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Verfahren : 2020/2580(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B9-0186/2020

Eingereichte Texte :

B9-0186/2020

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 18/06/2020 - 2

Angenommene Texte :

P9_TA(2020)0140

Angenommene Texte
PDF 135kWORD 47k
Donnerstag, 18. Juni 2020 - Brüssel
Antrag auf Finanzmittel für die biomedizinische Forschung zu der Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis
P9_TA(2020)0140B9-0186/2020

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2020 zu zusätzlichen Finanzmitteln für die biomedizinische Forschung zu der Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis (2020/2580(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf die Artikel 168 und 179 bis 181 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  gestützt auf Artikel 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission vom 2. September 2019 zur „Erforschung der myalgischen Enzephalomyelitis (ME)“ (E‑002599/2019) und auf die Antwort der Kommission vom 28. Oktober 2019,

–  unter Hinweis auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission vom 4. Dezember 2018 zum chronischen Erschöpfungssyndrom (E-006124/2018) und auf die Antwort der Kommission vom 30. Januar 2019,

–  unter Hinweis auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission vom 28. August 2018 zur Anerkennung von Myalgischer Enzephalomyelitis durch die Weltgesundheitsorganisation und zur Unterstützung der Kommission für Forschung und Ausbildung (E-004360/2018) und auf die Antwort der Kommission vom 1. November 2018,

–  unter Hinweis auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission vom 9. November 2017 zur Finanzierung der Forschung zur Myalgischen Enzephalomyelitis bzw. zum chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) (E-006901/2017) und auf die Antwort der Kommission vom 18. Dezember 2017,

–  gestützt auf Artikel 227 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass beim Petitionsausschuss mehrere Petitionen eingegangen sind, in denen die Petenten sich besorgt darüber äußern, dass es innerhalb der EU gegen Myalgische Enzephalomyelitis bzw. das chronische Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) keine Behandlung gibt und die biomedizinische Forschung dazu derzeit unterfinanziert ist;

B.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union „jeder Mensch [...] das Recht [...] auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ hat, während in anderen internationalen Menschenrechtsinstrumenten, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das Recht auf Gesundheit oder Bestandteile davon, wie etwa das Recht auf medizinische Versorgung, anerkannt werden oder darauf verwiesen wird;

C.  in der Erwägung, dass die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten und der Union auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung gerichtet sein müssen; in der Erwägung, dass dieses Ziel dadurch erreicht werden soll, dass die Union die Mitgliedstaaten damit unterstützt, dass sie die Zusammenarbeit und die Erforschung der Ursachen, der Übertragung und der Prävention von Krankheiten fördert;

D.  in der Erwägung, dass ME/CFS eine schwere Beeinträchtigungen verursachende chronische Multisystemkrankheit unbekannter Ätiologie ist, deren Symptome, Schweregrad und Entwicklung äußerst variabel sind;

E.  in der Erwägung, dass ME/CFS von der Weltgesundheitsorganisation in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) unter dem Code 8E49 (postvirales Erschöpfungssyndrom) als Störung des Nervensystems eingestuft wird;

F.  in der Erwägung, dass ME/CFS eine komplexe, in hohem Maße mit Einschränkungen verbundene Krankheit ist, da extreme Müdigkeit und andere körperliche Symptome es unmöglich machen können, Alltagstätigkeiten auszuführen; in der Erwägung, dass die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt sein kann und Patienten mit ME/CFS letztlich bettlägerig werden oder infolge schwerer Beschwerden ihre Wohnung nicht mehr verlassen können, was mit negativen Auswirkungen auf soziale und familiäre Beziehungen und aufgrund des Verlusts der Arbeitsfähigkeit mit erheblichen Kosten für die Gesellschaft einhergeht;

G.  in der Erwägung, dass dem hohen Risiko sozialer Ausgrenzung der von ME/CFS Betroffenen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss; in der Erwägung, dass es in diesem Sinne für Beschäftigte, die an der Krankheit leiden, von entscheidender Bedeutung ist, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten können, damit sie nicht in der Isolation enden;

H.  in der Erwägung, dass alle möglichen Maßnahmen getroffen werden sollten, um die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld von Beschäftigten, die an ME/CFS leiden, anzupassen; in der Erwägung, dass sie auch Anspruch auf Anpassung des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeit haben sollten;

I.  in der Erwägung, dass es bisher weder etablierte biomedizinische Diagnosetests für ME/CFS noch von der EU bzw. der EMA zugelassene Behandlungen gibt;

J.  in der Erwägung, dass die Inzidenz und die Prävalenz von ME/CFS in der EU ebenso unbekannt sind wie die daraus erwachsende gesellschaftliche und wirtschaftliche Gesamtbelastung, weil es an einer koordinierten und umfassenden Datenerhebung auf EU-Ebene mangelt;

K.  in der Erwägung, dass der Antwort der Kommission vom 30. August 2019 auf die Petition Nr. 0204/2019 zufolge ME/CFS bei etwa 24 Millionen Menschen weltweit diagnostiziert wird, dass man aber davon ausgeht, dass dies nur 10 % der gesamten ME/CFS-Population sind;

L.  in der Erwägung, dass nach einer Schätzung der Amerikanischen ME/CFS-Gesellschaft (American Myalgic Encephalomyelitis and Chronic Fatigue Syndrome Society) rund 17 bis 24 Millionen Menschen weltweit an ME/CFS leiden;

M.  in der Erwägung, dass davon ausgegangen wird, dass in der EU etwa zwei Millionen Menschen jedweder ethnischen Zugehörigkeit, jedweden Alters und jedweden Geschlechts an ME/CFS leiden; in der Erwägung, dass unter den Erwachsenen Frauen am stärksten betroffen sind;

N.  in der Erwägung, dass ME/CFS bisher kaum verstanden und folglich unterdiagnostiziert ist, weil die Erbringer von Gesundheitsleistungen zu wenig über diese Krankheit wissen oder aber weil die Symptome nur schwer zu erkennen sind und es keine geeigneten Diagnosetests gibt; in der Erwägung, dass die Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit von Patienten durch den Mangel an Verständnis für ME/CFS erheblich erschwert werden kann;

O.  in der Erwägung, dass sich die Gemeinschaft der Patienten von den Behörden und der Gesellschaft insgesamt sozial benachteiligt und ignoriert fühlt und zu Recht eine bessere Sensibilisierung und zusätzliche Finanzierung fordert, damit Fortschritte in der Forschung gefördert werden; in der Erwägung, dass Patienten beklagen, dass sie infolge des geringen Wissens über diese Krankheit stigmatisiert werden; in der Erwägung, dass das Stigma, das die Rechte von Personen mit ME/CFS umgibt, und das damit verbundene psychische Leid, das dramatische Auswirkungen auf die Einzelpersonen, die Familien und die Gesellschaft und auf jeden Aspekt des Lebens der Bürger hat, allzu oft kaum anerkannt wird;

P.  in der Erwägung, dass Kinder und junge Menschen, die an ME/CFS leiden, potenziell mit einer Beschränkung ihres Zugangs zu Bildung konfrontiert sein könnten;

Q.  in der Erwägung, dass es offenkundig einer besseren Anerkennung dieser Art von Krankheiten auf der Ebene der Mitgliedstaaten bedarf; in der Erwägung, dass spezifische gezielte Schulungen bereitgestellt werden sollten, um die Behörden, die Erbringer von Gesundheitsleistungen und Amtspersonen allgemein hierfür zu sensibilisieren;

R.  in der Erwägung, dass die Petition Nr. 0204/2019, in der gefordert wird, mehr Mittel in die biomedizinische Erforschung von ME/CFS und die Unterstützung von Patienten zu investieren, von Patienten und ihren Familien und auch von der Wissenschaftsgemeinde eine erhebliche Anzahl an Unterstützungsunterschriften erhalten hat und weiterhin erhält;

S.  in der Erwägung, dass über die Jahre mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments Anfragen an die Kommission zur Verfügbarkeit von EU-Finanzmitteln für die Forschung zu ME/CFS eingereicht haben;

T.  in der Erwägung, dass die Forschungsanstrengungen zu ME/CFS weiterhin recht zersplittert sind und es an einer Koordinierung der Forschung auf EU-Ebene mangelt; in der Erwägung, dass die Kommission trotz der Unterstützung durch das Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation Horizont 2020 (2014–2020) für eine Reihe von Forschungsprojekten zu neurologischen Störungen verschiedener Ätiologie sowie für die Schmerzforschung (beispielsweise Help4Me, Gloria und RTCure) in ihrer Antwort vom 30. Januar 2019 auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-006124/2018 eingeräumt hat, dass über die EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation bisher keine spezifischen Projekte zur Diagnose bzw. Behandlung von ME/CFS unterstützt worden seien;

1.  ist besorgt über die hohe Inzidenz von ME/CFS innerhalb der EU, wo Schätzungen zufolge 2 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen sind;

2.  begrüßt die Unterstützung der Kommission für die Organisation „Europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik“ (COST), die kürzlich ein integriertes Netzwerk von an ME/CFS forschenden Wissenschaftlern (Euromene) eingerichtet hat; ist davon überzeugt, dass durch Euromene der Wert von Tätigkeiten, die, wenn sie alleine auf nationaler Ebene betrieben würden, nicht so wirkungsvoll wären, gesteigert werden kann;

3.  begrüßt die Arbeit, die derzeit von dem Netzwerk Euromene geleistet wird und durch die ein gemeinsamer europaweiter Ansatz geschaffen werden soll, um die schwerwiegenden Wissenslücken in Bezug auf diese komplexe Krankheit zu füllen und um Erbringern von Gesundheitsleistungen, Patienten und anderen Interessenträgern Informationen über die Krankheitslast in Europa und über die klinische Diagnose und potenzielle Behandlungsmöglichkeiten bereitzustellen;

4.  begrüßt die von der Kommission in ihrer Antwort vom 28. Oktober 2019 auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-002599/2019 gemachte Zusage, über das kommende Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, das auf Horizont 2020 folgen wird, nämlich Horizont Europa, weitere Möglichkeiten zur Forschung auf dem Gebiet von ME/CFS bereitzustellen;

5.  bedauert jedoch, dass die bisher von der Kommission angenommenen Finanzierungsinitiativen nicht ausreichen; ist besorgt darüber, dass die Forschung auf dem Gebiet von ME/CFS, das als verborgenes Problem des Gesundheitswesens in der EU betrachtet werden kann, derzeit unterfinanziert ist; betont, dass es immer dringlicher wird, die menschlichen und sozioökonomischen Folgen des Umstands anzugehen, dass immer mehr Menschen mit diesen langwierigen, mit Einschränkungen verbundenen und chronischen Leiden leben und arbeiten, die die Nachhaltigkeit und Kontinuität ihrer Arbeit und ihres Arbeitsplatzes beeinträchtigen;

6.  fordert die Kommission auf, für Projekte, die speziell auf die biomedizinische Erforschung von ME/CFS ausgerichtet sind, zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen und entsprechenden Ausschreibungen Vorrang einzuräumen, damit ein biomedizinischer Diagnosetest und wirksame biomedizinische Behandlungen entwickelt und validiert werden, mit denen die Krankheit geheilt werden kann oder ihre Auswirkungen gemildert werden können;

7.  ist davon überzeugt, dass die derzeitige Unterfinanzierung der biomedizinischen Forschung auf dem Gebiet von ME/CFS in Anbetracht der geschätzten hohen Zahl an Patienten und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Krankheit ungerechtfertigt ist;

8.  betont, dass innovative Projekte durchgeführt werden müssen, mit denen für eine koordinierte und umfassende Datenerhebung zu dieser Krankheit innerhalb der Mitgliedstaaten gesorgt werden kann, und fordert eine verpflichtende Berichterstattung in allen von ME/CFS betroffenen Mitgliedstaaten;

9.  fordert alle Mitgliedstaaten auf, entschlossen die notwendigen Schritte zu unternehmen, um dafür zu sorgen, dass ME/CFS die gebührende Anerkennung findet;

10.  fordert die Kommission auf, in Bezug auf Untersuchungsmethoden, Diagnose und Behandlung die Zusammenarbeit und den Austausch bewährter Verfahren unter den Mitgliedstaaten zu fördern und ein europäisches Prävalenzregister der von ME/CFS betroffenen Patienten einzurichten;

11.  fordert, dass die Kommission Finanzmittel bereitstellt, damit das Fachpersonal im Gesundheitswesen und in der Sozialfürsorge, das mit ME/CFS-Patienten arbeitet, eine angemessene und verbesserte medizinische Aus- und Weiterbildung erhält; fordert daher die Kommission auf zu prüfen, ob ein EU-Fonds für die Prävention und Behandlung von ME/CFS realisierbar ist;

12.  fordert die Kommission auf, für die Finanzierung der notwendigen logistischen Unterstützung für Wissenschaftler zu sorgen, um die Koordinierung der Forschungstätigkeiten in diesem Bereich innerhalb der EU in dem Sinne zu fördern, dass die Komplexität der Herausforderungen in Bezug auf die Diagnose von ME/CFS und auf die Versorgung von ME/CFS-Patienten ermittelt und das gesamte Potenzial des Zugangs zu Innovations- und Gesundheitsdaten, die durch Eingaben von Sachverständigen und das Engagement aller Interessengruppen erfasst werden, erschlossen wird, um der richtigen Strategie Vorrang einzuräumen;

13.  fordert eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Bereich der Erforschung von ME/CFS, um die Entwicklung objektiver Diagnosestandards und wirksamer Behandlungsformen zu beschleunigen;

14.  fordert die Kommission auf, eine Studie in Auftrag zu geben, in der die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtkosten bewertet werden, die innerhalb der EU ME/CFS zugeordnet werden können;

15.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen für Fachkräfte des Gesundheitswesens und für die Öffentlichkeit ins Leben zu rufen, um die Bevölkerung auf die Existenz und die Symptome von ME/CFS aufmerksam zu machen;

16.  fordert den Rat auf, im Rahmen der laufenden Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der Union die Forderung des Parlaments nach erhöhten Haushaltsmitteln für Horizont Europa und der raschen Annahme dieses Haushaltsplans zu akzeptieren, sodass die Arbeit rechtzeitig beginnen kann, um die Erforschung von ME/CFS zu gewährleisten;

17.  fordert die Kommission auf, die besonderen Herausforderungen anzuerkennen, mit denen Wissenschaftler kämpfen müssen, die an Krankheiten unbekannter Ursache wie etwa ME/CFS arbeiten, und dafür zu sorgen, dass trotz dieser Schwierigkeiten die biomedizinische Forschung zu solchen Krankheiten einen angemessenen Zugang zu der durch Horizont Europa bereitgestellten Finanzierung erhält;

18.  betont, dass es wichtig ist, hier sensibilisierend zu wirken, indem Tätigkeiten auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem „Tag der seltenen Krankheiten“, der jedes Jahr am letzten Tag im Februar begangen wird, zusätzlich gefördert werden;

19.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 8. September 2020Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen