Lage in der Türkei, insbesondere die Absetzung gewählter Bürgermeister
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Lage in der Türkei und insbesondere zur Absetzung gewählter Bürgermeister (2019/2821(RSP))
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Türkei, insbesondere jene vom 24. November 2016 zu den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei(1), vom 27. Oktober 2016 zu der Lage der Journalisten in der Türkei(2), vom 8. Februar 2018 zur aktuellen Lage der Menschenrechte in der Türkei(3) und vom 13. März 2019 zu dem Bericht 2018 der Kommission über die Türkei(4),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. Mai 2019 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die EU-Erweiterungspolitik (COM(2019)0260) und das Arbeitsdokument ihrer Dienststellen zu dem Bericht 2019 über die Türkei (SWD(2019)0220),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juni 2018 und auf frühere einschlägige Schlussfolgerungen des Rates und des Europäischen Rates,
– unter Hinweis auf die vorläufigen Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtungsmission des Kongresses der Gemeinden und Regionen in Europa,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen der Venedig-Kommission und der Verpflichtung der Türkei zur Einhaltung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung,
– unter Hinweis auf die Entschließung 2260 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. Januar 2019 mit dem Titel „Verschlechterung der Lage von Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspolitikern in der Türkei: Wie können ihre Grundrechte in einem Mitgliedstaat des Europarates geschützt werden?“,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 19. August 2019 zu der Absetzung gewählter Bürgermeister und zu der Inhaftierung hunderter Personen im Südosten der Türkei,
– unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Selahattin Demirtaş gegen die Türkei,
– unter Hinweis auf die Entschließung 2156 (2017) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Funktionsweise der demokratischen Institutionen in der Türkei,
– unter Hinweis darauf, dass zu den Werten, auf denen die Europäische Union gründet, die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte zählen und dass diese Werte auch für alle EU-Bewerberländer gelten,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), deren Vertragspartei die Türkei ist,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Türkei für die EU ein wichtiger Partner ist, von dem als Bewerberland erwartet wird, dass dort strengste demokratische Normen eingehalten werden, auch in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit, glaubwürdige Wahlen, die Grundfreiheiten und das universelle Recht auf ein faires Verfahren;
B. in der Erwägung, dass am 31. März 2019 in der Türkei nach den vorläufigen Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtungsdelegation des Kongresses der Gemeinden und Regionen in Europa eine Kommunalwahl abgehalten und „ordnungsgemäß durchgeführt wurde“; in der Erwägung, dass bei der Kommunalwahl eine beeindruckend hohe Wahlbeteiligung zu verzeichnen war; in der Erwägung, dass die Wahl von Beobachtern wegen übermäßiger Voreingenommenheit der Medien zugunsten der regierenden Volksallianz weithin kritisiert wurde;
C. in der Erwägung, dass bei der Kommunalwahl vom 31. März 2019 in Diyarbakır Bürgermeister Adnan Selçuk Mızraklı eine Mehrheit von 63 %, in Mardin Bürgermeister Ahmet Türk eine Mehrheit von 56 % und in Van Bürgermeisterin Bedia Özgökçe eine Mehrheit von 54 % der Stimmen erhielt, was bedeutet, dass die Bevölkerung allen dreien den eindeutigen Auftrag erteilte, die mit dem Amt des Bürgermeisters verbundenen Aufgaben zu erfüllen;
D. in der Erwägung, dass Hohe Wahlausschuss der Republik Türkei (YSK) allen drei Bürgermeistern die Kandidatur gestattet hatte;
E. in der Erwägung, dass die demokratisch gewählten Bürgermeister von Diyarbakır, Van und Mardin im Südosten der Türkei infolge laufender strafrechtlicher Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Terrororganisationen durch von der Regierung ernannte Provinzgouverneure bzw. der Regierung treu ergebene Personen ersetzt wurden;
F. in der Erwägung, dass die Ersetzung von Adnan Selçuk Mızraklı, Ahmet Türk und Bedia Özgökçe Ertan durch von der Staatsmacht ernannte Gouverneure Anlass zu erheblicher Besorgnis bietet, da hierdurch die Achtung der demokratischen Ergebnisse der Wahl vom 31. März 2019 infrage gestellt wird; in der Erwägung, dass weitere 418 Zivilisten, vor allem Gemeinderatsmitglieder und Angestellte aus 29 Provinzen in der gesamten Türkei am 18. August 2019 infolge ähnlicher und unbegründeter Vorwürfe festgenommen wurden;
G. in der Erwägung, dass im September 2016 das türkische Gesetz über die Gemeinden per Notstandsdekret geändert wurde, damit Bürgermeister, denen Verbindungen zu Terrororganisationen vorgeworfen werden, leichter abgesetzt und durch Provinzgouverneure ersetzt werden können; in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission die Staatsorgane der Türkei aufgefordert hat, die per Gesetzesdekret Nr. 674 vom 1. September 2016 eingeführten Bestimmungen, die aufgrund des Ausnahmezustands nicht unbedingt erforderlich sind, aufzuheben, insbesondere die Vorschriften über die Besetzung freier Stellen für die Ämter des Bürgermeisters, des stellvertretenden Bürgermeisters oder eines Gemeinderatsmitglieds im Wege von Ernennungen;
H. in der Erwägung, dass der YSK am 9. April 2019 vier weitere gewählte Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder im Südosten der Türkei nachträglich für unwählbar erklärte, obwohl er ihre jeweilige Kandidatur vor der Wahl vom 31. März 2019 gebilligt hatte, und dabei geltend machte, diese Kandidaten seien zuvor Beamte gewesen und durch Regierungserlass entlassen worden; in der Erwägung, dass der YSK im Anschluss an diese Entscheidung den Kandidaten der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) diese Ämter übertrug; in der Erwägung, dass das scharfe Vorgehen gegen die Opposition in der Türkei in einem Umfeld stattfindet, in dem der Raum für demokratische Stimmen immer kleiner wird und die Staatsorgane der Türkei ihre Maßnahmen fortsetzen, mit denen sie Andersdenkende – darunter Journalisten, Menschenrechtsverfechter, Akademiker, Richter und Anwälte –, zum Schweigen bringen wollen;
I. in der Erwägung, dass viele dieser Maßnahmen unverhältnismäßig sind und die Türkei mit ihnen gegen ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften verstößt und ihre Pflichten als Mitglied des Europarates und des IPPBR verletzt; in der Erwägung, dass im Rahmen von Razzien nach dem Putschversuch mehr als 150 000 Personen in Gewahrsam genommen und 78 000 Personen unter dem Vorwurf des Terrorismus inhaftiert wurden und dass sich nach wie vor über 50 000 Personen in Haft befinden, für deren Schuld zumeist keine schlüssigen Beweise vorliegen; in der Erwägung, dass im Dezember 2018 etwa 57 000 Personen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert waren; in der Erwägung, dass mehr als 20 % der Inhaftierten infolge von Vorwürfen im Zusammenhang mit Terrorismus im Gefängnis sitzen, darunter Journalisten, politische Aktivisten, Anwälte und Menschenrechtsverfechter, weshalb immer stärkere Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz laut werden;
J. in der Erwägung, dass die Entscheidungen des YSK, die Oberbürgermeisterwahl in Istanbul wiederholen zu lassen und das Bürgermeisteramt in bestimmten Gemeinden im Südosten des Landes den Zweitplatzierten zu übertragen, Anlass zu erheblicher Besorgnis geben, insbesondere im Hinblick auf die Achtung der Rechtmäßigkeit und Integrität des Wahlverfahrens und die Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme bei der Besetzung von Ämtern;
K. in der Erwägung, dass der Innenminister der Türkei am 3. September 2019 weitere Anordnungen zur Absetzung gewählter Amtsträger ankündigte und dabei insbesondere damit drohte, den Oberbürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, abzusetzen;
L. in der Erwägung, dass die Provinzparteivorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP), Canan Kaftancıoğlu, am 6. September 2019 zu neun Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde, weil sie den Präsidenten beleidigt, öffentliche Bedienstete beleidigt, den Staat verunglimpft, Volksverhetzung betrieben und über ihre Kanäle in den sozialen Medien zwischen 2012 und 2017 Propaganda für eine terroristische Organisation verbreitet haben soll;
M. in der Erwägung, dass mehrere Demonstrationen gegen die Absetzung von Bürgermeistern aus Gründen der Sicherheit verboten wurden und dass die Demonstrationen, die stattfinden konnten, von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurden, wobei es in vielen Fällen zu Massenverhaftungen kam und die Teilnehmer gerichtlich belangt wurden; in der Erwägung, dass diese Handlungen auf Rechtsvorschriften zurückgehen, die unmittelbar nach der Aufhebung des Ausnahmezustands erlassen wurden;
N. in der Erwägung, dass in der Türkei mehrere Anschläge verübt wurden und 2016 ein Putschversuch unternommen wurde, bei dem 248 Menschen zu Tode kamen;
1. verurteilt die Entscheidung der Staatsorgane der Türkei, auf der Grundlage fragwürdiger Beweise demokratisch gewählte Bürgermeister ihres Amtes zu entheben; betont, dass durch diese Maßnahmen die Möglichkeiten der Opposition, ihre Rechte wahrzunehmen und ihren Aufgaben in der Demokratie nachzugehen, weiter ausgehöhlt werden; fordert die Staatsorgane der Türkei auf, die Mitglieder der Opposition, die im Rahmen des scharfen Vorgehens gegen alle Andersdenkenden festgenommen wurden, umgehend und bedingungslos freizulassen und alle Anklagepunkte gegen sie fallenzulassen;
2. kritisiert auf das Schärfste, dass gewählte kommunale Amtsträger durch nicht gewählte und der Regierung treu ergebene Personen ersetzt wurden, wodurch die demokratische Struktur der Türkei weiter ausgehöhlt wird; fordert die Staatsorgane der Türkei auf, sämtliche Bürgermeister und alle anderen gewählten Mandatsträger, die aus der Kommunalwahl vom 31. März 2019 siegreich hervorgingen und daran gehindert wurden, ihr Amt anzutreten oder mittels unbegründeter Vorwürfe abgesetzt und durch nicht gewählte und der Regierung treu ergebene Personen ersetzt wurden, wiedereinzusetzen;
3. missbilligt mit aller Entschiedenheit das politisch motivierte Urteil gegen Canan Kaftancıoğlu, die damit eindeutig dafür gemaßregelt wird, dass sie im erfolgreichen Wahlkampf des Bürgermeisters von Istanbul eine Schlüsselrolle spielte, und fordert die sofortige Aufhebung dieses Urteils;
4. verurteilt die Drohungen der Staatsorgane der Türkei, weitere gewählte Amtsträger abzusetzen, und fordert die Türkei auf, von weiteren Einschüchterungsmaßnahmen abzusehen;
5. erachtet es unverändert als wichtig, gute Beziehungen zur Türkei zu unterhalten, und zwar auf der Grundlage gemeinsamer Werte, der Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, freier und demokratischer Wahlen (und damit auch der Respektierung von Wahlergebnissen), der Grundfreiheiten und des universellen Rechts auf ein faires Verfahren; fordert die Regierung der Türkei auf, die Achtung der Menschenrechte all jener zu gewährleisten, die in der Türkei leben und arbeiten, was auch für jene gilt, die internationalen Schutz benötigen;
6. ist nach wie vor zutiefst besorgt darüber, dass sich die Lage der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei weiter verschlechtert, und verurteilt den Rückgriff auf willkürliche Verhaftungen, Einschüchterungen durch den Justiz- und Verwaltungsapparat, Ausreiseverbote und weitere Maßnahmen zur Verfolgung tausender Staatsbürger der Türkei, zum Beispiel von Politikern und gewählten Amtsträgern, Menschenrechtsverfechtern, Mitgliedern unabhängiger Organisationen der Zivilgesellschaft, Akademikern und zahllosen einfachen Bürgerinnen und Bürgern; ist besorgt angesichts von Berichten darüber, dass nach wie vor Strafverfolgungsmaßnahmen und Ermittlungen wegen zu weit gefasster und zu vage definierter Straftatbestände im Zusammenhang mit dem Terrorismus durchgeführt werden;
7. fordert die Türkei nachdrücklich auf, ihre Rechtsvorschriften zur Terrorismusbekämpfung mit den internationalen Menschenrechtsnormen in Einklang zu bringen; bekräftigt, dass die weit gefassten türkischen Rechtsvorschriften zur Terrorismusbekämpfung nicht dazu herhalten sollten, Bürger und Medien für die Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung zu bestrafen oder gewählte Mandatsträger willkürlich zu entfernen und sie durch der Regierung treu ergebene Personen zu ersetzen;
8. fordert die Staatsorgane der Türkei auf, die internationalen Grundsätze zu wahren, Pluralismus und Vereinigungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten, sich nach bewährten Verfahren zu richten und denjenigen, durch deren Wahl der Wille der Bevölkerung der Türkei frei und fair zum Ausdruck gebracht wird, ein für die Ausübung ihres Amtes förderliches Umfeld zu garantieren; betont, dass mit den genannten Entscheidungen gegen das Recht auf freie Wahlen, das Recht auf politische Teilhabe und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Rahmen der EMRK verstoßen wird;
9. bekräftigt seine Besorgnis über den übermäßigen Rückgriff auf Gerichtsverfahren gegen auf kommunaler Ebene in der Türkei gewählte Mandatsträger und ihre Ersetzung durch ernannte Beamte – eine Praxis, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Demokratie vor Ort schwerwiegend beeinträchtigt;
10. fordert die Regierung der Türkei auf, dafür zu sorgen, dass alle Bürger Anspruch auf rechtliches Gehör und darauf haben, ihren Fall im Einklang mit den internationalen Normen von einem unabhängigen Gericht, das Wiedergutmachung – etwa für Entschädigungen für die verursachten materiellen und immateriellen Schäden – anordnen kann, überprüfen zu lassen; fordert die Türkei auf, die operative, strukturelle und finanzielle Unabhängigkeit der türkischen Institution für Menschenrechte und Gleichstellung und des türkischen Bürgerbeauftragten sicherzustellen, damit diese beiden Einrichtungen wirksame Überprüfungs- und Rechtsbehelfsmöglichkeiten bieten, und fordert die Türkei auf, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu befolgen;
11. verurteilt, dass der Oppositionsführer und Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtaş nach wie vor in Haft ist, und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung; weist auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in seiner Rechtssache hin, in dem die Staatsorgane der Türkei aufgefordert werden, ihn umgehend freizulassen;
12. ist zutiefst besorgt darüber, dass die Staatsorgane der Türkei Plattformen der sozialen Medien überwachen und Konten in den sozialen Medien schließen;
13. fordert den EAD und die Kommission auf, dem Parlament einen umfassenden Bericht über die Themen vorzulegen, die am 13. September 2019 im Rahmen des politischen Dialogs EU–Türkei erörtert wurden;
14. fordert die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre türkischen Gesprächspartner auf die Lage von verhafteten Mitgliedern der Opposition, Menschenrechtsverfechtern, politischen Aktivisten, Rechtsanwälten, Journalisten und Akademikern anzusprechen und ihnen diplomatische und politische Unterstützung zu leisten, was die Beobachtung und Überwachung von Gerichtsverfahren umfasst; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, stärker von Soforthilfen für Menschenrechtsverfechter Gebrauch zu machen und dafür zu sorgen, dass die Leitlinien der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern uneingeschränkt umgesetzt werden;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Staatspräsidenten, der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln, und ersucht darum, dass diese Entschließung ins Türkische übersetzt wird.
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Myanmar und zur Lage der Rohingya, insbesondere die Entschließungen vom 21. Mai 2015(1), vom 7. Juli 2016(2), vom 15. Dezember 2016(3), vom 14. September 2017(4), vom 14. Juni 2018(5) und vom 13. September 2018(6),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 26. Februar 2018 zu Myanmar/Birma und diejenigen vom 10. Dezember 2018,
– unter Hinweis auf den am 14. Juni 2019 in Naypyidaw (Myanmar) abgehaltenen fünften Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und Myanmar,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das Protokoll von 1967 zu diesem Übereinkommen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes,
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht und die Empfehlungen der von Kofi Annan geleiteten Beratungskommission für den Rakhaing-Staat,
– unter Hinweis auf den vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 23. März 2018 veröffentlichten Bericht des Generalsekretärs über sexuelle Gewalt im Zusammenhang mit Konflikten (S/2018/250),
– unter Hinweis auf den Bericht des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 8. August 2018 über die genauen Erkenntnisse der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar (A/HRC/42/50), die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 3. Oktober 2018 zur Lage der Menschenrechte der Muslime vom Volk der Rohingya und anderer Minderheiten in Myanmar (A/HRC/RES/39/2) und den Bericht des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 7. August 2019 über den Unabhängigen Untersuchungsmechanismus der Vereinten Nationen für Myanmar (A/HRC/42/66),
– unter Hinweis auf den Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar vom 22. August 2019 über sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt in Myanmar und die geschlechtsspezifischen Auswirkungen seiner ethnischen Konflikte (A/HRC/42/CRP.4),
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention von 1949 und die Zusatzprotokolle dazu,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass seit 2017 über 700 000 Rohingya aus Myanmar vor Unterdrückung, fortgesetzten schweren Menschenrechtsverletzungen einschließlich weit verbreiteter Morde und Vergewaltigungen und der Verbrennung von Dörfern, die von myanmarischen bewaffneten Gruppen im Rakhaing-Staat begangen wurden, der bis dahin die Heimat von über einer Million Rohingya war, in das benachbarte Bangladesch geflohen sind;
B. in der Erwägung, dass die Rohingya weithin als eine der am meisten verfolgten Minderheiten gelten und die größte staatenlose Gruppe darstellen, wovon nun viele im weltweit größten Flüchtlingslager Kutupalong im Distrikt Cox’s Bazar (Bangladesch) leben;
C. in der Erwägung, dass die Flüchtlingslager in Bangladesch überfüllt und von unhygienischen Bedingungen gekennzeichnet sind, geringen Zugang zur Gesundheitsversorgung für Frauen während Schwangerschaft und Geburt und für Kinder bieten und für Naturkatastrophen, wie Erdrutsche und Überschwemmungen, extrem anfällig sind; in der Erwägung, dass die in Flüchtlingslagern lebende Rohingya-Bevölkerung nach wie vor großen Bedrohungen ausgesetzt ist und wegen der schlechten Lebensmittel- und Wasserqualität äußerst anfällig für verschiedene Krankheiten und Infektionen sind; in der Erwägung, dass es Rohingya-Kindern nach wie vor an ausreichendem Zugang zu formaler Bildung mangelt; in der Erwägung, dass in Bangladesch in den letzten Wochen das Recht der Rohingya-Flüchtlingen auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigung eingeschränkt wurde; in der Erwägung, dass durch Ausgangssperren und Kommunikationsverbote weitere schwerwiegende Menschenrechtsverstöße gegen sie erleichtert werden könnten;
D. in der Erwägung, dass schätzungsweise etwa 600 000 Rohingya im Rakhaing-Staat verblieben sind, die nach wie vor diskriminierenden Maßnahmen und Praktiken, systematischen Verletzungen ihrer Grundrechte und willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt, in überfüllten Lagern eingesperrt und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und nur in äußerst geringem Umfang Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung erhalten;
E. in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen Myanmars seit Juni 2019 über den Norden und die Mitte des Rakhaing-Staats und über Paletwa im Chin-Staat eine Telekommunikationssperre verhängt haben; in der Erwägung, dass es strenge militärische Kontrollen gibt, durch die der Zugang zum Rakhaing-Staat und die Berichterstattung der Medien in diesem Staat eingeschränkt sind;
F. in der Erwägung, dass Myanmar und Bangladesch Rückführungspläne angekündigt haben, die aufgrund mangelnder Garantien abgesagt wurden; in der Erwägung, dass die Flüchtlinge schwer traumatisiert sind und sich vor einer Rückkehr fürchten; in der Erwägung, dass jede Rückkehr sicher, freiwillig, menschenwürdig, dauerhaft und im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung erfolgen muss;
G. in der Erwägung dass die unabhängige internationale Ermittlungsmission für Myanmar am 27. August 2018 ihren Bericht veröffentlichte, in dem sie zu dem Fazit gelangte, dass gegen die Rohingya schwerste Menschenrechtsverletzungen und die schlimmsten Verbrechen nach dem Völkerrecht, auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wahrscheinlich Völkermord, begangen wurden; in der Erwägung, dass der Rat am 10. Dezember 2018 große Besorgnis über die Erkenntnisse der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar bekundete; in der Erwägung, dass sich Myanmar bisher geweigert hat, eine vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingerichtete Ermittlungsmission ins Land zu lassen, und auch der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in Myanmar die Einreise verweigert hat;
H. in der Erwägung, dass dem letzten Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar vom 16. September 2019 zufolge das Vorgehen der Regierung Myanmars weiterhin Teil eines großflächigen und systematischen Angriffs ist, der einer Verfolgung der im Rakhaing-Staat verbliebenen Rohingya und weiteren Verbrechen gegen die Menschlichkeit an ihnen gleichkommt; in der Erwägung, dass die unabhängige internationale Ermittlungsmission für Myanmar in ihrem Bericht vom 22. August 2019 ferner über schwerwiegende und anhaltende gezielte Anwendungen sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt, wozu systematische Vergewaltigung, Massenvergewaltigungen und erzwungene sexuelle Handlungen gehören, durch Angehörige des myanmarischen Militär und der Sicherheitskräfte gegen Frauen, Kinder und Transgender-Personen unter den Rohingya als Teil einer Säuberungskampagne berichtet hat, mit der ethnische Minderheiten terrorisiert und bestraft werden sollen; in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt eingesetzt wird, um ganze Gemeinschaften zu spalten und Frauen und Mädchen davon abzuhalten, in ihre Heimat zurückzukehren; in der Erwägung, dass Vergewaltigungsopfern in den Lagern möglicherweise soziale Ausgrenzung durch ihre Gemeinschaften droht;
I. in der Erwägung, dass die EU ständig gefordert hat, diejenigen, die für solche Verbrechen verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, und die Resolutionen, die am 27. September 2018 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bzw. am 16. November 2018 im Dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung angenommen wurden, eingereicht und unterstützt hat; in der Erwägung, dass sich die staatlichen Stellen in Myanmar weigern, Menschenrechtsverletzungen gegen die Rohingya ernsthaft nachzugehen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen; in der Erwägung, dass Myanmar weiterhin bestreitet, dass diese Menschenrechtsverletzungen jemals geschehen sind; in der Erwägung, dass die hochrangigsten Militärangehörigen, die die Angriffe gegen die Rohingya befehligten, nach wie vor im Amt sind; in der Erwägung, dass sich die staatlichen Stellen weigern, mit dem Mechanismus der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten;
J. in der Erwägung, dass der Rat am 29. April 2019 die restriktiven Maßnahmen gegen Myanmar um ein Jahr bis zum 30. April 2020 verlängert hat, zu denen auch das Einfrieren der Vermögenswerte und ein Reiseverbot gegen 14 hochrangige Angehörige des Militärs, des Grenzschutzes und der Polizei in Myanmar gehören, die für an der Bevölkerungsgruppe der Rohingya, Dorfbewohnern aus ethnischen Minderheiten und Zivilisten in den Staaten Rakhaing, Kachin und Shan begangene Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind;
K. in der Erwägung, dass die Rohingya seit dem Erlass der Gesetze über die birmanische Staatsangehörigkeit von 1982, mit denen den Rohingya grundlegende bürgerliche, politische, soziale und wirtschaftliche Rechte wie die Freizügigkeit und das Recht auf politische Beteiligung, Beschäftigung und Sozialleistungen entzogen wurden, offiziell staatenlos sind; in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge 1,1 Millionen Rohingya der Zugang zur Staatsbürgerschaft verwehrt wird; in der Erwägung, dass Rohingya, die dennoch zurückkehren, gezwungen würden, staatliche Prüfkarten zu unterzeichnen, durch die ihnen die Staatsbürgerschaft Myanmars entzogen würde;
1. verurteilt erneut auf das Schärfste alle früheren und derzeitigen Menschenrechtsverletzungen und die systematischen und großflächige Angriffe, darunter Morde, Schikanierungen, Vergewaltigungen und die Zerstörung von Eigentum, die nach den Aufzeichnungen der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für Myanmar und des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte belegen, dass die Streitkräfte gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya mit Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgehen; verurteilt nachdrücklich die unverhältnismäßige Reaktion des Militärs und der Sicherheitskräfte; hebt hervor, dass das Militär kontinuierlich gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verstößt;
2. ist zutiefst besorgt über die anhaltenden Konflikte und Übergriffe sowie die Meldungen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen die Rohingya in Myanmar, die von den Streitkräften ausgehen; verurteilt diese Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtnormen und fordert die Regierung von Myanmar unter der Führung von Aung San Suu Kyi und die Sicherheitskräfte erneut auf, den anhaltenden Übergriffen, Morden und der sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Angehörige der Rohingya und anderer ethnischer Gruppen unverzüglich ein Ende zu setzen;
3. verurteilt die andauernde Diskriminierung der Rohingya in Myanmar sowie die schwerwiegenden Einschränkungen ihrer Freizügigkeit und den Entzug ihres Zugangs zur Grundversorgung; betont, dass Medienfreiheit und kritischer Journalismus wesentliche Grundpfeiler der Demokratie und unabdingbar für die Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie von Transparenz und Rechenschaftspflicht sind; fordert die Regierung von Myanmar auf, internationalen Beobachtern, einschließlich der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar, unabhängigen Beobachtern und Menschenrechts- und humanitären Organisationen uneingeschränkten und ungehinderten Zugang zu den Bundesstaaten Rakhaing, Kachin und Shan zu gewähren, um unabhängige und unparteiische Ermittlungen in Bezug auf mutmaßliche von allen Seiten begangene schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sicherzustellen, und die Sperrung des Internets in den übrigen vier Gemeinden Ponnagyun, Mrauk-U, Kyuakdaw und Minbya aufzuheben;
4. fordert die staatlichen Stellen von Myanmar auf, Bedingungen und Garantien für die sichere, freiwillige, menschenwürdige, dauerhafte und unter der Aufsicht der Vereinten Nationen erfolgende Rückkehr derjenigen Rohingya, die wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen, zu schaffen; fordert die Regierungen Myanmars und Bangladeschs mit Nachdruck auf, den Grundsatz der Nichtzurückweisung in vollem Umfang zu achten; fordert die Regierung von Myanmar nachdrücklich auf, die uneingeschränkte Staatsbürgerschaft der Rohingya einschließlich der entsprechenden Rechte und verfassungsmäßigen Garantien anzuerkennen und die Empfehlungen der Beratungskommission für den Rakhaing-Staat unverzüglich und vollständig umzusetzen; fordert die Regierung von Myanmar ferner auf, mit den Vertretern der Rohingya in einen Dialog zu treten und die Rohingya als eine der 135 von Myanmar gesetzlich anerkannten ethnischen Gruppen anzuerkennen;
5. würdigt die Arbeit des fünften Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und Myanmar; stellt fest, dass die Diskussionen ein breites Spektrum von Menschenrechtsfragen umfassten, wozu auch die Rechenschaft für Menschenrechtsverletzungen, die Lage in den Bundesstaaten Rakhaing, Kachin und Shan, einschließlich des Zugangs zu humanitärer Hilfe, die Grundrechte und -freiheiten, die Bedürfnisse von Vertriebenen, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die Migration und die Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte in multilateralen Foren gehörten; bedauert, dass sich der Dialog nicht auf die Lage vor Ort ausgewirkt hat;
6. fordert die Regierung und die Streitkräfte von Myanmar auf, glaubwürdige und unabhängige Ermittlungen zu mutmaßlichen schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen zuzulassen; betont, dass die Täter unverzüglich vor Gericht gestellt werden müssen;
7. bekräftigt seine Forderung an den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Mitgliedstaaten, sich in multilateralen Foren dafür einzusetzen, dass die Täter der Verbrechen in Myanmar zur Rechenschaft gezogen werden; begrüßt in diesem Zusammenhang die Führungsrolle der EU bei der Einrichtung des Unabhängigen Ermittlungsmechanismus der Vereinten Nationen für Myanmar, in dessen Rahmen Beweise für die schwersten seit 2011 in Myanmar begangenen internationalen Verbrechen und Verstöße gesammelt, zusammengeführt, gesichert und analysiert werden sollen; fordert Myanmar zur Zusammenarbeit im Sinne der internationalen Bemühungen auf, die darauf abzielen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, auch indem es den seit Kurzem einsatzbereiten Ermittlungsmechanismus ins Land lässt; fordert die EU, ihre Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, dafür zu sorgen, dass der Ermittlungsmechanismus für die Durchführung seines Mandats die erforderliche Unterstützung, auch finanzieller Art, erhält;
8. begrüßt, dass der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) der EU am 24. Juni 2018 und 21. Dezember 2018 Sanktionen gegen Militärs und Angehörige der Streitkräfte Myanmars (Tatmadaw), des Grenzschutzes und der Polizei, die für schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya verantwortlich sind, verhängt hat und erwartet, dass diese Personen im Rahmen der Sanktionsregelung kontinuierlich überprüft werden; bekräftigt seine Forderung an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, ein umfassendes Waffenembargo gegen Myanmar zu verhängen und gezielte Sanktionen gegen diejenigen natürlichen und juristischen Personen zu verhängen, die mutmaßlich für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind;
9. weist die Regierung Myanmars erneut darauf hin, dass sie ihren Verpflichtungen und Zusagen in Bezug auf die demokratischen Grundsätze und die grundlegenden Menschenrechte, die ein wesentlicher Bestandteil der Alles-außer-Waffen-Regelung sind, nachkommen muss; erwartet, dass die Kommission diesbezüglich eine Untersuchung einleitet; bedauert, dass die Kommission bislang noch keine entsprechende Untersuchung eingeleitet hat;
10. begrüßt, dass der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) seine Zuständigkeit für die Deportation der Rohingya aus Myanmar festgestellt und die Anklagebehörde des IStGH entschieden hat, ein Ermittlungsverfahren zu den die in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallenden Verbrechen einzuleiten, die seit Oktober 2016 gegen die Bevölkerungsgruppe der Rohingya verübt wurden; fordert die staatlichen Stellen von Myanmar zur Zusammenarbeit mit dem IStGH auf; fordert Myanmar auf, das Römische Statut des IStGH zu unterzeichnen; fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, die Lage in Myanmar einschließlich aller in dem Land an den Rohingya verübten Verbrechen an den IStGH zu verweisen oder einen internationalen Ad-hoc-Strafgerichtshofs einzurichten; bekräftigt seine Forderung an die EU und ihre Mitgliedstaaten, sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen federführend für den Antrag einzusetzen, die Lage in Myanmar an den IStGH zu verweisen; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten ferner auf, sich für die Einleitung einer Untersuchung einer möglichen Verletzung des Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof einzusetzen und entsprechende Anstrengungen zu unterstützen;
11. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich auf der nächsten Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Annahme einer Resolution zu Myanmar auszusprechen;
12. begrüßt die Maßnahmen der Regierung und der Bevölkerung von Bangladesch, die darauf abzielen, Rohingya-Flüchtlingen Zuflucht und Sicherheit zu bieten, und unterstützt sie darin, auch weiterhin humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge aus Myanmar zu leisten; fordert die staatlichen Stellen von Bangladesch auf, den uneingeschränkten und diskriminierungsfreien Zugang zu hochwertiger Bildung für Rohingya-Kinder sicherzustellen, die Beschränkungen des Internetzugangs, der Online-Kommunikation und der Freizügigkeit aufzuheben und dafür Sorge zu tragen, dass die in den Lagern tätigen Sicherheitskräfte alle Normen einhalten, um die persönliche Sicherheit von Flüchtlingen zu schützen;
13. begrüßt, dass die EU Anfang September 2019 zwei Mio. EUR für die Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen für das Rohingya-Lager im Distrikt Cox’s Bazar zur Verfügung gestellt hat, fordert den Rat und die Kommission jedoch auf, angesichts des Bedarfs vor Ort ihre diesbezüglichen Anstrengungen fortzusetzen; weist erneut darauf hin, dass mit der finanziellen Verantwortung für die Unterstützung der Flüchtlinge Bangladesch nicht unverhältnismäßig belastet werden darf; fordert, dass die Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen, zusätzliche internationale Unterstützung erhalten, indem unter anderem gegen gesellschaftliche, bildungsbezogene, wirtschaftliche und gesundheitsbezogene Probleme im eigenen Land vorgegangen wird;
14. weist erneut ferner darauf hin, dass in den Flüchtlingslagern medizinische und psychologische Betreuung geleistet werden muss, die vor allem speziell auf gefährdete Gruppen, etwa Frauen und Kinder, zugeschnitten sein muss; fordert mehr Unterstützungsdienste für die Opfer von Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Regierung und dem Parlament von Myanmar, der Staatsrätin Aung San Suu Kyi, der Regierung und dem Parlament Bangladeschs, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der EU, dem Generalsekretär des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN), der zwischenstaatlichen Kommission für Menschenrechte des ASEAN, der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Menschenrechtslage in Myanmar, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.
Iran, insbesondere die Lage von Frauenrechtsaktivisten und inhaftierten EU-Bürgern, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zum Iran, insbesondere zur Lage von Frauenrechtsaktivisten und inhaftierten EU-Bürgern, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen (2019/2823(RSP))
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran, insbesondere jene, die die Menschenrechte betreffen, und zwar vor allem die Entschließungen vom 14. März 2019 zum Iran, insbesondere zum Fall von Menschenrechtsverteidigern(1), vom 13. Dezember 2018 zum Iran und insbesondere dem Fall Nasrin Sotudeh(2), vom 31. Mai 2018 zur Lage von inhaftierten Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit (EU/Iran) im Iran(3), vom 25. Oktober 2016 zur Strategie der EU gegenüber dem Iran nach dem Abschluss des Nuklearabkommens(4), vom 3. April 2014 zur Strategie der EU gegenüber dem Iran(5), vom 8. Oktober 2015 zur Todesstrafe(6) und vom 17. November 2011 zu aktuellen Fällen von Menschenrechtsverletzungen im Iran(7),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 4. Februar 2019 zum Iran sowie auf die Durchführungsverordnung (EU) 2019/560 des Rates vom 8. April 2019 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 359/2011 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Iran, mit der die restriktiven Maßnahmen im Zusammenhang mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Iran um ein Jahr bis zum 13. April 2020 verlängert wurden(8),
– unter Hinweis auf den Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 8. Februar 2019 über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,
– unter Hinweis auf die Berichte des Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran vom September 2018, 30. Januar 2019 und 18. Juli 2019 sowie auf seine Erklärung vom 16. August 2019 zur Festnahme der drei Iranerinnen Mojgan Keshavarz, Monireh Arabshahi und Yasaman Aryani, die willkürlich festgenommen wurden, weil sie öffentlich gegen die Verschleierungspflicht protestiert hatten, und die langen Haftstrafen gegen sie,
– unter Hinweis auf die Erklärung von Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen vom 29. November 2018 mit dem Titel „Iran must protect women’s rights advocates“ (Der Iran muss Frauenrechtsaktivisten schützen),
– unter Hinweis auf die EU-Leitlinien zur Todesstrafe, die EU-Leitlinien betreffend Folter, die Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung – online und offline sowie die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 12. März 2019 zur Verurteilung der iranischen Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Iran gehört,
– unter Hinweis auf die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 17. Dezember 2018 zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,
– unter Hinweis auf den neuen Strategischen Rahmen der EU und den EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie, mit dem der Schutz und die Kontrolle der Achtung der Menschenrechte in den Mittelpunkt aller EU-Strategien gerückt werden sollen,
– unter Hinweis auf den Grundsatzkatalog der Vereinten Nationen für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen von 1988,
– unter Hinweis auf die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen (die Nelson-Mandela-Regeln) von 2015,
– unter Hinweis auf die Bürgerrechtscharta des iranischen Präsidenten,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass iranische Revolutionsgerichte seit einigen Monaten deutlich härter gegen den friedlichen Widerstand von Frauenrechtsaktivistinnen vorgehen, die gegen das vorgeschriebene Tragen des Hidschabs protestieren, und u. a. erheblich längere Haftstrafen verhängen; in der Erwägung, dass nach Angaben der Vereinten Nationen seit 2018 mindestens 32 Personen festgenommen und mindestens zehn Personen verhaftet wurden, weil sie gegen das vorgeschriebene Tragen des Hidschabs protestiert hatten;
B. in der Erwägung, dass die iranischen Aktivistinnen Mojgan Keshavarz, Monireh Arabshahi und Yasaman Aryani im April 2019 nach der Veröffentlichung eines Online-Videos willkürlich festgenommen wurden, in dem sie ohne Kopftuch zu sehen sind und friedlich gegen die gesetzlich vorgeschriebene Verschleierungspflicht im Iran protestieren, indem sie am 8. März 2019, dem Internationalen Frauentag, Blumen in der Teheraner U-Bahn verteilen; in der Erwägung, dass die Iranerin Sahar Khodayari bei dem Versuch, ein Fußballspiel im Stadion zu verfolgen, festgenommen wurde und sich – als sie erfuhr, dass sie für ihre Tat mit einer sechsmonatigen Haftstrafe rechnen musste – öffentlich in Brand setzte und später ihren Verletzungen erlag;
C. in der Erwägung, dass Mojgan Keshavarz, Yasaman Aryani, Monireh Arabshahi und Saba Kord-Afshari im August 2019 zu Freiheitsstrafen zwischen 16 und 24 Jahren verurteilt wurden; in der Erwägung, dass ihnen in der Anfangsphase der Untersuchung der Zugang zu Rechtsanwälten verweigert wurde und ihren Rechtsvertretern Berichten zufolge untersagt wurde, sie bei ihrem Gerichtsverfahren zu vertreten; in der Erwägung, dass ihre Haftstrafen unmittelbar damit zusammenhängen, dass die drei Frauen auf friedliche Weise ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben, um für die Gleichstellung der Geschlechter im Iran einzutreten;
D. in der Erwägung, dass das Gericht erster Instanz am 27. August 2019 die drei Arbeitsrechtsaktivistinnen Sepideh Gholian, Sanaz Allahyari und Asal Mohammadi verurteilt hat, nachdem ihnen eine „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ zur Last gelegt wurde; in der Erwägung, dass am 24. und 31. August bekannt wurde, dass die beiden Arbeitsrechtsaktivistinnen Marzieh Amiri und Atefeh Rangriz, die seit ihrer Festnahme bei einem friedlichen Protest anlässlich des Tags der Arbeit inhaftiert waren, zu einer Haftstrafe von zehneinhalb Jahren und 148 Peitschenhieben bzw. elfeinhalb Jahren und 74 Peitschenhieben verurteilt wurden, nachdem ihnen unter anderem eine „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ zur Last gelegt wurden;
E. in der Erwägung, dass der Iran das 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau nicht ratifiziert hat; in der Erwägung, dass der Iran über eine Reihe diskriminierender Gesetze verfügt, gerade was die rechtlichen Bestimmungen zum Personenstand betrifft;
F. in der Erwägung, dass weiterhin EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, festgenommen werden, was mit ausgedehnter Einzelhaft und langen Verhören, dem Fehlen eines ordnungsgemäßen Rechtsgangs und eines fairen Verfahrens sowie mit langen Haftstrafen – die auf vagen oder nicht näher bezeichneten Anklagen im Zusammenhang mit der „nationalen Sicherheit“ oder „Spionage“ beruhen – und mit staatlich finanzierten Verleumdungskampagnen gegen die inhaftierten Personen einhergeht; in der Erwägung, dass der Iran die doppelte Staatsangehörigkeit nicht anerkennt, was dazu führt, dass der Zugang ausländischer Botschaften zu ihren Bürgern, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen und dort festgehalten werden, eingeschränkt ist;
G. in der Erwägung, dass mindestens sechs EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen – nämlich Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Ahmadreza Djalali, Kamal Ahmady, Kamran Ghaderi, Massud Mossaheb und Morad Tahbaz –, derzeit im Iran inhaftiert sind;
H. in der Erwägung, dass Nazanin Zaghari-Ratcliffe, die sowohl die britische als auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzt und bei der Thomson Reuters Foundation beschäftigt ist, seit dem 3. April 2016 unrechtmäßig im Iran inhaftiert ist, nachdem sie monatelang ohne rechtliche Grundlage festgehalten und der Spionage beschuldigt wurde und anschließend kein freies und faires Gerichtsverfahren erhielt; in der Erwägung, dass ihr wiederholt eine medizinische Behandlung verwehrt wurde, was zu einer Verschlechterung ihres körperlichen und psychischen Gesundheitszustands geführt hat; in der Erwägung, dass ihr jüngst der Zugang zu internationalen Telefonaten verweigert wurde und dass ihre Familie sie nur noch einmal im Monat besuchen darf;
I. in der Erwägung, dass der britisch-iranische Sozialanthropologe Kameel Ahmady seit dem 11. August 2019 in Teheran inhaftiert ist und nicht bekannt gegeben wird, was ihm zur Last gelegt wird; in der Erwägung, dass der Geschäftsmann Morad Tahbaz, der die iranische, britische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, im Januar 2018 zusammen mit mindestens neun Umweltschützern wegen angeblicher Spionagevorwürfe festgenommen wurde;
J. in der Erwägung, dass Ahmadreza Djalali, ein im Iran geborener schwedischer Wissenschaftler und Physiker, seit April 2016 im Evin-Gefängnis festgehalten wird und im Oktober 2017 aufgrund des Vorwurfs der Spionage, der auf einem mutmaßlichen erzwungenen Geständnis beruht, zum Tode verurteilt wurde;
K. in der Erwägung, dass Kamran Ghaderi, der sowohl die iranische als auch die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, als Geschäftsführer eines österreichischen IT-Unternehmens bei seiner Ankunft auf dem internationalen Flughafen von Teheran am 2. Januar 2016 von Kräften des iranischen Geheimdiensts festgenommen und aufgrund von „Spionagetätigkeiten für feindliche Staaten“ zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren Dauer verurteilt wurde;
L. in der Erwägung, dass die Sacharow-Preisträgerin von 2012, Menschenrechtsaktivistin und Rechtsanwältin Nasrin Sotudeh am 11. März 2019 in Abwesenheit zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt wurde, weil sie unter anderem Frauen verteidigt hatte, denen vorgeworfen wurde, sie hätten gegen die Pflicht, Hidschab zu tragen, protestiert; in der Erwägung, dass sich im Juni mehr als eine Million Menschen einer weltweiten Kampagne angeschlossen haben, mit der der Iran aufgefordert wurde, Nasrin Sotudeh freizulassen;
M. in der Erwägung, dass Atena Daemi und Golrock Ebrahimi Iraee im Oktober 2016 jeweils zu einer Haftstrafe von sechs Jahren Dauer verurteilt wurden; in der Erwägung, dass die Strafen im September 2019 um zwei weitere Jahre verlängert wurden, nachdem die Frauen der „Beleidigung des Obersten Religionsführers“ beschuldigt worden waren; in der Erwägung, dass dieses Urteil Berichten zufolge als Vergeltung für Proteste von Frauenrechtsaktivistinnen in der Haftanstalt verhängt wurde;
N. in der Erwägung, dass zahlreichen Berichten zufolge insbesondere im Evin-Gefängnis unmenschliche und entwürdigende Bedingungen herrschen und während der Haft im Iran kein angemessener Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt wird, was einen Verstoß gegen die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen darstellt;
O. in der Erwägung, dass Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Rechtsanwälte, Umweltschützer, Gewerkschafter und Online-Aktivisten im Iran aufgrund ihrer Arbeit nach wie vor Schikanen, willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und Verfolgung ausgesetzt sind;
P. in der Erwägung, dass die Staatsorgane nach wie vor das Engagement für die Menschenrechte kriminalisieren und Artikel 48 der iranischen Strafprozessordnung heranziehen, um den Zugang der Gefangenen zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl einzuschränken und ihnen konsularische Hilfe zu verweigern; in der Erwägung, dass es keine unabhängigen Mechanismen gibt, mit denen die Rechenschaftspflicht innerhalb des Justizapparats sichergestellt wird;
Q. in der Erwägung, dass die EU im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen restriktive Maßnahmen erlassen hat, zu denen das Einfrieren von Vermögenswerten und Visumsperren gegen Personen und Organisationen, die für schwere Menschrechtsverletzungen verantwortlich sind, sowie das Verbot gehören, Geräte und Vorrichtungen, die zur internen Repression oder für die Überwachung des Telefonverkehrs genutzt werden können, in den Iran auszuführen; in der Erwägung, dass diese Maßnahmen in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden und nach wie vor gültig sind;
R. in der Erwägung, dass der Iran nach wie vor häufig die Todesstrafe vollstreckt; in der Erwägung, dass Narges Mohammadi, Trägerin des Per Anger-Preises, derzeit eine Gefängnisstrafe von 16 Jahren Dauer verbüßt, zu der sie aufgrund ihrer Kampagne zur Abschaffung der Todesstrafe und ihrer Arbeit mit der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi verurteilt wurde;
1. fordert die iranischen staatlichen Stellen auf, all diese Urteile aufzuheben und Mojgan Keshavarz, Yasaman Aryani, Monireh Arabshahi, Saba Kord-Afshari und Atena Daemi – Frauenrechtsaktivistinnen, die gegen die Pflicht, Hidschab zu tragen, protestiert haben – unverzüglich und bedingungslos freizulassen; fordert außerdem, dass Nasrin Sotudeh, Narges Mohammadi, Sepideh Gholian, Sanaz Allahyari, Asal Mohammadi, Marzieh Amiri und Atefeh Rangriz und sämtliche Menschenrechtsaktivisten, die nur deshalb festgenommen und verurteilt wurden, weil sie ihr Recht auf die Ausübung der Meinungs- und der Vereinigungsfreiheit und ihr Recht auf friedliche Versammlung wahrgenommen haben, freigelassen werden;
2. verurteilt aufs Schärfste die fortgesetzte Unterdrückung von Frauen aufgrund ihres Widerstands gegen die Verschleierungspflicht und aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts auf die Ausübung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit und ihres Rechts auf friedliche Versammlung; fordert die Staatsorgane des Iran auf, die Freiheit iranischer Frauen, ihre Kleidung selbst zu wählen, zu respektieren;
3. hebt hervor, dass die staatlichen Stellen des Iran unter allen Umständen sicherstellen müssen, dass Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte und Journalisten ihrer Arbeit nachgehen können, ohne bedroht, eingeschüchtert oder behindert zu werden, und fordert die iranische Justiz auf, die fortdauernde Schikanierung einzustellen; fordert die iranische Justiz eindringlich auf, die Online-Zensur zu unterlassen und die für jedermann gültigen universellen Menschenrechte – insbesondere die Rechte auf freie Meinungsäußerung on- und offline – zu respektieren;
4. würdigt und unterstützt die iranischen Menschenrechtsaktivistinnen, die sich trotz der Schwierigkeiten und persönlichen Konsequenzen, die sie erleiden, nach wie vor für die Menschenrechte einsetzen;
5. bedauert zutiefst, dass in den Fällen der im Iran inhaftierten EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, keine Fortschritte erzielt werden; fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, wie etwa von Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Ahmadreza Djalali, Kamal Ahmady, Kamran Ghaderi, Massud Mossaheb und Morad Tahbaz, die derzeit in iranischen Gefängnissen festgehalten werden, sofern ihre Verfahren nicht nach internationalen Standards neu aufgenommen werden; verurteilt die fortdauernde Praxis der iranischen Justiz, Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats und des Iran im Anschluss an unfaire Gerichtsverfahren zu inhaftieren;
6. fordert die iranischen Staatsorgane auf, ohne Umschweife mit den Botschaften der EU-Mitgliedstaaten in Teheran zusammenzuarbeiten, damit eine umfassende Liste aller derzeit in iranischen Gefängnissen festgehaltenen EU-Bürger, die zusätzlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, erstellt werden kann, und jeden Einzelfall sorgfältig zu beobachten, da die EU der Sicherheit ihrer Bürger und der Wahrung der Grundrechte höchste Priorität einräumt;
7. fordert die iranischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, die Rechtsvorschriften, durch die Frauen diskriminiert werden – insbesondere die Vorschriften in Bezug auf den Personenstand von Frauen –, zu überarbeiten; begrüßt, dass der Gesetzentwurf über den Schutz von Frauen vor Gewalt in das iranische Parlament eingebracht wurde, und hält umfassende Rechtsvorschriften für geboten, mit denen sämtliche Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen eindeutig definiert und kriminalisiert werden;
8. fordert die iranischen Staatsorgane auf, dafür Sorge zu tragen, dass Frauen Zugang zu allen Stadien erhalten, ohne diskriminiert zu werden oder Verfolgung fürchten zu müssen;
9. hält die iranischen Staatsorgane erneut dazu an, im Einklang mit den Verpflichtungen des Iran im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte Artikel 48 der Strafprozessordnung des Landes so zu ändern, dass alle Angeklagten das Recht auf Vertretung durch einen Rechtsanwalt ihrer Wahl und auf ein faires Verfahren haben;
10. fordert das iranische Parlament auf, die nationalen Vorschriften für sicherheitsrelevante Straftaten zu ändern, die regelmäßig zur strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Umweltschützern, Gewerkschaftern und Mitgliedern religiöser und ethnischer Minderheiten herangezogen werden und die im Widerspruch zu dem vom Iran ratifizierten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte stehen;
11. verurteilt, dass Gefangenen immer wieder bewusst die medizinische Versorgung vorenthalten wird; missbilligt die systematische Folter in iranischen Gefängnissen und fordert, dass Folter und Misshandlung in sämtlichen Ausprägungen ausnahmslos beendet werden; verurteilt die Verfahrensweise, Gefangene keine Telefonate führen und keine Besuche ihrer Familienangehörigen empfangen zu lassen;
12. fordert die iranischen Staatsorgane mit Nachdruck auf, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den der Iran unterzeichnet hat, vorbehaltlos und uneingeschränkt umzusetzen; fordert den Iran eindringlich auf, der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beizutreten;
13. nimmt die Änderungen am Gesetz über den Drogenhandel zur Kenntnis, aufgrund deren die Todesstrafe seltener verhängt werden dürfte;
14. verurteilt die Vollstreckung der Todesstrafe unter anderem gegen jugendliche Straftäter aufs Schärfste; fordert die iranischen Staatsorgane auf, als wichtigen Schritt zu ihrer Abschaffung unverzüglich ein Moratorium einzuführen;
15. fordert den Iran auf, mit dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Menschenrechtslage im Iran zusammenzuarbeiten, indem er ihn beispielsweise in das Land einreisen lässt;
16. spricht sich dafür aus, dass sich die in Teheran akkreditierten Botschaften der EU-Mitgliedstaaten eng untereinander abstimmen; fordert alle Mitgliedstaaten mit einer diplomatischen Vertretung in Teheran nachdrücklich auf, die in den Leitlinien der EU zu Menschenrechtsverteidigern vorgesehenen Mechanismen für die Unterstützung und den Schutz dieser Personen heranzuziehen und besonderes Augenmerk auf Frauenrechtsaktivisten und EU-Bürger, die gleichzeitig die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, zu richten, indem sie beispielsweise öffentliche Erklärungen abgeben, diplomatische Demarchen absetzen, Gerichtsverfahren beobachten und Gefangene in den Haftanstalten besuchen;
17. fordert die EU einschließlich der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, auch künftig in bilateralen und multilateralen Foren Menschenrechtsanliegen gegenüber den iranischen Staatsorganen zur Sprache zu bringen und insbesondere im Rahmen des politischen Dialogs auf hoher Ebene zwischen der EU und dem Iran alle vorgesehenen Kontakte mit den iranischen Staatsorganen hierfür zu nutzen;
18. fordert den EAD auf, über die Maßnahmen zu berichten, die er aufgrund früherer Entschließungen des Parlaments zum Iran ergriffen hat;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie der Regierung und dem Parlament des Iran zu übermitteln.
Patentierbarkeit von Pflanzen und im Wesentlichen biologischen Verfahren
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Patentierbarkeit von Pflanzen und im Wesentlichen biologischen Verfahren (2019/2800(RSP))
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Mai 2012 zur Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2015 zu Patenten und den Rechten von Pflanzenzüchtern(2),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen(3), insbesondere auf Artikel 4, wonach Erzeugnisse, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen werden, nicht patentierbar sind,
– unter Hinweis auf das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) vom 5. Oktober 1973, insbesondere auf Artikel 53 Buchstabe b,
– unter Hinweis auf die Ausführungsordnung zum EPÜ, insbesondere auf Regel 26, wonach für europäische Patentanmeldungen und Patente, die biotechnologische Erfindungen zum Gegenstand haben, die Richtlinie 98/44/EG als ergänzendes Auslegungsmittel heranzuziehen ist,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. November 2016 über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen(4),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 1. März 2017 zur Mitteilung der Kommission über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen(5),
– unter Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsrates der Europäischen Patentorganisation vom 29. Juni 2017 zur Änderung der Regeln 27 und 28 der Ausführungsordnung zum EPÜ (CA/D 6/17)(6),
– unter Hinweis auf die Vorlage mehrerer Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Entscheidung T 1063/18 der Technischen Beschwerdekammer 3.3.04 des Europäischen Patentamts (EPA) vom 5. Dezember 2018 an die Große Beschwerdekammer des EPA durch den Präsidenten des EPA(7),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz(8) (im Folgenden „Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates“), insbesondere auf Artikel 15 Buchstabe c, in dem die Ausnahmeregelung für Züchter festgelegt ist,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich des Handels mit nachgeahmten Waren (TRIPS), insbesondere auf Artikel 27 Absatz 3,
– gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der ungehinderte Zugang zu Pflanzenmaterial (einschließlich Pflanzenmerkmalen) für die Innovationsfähigkeit der Pflanzenzüchtungsunternehmen und der Landwirtschaftszweige in der Union, für deren Wettbewerbsfähigkeit und für die Entwicklung neuer Pflanzensorten unabdingbar ist, damit weltweit für Ernährungssicherheit gesorgt ist, der Klimawandel eingedämmt wird und die Bildung von Monopolen in der Zuchtbranche verhindert wird sowie gleichzeitig KMU und Landwirten mehr Möglichkeiten eröffnet werden;
B. in der Erwägung, dass Beschränkungen oder Versuche, den Zugang zu genetischen Ressourcen zu verhindern, zu einer übermäßigen Marktkonzentration im Bereich Pflanzenzucht führen können, was dem Wettbewerb auf dem Markt, den Verbrauchern, dem europäischen Binnenmarkt und der Ernährungssicherheit zum Nachteil gereicht;
C. in der Erwägung, dass durch Patente auf Erzeugnisse, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen werden, oder auf genetisches Material, das für die konventionelle Züchtung notwendig ist, die Ausnahme im Sinne von Artikel 53 Buchstabe b des EPÜ und Artikel 4 der Richtlinie 98/44/EG ausgehöhlt wird;
D. in der Erwägung, dass mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnene Erzeugnisse, beispielsweise Pflanzen, Saatgut, arteigene Merkmale und Gene, nicht patentierbar sein dürfen;
E. in der Erwägung, dass die Pflanzen- und Tierzucht ein Prozess ist, der seit der Entstehung der Landwirtschaft von Landwirten und bäuerlichen Gemeinschaften angewandt wird, und in der Erwägung, dass die uneingeschränkte Nutzung von Sorten und Zuchtverfahren für die genetische Vielfalt wichtig ist;
F. in der Erwägung, dass in der Richtlinie 98/44/EG biotechnologische Erfindungen und insbesondere die Gentechnik geregelt werden;
G. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 8. November 2016 die Ansicht vertrat, dass der EU-Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 98/44/EG beabsichtigte, Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, von der Patentierbarkeit auszuschließen;
H. in der Erwägung, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 3. Februar 2017 die Mitteilung der Kommission begrüßte; in der Erwägung, dass alle beteiligten EU-Gesetzgebungsorgane ausdrücklich klargestellt haben, dass der EU-Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 98/44/EG beabsichtigte, Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, von der Patentierbarkeit auszuschließen;
I. in der Erwägung, dass der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation am 29. Juni 2017 die Regeln 27 und 28 der Ausführungsordnung zum EPÜ änderte(9) und festlegte, dass Patente auf Pflanzen und Tiere, die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren hervorgehen, verboten sind;
J. in der Erwägung, dass die 38 Vertragsstaaten des EPÜ bestätigten, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten seien so ausgestaltet, dass Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, tatsächlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien;
K. in der Erwägung, dass die Vertragsstaaten des EPÜ ihre Besorgnis über die Rechtsunsicherheit geäußert haben, die durch die Entscheidung T 1063/18(10) der Technischen Beschwerdekammer 3.3.04 vom 5. Dezember 2018 verursacht wurde;
L. in der Erwägung, dass diese Entscheidung vom Präsidenten des EPA während der 159. Tagung des Verwaltungsrats im März 2019 der Großen Beschwerdekammer des EPA vorgelegt wurde;
M. in der Erwägung, dass zahlreiche Anmeldungen von Erzeugnissen, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, beim EPA zur Entscheidung anhängig sind, wodurch die Antragsteller ebenso wie alle diejenigen, die von diesen Patenten betroffen sein werden, ganz dringend Rechtssicherheit hinsichtlich der Gültigkeit von Regel 28 Absatz 2 benötigen;
N. in der Erwägung, dass ein Grundprinzip des auf dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Übereinkommen) von 1991 beruhenden internationalen Sortenschutzes und der auf die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates gestützten EU-Regelung besagt, dass der Inhaber eines Sortenschutzrechts andere nicht daran hindern kann, eine patentrechtlich geschützte Pflanzensorte für weitere Züchtungen zu verwenden;
1. äußert sich zutiefst besorgt angesichts der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.04 des EPA vom 5. Dezember 2018 (T 1063/18), die Rechtsunsicherheit verursacht;
2. bekräftigt, dass gemäß der Richtlinie 98/44/EG und im Einklang mit der Absicht des EU-Gesetzgebers Pflanzensorten und Tierrassen, einschließlich Teilen und Merkmalen, im Wesentlichen biologische Verfahren und mittels derartiger Verfahren gewonnene Erzeugnisse keinesfalls patentierbar sein dürfen;
3. vertritt die Auffassung, dass die internen Beschlussfassungsverfahren des EPA keinesfalls die demokratische politische Kontrolle des europäischen Patentrechts und seiner Auslegung bzw. die Absicht des Gesetzgebers gemäß der Mitteilung der Kommission vom 8. November 2016 über bestimmte Artikel der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen untergraben dürfen;
4. vertritt die Auffassung, dass durch Versuche, Erzeugnisse aus herkömmlicher Züchtung, einschließlich Kreuzung und Selektion, oder genetisches Material, das für die konventionelle Züchtung notwendig ist, patentieren zu lassen, die Ausnahme im Sinne von Artikel 53 Buchstabe b EPÜ und Artikel 4 der Richtlinie 98/44/EG ausgehöhlt wird;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um hinsichtlich des Verbots der Patentierbarkeit von Erzeugnissen, die mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen werden, durch das EPA Rechtsklarheit zu schaffen;
6. begrüßt, dass in der Mitteilung der Kommission vom 8. November 2016 klargestellt wird, dass der EU-Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 98/44/EG die Absicht hatte, Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, von der Patentierbarkeit auszuschließen; begrüßt die Angleichung der Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten in den Vertragsstaaten des EPÜ und die Entscheidung des Verwaltungsrats des EPA, um die Klarstellung des Rechtsrahmens und der Auslegung von Artikel 53 Buchstabe b EPÜ im Hinblick auf Ausnahmen von der Patentierbarkeit zu ersuchen;
7. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Innovationsfähigkeit der Pflanzenzüchtungsunternehmen in der Union und das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass die Union auch künftig den garantierten Zugang zu und die Verwendung von Material, das mittels im Wesentlichen biologischer Verfahren gewonnen wurde, für die Pflanzenzucht wirksam aufrechterhält, damit – falls anwendbar – die Praxis der Gewährung der Ausnahme für Züchter und die Rechte von Landwirten nicht beeinträchtigt werden;
8. fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, der Großen Beschwerdekammer des EPA vor dem 1. Oktober 2019 einen Amicus-Curiae-Vermerk zu übermitteln, in dem sie die in ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2016 getroffenen Feststellungen bekräftigt, wonach der EU-Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 98/44/EG die Absicht hatte, Erzeugnisse, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen werden, von der Patentierbarkeit auszuschließen;
9. fordert die Große Beschwerdekammer des EPA auf, im Interesse der Züchter, der Landwirte und der Öffentlichkeit umgehend wieder Rechtssicherheit herzustellen, indem sie die Fragen, die ihr vom Präsidenten des EPA vorgelegt wurden, positiv beantwortet;
10. fordert die Kommission auf, bei der Aushandlung von Handels- und Partnerschaftsabkommen mit Drittländern konkret dafür einzutreten, dass im Wesentlichen biologische Verfahren und mittels derartiger Verfahren gewonnene Erzeugnisse von der Patentierbarkeit ausgenommen bleiben;
11. fordert die Kommission auf, sich im Zusammenhang mit den Debatten über die Harmonisierung des multilateralen Patentrechts dafür einzusetzen, dass im Wesentlichen biologische Verfahren und mittels derartiger Verfahren gewonnene Erzeugnisse nicht patentierbar sind;
12. fordert die Kommission auf, über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie Bericht zu erstatten, wie es gemäß Artikel 16 Buchstabe c der Richtlinie 98/44/EG vorgeschrieben ist und es das Parlament in seiner Entschließung vom 17. Dezember 2015 zu Patenten und den Rechten von Pflanzenzüchtern gefordert hat, und Probleme im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich des Patentschutzes weiter zu prüfen;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission bis zum 1. Oktober 2019 zur Aufnahme in eine schriftliche Erklärung an die Großen Beschwerdekammer des EPA und dem Rat zu übermitteln.
Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zur Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas (2019/2819(RSP))
– unter Hinweis auf die universellen Grundsätze der Menschenrechte und die Grundprinzipien der Europäischen Union als einer auf gemeinsamen Werten beruhenden Gemeinschaft,
– unter Hinweis auf die am 22. August 2019 abgegebene Erklärung des Ersten Vizepräsidenten Timmermans und des Kommissionsmitglieds Jourová im Vorfeld des Europäischen Tags des Gedenkens an die Opfer aller totalitären und autoritären Regime,
– unter Hinweis auf die am 10. Dezember 1948 angenommene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Mai 2005 zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945(1),
– unter Hinweis auf die Resolution 1481 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. Januar 2006 zur Notwendigkeit der internationalen Verurteilung von Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime,
– unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit(2),
– unter Hinweis auf die am 3. Juni 2008 angenommene Prager Erklärung zu Europas Gewissen und zum Kommunismus,
– unter Hinweis auf die von ihm am 23. September 2008 angenommene Erklärung zur Ausrufung des 23. August zum Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus(3),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 2. April 2009 zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus(4),
– unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 22. Dezember 2010 zum Gedenken an die Verbrechen totalitärer Regime in Europa (COM(2010)0783),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 9. und 10. Juni 2011 zum Gedenken an die Verbrechen totalitärer Regime in Europa,
– unter Hinweis auf die Warschauer Erklärung vom 23. August 2011 zum Gedenktag für die Opfer totalitärer Regime,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der Regierungsvertreter der EU-Mitgliedstaaten vom 23. August 2018 zum Gedenken an die Opfer des Kommunismus,
– unter Hinweis auf seine historische Entschließung vom 13. Januar 1983 zur Lage in Estland, Lettland und Litauen, die eine Reaktion auf den „Baltischen Appell“ von 45 Staatsangehörigen dieser Länder war,
– unter Hinweis auf die Entschließungen und Erklärungen verschiedener nationaler Parlamente zu den Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime,
– gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der menschliches Leid in einem nie dagewesenen Umfang mit sich brachte und zur jahrzehntelangen Besetzung von Ländern in Europa führte, in diesem Jahr zum 80. Mal jährt;
B. in der Erwägung, dass vor 80 Jahren, am 23. August 1939, die kommunistische Sowjetunion und das nationalsozialistische Deutsche Reich den als Hitler-Stalin-Pakt bekannten Nichtangriffspakt und dessen Geheimprotokolle unterzeichneten, womit die beiden totalitären Regime Europa und die Hoheitsgebiete unabhängiger Staaten untereinander aufteilten und in Interessensphären einteilten und damit die Weichen für den Zweiten Weltkrieg stellten;
C. in der Erwägung, dass eine unmittelbare Folge des Hitler-Stalin-Pakts zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion, dem am 28. September 1939 der Grenz- und Freundschaftsvertrags zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion folgte, darin bestand, dass die Republik Polen zuerst von Hitler und zwei Wochen später von Stalin überfallen wurde – wodurch das Land seine Unabhängigkeit einbüßte und eine beispiellose Tragödie für das polnische Volk ihren Anfang nahm –, dass die kommunistische Sowjetunion am 30. November 1939 einen Angriffskrieg gegen Finnland begann, im Juni 1940 Teile Rumäniens besetzte und annektierte – die seitdem nicht an Rumänien zurückgegeben worden sind – und sich die unabhängigen Republiken Litauen, Lettland und Estland einverleibte;
D. in der Erwägung, dass nach der Niederlage des nationalsozialistischen Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkriegs einige europäische Länder in der Lage waren, ihre Eigenstaatlichkeit wiederzuerlangen und einen Prozess der Aussöhnung einzuleiten, während andere europäische Länder ein halbes Jahrhundert lang Diktaturen blieben – einige davon unmittelbar von der Sowjetunion besetzt oder unter direktem sowjetischem Einfluss – und ihnen Freiheit, Souveränität, Würde, Menschenrechte und sozioökonomische Entwicklung weiterhin versagt blieben;
E. in der Erwägung, dass zwar die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes in den Nürnberger Prozessen aufgeklärt und entsprechende Strafen verhängt wurden, das Bewusstsein für die Verbrechen der stalinistischen und anderer Diktaturen jedoch nach wie vor dringend geschärft werden muss und moralische und rechtliche Bewertungen dieser Diktaturen vorgenommen werden müssen;
F. in der Erwägung, dass die kommunistische und die nationalsozialistische Ideologie in einigen Mitgliedstaaten gesetzlich verboten sind;
G. in der Erwägung, dass die europäische Integration von Beginn an eine Reaktion auf das Leid war, das durch zwei Weltkriege und die Tyrannei des Nationalsozialismus verursacht wurde, die zum Holocaust sowie zur Ausbreitung totalitärer und undemokratischer kommunistischer Regime in Mittel- und Osteuropa führten, und ein Weg zur Überwindung tiefer Spaltungen und Feindseligkeiten in Europa im Wege der Zusammenarbeit und Integration sowie zur Abkehr vom Krieg und zur Sicherung der Demokratie in Europa; in der Erwägung, dass für die europäischen Länder, die unter sowjetischer Besetzung und kommunistischen Diktaturen gelitten haben, die Erweiterung der EU seit 2004 bedeutete, dass sie in die Familie der europäischen Staaten zurückkehrten, zu der sie gehören;
H. in der Erwägung, dass die Erinnerung an die tragische Vergangenheit Europas wachgehalten werden muss, um die Opfer zu ehren, die Täter zu verurteilen und die Fundamente für eine Aussöhnung auf der Grundlage von Wahrheit und Erinnerung zu legen;
I. in der Erwägung, dass es von entscheidender Bedeutung für die Einheit Europas und seiner Bevölkerung und für die Stärkung der Widerstandskraft Europas gegen die aktuellen Bedrohungen von außen ist, dass der Opfer totalitärer und autoritärer Regime gedacht wird und dass das gemeinsame europäische Erbe der von kommunistischen, nationalsozialistischen und anderen Diktaturen begangenen Verbrechen anerkannt und das Bewusstsein für dieses Erbe geschärft wird;
J. in der Erwägung, dass sich vor 30 Jahren am 23. August 1989 zum Gedenken an den 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts und an die Opfer totalitärer Regime zwei Millionen Litauer, Letten und Esten bei einer beispiellosen Demonstration, dem „Baltischen Weg“, die Hände reichten, um eine Menschenkette zu bilden, die sich von Vilnius über Riga bis Tallinn erstreckte;
K. in der Erwägung, dass die russischen Stellen ungeachtet dessen, dass der Kongress der Volksdeputierten der UdSSR am 24. Dezember 1989 die Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts und anderer mit dem nationalsozialistischen Deutschland geschlossener Abkommen verurteilte, im August 2019 die Verantwortung für dieses Abkommen und seine Folgen bestritten haben und derzeit die Auffassung vertreten, dass Polen, die baltischen Staaten und der Westen die wahren Initiatoren des Zweiten Weltkriegs sind;
L. in der Erwägung, dass es von entscheidender Bedeutung für die Einheit Europas und seiner Bevölkerung und für die Stärkung der Widerstandskraft Europas gegen die aktuellen Bedrohungen von außen ist, dass der Opfer totalitärer und autoritärer Regime gedacht wird und dass das gemeinsame europäische Erbe der von kommunistischen, nationalsozialistischen und anderen Diktaturen begangenen Verbrechen anerkannt und das Bewusstsein für dieses Erbe geschärft wird;
M. in der Erwägung, dass unverhüllt radikale, rassistische und fremdenfeindliche Gruppierungen und politische Parteien zu Hass und Gewalt in der Gesellschaft aufgestachelt haben, beispielsweise durch die Verbreitung von Hetze im Internet, die häufig zu einer Zunahme von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz führt;
1. erinnert daran, dass gemäß Artikel 2 EUV die Werte, auf die sich die Europäische Union gründet, die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, sind; in der Erwägung, dass diese Werte allen Mitgliedstaaten gemein sind;
2. betont, dass der Zweite Weltkrieg, der verheerendste Krieg in der Geschichte Europas, als unmittelbare Folge des auch als „Hitler-Stalin-Pakt“ bezeichneten berüchtigten Nichtangriffsvertrags zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der Sowjetunion vom 23. August 1939 und seiner geheimen Zusatzprotokolle ausbrach, in deren Rahmen die beiden gleichermaßen das Ziel der Welteroberung verfolgenden totalitären Regime Europa in zwei Einflussbereiche aufteilten;
3. erinnert daran, dass das nationalsozialistische und das kommunistische Regime Massenmorde, Völkermord und Deportationen durchführten und im 20. Jahrhundert einen in der Geschichte der Menschheit nie dagewesenen Verlust an Menschenleben und Freiheit verursachten, und gemahnt an das von den Nationalsozialisten verübte abscheuliche Verbrechen des Holocausts; verurteilt in aller Schärfe die Akte der Aggression, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die massenhaften Menschenrechtsverletzungen, die von Nationalsozialisten, Kommunisten und anderen totalitären Regimen begangen wurden;
4. gibt seinem tief empfundenen Respekt für jedes einzelne Opfer dieser totalitären Regime Ausdruck und fordert alle EU-Organe und Akteure auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit abscheulicher totalitärer Verbrechen gegen die Menschlichkeit und systematischer schwerer Menschenrechtsverletzungen gedacht wird und diese Handlungen gerichtlich verfolgt werden, und dafür zu sorgen, dass es nie wieder zu derlei Verbrechen kommt; betont, wie wichtig es ist, die Erinnerung an die Vergangenheit lebendig zu halten, da es ohne Erinnerungsarbeit keine Aussöhnung geben kann, und bekräftigt sein gemeinsames Eintreten gegen jegliche totalitäre Herrschaft, unabhängig von ihrem ideologischen Hintergrund;
5. fordert alle Mitgliedstaaten der EU auf, eine eindeutige und auf Grundsätzen beruhende Beurteilung der Verbrechen und Akte von Aggression vorzunehmen, die von den totalitären kommunistischen Regimen und dem nationalsozialistischen Regime begangen wurden;
6. verurteilt sämtliche Ausdrucksformen und jegliche Verbreitung totalitärer Ideologien wie des Nationalsozialismus und Stalinismus in der EU;
7. verurteilt, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten Geschichtsrevisionismus betrieben wird und Personen verherrlicht werden, die mit den Nationalsozialisten kollaborierten; ist bestürzt über die zunehmende Akzeptanz radikaler Ideologien und die Rückkehr von Faschismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen von Intoleranz in der Europäischen Union, und ist besorgt darüber, dass es Berichten zufolge in einigen Mitgliedstaaten zu Absprachen von führenden Politikern, politischen Parteien und Strafverfolgungsbehörden mit radikalen, rassistischen und fremdenfeindlichen Bewegungen unterschiedlicher politischer Couleur gekommen sein soll; fordert die Mitgliedstaaten auf, derlei Handlungen aufs Schärfste zu verurteilen, da sie die Werte der EU – Frieden, Freiheit und Demokratie – aushöhlen;
8. fordert alle Mitgliedstaaten auf, den 23. August sowohl unionsweit als auch auf nationaler Ebene als den Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer totalitärer Regime zu begehen und das Bewusstsein der jüngeren Generation für diese Problematik zu schärfen, indem die Geschichte der totalitären Regime und die Untersuchung ihrer Folgen in die Lehrpläne und die Schulbücher aller Schulen in der EU aufgenommen werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Dokumentation der konfliktreichen Vergangenheit Europas beispielsweise durch die Übersetzung der Verfahren der Nürnberger Prozesse in alle Amtssprachen der EU zu fördern;
9. fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Formen der Leugnung des Holocaust, wozu auch die Verharmlosung und Bagatellisierung der von den Nazis und ihren Kollaborateuren begangenen Verbrechen zählt, zu verurteilen und ihnen entgegenzuwirken und gegen Verharmlosung im politischen und medialen Diskurs vorzugehen;
10. fordert eine gemeinsame Erinnerungskultur, die die Verbrechen faschistischer, stalinistischer und anderer totalitärer und autoritärer Regime früherer Zeiten ablehnt, um die Widerstandskraft – insbesondere der jüngeren Generation – gegen aktuelle Bedrohungen der Demokratie zu stärken; legt den Mitgliedstaaten nahe, allgemeine kulturelle Bildungsmaßnahmen in Bezug auf die Vielfalt unserer Gesellschaft und unsere gemeinsame Geschichte zu fördern, wozu auch Bildungsmaßnahmen zu den im Zweiten Weltkrieg begangenen Gräueltaten, beispielsweise zum Holocaust, und zur jahrelang praktizierten systematischen Entmenschlichung der Opfer gehören;
11. fordert außerdem, dass der 25. Mai (der Jahrestag der Hinrichtung des Helden von Auschwitz, Rittmeister Witold Pilecki) zum Internationalen Tag der Helden des Kampfes gegen den Totalitarismus ausgerufen wird, um damit all jenen Respekt und Achtung zu zollen, die durch den Kampf gegen die Tyrannei Heldenmut und wahre Menschenliebe bewiesen haben, und auch künftigen Generationen ein klares Vorbild für die richtige Einstellung gegenüber der Bedrohung durch totalitäre Versklavung zu bieten;
12. fordert die Kommission auf, Projekte zum historischen Gedächtnis und Gedenken in den Mitgliedstaaten und die Tätigkeiten der Plattform für das Gedächtnis und das Gewissen Europas wirksam zu unterstützen und angemessene finanzielle Ressourcen im Rahmen des Programms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ zuzuweisen, um im Einklang mit dem Standpunkt des Parlaments zu dem Programm „Rechte und Werte“ für den Zeitraum 2021–2027 die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer des Totalitarismus zu unterstützen;
13. erklärt, dass die europäische Integration als Modell für Frieden und Aussöhnung auf der freien Entscheidung der Völker Europas beruht, sich zu einer gemeinsamen Zukunft zu bekennen, und dass der Europäischen Union besondere Verantwortung für die Förderung und die Sicherung der Demokratie sowie die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union zukommt;
14. betont, dass die Länder Mittel- und Osteuropas durch ihren Beitritt zur EU und zur NATO nicht nur in die europäische Familie freier demokratischer Länder zurückgekehrt sind, sondern auch Erfolge bei der – von der EU unterstützten – Durchführung von Reformen und im Bereich der sozioökonomischen Entwicklung vorweisen können; betont jedoch, dass diese Möglichkeit anderen europäischen Ländern auch künftig offenstehen sollte, wie in Artikel 49 EUV vorgesehen;
15. ist der Ansicht, dass Russland noch immer das größte Opfer des kommunistischen Totalitarismus ist und dass es so lange kein demokratischer Staat wird, wie die Regierung, die politische Elite und die politische Propaganda nicht nachlassen, die kommunistischen Verbrechen zu verharmlosen und das totalitäre Sowjetregime zu verherrlichen; fordert deshalb die russische Gesellschaft auf, ihre tragische Vergangenheit aufzuarbeiten;
16. ist zutiefst besorgt angesichts der Bemühungen der derzeitigen russischen Führung, historische Tatsachen zu verfälschen und die vom totalitären Regime der Sowjetunion begangenen Verbrechen schönzufärben, betrachtet diese Bemühungen als eine gefährliche Komponente des Informationskriegs gegen das demokratische Europa, der auf die Spaltung des Kontinents abzielt, und fordert die Kommission daher auf, diesen Bemühungen entschlossen entgegenzuwirken;
17. ist besorgt darüber, dass nach wie vor Symbole totalitärer Regime in der Öffentlichkeit und zu kommerziellen Zwecken verwendet werden, und weist darauf hin, dass zahlreiche europäische Staaten die Verwendung nationalsozialistischer und kommunistischer Symbole verboten haben;
18. weist darauf hin, dass es im öffentlichen Raum einiger Mitgliedstaaten (z. B. in Parks, auf Plätzen oder in Straßen) noch immer Denkmäler und Gedenkstätten gibt, die totalitäre Regime verherrlichen, was der Verfälschung historischer Tatsachen über die Ursachen, den Verlauf und die Folgen des Zweiten Weltkriegs Tür und Tor öffnet;
19. verurteilt, dass extremistische und fremdenfeindliche politische Kräfte in Europa derzeit immer häufiger historische Tatsachen verfälschen und sich Symbolen und rhetorischer Figuren bedienen, die Aspekte totalitärer Propaganda aufgreifen, etwa Rassismus, Antisemitismus und Hass gegenüber sexuellen und anderen Minderheiten;
20. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Vorschriften des Rahmenbeschlusses des Rates einzuhalten, um gegen Organisationen vorzugehen, die in der Öffentlichkeit und im Internet hetzen und zu Gewalt anstiften, und neofaschistische und neonazistische Gruppierungen und alle anderen Stiftungen oder Vereinigungen, die Nationalsozialismus und Faschismus oder jede andere Form von Totalitarismus verherrlichen, unter Achtung der innerstaatlichen Rechtsordnung und Rechtsprechung wirksam zu verbieten;
21. betont, dass die tragische Vergangenheit Europas auch künftig als moralische und politische Inspiration dienen sollte, sich den Herausforderungen der Welt von heute zu stellen, wozu der Kampf für eine gerechtere Welt, die Schaffung offener und toleranter Gesellschaften und Gemeinschaften, in denen ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten vertreten sind, und die praktische Umsetzung der europäischen Werte für alle Menschen zählen;
22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der russischen Duma und den Parlamenten der Länder der Östlichen Partnerschaft zu übermitteln.
Stand der Umsetzung der Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche
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Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. September 2019 zum Stand der Umsetzung der Rechtsvorschriften der Union zur Bekämpfung von Geldwäsche (2019/2820(RSP))
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG(1) des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (vierte Geldwäscherichtlinie)(2), geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU (fünfte Geldwäscherichtlinie)(3),
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von Vorschriften zur Erleichterung der Nutzung von Finanz- und sonstigen Informationen für die Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung bestimmter Straftaten und zur Aufhebung des Beschlusses 2000/642/JI des Rates(4), die Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche(5) und die Verordnung (EU) 2018/1672 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Union oder aus der Union verbracht werden, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005(6);
– unter Hinweis auf das am 24. Juli 2019 angenommene Paket der Kommission zur Bekämpfung der Geldwäsche, das eine politische Mitteilung mit dem Titel „Wege zu einer besseren Umsetzung des Rechtsrahmens der EU für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ (COM(2019)0360), den Bericht über die Bewertung aktueller Fälle von mutmaßlicher Geldwäsche unter Beteiligung von Kreditinstituten aus der EU („post mortem“) (COM(2019)0373), den Bericht über die Bewertung der mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten im Zusammenhang stehenden Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung für den Binnenmarkt („supranationale Risikobewertung“) (COM(2019)0370) und die begleitende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD(2019)0650) sowie den Bericht über die Vernetzung der zentralen automatischen Mechanismen (zentrale Register oder zentrale elektronische Datenabrufsysteme) der Mitgliedstaaten für Bankkonten (COM(2019)0372) umfasst,
– unter Hinweis auf die am 24. Juli 2019 veröffentlichte Stellungnahme der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zu Mitteilungen an beaufsichtigte Unternehmen betreffend Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung bei der Finanzaufsicht,
– unter Hinweis auf den Fahrplan der Kommission mit dem Titel „Towards a new methodology for the EU assessment of High Risk Third Countries under Directive (EU) 2015/849 on the prevention of the use of the financial system for the purposes of money laundering or terrorist financing“ (Hin zu einer neuen Methode für die EU-Bewertung von Drittländern mit hohem Risiko gemäß der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung),
– unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 22. Juni 2018 mit dem Titel „Methodology for identifying high risk third countries under Directive (EU) 2015/849“ (Methode für die Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko gemäß der Richtlinie (EU) 2015/849) (SWD(2018)0362),
– unter Hinweis auf die vier Delegierten Verordnungen (EU) 2016/1675, (EU) 2018/105, (EU) 2018/212 und (EU) 2018/1467 der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko, die strategische Mängel aufweisen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zur Dringlichkeit einer Schwarzen Liste der EU mit Drittstaaten im Einklang mit der Geldwäscherichtlinie(7);
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. März 2019 zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung(8),
– unter Hinweis auf die Aussprache mit der Kommission und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, die am 5. September 2019 im Ausschuss für Wirtschaft und Währung stattfand,
– gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Rahmen der Union für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch die Annahme der vierten Geldwäscherichtlinie im Mai 2015 und der fünften Geldwäscherichtlinie im April 2018 und durch die Festlegung der entsprechenden Fristen für die Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten bis Juni 2017 bzw. Januar 2020 sowie durch andere begleitende Rechtsakte und Maßnahmen sukzessive gestärkt wurde;
B. in der Erwägung, dass der Anteil verdächtiger Finanztätigkeiten – etwa Geldwäsche in Verbindung mit Korruption, Waffenhandel, Menschenhandel, Drogenhandel, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, Terrorismusfinanzierung oder andere illegale Aktivitäten, die sich auf den Alltag der Unionsbürger auswirken, – am jährlichen BIP der Union laut Europol bei ganzen 0,7 bis 1,28 % liegt(9);
C. in der Erwägung, dass die Kommission gemäß Artikel 9 der vierten Geldwäscherichtlinie befugt ist, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um Drittländer mit hohem Risiko zu ermitteln, wobei in verschiedenen Bereichen bestehenden strategischen Mängeln Rechnung zu tragen ist; in der Erwägung, dass das Parlament die Einführung einer neuen Methode durch die Kommission unterstützt, bei der zur Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko, die strategische Mängel bei der Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung von Terrorismus aufweisen und eine Gefahr für das Finanzsystem der EU darstellen, weshalb die Verpflichteten der EU in dieser Hinsicht gemäß der vierten und der fünften Geldwäscherichtlinie verstärkte Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden ergreifen müssen, nicht ausschließlich auf externe Informationsquellen zurückgegriffen wird;
D. in der Erwägung, dass die am 15. Dezember 2007 in Kraft getretene dritte Geldwäscherichtlinie durch die Annahme der vierten Geldwäscherichtlinie aufgehoben wurde; in der Erwägung, dass die Umsetzung mehrerer Bestimmungen der dritten Geldwäscherichtlinie, die unter anderem die angemessene Ausstattung der zuständigen einzelstaatlichen Behörden mit Befugnissen und Personal betreffen, in der Vergangenheit nicht in geeigneter Weise überprüft wurde und bei den laufenden Überprüfungen der Vollständigkeit und Richtigkeit und den Vertragsverletzungsverfahren, die von der Kommission im Rahmen der Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie durchgeführt werden, als vorrangig erachtet werden sollte;
E. in der Erwägung, dass der Rat und das Parlament drei vorgeschlagene delegierte Änderungsverordnungen(10) abgelehnt haben, weil entweder die Vorschläge nicht im Wege eines transparenten und belastbaren Verfahrens erstellt wurden, das betroffenen Ländern starke Anreize für entschlossenes Handeln bietet und gleichzeitig auch ihr Recht auf Anhörung wahrt, oder das Verfahren der Kommission zur Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko nicht hinreichend unabhängig war;
F. in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Februar 2019 eine neue Liste mit 23 Drittländern verabschiedet hat, deren System zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bei Anwendung der neuen Methode strategische Mängel aufweist, nämlich Afghanistan, Amerikanisch-Samoa, die Amerikanischen Jungferninseln, Äthiopien, die Bahamas, Botsuana, die Demokratische Volksrepublik Korea, Ghana, Guam, Irak, Iran, Jemen, Libyen, Nigeria, Pakistan, Panama, Puerto Rico, Samoa, Saudi-Arabien, Sri Lanka, Syrien, Trinidad und Tobago und Tunesien; in der Erwägung, dass der Rat diesen delegierten Rechtsakt am 7. März 2019 im Rat „Justiz und Inneres“ abgelehnt hat;
G. in der Erwägung, dass die Kommission gegen die meisten Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie in nationales Recht eingeleitet hat;
H. in der Erwägung, dass die Kommission am 24. Juli 2019 ein Paket zur Geldwäschebekämpfung verabschiedet hat, in dem das Parlament und der Rat über bisherige Erfolge und verbleibende Schwachstellen im Unionsrahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterrichtet werden und mit dem der Kurs für weitere Verbesserungen bei der Durchsetzung und Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften und für mögliche künftige gesetzgeberische und institutionelle Reformen abgesteckt wird;
I. in der Erwägung, dass der Vorsitzende der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), José Manuel Campa, bei der Aussprache mit der Kommission und der EBA, die am 5. September 2019 im Ausschuss für Wirtschaft und Währung stattfand, erklärte, dass die EBA keine Aufsichtsbehörde im Bereich der Geldwäschebekämpfung sei, sondern dass ihr Mandat als Behörde vielmehr darin bestehe, Leitlinien zur Förderung von Zusammenarbeit und Koordinierung bereitzustellen und die Umsetzung der Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche zu bewerten; in der Erwägung, dass er außerdem unterstrich, dass die Hauptverantwortung für die Umsetzung bei den einzelstaatlichen Behörden liege;
J. in der Erwägung, dass laut der Mitteilung der Kommission vom 24. Juli 2019 mit dem Titel „Wege zu einer besseren Umsetzung des Rechtsrahmens der EU für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ eine weitere Harmonisierung des Regelwerks zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erwogen werden könnte, etwa indem die Geldwäscherichtlinie in eine Verordnung umgewandelt wird, die das Potenzial hätte, einen harmonisierten, direkt anwendbaren Unionsrahmen für die Bekämpfung der Geldwäsche zu schaffen;
K. in der Erwägung, dass die Bewertungen nach Angaben der Kommission in der vorgenannten Mitteilung einen Bedarf nach einem stärkeren Koordinierungs- und Unterstützungsmechanismus für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Analyse durch die zentralen Meldestellen aufgezeigt haben;
1. ist äußerst besorgt angesichts der mangelhaften Umsetzung der vierten Geldwäscherichtlinie durch etliche Mitgliedstaaten; begrüßt daher, dass die Kommission auf der Grundlage der Ergebnisse ihrer Vollständigkeitsprüfungen Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten eingeleitet hat; fordert die Kommission auf, gründliche Richtigkeitsprüfungen möglichst rasch abzuschließen und bei Bedarf Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten; fordert jene Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, die vierte Geldwäscherichtlinie so bald wie möglich ordnungsgemäß in ihr nationales Recht umzusetzen;
2. fürchtet, dass die Frist für die Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie, die am 10. Januar 2020 endet, und die entsprechenden Fristen, die für die Register wirtschaftlicher Eigentümer für gesellschaftliche und andere juristischen Personen sowie für Trusts und ähnliche Rechtsvereinbarungen gelten und die am 10. Januar 2020 bzw. am 10. März 2020 enden, von den Mitgliedstaaten nicht eingehalten werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um den Umsetzungsprozess zu beschleunigen;
3. würdigt die Empfehlung des für die Verletzung von Unionsrecht zuständigen Gremiums (Breach of Union Law Panel) der EBA, die bei der Aussprache mit dem Vorsitzenden der EBA, José Manuel Campa, im Ausschuss für Wirtschaft und Währung vom 5. September 2019 zu dem Geldwäschefall bei der Danske Bank, bei dem es sich mit verdächtigen Transaktionen im Umfang von über 200 Mrd. EUR um den bislang größten bekannten Fall dieser Art in der EU handelt, abgegeben wurde; bedauert, dass die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten als stimmberechtigte Mitglieder des Rates der Aufseher der EBA einen Vorschlag für eine Empfehlung im Falle einer Verletzung von Unionsrecht abgelehnt haben; fordert die Kommission auf, den Fall weiter zu verfolgen und ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sofern dies gerechtfertigt ist;
4. ist zutiefst besorgt angesichts des zersplitterten Regelungs- und Aufsichtsrahmens im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, dessen Eignung in Anbetracht der ständig zunehmenden grenzüberschreitenden Vorgänge in der Union und der zentralisierten Aufsicht in der Bankenunion und in Nichtbankensektoren Zweifel aufkommen lässt;
5. betont, dass der aktuelle Unionsrahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an einer mangelhaften Durchsetzung von EU-Vorschriften in Verbindung mit einer fehlenden effizienten Aufsicht leidet; hebt hervor, dass immer wieder betont wird, dass Rechtsvorschriften mit „Mindestnormen“ im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eine wirksame Aufsicht, den reibungslosen Informationsaustausch und die Koordinierung gefährden könnten; fordert die Kommission auf, im Zusammenhang mit der obligatorischen Folgenabschätzung für jede künftige Überarbeitung der Rechtsvorschriften im Bereich der Geldwäschebekämpfung der Frage nachzugehen, ob sich eine Verordnung besser eignen würde als eine Richtlinie;
6. weist darauf hin, dass es – wie im Kommissionsbericht hervorgehoben – einer besseren EU-weiten Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungs-, Justiz- und Strafverfolgungsbehörden und insbesondere den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten bedarf; fordert die Kommission erneut auf, in nächster Zeit eine Folgenabschätzung durchzuführen, in der die Möglichkeit und Angemessenheit der Einrichtung eines Koordinierungs- und Unterstützungsmechanismus bewertet wird; vertritt die Auffassung, dass Initiativen, durch die Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten durchgesetzt werden könnten, stärker vorangetrieben werden sollten;
7. nimmt die Einschätzung der Kommission in ihrem Post-mortem-Bericht vom 24. Juli 2019 zur Kenntnis, wonach bestimmte Aufsichtsaufgaben im Bereich der Geldwäschebekämpfung auf eine Einrichtung der Union übertragen werden könnten;
8. ist der Ansicht, dass zur Wahrung der Integrität der Liste der Drittländer mit hohem Risiko die Überprüfung und die Entscheidungsfindung nicht von Erwägungen beeinflusst werden sollten, die über die Defizite bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hinausgehen; hebt hervor, dass die Fähigkeit der EU-Organe, wirksam und unabhängig gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang mit der EU vorzugehen, nicht durch Lobbyismus und diplomatischen Druck untergraben werden sollte; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit, analog zu der Methode der Union, die in Steuerangelegenheiten nicht kooperativen Länder und Gebiete aufzulisten, eine „graue Liste“ von Drittländern mit möglicherweise hohem Risiko zu erstellen, eingehender zu prüfen; befürchtet, dass die Dauer des zwölf Monate währenden Verfahrens zur Ermittlung von Drittländer mit strategischen Mängeln, das in die endgültige Bewertung mündet, unnötige Verzögerungen bei wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zur Folge haben könnte;
9. fordert die Kommission auf, für ein transparentes Verfahren mit klaren und konkreten Richtwerten für Länder zu sorgen, die sich verpflichten, Reformen durchzuführen, um nicht in die Liste aufgenommen zu werden; fordert die Kommission ferner auf, ihre ursprünglichen und abschließenden Bewertungen der gelisteten Länder wie auch die verwendeten Richtwerte zu veröffentlichen, damit für eine öffentliche Kontrolle dergestalt gesorgt wird, dass eine missbräuchliche Verwendung nicht möglich ist;
10. fordert, dass das betreffende Referat der zuständigen Generaldirektion mit mehr personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet wird, und begrüßt dass die Ressourcen für die EBA aufgestockt wurden;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (dritte Geldwäscherichtlinie), ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15.