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Verfahren : 2020/2896(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : B9-0402/2020

Eingereichte Texte :

B9-0402/2020

Aussprachen :

PV 16/12/2020 - 14
CRE 16/12/2020 - 14

Abstimmungen :

PV 17/12/2020 - 2
PV 17/12/2020 - 15
CRE 17/12/2020 - 2

Angenommene Texte :

P9_TA(2020)0379

Angenommene Texte
PDF 147kWORD 53k
Donnerstag, 17. Dezember 2020 - Brüssel
Die Notwendigkeit einer gesonderten Ratsformation „Gleichstellung der Geschlechter“
P9_TA(2020)0379B9-0402/2020

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2020 zur Notwendigkeit einer gesonderten Ratsformation „Gleichstellung der Geschlechter“ (2020/2896(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union und die Artikel 8, 10, 19, 153 Absatz 1 Ziffer i, 157 und 236 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–  gestützt auf Artikel 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  gestützt auf Artikel 2 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Rates,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 2. Juli 2008 für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Antidiskriminierungsrichtlinie) (COM(2008)0426),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(1),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 14. März 2012 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten) (COM(2012)0614),

–  unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul), das am 1. August 2014 in Kraft trat,

–  unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 4. März 2016 für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch die Europäische Union (COM(2016)0109),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt(2),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. Januar 2020 zu den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern(3),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2020 zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU(4),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zu den Protestkundgebungen gegen Rassismus nach dem Tod von George Floyd(5),

–  unter Hinweis auf den am 28. Oktober 2020 veröffentlichten Gleichstellungsindex 2020 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE),

–  unter Hinweis auf den Bericht des EIGE vom 19. November 2020 über geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei Sorgearbeit und Entgelt in der EU,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 10. Dezember 2019 mit dem Titel „Gleichstellungsorientierte Volkswirtschaften in der EU: Der Weg in die Zukunft“,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Dezember 2020 zum Thema „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Verdienstgefälles“,

–  unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, insbesondere die Grundsätze 2, 3, 9 und 15,

–  unter Hinweis auf die 2015 vereinbarten Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, insbesondere auf die Ziele 5 und 8,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“ (COM(2020)0152),

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 25. November 2020 mit dem Titel „EU-Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP III) – Eine ambitionierte Agenda für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln der EU“ (JOIN(2020)0017),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“ (COM(2020)0698),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. September 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020–2025“ (COM(2020)0565),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 7. Oktober 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategischer Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma“ (COM(2020)0620),

–  gestützt auf Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Geschlechtergleichstellung zu den Grundwerten und den entscheidenden Zielen der Europäischen Union zählt; in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein Grundrecht ist, das in den Verträgen und in der Charta der Grundrechte verankert ist und uneingeschränkt geachtet werden sollte;

B.  in der Erwägung, dass in Artikel 8 AEUV der Grundsatz des Gender Mainstreaming festgeschrieben ist, wonach die Union bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirken sollte, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern;

C.  in der Erwägung, dass Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Geschlechtsidentität häufig mit anderen Formen der Diskriminierung einhergeht, etwa Diskriminierung aufgrund der Rasse, Hautfarbe, ethnischer oder sozialer Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, Religion oder Weltanschauung, politischer oder sonstiger Anschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, was Doppel- und Mehrfachdiskriminierung auslöst; in der Erwägung, dass eine horizontale, bereichsübergreifende Perspektive und die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung in allen Politikbereichen der EU von wesentlicher Bedeutung sind, damit die Gleichstellung der Geschlechter und Gleichstellung im Allgemeinen erreicht werden;

D.  in der Erwägung, dass eine horizontale, bereichsübergreifende Perspektive in jeder Gleichstellungspolitik maßgeblich ist, wenn es gilt, die vielgestaltige Gefahr der Diskriminierung zu erkennen und anzugehen; in der Erwägung, dass im Rahmen der politischen Maßnahmen der EU bisher kein bereichsübergreifender Ansatz verfolgt wurde und in erster Linie die individuelle Dimension der Diskriminierung in Angriff genommen wurde, sodass sie mit Blick auf die institutionellen, strukturellen und historischen Aspekte des Problems zu kurz greifen; in der Erwägung, dass es durch eine alle Lebensbereiche umfassende Analyse nicht nur möglich wird, strukturelle Hindernisse zu verstehen, sondern auch Erkenntnisse zu gewinnen, die als Grundlage für die Ausarbeitung von Orientierungsgrößen dienen können und die die Richtung für die strategische und wirksame Politikgestaltung gegen systemimmanente Diskriminierung, Ausgrenzung und geschlechtsspezifische Ungleichheiten vorgeben;

E.  in der Erwägung, dass laut dem Gleichstellungsindex 2020 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) die Geschlechtergleichstellung bislang in keinem Land der EU vollständig erreicht wurde; in der Erwägung, dass die EU bei der Geschlechtergleichstellung nach wie vor nur schleppend vorankommt und sich der Indexwert im Durchschnitt alle zwei Jahre um einen Punkt verbessert; in der Erwägung, dass es bei dieser Zuwachsrate mehr als 60 Jahre dauern wird, bis die EU die Gleichstellung der Geschlechter erreicht;

F.  in der Erwägung, dass die geschlechtsbezogene Gewalt in all ihren Formen als Diskriminierung und Verletzung der Menschenrechte anzusehen ist und dass sie der geschlechtsspezifischen Ungleichheit innewohnt, zu ihrem Andauern beiträgt und ihr Vorschub leistet; in der Erwägung, dass die geschlechtsbezogene Gewalt eines der größten Hindernisse für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung darstellt; in der Erwägung, dass einer Umfrage der Agentur für Grundrechte (FRA) aus dem Jahr 2014 zufolge jede dritte Frau nach Vollendung des 15. Lebensjahres Opfer physischer oder sexueller Gewalt wurde, dass 55 % der Frauen bereits eine oder mehrere Formen sexueller Belästigung erlebt haben und dass durchschnittlich alle zweieinhalb Tage eine Frau infolge häuslicher Gewalt stirbt; in der Erwägung, dass ein Leben ohne Gewalt eine Voraussetzung für die Gleichstellung ist; in der Erwägung, dass jährlich etwa 3 500 Frauenmorde in der EU zu verzeichnen sind, die mit häuslicher Gewalt in Zusammenhang stehen;(6) in der Erwägung, dass nach Geschlecht aufgeschlüsselte und geschlechtsspezifische Daten vergleichbarer Art von wesentlicher Bedeutung sind, wenn es gilt, das volle Ausmaß der geschlechtsbezogenen Gewalt abzubilden, Ungleichheiten sichtbar zu machen und gezielte politische Maßnahmen zu ergreifen; in der Erwägung, dass es in verschiedenen Bereichen der Politik der EU und der Mitgliedstaaten nach wie vor an nach Geschlecht aufgeschlüsselten und geschlechtsspezifischen Daten mangelt;

G.  in der Erwägung, dass den jüngsten Zahlen der Kommission zufolge das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU in Bezug auf den Stundenlohn 16 % beträgt, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle auf 40 % steigt, wenn man die Beschäftigungsquoten und die allgemeine Erwerbsbeteiligung mitberücksichtigt; in der Erwägung, dass sich die Lage bei Frauen im Ruhestand sogar noch verschärft, da ihre Renten unter anderem aufgrund des geschlechtsspezifischen Lohngefälles um etwa 37 % geringer ausfallen als die der Männer; in der Erwägung, dass die Beschäftigungsquote in der EU, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich unterscheidet, 2018 bei den Männern (79 %) immer noch höher war als bei den Frauen (67,4 %); in der Erwägung, dass im Jahr 2018 in der EU insgesamt 31,3 % der erwerbstätigen Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen, während es unter den Männern nur 8,7 % waren; in der Erwägung, dass der Anteil der Frauen, die in der informellen Wirtschaft tätig sind, unfreiwillig einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen und in prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen tätig sind, unverhältnismäßig hoch ist;

H.  in der Erwägung, dass unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit zumeist von Frauen geleistet wird, was sich auf die Beschäftigung und die Laufbahnentwicklung auswirkt und zum geschlechtsspezifischen Beschäftigungs-, Lohn- und Rentengefälle beiträgt; in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge 80 % der Dienstleistungen im Pflegebereich von informellen Pflegekräften erbracht werden, bei denen es sich überwiegend um Frauen (75 %), einschließlich Migrantinnen, handelt;

I.  in der Erwägung, dass Frauen daher nach wie vor auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert und verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass das Ziel darin besteht, Frauen am Arbeitsplatz die gleichen Chancen wie Männern zu gewähren, damit diese Unterschiede verringert werden;

J.  in der Erwägung, dass der Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 2020 mit dem Titel „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ (COM(2020)0014) zufolge mittels verbesserter Kinderbetreuung und Langzeitpflege dafür gesorgt werden kann, dass die Betreuungspflichten zwischen Frauen und Männern gleichmäßiger aufgeteilt werden und so Frauen die gleiche Erwerbsbeteiligung wie Männern ermöglicht wird;

K.  in der Erwägung, dass in vielen Bereichen nach wie vor geschlechtsspezifische Unterschiede und strukturelle Hindernisse bestehen, die Frauen und Männer auf ihre traditionelle Rolle beschränken und die Möglichkeiten von Frauen einschränken, ihr Grundrecht auf Gleichheit in den Bereichen Beschäftigung, Arbeit und Arbeitsentgelt uneingeschränkt zu nutzen;

L.  in der Erwägung, dass Frauen in Führungspositionen, auch in der Wirtschaft, unterrepräsentiert sind und dass die Geschlechterparität in gewählten Gremien bei weitem nicht erreicht wird; in der Erwägung, dass nach Angaben des EIGE weniger als ein Drittel aller Parlamentarier in der EU Frauen sind; in der Erwägung, dass es den meisten Entscheidungsgremien an Fachwissen in Bezug auf die Geschlechtergleichstellung mangelt;

M.  in der Erwägung, dass stereotype Ansichten über Geschlechterrollen den geschlechtsspezifischen Ungleichheiten Vorschub leisten und dazu beitragen, dass sich geschlechtsbezogene Gewalt festsetzt; in der Erwägung, dass es im Interesse der Gesellschaft insgesamt liegt, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu bekämpfen; in der Erwägung, dass die Beteiligung von Männern an den Bemühungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Ungleichheit und geschlechtsbezogener Gewalt von entscheidender Bedeutung ist;

N.  in der Erwägung, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit sowie den damit verbundenen Rechten grundlegend ist, wenn es gilt, Geschlechtergleichstellung zu erreichen; in der Erwägung, dass die Verweigerung von Leistungen und Rechten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit eine Form der geschlechtsbezogenen Gewalt ist; in der Erwägung, dass sich das Parlament in seinem kürzlich angenommenen Programm EU4Health mit der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und den damit verbundenen Rechten befasst hat, um den rechtzeitigen Zugang zu Gütern sicherzustellen, die erforderlich sind, damit auf sichere Weise für sexuelle und reproduktive Gesundheit und die Gewährung der damit verbundenen Rechte gesorgt ist;

O.  in der Erwägung, dass in der EU zwar positive Entwicklungen zu verzeichnen sind, es jedoch angesichts der bedenklichen Rückschritte mit Blick auf die Geschlechtergleichstellung und die Rechte der Frau – auch im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte – nach wie vor Verbesserungsbedarf gibt; in der Erwägung, dass diesen Rückschritten entgegengewirkt werden muss und dass die Geschlechtergleichstellung und die Rechte der Frau auf höchster politischer Ebene geschützt werden müssen;

P.  in der Erwägung, dass sich die COVID-19-Pandemie unverhältnismäßig stark auf Frauen und Mädchen auswirkt, was auf bestehende Ungleichheiten zurückzuführen ist, die unter anderem zu einem exponentiellen Anstieg der geschlechtsbezogenen Gewalt sowie dazu führen, dass mehr Frauen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden; in der Erwägung, dass die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in allen Phasen der Bekämpfung der COVID-19-Krise von wesentlicher Bedeutung ist;

Q.  in der Erwägung, dass Frauen in unserer Gesellschaft am häufigsten unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten und daher während der COVID-19-Pandemie am stärksten von Kurzarbeit, dem Risiko des Arbeitsplatzverlusts und der erzwungenen Telearbeit betroffen sind, da es an Kinderbetreuungsmöglichkeiten mangelt; in der Erwägung, dass 25 % der Frauen in der EU bereits von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren(7); in der Erwägung, dass Frauen auch 85 % der Alleinerziehenden ausmachen und dass bei diesen das Risiko für prekäre Arbeitsverhältnisse und zunehmende Armut noch höher ist; in der Erwägung, dass davon auszugehen ist, dass in den kommenden Monaten 500 Millionen Menschen(8) weltweit in die Armut abrutschen werden, wovon der Großteil Frauen sein werden; in der Erwägung, dass Armut und soziale Ausgrenzung strukturelle Ursachen haben, die insbesondere durch politische Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, Wohnraum, Mobilität und Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen beseitigt und rückgängig gemacht werden müssen;

R.  in der Erwägung, dass die COVID-19-Krise gezeigt hat, wie wichtig die Integration der EU, die Intensivierung der Zusammenarbeit und des Dialogs zwischen den Mitgliedstaaten, der Austausch von Lösungen sowie die Umsetzung von Maßnahmen und koordinierten Reaktionen auf EU-Ebene, auch im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter, sind;

S.  in der Erwägung, dass das Gender Mainstreaming nach einer Einigung zwischen dem Parlament und dem Rat zum ersten Mal eine horizontale Priorität im mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 sein wird und von Folgenabschätzungen für jeden Legislativ- und Politikvorschlag sowie einer geschlechtergerechten Überwachung und Bewertung der Programme begleitet werden sollte, unter anderem durch die Nachverfolgung der für die Gleichstellung der Geschlechter vorgesehenen Mittel; in der Erwägung, dass die Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts bei der Haushaltsplanung auch auf höchster politischer Ebene im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität und der wichtigsten Finanzierungsprogramme der EU überwacht werden sollte; in der Erwägung, dass die Geschlechtergleichstellung und die Verwirklichung der Rechte von Frauen und Mädchen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Erholung und eine inklusive nachhaltige Entwicklung sind;

T.  in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul acht Jahre nach seiner Annahme noch nicht von allen Mitgliedstaaten und auch noch nicht von der EU ratifiziert worden ist; in der Erwägung, dass das Übereinkommen von Istanbul das wichtigste bestehende internationale Instrument zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsbezogener Gewalt ist;

U.  in der Erwägung, dass das Parlament in mehreren Entschließungen, beispielsweise in seiner Entschließung vom 28. November 2019 zum Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul und zu weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt den Rat aufgefordert hat, die in Artikel 83 Absatz 1 AEUV enthaltene Überleitungsklausel zu aktivieren, damit geschlechtsbezogene Gewalt in den Katalog der EU-Straftaten aufgenommen wird; in der Erwägung, dass das Parlament mehrfach eine Richtlinie zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsbezogener Gewalt gefordert hat;

V.  in der Erwägung, dass sieben Jahre, nachdem die Kommission ihren Vorschlag vorgelegt hat und das Parlament seinen Standpunkt in erster Lesung angenommen hat, noch keine Einigung über die Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten) erzielt wurde und der Vorschlag seitdem im Rat blockiert wird;

W.  in der Erwägung, dass zwölf Jahre nach Vorlage des Vorschlags der Kommission noch keine Einigung über die Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung erzielt wurde und der Vorschlag seitdem im Rat blockiert wird;

X.  in der Erwägung, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 10. Dezember 2019 mit dem Titel „Gleichstellungsorientierte Volkswirtschaften in der EU: Der Weg in die Zukunft“ betonte, „dass zu den bereits bestehenden Herausforderungen noch neue“ hinzukämen, dass „die für die Geschlechtergleichstellung festgelegten Ziele [...] nicht in vollem Umfang erreicht“ worden seien, und dass er die Kommission und die Mitgliedstaaten aufforderte, die „Gleichstellung der Geschlechter [...] durch die aktive Förderung des politischen Dialogs auf hoher Ebene zu Fragen der Gleichstellung auf EU-Ebene und auf höchster politischer Ebene [,] voranzutreiben“;

Y.  in der Erwägung, dass sich der politische Dialog auf hoher Ebene und auf EU-Ebene als wirksames Instrument zur Verringerung der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und zur Förderung der europäischen Integration in den meisten Politikbereichen erwiesen hat; in der Erwägung, dass ein strukturierter Dialog auf höchster politischer Ebene maßgeblich ist, wenn es gilt, die Rechte der Frau und die Geschlechtergleichstellung durch die Annahme gleichstellungsorientierter Rechtsvorschriften der Union zu schützen und voranzubringen;

Z.  in der Erwägung, dass der Rat als Mitgesetzgeber der EU eine wesentliche Rolle spielt; in der Erwägung, dass die Ratsformationen so gestaltet sein müssen, dass sie den aktuellen politischen Herausforderungen und Prioritäten gerecht werden; in der Erwägung, dass aufgrund des Fehlens einer speziellen Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter eine größere Gefahr besteht, dass gleichstellungsindifferente Rechtsvorschriften erlassen werden;

AA.  in der Erwägung, dass die derzeitige Kommission in den politischen Leitlinien ihrer Präsidentin und durch anschließende Maßnahmen ein starkes Engagement für die Förderung der Geschlechtergleichstellung an den Tag gelegt hat;

AB.  in der Erwägung, dass Gleichstellungsfragen derzeit auf der Ebene des Rates „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ behandelt werden, wo nicht alle zu behandelnden Aspekte ausreichend berücksichtigt werden;

AC.  in der Erwägung, dass das Parlament bereits die Einrichtung einer neuen Ratsformation gefordert hat, in der für die Geschlechtergleichstellung zuständige Minister und Staatssekretäre zusammenkommen;

AD.  in der Erwägung, dass mehrere Ratsvorsitze der Europäischen Union sich aktiv darum bemüht haben, informelle Treffen für Minister und Staatssekretäre, die für die Geschlechtergleichstellung zuständig sind, zu organisieren und Gleichstellungsfragen auf die Tagesordnung der Programme zu setzen; in der Erwägung, dass diese Praxis durch ein ständiges spezielles Forum institutionalisiert werden muss;

AE.  in der Erwägung, dass ein gemeinsames Vorgehen unerlässlich ist, damit die Rechte von Frauen in Europa durch einen starken Pakt zwischen den Mitgliedstaaten nach oben hin angenähert und harmonisiert werden, indem die ambitioniertesten Rechtsvorschriften der Union untereinander ausgetauscht und umgesetzt werden und indem bewährte Verfahren, die derzeit in der EU angewandt werden, umgesetzt werden;

AF.  in der Erwägung, dass es zwar ein ausschließlich für die Gleichheitspolitik zuständiges Kommissionsmitglied gibt und das Europäische Parlament einen Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter hat, dass es jedoch keine spezifische Ratsformation für die Gleichstellung der Geschlechter gibt und dass die für die Geschlechtergleichstellung zuständigen Minister und Staatssekretäre kein formelles Diskussionsforum für diesen Zweck haben;

AG.  in der Erwägung, dass der Europäische Rat berechtigt ist, die Liste der Zusammensetzungen des Rates, mit Ausnahme des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ und des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“, mit qualifizierter Mehrheit festzulegen (oder zu ändern);

1.  bedauert, dass die für die Gleichstellung der Geschlechter zuständigen Minister und Staatssekretäre über kein spezielles institutionelles Forum verfügen, mit dem dafür gesorgt wird, dass Vertreter der Mitgliedstaaten regelmäßig Sitzungen abhalten, debattieren, gesetzgeberisch tätig werden, politische Entscheidungen treffen und sich über bewährte Verfahren austauschen; betont, dass die organisierte Zusammenführung der für die Geschlechtergleichstellung zuständigen Minister und Staatssekretäre ein gezielteres und wirksameres Forum für die Zusammenarbeit bietet, wodurch die stärkere Einbeziehung der Geschlechtergleichstellung in die Strategien und politischen Prozesse der EU, ein kohärenter Ansatz und die Koordinierung aller damit zusammenhängenden Politikbereiche sichergestellt werden;

2.  betont, dass die für die Geschlechtergleichstellung zuständigen Minister und Staatssekretäre in einem formellen, eigens dafür bestimmten Forum zusammengebracht werden müssen, damit einheitliche und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Rechte der Frau und der Geschlechtergleichstellung ergriffen werden und sichergestellt wird, dass Fragen der Geschlechtergleichstellung auf höchster politischer Ebene erörtert werden, wobei die verschiedenen Formen der Diskriminierung zu berücksichtigen sind, denen aufgrund von Rassismus benachteiligte Frauen ausgesetzt sind, sowie Frauen, die ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören, ältere Frauen, Frauen mit Behinderungen, Roma-Frauen, LBTI-Frauen, weibliche Flüchtlinge, Migrantinnen und von sozialer Ausgrenzung bedrohte Frauen;

3.  hebt hervor, dass mit der Einrichtung einer Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter ein wichtiges politisches Signal ausgesendet wird; bekräftigt, dass eine spezielle Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter, die es den für die Geschlechtergleichstellung zuständigen Ministern und Staatssekretären ermöglicht, regelmäßig Sitzungen abzuhalten und miteinander zu debattieren, das Gender Mainstreaming in den Rechtsvorschriften der Union sowie den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, den Austausch bewährter Verfahren und Rechtsvorschriften sowie die Fähigkeit, gemeinsame Lösungen für EU-weite Probleme zu finden, stärken und dazu beitragen wird, die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu verringern und den Schutz der Rechte der Frau und die Geschlechtergleichstellung in Europa durch einen bereichsübergreifenden Ansatz zu harmonisieren;

4.  betont, dass einer speziellen Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter entscheidende Bedeutung zukommt, wenn es gilt, die Verhandlungsblockade mit Blick auf die wichtigsten Dossiers im Bereich der Geschlechtergleichstellung aufzuheben, und zwar die Ratifizierung des Übereinkommens von Istanbul, die Annahme der Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (Richtlinie über Frauen in Aufsichtsräten) und die Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Antidiskriminierungsrichtlinie), und damit geschlechtsspezifischen Fragen, die in den nächsten Jahren angegangen werden sollten, größeres Gewicht verliehen wird, etwa der Aufnahme von geschlechtsbezogener Gewalt in den Katalog der von der EU anerkannten Straftaten und der Annahme einer künftigen Richtlinie zu geschlechtsbezogener Gewalt;

5.  fordert den Rat und den Europäischen Rat auf, eine Ratsformation zur Gleichstellung der Geschlechter einzurichten, um die durchgängige Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in allen Politikbereichen und Rechtsvorschriften der EU zu fördern;

6.  fordert den Europäischen Rat auf, gemäß Artikel 236 AEUV und Artikel 2 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Rates mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen und die Liste der Zusammensetzungen, in denen der Rat zusammentritt, zu ändern;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
(2) Angenommene Texte, P9_TA(2019)0080.
(3) Angenommene Texte, P9_TA(2020)0025.
(4) Angenommene Texte, P9_TA(2020)0286.
(5) Angenommene Texte, P9_TA(2020)0173.
(6) https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2018/630296/EPRS_BRI(2018)630296_DE.pdf
(7) Eurostat, 2018.
(8) Laut NRO (Oxfam) und den Vereinten Nationen.

Letzte Aktualisierung: 16. März 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen