsverteidigern anzusprechen und dies auch in der nächsten Sitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf zu tun;

8.  fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, im Rahmen des Dialogs auf hoher Ebene EU-Iran weiterhin auch die Menschenrechte, insbesondere die Lage von Menschenrechtsverteidigern, zu behandeln; hält darüber hinaus die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) und Vizepräsidentin der Kommission dazu an, öffentlich zu bekräftigen, dass die Wahrung der Menschenrechte bei der Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und dem Iran ein wesentlicher Faktor ist;

9.  hält die HR/VP und den Rat mit Nachdruck dazu an, die Möglichkeit zu erwägen, im Einklang mit den Leitlinien der Union zu Menschenrechtsdialogen mit Drittstaaten einen formalen Menschenrechtsdialog mit dem Iran einzuleiten;

10.  fordert die Vertreter der EU mit Nachdruck auf, die iranischen Behörden dazu anzuhalten, die Sicherheit und das Wohlergehen von in Haft befindlichen Menschenrechtsaktivisten zu gewährleisten und umfassende Ermittlungen im Hinblick auf die Berichte über Folter anzustellen;

11.  fordert alle Mitgliedstaaten, die über eine diplomatische Vertretung in Teheran verfügen, auf, die in den EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern vorgesehenen Instrumente anzuwenden, um die betreffenden Einzelpersonen zu unterstützen und zu schützen, etwa durch öffentliche Erklärungen, diplomatische Demarchen, Beobachtung von Gerichtsverfahren und Haftbesuche;

12.  hält die iranischen Staatsorgane dazu an, die Arbeit von Frauenrechtsaktivisten nicht länger als Straftatbestand einzustufen, wovon auch diejenigen betroffen sind, die friedlich gegen das vorgeschriebene Tragen des Hidschabs protestieren, und fordert, dass dies diskriminierende und erniedrigende Praxis eingestellt wird;

13.  hält die iranische Regierung dazu an, die Rechte aller Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten zu schützen und gegen jegliche Diskriminierung dieser Menschen vorzugehen;

14.  begrüßt, dass das Gesetz über den Drogenhandel geändert wurde, wodurch die Verhängung der Todesstrafe eingeschränkt wurde, und fordert, dass alle Todesurteile geprüft werden, um sicherzustellen, dass bei den einschlägigen Gerichtsverfahren die internationalen Standards eingehalten wurden; fordert die iranischen Staatsorgane auf, als einen Schritt in Richtung der Abschaffung der Todesstrafe unverzüglich ein Moratorium einzuführen;

15.  empfiehlt vor dem Ende der aktuellen Wahlperiode, eine Ad-hoc-Delegation des Unterausschusses Menschenrechte in den Iran zu entsenden, die die inhaftierten Menschenrechtsverteidiger besucht und die erforderlichen Treffen mit den iranischen Behörden abhält;

16.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Obersten Führer der Islamischen Republik Iran, dem Staatspräsidenten der Islamischen Republik Iran und den Mitgliedern des Madschles des Iran zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P8_TA(2018)0525.
(2) ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 86.

Letzte Aktualisierung: 27. Januar 2020Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen