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Verfahren : 2019/2732(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B9-0013/2019

Aussprachen :

PV 18/07/2019 - 3.1
CRE 18/07/2019 - 3.1

Abstimmungen :

PV 18/07/2019 - 7.1

Angenommene Texte :

P9_TA(2019)0004

Angenommene Texte
PDF 127kWORD 53k
Donnerstag, 18. Juli 2019 - Straßburg
Lage in Hongkong
P9_TA(2019)0004RC-B9-0013/2019

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Juli 2019 zur Lage in Hongkong (2019/2732(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  – unter Hinweis auf seine vorherigen Entschließungen zu Hongkong,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 12. Juni 2019 zu den anhaltenden Protesten gegen die vorgeschlagenen Auslieferungsreformen in Hongkong,

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des EAD vom 1. Juli 2019 zu den aktuellen Entwicklungen in Hongkong,

–  unter Hinweis auf das Grundgesetz („Basic Law“) der Sonderverwaltungsregion Hongkong vom 4. April 1990, das am 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Regierung der Volksrepublik China vom 19. Dezember 1984 zur Hongkong-Frage, auch bekannt als gemeinsame britisch-chinesische Erklärung,

–  unter Hinweis auf den gemeinsamen Bericht der Kommission und der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) vom 8. Mai 2019 an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel: „Sonderverwaltungsregion Hongkong: Jahresbericht 2018“,

–  unter Hinweis auf die auf dem 21. Gipfeltreffen EU-China vom 9. April 2019 abgegebene gemeinsame Erklärung,

–  unter Hinweis auf den 1995 eingeleiteten Dialog zwischen der EU und China über Menschenrechte, sowie auf die 37. Gesprächsrunde dieses Dialogs am 1./2. April 2019,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der VP/HR vom 12. März 2019 an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel: „EU-China – Strategische Perspektiven“,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966,

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  unter Hinweis auf die im November 2018 von den Vereinten Nationen durchgeführte allgemeine regelmäßige Überprüfung Chinas,

–  gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Förderung und Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit auch künftig im Mittelpunkt der langjährigen Beziehungen zwischen der EU und China stehen sollten, was im Einklang mit der Verpflichtung der EU, diesen Werten in ihrem auswärtigen Handeln Rechnung zu tragen, und mit Chinas ausdrücklichem Interesse steht, dieselben Werte im Rahmen seiner eigenen Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Zusammenarbeit zu achten;

B.  in der Erwägung, dass die Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong das Gesetz über flüchtige Straftäter und gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (Abänderung) aus dem Jahr 2019 zur Änderung der Verordnung über flüchtige Straftäter und der Verordnung über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vorgeschlagen hat;

C.  in der Erwägung, dass die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam am 9. Juli 2019 erklärte, das umstrittene Gesetz sei „tot“; in der Erwägung, dass sie das Gesetz jedoch nicht komplett zurückgezogen hat;

D.  in der Erwägung, dass es mit dem vorgeschlagenen Gesetz einfacher werden könnte, Menschen aus politischen Gründen nach China zu überstellen und sie dort einem Rechtssystem ausgeliefert wären, das schwerwiegende Defizite im Bereich der Menschenrechte aufweist; in der Erwägung, dass das Gericht in Hongkong nach den vorgeschlagenen Änderungen nicht die eindeutige ausdrückliche Zuständigkeit und rechtliche Verpflichtung hätte, zu prüfen, um welche Menschenrechte es in Fällen geht, die vor den Gerichten auf dem chinesischen Festland oder in anderen Ländern behandelt werden;

E.  in der Erwägung, dass die Justiz in Festlandchina nicht unabhängig von der Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas ist und durch willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, schwere Verletzungen der Rechte auf einen fairen Prozess, die Praxis des Verschwindenlassens und verschiedene Systeme der Isolationshaft ohne Gerichtsverfahren gekennzeichnet ist;

F.  in der Erwägung, dass viele Bürger Hongkongs, von Aktivisten, die sich für Demokratie einsetzen, bis hin zu Geschäftsleuten, befürchten, an das chinesische Festland ausgeliefert zu werden;

G.  in der Erwägung, dass die Menschen in Hongkong in beispielloser Zahl auf die Straße gegangen sind und friedlich von ihrem Grundrecht auf Versammlung und Protest Gebrauch gemacht haben; in der Erwägung, dass sich am 12. Juni 2019 Zehntausende von Demonstranten vor dem Gebäude des Legislativrates und in den angrenzenden Straßen versammelt und die Regierung aufgefordert haben, ihre vorgeschlagenen Änderungen zum Auslieferungsgesetz von Hongkong zurückzuziehen;

H.  in der Erwägung, dass mehr als 70 nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, Human Rights Watch, Human Rights Monitor, die Vereinigung der Rechtsanwälte Honkongs und der anwaltliche Berufsverband von Hongkong, einen gemeinsamen Brief an die Regierungschefin Lam gerichtet haben mit der Bitte, dass die Regierung das Auslieferungsgesetz zurückzuzieht, da es die Achtung der Menschenrechte gefährde;

I.  in der Erwägung, dass die Polizei von Hongkong die Gewalttaten einer kleinen Zahl von Demonstranten als Vorwand benutzt hat, um unnötige und übermäßige Gewalt gegen die überwiegende Mehrheit der friedlichen Demonstranten anzuwenden, und dabei auch Tränengas, Gummigeschosse, Beanbag-Geschosse und Pfefferspray eingesetzt, den Vorfall als Aufruhr bezeichnet und anschließend einige Dutzend Menschen verhaftet hat; in der Erwägung, dass mehrere Personen des Aufruhrs angeklagt wurden, was mit einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren belegt ist;

J.  in der Erwägung, dass die Menschen in Hongkong im Laufe der Jahre an Massendemonstrationen für die Demokratie und die vollständige Umsetzung des Grundgesetzes teilgenommen haben; dazu zählen zum Beispiel die Proteste der sogenannten „Regenschirm-Bewegung“ im Jahr 2014 und Demonstrationen für die Medienfreiheit und – unter anderem – gegen das Verschwinden der Buchhändler aus Hongkong;

K.  in der Erwägung, dass Ende 2015 vier Einwohner Hongkongs, darunter Gui Minhai, und ein Nichtansässiger, die alle mit dem Verlag Mighty Current und seiner Buchhandlung in Verbindung standen, verschwanden; in der Erwägung, dass sich Monate später herausstellte, dass sie auf dem chinesischen Festland an nicht genannten Orten festgehalten wurden; in der Erwägung, dass einer der Buchhändler, der nach Hongkong zurückgekehrt war, aus Angst vor einer Auslieferung nach Taiwan gezogen ist;

L.  in der Erwägung, dass das Grundgesetz Bestimmungen zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenrechte und der individuellen Freiheiten enthält; in der Erwägung, dass nach Artikel 27 des Grundgesetzes die freie Meinungsäußerung, die Presse- und Publikationsfreiheit sowie die Vereinigungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit garantiert sind; in der Erwägung, dass in Artikel 45 und 68 des Grundgesetzes festgelegt ist, dass der Verwaltungschef und alle Mitglieder des Legislativrats letztlich durch allgemeine Wahlen gewählt werden sollten;

M.  in der Erwägung, dass die Europäische Union den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ und das hohe Maß an Autonomie Hongkongs unterstützt;

1.  fordert die Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong auf, das Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen (Abänderung) aus dem Jahr 2019 zurückzuziehen;

2.  fordert die Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong auf, die friedlichen Demonstranten und all jene, die während oder im Vorfeld der Proteste aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden, umgehend freizulassen und sämtliche gegen sie gerichtete Anklagepunkte fallenzulassen;

3.  fordert, dass der Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten durch die Hongkonger Polizei unabhängig, unparteiisch, effizient und zügig untersucht wird;

4.  betont, dass die EU viele Bedenken der Bürger Hongkongs teilt, was die vorgeschlagenen Reformen im Zusammenhang mit der Auslieferung betrifft, und dass sie dies auch vor der Regierung der Sonderverwaltungsregion Hongkong deutlich zum Ausdruck brachte; unterstreicht, dass das Gesetz weitreichende Folgen für Hongkong und seine Bürger, für die EU und für Ausländer sowie für das Unternehmensvertrauen in der Sonderverwaltungsregion hat;

5.  fordert Hongkong nachdrücklich auf sicherzustellen, dass seine Rechtsvorschriften auch künftig mit seinen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen vollständig im Einklang stehen, darunter mit den Bestimmungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;

6.  erkennt an, dass die Bürger Hongkongs in den letzten Wochen in außerordentlich hoher Zahl auf die Straße gegangen sind, wobei sich Schätzungen zufolge am 9. Juni 2019 über eine Million Menschen und in der darauffolgenden Woche bis zu zwei Millionen Menschen an zumeist friedlichen Demonstrationen beteiligt haben, die durch die weitreichenden Bedenken aufgrund der vorgeschlagenen Auslieferungsgesetze ausgelöst worden waren;

7.  unterstreicht, dass die Rechte der Bürger Hongkongs in der Sonderverwaltungsregion in der Regel geachtet wurden, ist allerdings äußerst besorgt über die kontinuierliche Verschlechterung, was die bürgerlichen Rechte, die politischen Rechte und die Pressefreiheit betrifft; ist zutiefst besorgt über den bislang beispiellosen Druck gegenüber Journalisten und über die sich bei ihnen häufende Selbstzensur, insbesondere wenn es um die Berichterstattung über sensible Themen geht, die Festlandchina oder die Regierung von Hongkong betreffen;

8.  betont, dass im Grundgesetz die Rede-, die Presse- und die Publikationsfreiheit sowie die Vereinigungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit garantiert werden; fordert die Behörden in Hongkong und China auf, den Schutz der Menschenrechte und die im Grundgesetz für alle Bürger verankerten Freiheiten zu gewährleisten;

9.  verurteilt die anhaltenden und sich häufenden Einmischungen Chinas in die inneren Angelegenheiten Hongkongs sowie die jüngste Behauptung Chinas aufs Schärfste, wonach es sich bei der gemeinsamen britisch-chinesischen Erklärung aus dem Jahr 1984 um ein geschichtliches Dokument handele, das folglich nicht länger gültig sei; betont, dass die chinesische Regierung durch die gemeinsame Erklärung verpflichtet ist, das hohe Maß an Autonomie in Hongkong und die Rechte und Freiheiten der Selbstverwaltungsregion aufrechtzuerhalten;

10.  nimmt in diesem Zusammenhang mit großer Sorge zur Kenntnis, dass Kandidaten der Opposition, darunter Anges Chow und die ehemalige Abgeordnete Lau Siu-Lai, aufgrund ihrer politischen Zugehörigkeit oder ihrer Überzeugungen nicht zur Kandidatur bei der Wahl zum Legislativrat zugelassen wurden;

11.  fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, darauf hinzuarbeiten, dass geeignete Mechanismen der Ausfuhrkontrolle eingeführt werden, um China und insbesondere Hongkong den Zugang zu Technologien zu verwehren, die bei der Verletzung grundlegender Rechte zum Einsatz kommen;

12.  plädiert eindringlich für eine systematische Reform, um eine direkte Wahl für das Amt des Regierungschefs und zum Legislativrat einzuführen, wie dies auch im Grundgesetz verankert ist, und fordert, dass eine Einigung über ein Wahlsystem erzielt wird, dass insgesamt gesehen demokratisch, fair, offen und transparent ist und in dessen Rahmen den Menschen in der Sonderverwaltungsregion Hongkong bei dem Verfahren zur Auswahl aller Führungspositionen ein aktives und ein passives Wahlrecht eingeräumt wird;

13.  wiederholt seine Forderung nach einer umgehenden Freilassung des Verlegers und schwedischen Staatsangehörigen Gui Minhai;

14.  hebt das Engagement der EU zur Stärkung der Demokratie hervor, wozu auch die Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz, die Grundrechte und Grundfreiheiten, Transparenz sowie Informationsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung in Hongkong gehören;

15.  weist darauf hin, dass es wichtig ist, dass die EU auch künftig die Frage der Menschenrechtsverletzungen in China bei allen politischen Dialogen und Menschenrechtsdialogen mit den chinesischen Behörden in Übereinstimmung mit ihrer Verpflichtung anspricht, im Rahmen ihrer Herangehensweise an das Land mit einer starken, klaren und einheitlichen Stimme aufzutreten; weist ferner darauf hin, dass sich China im Zuge seines fortschreitenden Reformprozesses und seines zunehmenden globalen Engagements dem internationalen Rechtsrahmen für die Menschenrechte angeschlossen hat, indem es zahlreiche Menschenrechtsabkommen unterzeichnet hat; fordert die EU daher auf, den Dialog mit China fortzusetzen, damit das Land diesen Verpflichtungen nachkommt;

16.  fordert die HR/VP, den EAD und die Mitgliedstaaten auf, auf all diese Bedenken einzugehen und einen Dialog mit den Regierungen der Sonderverwaltungsregion Hongkong und Chinas sicherzustellen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China und der Regierungschefin und der Gesetzgebenden Versammlung der Sonderverwaltungsregion Hongkong zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2019Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen