Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2020 zu Kinderarbeit in Bergwerken in Madagaskar (2020/2552(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Madagaskar, insbesondere jene vom 9. Juni 2011(1) und vom 16. November 2017(2),
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes von 1924 und ihre Verabschiedung durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1959,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der EU für den Schutz der Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Schutz der Rechte des Kindes eines der Ziele der EU in ihrer Innen- und Außenpolitik ist,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 6. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung und das Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 1. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit,
– unter Hinweis auf seinen am 16. März 2017 in erster Lesung angenommenen Standpunkt zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Unionssystems zur Selbstzertifizierung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette durch verantwortungsvolle Einführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten(3) (die Verordnung über Mineralien aus Konfliktgebieten),
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „die Charta“),
– unter Hinweis auf den Ausschuss für die Rechte des Kindes,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juni 2016 zur Kinderarbeit,
– unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung,
– unter Hinweis auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte zur Umsetzung des Rahmenprogramms „Protect, Respect and Remedy“ (Schutz, Achtung und Abhilfe) der Vereinten Nationen von 2011,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2019 zu den Rechten des Kindes anlässlich des 30. Jahrestags des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes(4),
– unter Hinweis auf die Resolution der VN‑Generalversammlung vom 25. Juli 2019, mit der das Jahr 2021 zum Jahr der Abschaffung der Kinderarbeit ausgerufen wurde,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 10. Dezember 2019 zur Schaffung eines nachhaltigen Europas bis 2030(5),
– unter Hinweis auf die OECD-Leitsätze zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten einschließlich aller Anhänge und Ergänzungen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2016 zur Umsetzung der Empfehlungen des Parlaments von 2010 zu Sozial- und Umweltnormen, Menschenrechten und zur sozialen Verantwortung der Unternehmen(6),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2017 zu den Auswirkungen des internationalen Handels und der Handelspolitik der EU auf globale Wertschöpfungsketten(7),
– unter Hinweis auf die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP, 2011),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Bemerkung Nr. 24 (2017) des Ausschusses der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) über Staatenpflichten im Rahmen des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Zusammenhang mit Unternehmenstätigkeiten (E/C.12/GC/24),
– unter Hinweis auf die von UNICEF entwickelten Grundsätze zum Schutz und zur Förderung von Kinderrechten durch Unternehmen,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2016 zur EU und zu verantwortungsvollen globalen Wertschöpfungsketten,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 zur Verantwortlichkeit von Unternehmen für schwere Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten(8),
– unter Hinweis auf den November 2019 veröffentlichten Bericht der Internationalen Föderation Terre des Hommes über Kinderarbeit beim Abbau von Glimmer auf Madagaskar(9),
– unter Hinweis auf Artikel 26 des Abkommens von Cotonou,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass es in Artikel 32 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes heißt: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.“;
B. in der Erwägung, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes der am häufigsten ratifizierte Menschenrechtsvertrag ist und auch von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert wurde, und dass in dem Übereinkommen eindeutig festgelegt wird, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Rechte jedes Kindes in ihrem Hoheitsgebiet zu fördern, zu schützen und durchzusetzen;
C. in der Erwägung, dass es sich die Europäische Union zur Aufgabe gemacht hat, die Rechte des Kindes in ihrer Innen- und Außenpolitik zu fördern und zu schützen und das Völkerrecht, darunter das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und die dazugehörigen Fakultativprotokolle, einzuhalten(10);
D. in der Erwägung, dass in der Charta gefordert wird, dass bei allen EU-Maßnahmen das Kindeswohl Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben soll, Kinderarbeit verboten wird, indem festgelegt wird, dass das Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsleben das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten darf, und zur Arbeit zugelassene Jugendliche ihrem Alter angepasste Arbeitsbedingungen erhalten und vor wirtschaftlicher Ausbeutung und vor jeder Arbeit geschützt werden müssen, die ihre Sicherheit, ihre Gesundheit, ihre körperliche, geistige, sittliche oder soziale Entwicklung beeinträchtigen oder ihre Erziehung gefährden könnte;
E. in der Erwägung, dass in Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und Artikel 24 der Charta festgehalten wird, dass das Kind einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat und dass die Meinung des Kindes in den Angelegenheiten, die es betreffen, in einer seinem Alter und seinem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt wird;
F. in der Erwägung, dass sich die EU verpflichtet hat, Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung umzusetzen und ihre Ziele und Vorgaben, darunter das Ziel 8.7, zu erfüllen und „sofortige und wirksame Maßnahmen [zu] ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel [zu] beenden und das Verbot und die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des Einsatzes von Kindersoldaten, [sicherzustellen] und bis 2025 jeder Form von Kinderarbeit ein Ende [zu] setzen“(11);
G. in der Erwägung, dass weltweit etwa 152 Mio. Mädchen und Jungen zwischen fünf und 17 Jahren Kinderarbeit leisten(12), wobei der größte Anteil der arbeitenden Kinder in den am wenigsten entwickelten Ländern leben; in der Erwägung, dass Afrika mit 72,1 Mio. und Asien und der Pazifische Raum mit 62,1 Mio. Opfern von Kinderarbeit die Weltregionen sind, in denen die meisten Opfer von Kinderarbeit leben; in der Erwägung, dass Landwirtschaft, Dienstleistungen und Industrie die drei Branchen sind, in denen Kinderarbeit am weitesten verbreitet ist; in der Erwägung, dass es zwar gewisse Fortschritte beim Zurückdrängen der Kinderarbeit gegeben hat, dass nach Schätzungen der IAO aber 2025 immer noch 121 Mio. Jungen und Mädchen Kinderarbeit leisten werden, wenn der Rückgang weiter in dem jetzigen Tempo verläuft;
H. in der Erwägung, dass Artikel 3 Buchstabe d des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit gefährliche Kinderarbeit definiert als „Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist“; in der Erwägung, dass Madagaskar alle wesentlichen internationalen Verträge zur Kinderarbeit ratifiziert hat, darunter das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (mit seinen zwei Fakultativprotokollen), das IAO-Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter und das IAO-Übereinkommen Nr. 182 über die die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, in der Erwägung, dass die Regierung in Zusammenarbeit mit internationalen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Kinderarbeit in Madagaskar erstellt hat; in der Erwägung, dass diese Verpflichtungen und Maßnahmen nicht zu tatsächlichen Veränderungen für die Betroffenen geführt haben;
I. in der Erwägung, dass die Internationale Arbeitsorganisation in ihrer Definition von Kinderarbeit darauf hinweist, dass nicht jede von Kindern geleistete Arbeit als Kinderarbeit, die es zu beseitigen gilt, eingestuft werden sollte; in der Erwägung, dass die Mitwirkung von Kindern oder Jugendlichen an einer Tätigkeit, die weder ihre Gesundheit oder ihre persönliche Entwicklung beeinträchtigt noch ihre Schulausbildung behindert, im Allgemeinen als positiv betrachtet wird; in der Erwägung, dass die Agenda 2063 der Afrikanischen Union und der vor Kurzem unterzeichnete Zehnjahres-Aktionsplan zur Beseitigung von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Menschenhandel und moderner Sklaverei in Afrika (2020–2030) die afrikanischen Länder dazu verpflichten, im Einklang mit dem Nachhaltigkeitsziel 8.7 der Agenda 2030 der Vereinten Nationen jeder Form von Kinderarbeit auf dem Kontinent ein Ende zu setzen;
J. in der Erwägung, dass die am weitesten verbreitete Kategorie der schlimmsten Formen von Kinderarbeit die schädliche Kinderarbeit ist, von der etwa 73 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren betroffen sind, die in zahlreichen Branchen – darunter auch im Bergbau – unter gefährlichen Bedingungen eingesetzt werden(13); in der Erwägung, dass 2018 47 % aller madagassischen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren arbeiten mussten (davon geschätzt 86 000 im Bergbau)(14); in der Erwägung, dass der Bergbau die Branche mit den meisten Todesfällen bei Kindern ist, da dort durchschnittlich 32 von 100 000 Kindern im Alter von fünf bis 17 Jahren ums Leben kommen;
K. in der Erwägung, dass Madagaskar mit Blick auf die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, den fünften Rang weltweit einnimmt(15); in der Erwägung, dass die Hälfte aller madagassischen Kinder unter fünf Jahren unter Wachstumsstörungen leidet und nur 13 % Zugang zu elektrischem Strom haben(16); in der Erwägung, dass 74 % der Gesamtbevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben und 80 % in ländlichen Gebieten zu Hause sind(17); in der Erwägung, dass drei Viertel der Bevölkerung weniger als 1,90 USD täglich zur Verfügung haben; in der Erwägung, dass UNICEF zufolge nur 30 % der madagassischen Kinder Zugang zu Grundschulbildung haben; in der Erwägung, dass Bildung unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass Kinderarbeit verhindert wird und Kinder nicht auf der Straße landen, wo sie leicht Menschenhandel und Ausbeutung zum Opfer fallen können;
L. in der Erwägung, dass Madagaskar mit einem Ausfuhrvolumen im Wert von 6,5 Mio. USD (2017) weltweit der drittgrößte Exporteur von Glimmer ist und gemeinsam mit Indien, China, Sri Lanka, Pakistan und Brasilien zu den Ländern gehört, in denen beim Glimmerabbau am häufigsten gegen die Kinderrechte verstoßen wird;
M. in der Erwägung, dass Glimmer eine Gruppe verschiedener Mineralien bezeichnet, die in der Elektronik- und der Automobilindustrie verwendet werden und in zahlreichen Produkten – von Lacken bis hin zu Bodenstabilisierern und von Kosmetika bis hin zu Smartphones – zu finden sind;
N. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge 11 000 Kinder im Glimmerabbau in Madagaskar tätig sind; in der Erwägung, dass sich diese Kinderarbeit in erster Linie in den drei südlichen Provinzen Anosy, Androy und Ihorombe konzentriert, in denen Kinder mit Blick auf Gesundheit, Ernährung und Bildungsfortschritt Defizite aufweisen;
O. in der Erwägung, dass die im Glimmerabbau in Madagaskar eingesetzten Kinder rauen und unsicheren Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, die Rückenleiden, Kopfschmerzen (aufgrund der Hitze und des Wasser- bzw. Sauerstoffmangels in den Bergwerken), Muskelschmerzen (aufgrund der sich ständig wiederholenden hohen Beanspruchung beim Tragen schwerer Lasten) sowie häufig Husten und Atemprobleme verursachen, die den äußerst feinen Glimmerstaubpartikeln in den Bergwerken und in der unmittelbaren Umgebung sowie in den Verarbeitungsanlagen geschuldet sind, und dass die Kinder außerdem einer von einstürzenden Stollen oder Erdrutschen ausgehenden tödlichen Gefahr ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass die madagassischen Behörden den im Bergbau Beschäftigten häufig keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung oder sauberem Trinkwasser bereitstellen können;
P. in der Erwägung, dass zu den Ursachen von Kinderarbeit Armut, Migration, Krieg oder Umweltschäden und der Klimawandel, der mangelnde Zugang zu hochwertiger Bildung, der Mangel an menschenwürdigen Arbeitsplätzen für die Eltern, fehlender Sozialschutz und gesellschaftliche Normen gehören; in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Kinderarbeit deshalb einen mehrdimensionalen Ansatz und eine Analyse der Strukturen der Kinderarbeit in einem konkreten Kontext erfordert;
Q. in der Erwägung, dass Madagaskar im Index der Vereinten Nationen der menschlichen Entwicklung den 161. Platz von insgesamt 189 Staaten belegt (2017) und somit zu den Schlusslichtern gehört, 57 % der Bevölkerung des Landes dem Index der mehrdimensionalen Armut zufolge unter einer schweren mehrdimensionalen Armut leiden und 1,3 Millionen Madagassen im März 2019 in hohem Maße von Ernährungsunsicherheit betroffen waren(18); in der Erwägung, dass Kinderarbeit ein Symptom für sich gegenseitig verstärkende Ursachen ist, zu denen Armut, Ungleichheit und der mangelnde Zugang zu grundlegenden sozialen Dienstleistungen gehören; in der Erwägung, dass Kinderarbeit folglich nicht separat betrachtet werden darf;
R. in der Erwägung, dass die Produktion von Glimmer in Madagaskar einer komplexen Besteuerung unterliegt, wobei die Steuern auf die Ausfuhren relativ niedrig sind und nicht immer unmittelbar den im Abbau Beschäftigten zugutekommen; in der Erwägung, dass nur etwa 40 Ausfuhrgenehmigungen erteilt wurden, was nahelegt, dass der Glimmerabbau zumeist illegal und in unregulierten und prekären Abbaustätten durchgeführt wird; in der Erwägung, dass der Anstieg der Ausfuhren im Zusammenspiel mit dem deutlichen Rückgang des Tonnenpreises das Risiko der Ausbeutung der Arbeitskräfte vergrößert;
S. in der Erwägung, dass der Aktionsplan der Europäischen Union für Menschenrechte und Demokratie 2015–2019 darauf abzielt, Kinderarbeit zu bekämpfen, indem etwa die Partnerländer dabei unterstützt werden sollen, die Kinderrechte zu fördern, zu schützen und zu wahren, wobei der Schwerpunkt auf wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten wie zum Beispiel dem Recht auf Bildung, Gesundheit und Ernährung, Sozialschutz und der Bekämpfung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit liegt und stets das Kindeswohl maßgeblich ist(19);
T. in der Erwägung, dass der Ausschuss für die Rechte des Kindes in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 16 darauf hinweist, dass in der Praxis nicht nur der Staat und staatlich kontrollierte Dienststellen und Einrichtungen verpflichtet und dafür verantwortlich sind, die Kinderrechte zu achten, sondern dass dies auch für private Akteure und Unternehmen gilt, und dass sämtliche Unternehmen ihre Verantwortung mit Blick auf die Kinderrechte wahrnehmen müssen und die Staaten dafür sorgen müssen, dass dies geschieht;
U. in der Erwägung, dass die Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, zugesichert hat, Kinderarbeit in den EU-Handelsabkommen nicht zu dulden(20), und die designierte Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie, Dubravka Šuica, aufgefordert hat, eine umfassende Strategie für die Rechte des Kindes auszuarbeiten(21);
V. in der Erwägung, dass die EU in den letzten Jahren damit begonnen hat, Rechtsvorschriften zu erlassen, um die Rechenschaftspflicht von Unternehmen zu stärken und Elemente der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte in Rechtsvorschriften einzugliedern, darunter in die Verordnung über Mineralien aus Konfliktgebieten und die EU-Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten damit begonnen haben, nationale Rechtsvorschriften mit demselben Ziel zu erlassen, wobei hier beispielsweise das britische Gesetz über moderne Sklaverei, das französische Gesetz über die Sorgfaltspflicht multinationaler Unternehmen, das niederländische Gesetz über die Sorgfaltspflicht betreffend Kinderarbeit oder der deutsche und der italienische nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte zu nennen sind; in der Erwägung, dass die Kommission angekündigt hat, sie wolle nach Möglichkeiten suchen, wie die Transparenz in der Lieferkette verbessert werden kann, wozu auch Aspekte einer verbindlichen Sorgfaltspflicht gehörten;
W. in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission in einer Entschließung von 2010 mit Nachdruck aufgefordert hat, ein Verbot der Einfuhr von Erzeugnissen in die EU in Erwägung zu ziehen, die unter Rückgriff auf Kinderarbeit hergestellt wurden, und diese Forderung 2016 in einer Entschließung bekräftigt hat, in der es um einen „ausgewogenen und realistischen Legislativvorschlag“ und um Maßnahmen wie etwa die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die ohne Rückgriff auf Kinderarbeit hergestellt wurden, und das Verbot der Einfuhr von Produkten, bei deren Herstellung Kinderarbeit eingesetzt wurde, ersucht hat;
1. verurteilt den unannehmbaren Rückgriff auf Kinderarbeit in all ihren Ausprägungen aufs Schärfste;
2. ist zutiefst besorgt über die hohe Zahl der in madagassischen Bergwerken arbeitenden Kinder und über die Verstöße gegen deren Rechte; erinnert die madagassischen Behörden an ihre Verantwortung, die Rechte der Kinder zu wahren und deren Sicherheit und Integrität zu gewährleisten;
3. begrüßt, dass die Beendigung der Kinderarbeit eine der Prioritäten der neuen Kommission ist, und ersucht die Kommission, detailliert darzulegen, wie sie die Kinderarbeit mithilfe von Maßnahmen, Rechtsvorschriften und Finanzmitteln der EU sowie neuen Initiativen bekämpfen will;
4. begrüßt die Zusage der neuen Kommission, eine neue umfassende Strategie zu den Kinderrechten vorzulegen, und fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass diese Strategie zur Bekämpfung der Ursachen von Kinderarbeit und deren schlimmsten Formen beitragen wird; fordert die EU auf, sicherzustellen, dass die Wahrung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Kinderarbeit und Ausbeutung auch künftig zentrale Elemente ihres politischen Dialogs mit Madagaskar sein werden;
5. begrüßt, dass die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit betont haben, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union rascher zu handeln, damit die Vorstellungen und Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen in die Tat umgesetzt werden“(22); bekräftigt, dass wirksam gegen von transnationalen Unternehmen verübte Menschenrechtsverletzungen vorgegangen werden muss; begrüßt daher die laufenden Verhandlungen über ein verbindliches Übereinkommen der Vereinten Nationen betreffend transnationale Unternehmen und Menschenrechte; ; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten erneut auf, sich konstruktiv an diesen Verhandlungen zu beteiligen, sich aktiv einzubringen und zur Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen – auch mit Blick auf den Zugang zu Rechtsbehelf – beizutragen; fordert die Mitgliedstaaten deshalb auf, der Kommission ein Mandat für eine aktive Beteiligung an den Verhandlungen zu erteilen;
6. begrüßt, dass die EU Schritte unternommen hat, um verbindliche Vorschriften im Bereich der Sorgfaltspflicht von Unternehmen in bestimmten Branchen zu entwerfen, in denen wie etwa im Falle von Holz und Mineralien aus Konfliktgebieten das Risiko von Menschenrechtsverletzungen hoch ist; weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten ebenfalls Rechtsvorschriften ausgearbeitet haben, darunter das französische Gesetz über die Sorgfaltspflicht multinationaler Unternehmen und das niederländische Gesetz über die Sorgfaltspflicht betreffend Kinderarbeit; weist außerdem darauf hin, dass die EU Initiativen zur Förderung der Sorgfaltspflicht entwickelt hat und dass in mehreren Entschließungen des Europäischen Parlaments die EU aufgefordert wurde, weitere verbindliche Regeln in diesem Bereich zu entwickeln;
7. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eng mit den jeweiligen Branchen zusammenzuarbeiten, damit eine wirksame Überwachung der verschiedenen Lieferketten gewährleistet ist und keine Erzeugnisse und Dienstleistungen, die auf Kinderarbeit beruhen, auf EU-Märkte gelangen; bekräftigt seine Forderung nach einer Harmonisierung und Verschärfung der Einfuhr- und Lieferkettenkontrollen, unter anderem durch Bemühungen um eine verbindliche Sorgfaltspflicht und die Umsetzung der OECD-Standards;
8. weist darauf hin, dass der Bergbau zu den Branchen mit einem höheren Risiko der Verletzung von Arbeitnehmerrechten gehört; nimmt zur Kenntnis, dass die EU-Verordnung über Mineralien aus Konfliktgebieten im Januar 2021 in Kraft treten wird, wobei die Kommission dem Europäischen Parlament bis Januar 2023 über deren Umsetzung Bericht erstatten muss; ist der Ansicht, dass man bei der Überprüfung die Auswirkungen der Verordnung vor Ort berücksichtigen und die Möglichkeit der Einbeziehung von Mineralien wie Glimmer prüfen sollte;
9. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, mit Madagaskar zusammenzuarbeiten und das Land bei der Annahme und Umsetzung von Rechtsvorschriften, politischen Maßnahmen, Haushaltsplänen und Aktionsprogrammen zu unterstützen, die zur vollständigen Verwirklichung aller Kinderrechte, einschließlich der Rechte von arbeitenden Kindern, sowie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von im Bergbau tätigen Personen beitragen; fordert die EU-Delegation in Madagaskar auf, die Situation der Kinderrechte in dem Land weiterhin zu beobachten;
10. betont, wie wichtig es ist, dass der mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 den Bemühungen der EU um die Beseitigung der Armut und der schlimmsten Formen der Kinderarbeit sowie um die Abschaffung der Kinderarbeit bis 2025 gemäß den Zielen für nachhaltige Entwicklung innerhalb des Zeitrahmens der Agenda 2030 der Vereinten Nationen auch in Madagaskar(23) Rechnung trägt;(24) fordert die Regierung Madagaskars auf, ihre Verpflichtungen gemäß den IAO-Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung in vollem Umfang zu erfüllen, insbesondere durch den Ausbau der finanziellen Kapazitäten für die Überwachung und Kontrolle der Arbeits- und Lebensbedingungen von Beschäftigten im Bergbau und ganz allgemein durch die Bereitstellung eines angemessenen Zugangs zu Grundbildung, Gesundheitsversorgung, sanitären Einrichtungen und Trinkwasser; fordert die Regierung Madagaskars auf, die Rechte der Kinder zu schützen und die Beseitigung der Kinderarbeit zu fördern;
11. fordert die Kommission nachdrücklich auf, gegenüber Madagaskar die Frage der Kinderarbeit in madagassischen Bergbauunternehmen zur Sprache zu bringen, damit sichergestellt wird, dass ihre Erzeugnisse keinesfalls unmittelbar oder mittelbar in die EU eingeführt werden;
12. fordert, dass das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Madagaskar und anderen Partnern im östlichen und südlichen Afrika dahingehend überarbeitet wird, dass ein solides Kapitel über „Handel und nachhaltige Entwicklung“ aufgenommen wird, in dem die Einhaltung international vereinbarter Arbeitsrechtsnormen, einschließlich der Bekämpfung der Kinderarbeit, verankert wird;
13. fordert alle EU-Unternehmen und internationalen Unternehmen auf, die Grundsätze des fairen Handels und der ethisch unbedenklichen Herkunft von Waren und Rohstoffen einzuhalten;
14. empfiehlt die künftige Anwendung der Verordnung über das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) bei der Beseitigung der Kinderarbeit, auch im Bereich der sozialen Inklusion und menschlichen Entwicklung, wodurch sichergestellt wird, dass die EU in Bildung, Gesundheit, Ernährung, sozialen Schutz und den allgemeinen Ausbau von Strukturen zum Schutz von Kindern investiert;
15. fordert die Kommission und die EU-Delegationen nachdrücklich auf, für sinnvolle Gespräche mit lokalen und internationalen Organisationen der Zivilgesellschaft zu sorgen, sodass die Erkenntnisse aus den Programmen und die Erfahrungen von arbeitenden Kinder bei der NDICI-Programmplanung berücksichtigt werden, und zwar auch bei der Madagaskar betreffenden Programmplanung;
16. empfiehlt, dass die Kommission weiterhin die Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte unterstützt, Kinderarbeit und moderne Formen der Zwangsarbeit bekämpft und Menschenrechtsverteidiger durch das thematische Programm von NDICI zu Menschenrechten und Demokratie schützt;
17. fordert die EU als einen der wichtigsten Akteure, die sich für die Menschenrechte in der Welt einsetzen, auf, bei der Beseitigung der Kinderarbeit und bei der Ergreifung sofortiger und wirksamer Maßnahmen zur Abschaffung der Kinderarbeit in allen ihren Formen bis 2025 voranzugehen;
18. empfiehlt, dass der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) im nächsten EU-Aktionsplan für Demokratie und Menschenrechte dem Schutz und der Förderung der Kinderrechte und der Beseitigung von Kinderarbeit Priorität einräumt;
19. empfiehlt, dass der EAD den nächsten EU-Aktionsplan für Demokratie und Menschenrechte unter sinnvoller und wirksamer Beteiligung von Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich Kinderrechtsorganisationen, und von Kindern selbst ausarbeitet;
20. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die kommende EU-Strategie für Afrika von dem Bestreben getragen wird, die Ziele für nachhaltige Entwicklung umzusetzen und in ein breites Spektrum von Kinderrechten zu investieren, und gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Beseitigung der Kinderarbeit im Mittelpunkt dieser Strategie steht; empfiehlt, dass die Kommission die Rechte der Kinder in den Mittelpunkt des Cotonou-Nachfolgeabkommens stellt;
21. fordert die Kommission auf, eine umfassende Strategie zur Umsetzung der Agenda 2030 zu entwickeln und die Abschaffung der Kinderarbeit zu einem Kernziel zu machen; betont, dass der Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung nach Maßgabe von Artikel 208 AEUV vollständig umgesetzt und in Bezug auf die Kinderrechte ein Ansatz nach dem Grundsatz der Schadensvermeidung verfolgt werden muss; hält es in diesem Zusammenhang für geboten, die Bekämpfung von Zwangs- und Kinderarbeit in alle Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU aufzunehmen, indem verbindliche und durchsetzbare Kapitel über nachhaltige Entwicklung eingebaut werden, die im Einklang mit der Zusage der Präsidentin der Kommission, Ursula von der Leyen, Kinderarbeit nicht zu dulden, die höchsten Umwelt- und Sozialstandards – insbesondere zu Kinderarbeit – widerspiegeln müssen;
22. weist darauf hin, dass eine der größten Herausforderungen für die Entwicklungsländer darin besteht, durch wirtschaftliche Diversifizierung in der globalen Wertschöpfungskette aufzusteigen, was faire weltweite Handelsregeln im Sinne der Entwicklung voraussetzt; hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die EU keine Handelspolitik verfolgen sollte, die den Entwicklungsländern die Erhebung von Ausfuhrsteuern auf Rohstoffe –sofern diese mit den Regeln der WTO vereinbar sind – im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen generell verbietet; fordert die Kommission auf, in der WTO aktiv auf die Förderung multilateraler Regeln für das nachhaltige Management der globalen Wertschöpfungsketten hinzuarbeiten, wozu auch eine verbindliche Sorgfaltspflicht in der Lieferkette gehört;
23. fordert Madagaskar auf, die Einbeziehung junger Menschen in die Gestaltung der Politik zur nationalen Entwicklung durchgängig zu berücksichtigen, Vorkehrungen für deren bessere Vertretung auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung zu treffen und eigens angemessene Haushaltsmittel in Programmen bereitzustellen, damit alle jungen Menschen in den Genuss einer primären, sekundären und tertiären Schulbildung kommen können;
24. nimmt die derzeitige Überarbeitung des madagassischen Bergbaugesetzes zur Kenntnis und fordert die Regierung auf, der Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen, auch in Bezug auf Sozial- und Umweltnormen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Achtung der Menschenrechte im Allgemeinen sowie der Kinderrechte, Vorrang einzuräumen und dabei auf bestehenden Initiativen wie der „Responsible Mica Initiative“ aufzubauen;
25. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem AKP-EU-Ministerrat, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika, der Kommission der Afrikanischen Union und der Regierung von Madagaskar zu übermitteln.
Vereinte Nationen. 2015: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (VN 2015). A/RES/70/1. Abrufbar unter https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/70/1&Lang=E
Rat der Europäischen Union, 2015: EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2015–2019. Maßnahme 15 b https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_action_plan_on_human_rights_and_democracy_en_2.pdf
Eine Union, die mehr erreichen will: Meine Agenda für Europa von der Kandidatin für das Amt der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Politische Leitlinien für die künftige Europäische Kommission 2019–2024. Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/political-guidelines-next-commission_de.pdf
Ursula von der Leyen, gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission: Mandatsschreiben an Dubravka Šuica, designierte Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie, 10. September 2019. Abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/mission-letter-dubravka-suica_en.pdf
Der neue europäische Konsens über die Entwicklungspolitik: „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“, 2017. https://www.consilium.europa.eu/media/24011/european-consensus-for-development-st09459en17.pdf