Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2019 zu der Lage von LGBTI-Personen in Uganda (2019/2879(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Uganda,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, insbesondere die Entschließung vom 4. Februar 2014 zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität(1) und jene vom 14. Februar 2019 zur Zukunft der Liste von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI‑Personen (2019–2024)(2),
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und des Generalsekretärs des Europarates vom 9. Oktober 2019 zum Europäischen Tag und Welttag gegen die Todesstrafe,
– unter Hinweis auf die Erklärung, die die Hohe Vertreterin Federica Mogherini im Namen der Europäischen Union anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie am 17. Mai 2019 abgab,
– unter Hinweis auf den EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie in der Welt 2018, der vom Europäischen Rat am 13. Mai 2019 angenommen wurde,
– gestützt auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 5 und die Artikel 21, 24, 29 und 31 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und die Artikel 10 und 215 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in denen die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet werden, in ihren Beziehungen zur übrigen Welt die allgemeinen Menschenrechte und den Schutz von Menschen zu wahren und zu fördern und bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen restriktive Maßnahmen zu erlassen,
– unter Hinweis auf die internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte, die unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegt sind,
– unter Hinweis auf den Maßnahmenkatalog des Rates der Europäischen Union zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen (LGBT-Maßnahmenkatalog),
– unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle,
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zur Todesstrafe, die EU-Leitlinien betreffend Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die neueste allgemeine regelmäßige Überprüfung von Uganda durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere Artikel 21, der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung untersagt,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966, zu dessen Vertragsparteien Uganda seit 1995 gehört,
– unter Hinweis auf das von 70 Mitgliedern des Europäischen Parlaments am 15. Oktober 2019 unterzeichnete parteienübergreifende Schreiben zur Verfolgung der LGBTI-Gemeinschaft in Uganda,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. März 2014 zur Aufnahme von Konsultationen über einen befristeten Ausschluss Ugandas und Nigerias aus dem Abkommen von Cotonou angesichts der dort unlängst erlassenen Gesetze, mit denen Homosexualität kriminalisiert wird(3),
– unter Hinweis auf das AKP-EG-Partnerschaftsabkommen (Abkommen von Cotonou) und insbesondere auf dessen Artikel 8 Absatz 4 zum Diskriminierungsverbot,
– unter Hinweis auf die im November 2006 verabschiedeten Yogyakarta-Prinzipien („Grundsätze und Verpflichtungen der Staaten betreffend die Anwendung der internationalen Menschenrechtsnormen zu sexueller Ausrichtung, geschlechtlicher Identität, Ausdruck der Geschlechtlichkeit und Geschlechtsmerkmalen“) und die am 10. November 2017 verabschiedeten zehn ergänzenden Prinzipien („Plus 10“),
– unter Hinweis auf die Verfassung der Republik Uganda,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass in Uganda in den letzten Wochen ein Anstieg der äußerst homophoben Rhetorik der Staatsorgane zu verzeichnen war, insbesondere von Simon Lokodo, dem ugandischen Minister für Ethik und Integrität, der am 10. Oktober 2019 Pläne zur Wiedereinführung des Gesetzes gegen Homosexualität ankündigte, das unter anderem die Verhängung der Todesstrafe für „schwerwiegende homosexuelle Handlungen“ (aggravated homosexuality) vorsieht; in der Erwägung, dass auch mehrere Mitglieder des ugandischen Parlaments das vorgeschlagene neue Gesetz unterstützen;
B. in der Erwägung, dass Regierungssprecher Ofwono Opondo am 12. Oktober bekräftigte, dass die Regierung nicht die Absicht habe, ein neues Gesetz in Bezug auf LGBTI-Handlungen einzuführen, da die derzeitigen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs ausreichten; in der Erwägung, dass dies vom Pressereferenten des Präsidenten Museveni bestätigt wurde;
C. in der Erwägung, dass die geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs die Menschenrechte verletzen und Homosexualität unter Strafe stellen; in der Erwägung, dass sexuelle Handlungen zwischen Personen des gleichen Geschlechts nach wie vor rechtswidrig sind und gemäß den Artikeln 145 und 146 des ugandischen Strafgesetzbuches, nach denen unter anderem der sogenannte widernatürliche Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person unter Strafe gestellt wird, mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden können, und in der Erwägung, dass viele geltende Gesetze die Diskriminierung von LGBTI-Personen zulassen und ihren Zugang zu Beschäftigung, Wohnraum, sozialer Sicherheit, Bildung oder Gesundheitsdiensten einschränken;
D. in der Erwägung, dass das Gesetz gegen Homosexualität, mit dem Homosexualität verboten und die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen verhängt wird, bereits 2014 auf Initiative von Präsident Museveni eingeführt wurde, vom ugandischen Verfassungsgericht jedoch letzten Endes für nichtig erklärt wurde; in der Erwägung, dass die gesamte internationale Gemeinschaft das vorgeschlagene Gesetz scharf verurteilte und dass viele Geber, unter anderem die EU-Mitgliedstaaten, die Vereinigten Staaten und die Weltbank, beschlossen, ihre Entwicklungshilfe für das Land zurückzuhalten;
E. in der Erwägung, dass dieses Ereignis auf traurige Weise die furchtbare Lage von LGBTI-Personen in Uganda vor Augen führt, wo homophobe Ansichten weit verbreitet sind; in der Erwägung, dass Menschenrechtsorganisationen regelmäßig über gesellschaftliche Diskriminierung, Hassverbrechen und Kampagnen gegen Homosexuelle berichten, wozu Belästigung, körperliche Gewalt, Erpressung, Zwangsräumungen, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und Tötungen zählen;
F. in der Erwägung, dass nach Angaben von Menschenrechtsgruppen Angriffe auf LGBTI-Personen in Uganda in alarmierendem Maße zugenommen haben; in der Erwägung, dass nach Angaben von Sexual Minorities Uganda, einem Bündnis von LGBTI-Organisationen, in diesem Jahr drei homosexuelle Männer und eine Transgender-Frau getötet wurden und dass das bislang letzte Todesopfer der am 4. Oktober 2019 in seiner Wohnung überfallene LGBTI-Aktivist Brian Wasswa war;
G. in der Erwägung, dass Diskriminierung in der ugandischen Verfassung aus mehreren Gründen verboten ist, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung aber nicht zu diesen Gründen gehört;
H. in der Erwägung, dass es ein Ziel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union ist, Demokratie und Rechtstaatlichkeit ebenso weiterzuentwickeln und zu festigen wie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten; in der Erwägung, dass sich die Entwicklungshilfe der EU für Uganda im Rahmen des Nationalen Richtprogramms für den Zeitraum 2014–2020 auf 578 Mio. EUR beläuft; in der Erwägung, dass eines seiner zentralen Ziele in der Förderung und Sicherstellung der verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung der Menschenrechte besteht;
I. in der Erwägung, dass für Begünstigte des Europäischen Entwicklungsfonds strenge Auflagen gelten, was die Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit und Minderheitenschutz betrifft;
J. in der Erwägung, dass Uganda und die Europäische Union im Mai 2019 im Einklang mit Artikel 8 des Partnerschaftsabkommens von Cotonou ihre enge Partnerschaft in einem politischen Dialog bekräftigten;
K. in der Erwägung, dass die EU im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die Anstrengungen der AKP-Staaten unterstützen sollte, günstige rechtliche und politische Rahmenbedingungen zu schaffen und die Menschenrechte beeinträchtigenden Strafgesetzen, Strategien, Praktiken, Stigmatisierungen und Diskriminierungen ein Ende zu bereiten;
L. in der Erwägung, dass in 32 der insgesamt 54 afrikanischen Länder gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stehen, und in der Erwägung, dass auf Homosexualität in Mauretanien, dem Sudan, Nordnigeria und Somalia die Todesstrafe steht;
1. ist zutiefst besorgt darüber, dass in der ugandischen Politik erneut über das Gesetz gegen Homosexualität diskutiert wird; prangert die Aussagen von Simon Lokodo nachdrücklich an, weil damit Homophobie und Hass geschürt werden, und bekräftigt, dass es jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung sowie jegliche Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegenüber LGBTI-Personen aufs Schärfste ablehnt;
2. nimmt die Erklärung des Sprechers von Präsident Museveni zur Kenntnis, die Regierung beabsichtige keineswegs, ein neues Gesetz vorzuschlagen, und fordert die ugandische Regierung auf, sich an diese Erklärung zu halten;
3. hebt hervor, dass die Diskriminierung von LGBTI-Personen die grundlegendsten, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Menschenrechtsgrundsätze verletzt; bekräftigt, dass sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität Angelegenheiten sind, für die das durch das Völkerrecht und die einzelstaatlichen Verfassungen garantierte Recht des Einzelnen auf Privatsphäre gilt;
4. lehnt die Anwendung der Todesstrafe entschieden und unter allen Umständen ab, was auch für Rechtsvorschriften gilt, die die Todesstrafe für Homosexualität vorsehen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Regierung Ugandas weiter zu drängen, dass sie ihren Standpunkt zur Todesstrafe überdenkt;
5. bedauert, dass LGBTI-Personen nach ugandischem Recht noch immer stark diskriminiert werden, und fordert die Staatsorgane Ugandas nachdrücklich auf, alle Gesetze zu überprüfen, die Strafen für Homosexualität und LGBTI-Aktivisten vorsehen, insbesondere Artikel 145 und 146 des Strafgesetzbuchs;
6. weist die Regierung Ugandas erneut auf ihre Verpflichtungen gemäß dem Völkerrecht und dem Abkommen von Cotonou hin, in dem die Achtung der allgemeinen Menschenrechte gefordert wird;
7. ist zutiefst besorgt über die allgemeine Verschlechterung der Menschenrechtslage von LGBTI-Personen in Uganda, was die immer zahlreicheren Verstöße gegen ihre sozialen Rechte, die Meinungsfreiheit, die Gleichstellung der Geschlechter und das Recht auf Wohnung umfasst; verurteilt, dass unlängst Brian Wasswa getötet wurde, und beklagt die besorgniserregend hohe Zahl der Opfer, die – unter anderem von nationalen Sicherheitskräften – wegen ihrer sexuellen Orientierung angegriffen werden; fordert die Staatsorgane Ugandas nachdrücklich auf, Gewalt gegen oder Übergriffe auf LGBTI-Personen gründlich und unparteiisch zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen;
8. fordert die Regierung Ugandas auf, die für Menschenrechtsverletzungen vorgesehenen Rechtsbehelfsverfahren im Polizeibereich zu stärken, damit Polizeibeamte tatsächlich ihrer Pflicht nachkommen, die Rechte aller Personen – auch der Angehörigen der LGBTI-Gemeinschaft – zu schützen, und damit dafür gesorgt wird, dass alle im Namen der LGBTI-Gemeinschaft in Uganda tätigen Menschenrechtsverfechter und nichtstaatlichen Organisationen ihre legitimen Tätigkeiten, darunter das Recht auf Vereinigungsfreiheit, unter allen Umständen, ohne Furcht vor Repressalien und frei von jeglichen Einschränkungen ausüben können;
9. weist darauf hin, dass sich Uganda im Rahmen des Abkommens von Cotonou und des Völkerrechts zur Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten verpflichtet hat;
10. fordert die Delegation der EU in Uganda auf, die Situation von LGBT-Personen auch künftig genau zu beobachten und Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverfechter und LGBTI-Personen vor Ort aktiv zu unterstützen; betont, wie wichtig es ist, mehr Bewusstsein und Verständnis für die Lage von LGBTI-Personen und ihren Familien zu schaffen;
11. fordert die EU auf, bei ihrem Dialog mit den Staatsorganen Ugandas den politischen Dialog gemäß Artikel 8 des Abkommens von Cotonou sowie den LGBTI-Maßnahmenkatalog und die dazugehörigen Leitlinien in vollem Umfang zu nutzen und so zur Entkriminalisierung der Homosexualität beizutragen, Gewalt und Diskriminierung einzudämmen und LGBTI-Menschenrechtsverfechter zu schützen;
12. bekräftigt seine früheren Aufforderungen an die Kommission und den Rat, dafür zu sorgen, dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in allen künftigen Abkommen, die das Abkommen von Cotonou ersetzen, erwähnt wird;
13. fordert die EU auf, die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte in Uganda vor allem dadurch zu stärken, dass Organisationen der Zivilgesellschaft gezielt unterstützt und die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern vollständig umgesetzt werden;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Präsidenten und dem Parlament von Uganda und der Afrikanischen Union und ihren Organen zu übermitteln.