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Verfahren : 2020/2912(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B9-0426/2020

Aussprachen :

PV 17/12/2020 - 8.1
CRE 17/12/2020 - 8.1

Abstimmungen :

PV 18/12/2020 - 6
PV 18/12/2020 - 10

Angenommene Texte :

P9_TA(2020)0384

Angenommene Texte
PDF 145kWORD 52k
Freitag, 18. Dezember 2020 - Brüssel
Verschlechterung der Lage im Hinblick auf die Menschenrechte in Ägypten, insbesondere der Fall der Aktivisten der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR)
P9_TA(2020)0384RC-B9-0426/2020

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2020 zur Verschlechterung der Lage im Hinblick auf die Menschenrechte in Ägypten, insbesondere zum Fall der Aktivisten der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR) (2020/2912(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ägypten, insbesondere seine Entschließung vom 24. Oktober 2019(1),

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Auswärtige Angelegenheiten) zu Ägypten vom August 2013 und vom Februar 2014,

–  unter Hinweis auf die Erklärungen der Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) für Außen- und Sicherheitspolitik zu Ägypten, insbesondere diejenige vom 21. November 2020 zu den jüngsten Festnahmen von Menschenrechtsaktivisten,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zu Ägypten vom 20. November 2020,

–  unter Hinweis auf die Aufforderung von Sachverständigen der Vereinten Nationen vom 27. November 2020 zur Freilassung ägyptischer Menschenrechtsverteidiger, die inhaftiert wurden, nachdem sie sich mit Diplomaten getroffen hatten, und auf die Erklärung der Sachverständigen vom 7. Dezember 2020 zu der Entscheidung, drei führende Mitarbeiter der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR) gegen Kaution freizulassen;

–  unter Hinweis auf die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen durchgeführte allgemeine regelmäßige Überprüfung zu Ägypten 2019–2020,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) und des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) vom 13. Mai 2020 zu COVID-19 in Gefängnissen und anderen geschlossenen Einrichtungen;

–  unter Hinweis auf das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ägypten von 2001, das 2004 in Kraft trat und durch den Aktionsplan von 2007 gestärkt wurde; unter Hinweis auf die Partnerschaftsprioritäten EU-Ägypten für den Zeitraum 2017–2020, die am 25. Juli 2017 angenommen wurden, auf die gemeinsame Erklärung, die im Anschluss an die Tagung des Assoziationsrats EU-Ägypten von 2017 abgegeben wurde, und auf die gemeinsame Erklärung über die sechste Sitzung des Unterausschusses für politische Fragen, Menschenrechte und Demokratie im Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und Ägypten vom 23. und 24. Juni 2019,

–  unter Hinweis auf die Leitlinien der EU zur Todesstrafe, zu Folter, zur Freiheit der Meinungsäußerung und zu Menschenrechtsverteidigern,

–  unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und die Arabische Charta der Menschenrechte, die allesamt von Ägypten ratifiziert worden sind,

–  unter Hinweis auf die Verfassung Ägyptens, insbesondere auf Artikel 52 zum Verbot aller Arten und Formen von Folter, Artikel 73 zur Versammlungsfreiheit und Artikel 93 zur Verbindlichkeit der internationalen Menschenrechtsnormen,

–  unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker von 1981, die Ägypten am 20. März 1984 ratifiziert hat,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–  gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass sich die Menschenrechtslage in Ägypten weiter verschlechtert hat, da die Staatsorgane ihr hartes Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, Gesundheitspersonal, Journalisten, Oppositionelle, Akademiker und Rechtsanwälte verstärken und weiterhin jegliche Form des Widerspruchs brutal und systematisch unterdrücken, womit sie Kernfreiheiten untergraben, konkret die Freiheit der Meinungsäußerung, sowohl online als auch offline, den politischen Pluralismus, das Recht auf Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten und die Rechtsstaatlichkeit;

B.  in der Erwägung, dass drei Aktivisten der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR), einer der letzten unabhängigen Menschenrechtsorganisationen in Ägypten, Gasser Abdel Rasek, Karim Ennarah und Mohammad Baschir, nach ihrem Treffen mit 13 ausländischen Botschaftern und Diplomaten vom 3. November 2020 von Sicherheitskräften zwischen dem 15. und dem 19. November 2020 unter dem Vorwurf des Terrorismus und von Straftaten gegen die nationale Sicherheit festgenommen wurden;

C.  in der Erwägung, dass nach nationalen und internationalen Bekundungen der Besorgnis, auch vom OHCHR, der Sprecherin des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) und den Mitgliedstaaten, die Aktivisten am 3. Dezember 2020 gegen Kaution freigelassen wurden, wohingegen die Anschuldigungen aufrechterhalten wurden; in der Erwägung, dass ein ägyptisches Gericht, das mit Fällen im Zusammenhang mit Terrorismus befasst ist, trotz ihrer Freilassung am 6. Dezember 2020 eine Entscheidung des Staatsanwalts, ihre Vermögenswerte bis zum Abschluss der Ermittlungen einzufrieren, aufrechterhielt;

D.  in der Erwägung, dass das harte Vorgehen gegen die EIPR 2016 begann, als die Bankkonten des ehemaligen Direktors und Gründers der EIPR, Hossam Bahgat, eingefroren wurden und ihm untersagt wurde, das Land zu verlassen; in der Erwägung, dass die EIPR durch die Förderung der persönlichen, politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte und Freiheiten im Land Unschätzbares leistet;

E.  in der Erwägung, dass am 7. Februar 2020 der Gleichstellungsforscher Patrick George Zaki, der mit einem Erasmus-Postgraduiertenstipendium an der italienischen Universität Bologna studiert, auf dem internationalen Flughafen von Kairo willkürlich festgenommen wurde; in der Erwägung, dass Patrick George Zaki nach Aussage seines Rechtsanwalts einem 17-stündigen Verhör durch die ägyptische Behörde für nationale Sicherheit unterzogen wurde, bevor man ihn nach Al-Mansura brachte, wo er geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert wurde; in der Erwägung, dass Patrick Georges Zaki neben weiteren Vorwürfen beschuldigt wurde, er habe subversive Propaganda verbreitet sowie zum Protest und zum Terrorismus aufgestachelt; in der Erwägung, dass Patrick George Zaki zwar wegen seiner gesundheitlichen Situation besonders gefährdet ist, sich im Gefängnis von Tora mit COVID-19 anzustecken, seine Untersuchungshaft aber während der letzten 10 Monaten immer wieder verlängert wurde; in der Erwägung, dass das Programm Erasmus als eine der erfolgreichsten Initiativen zur Förderung der Grundwerte der EU gilt; in der Erwägung, dass die Festnahme von Patrick George Zaki während der Laufzeit seines Stipendiums in Europa eine Bedrohung dieser Werte darstellt und die Union alles in ihrer Macht Stehende unternehmen muss, um eine Lösung dieses Falles herbeizuführen;

F.  in der Erwägung, dass die Medienfreiheit in Ägypten in den letzten Jahren aufgrund des eingeschränkten Spielraums für Journalisten zurückgegangen ist; in der Erwägung, dass Journalisten und ihre Angehörigen zunehmend verfolgt werden und Festnahmen, Bedrohungen und Einschüchterungen ausgesetzt werden; in der Erwägung, dass die ägyptischen Staatsorgane die Websites einheimischer und internationaler Nachrichten- und Menschenrechtsorganisationen weiterhin sperren;

G.  in der Erwägung, dass Zehntausende Menschenrechtsverteidiger, darunter Frauenrechtsaktivisten, LGBTI-Aktivisten, Rechtsanwälte, Journalisten, Aktivisten, friedliche Widerständler und Oppositionelle weiterhin unter lebensbedrohlichen Bedingungen inhaftiert sind; in der Erwägung, dass sich das gewaltsame Verschwinden von Menschenrechtsverteidigern derzeit zu einer systematischen Praxis der ägyptischen Staatsorgane entwickelt; in der Erwägung, dass Untersuchungshaft und Sicherungsmaßnahmen eingesetzt werden, um Aktivisten und ihre Rechtsanwälte daran zu hindern, ihrer rechtmäßigen Arbeit für die Menschenrechte nachzugehen oder ihre Grundfreiheiten in Ägypten friedlich wahrzunehmen;

H.  in der Erwägung, dass ägyptische Aktivisten der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Akademiker in der Lage sein sollten, ihren rechtmäßigen Tätigkeiten ungehindert nachzugehen, ohne Repressalien gegen sich oder ihre Angehörigen befürchten zu müssen; in der Erwägung, dass ihre Arbeit, ihre Konten in den sozialen Medien und ihre persönlichen Geräte rechtswidrig digital überwacht werden;

I.  in der Erwägung, dass die unter der Führung von Präsident Al-Sisi eingeführten Rechtsvorschriften zur Terrorismusbekämpfung von vielen Menschenrechtsorganisationen kritisiert werden, weil sie den Behörden gefährlich viel Deutungsspielraum einräumen und missbraucht werden, um Menschenrechtsverteidiger, ihre Rechtsanwälte, Aktivisten und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen; in der Erwägung, dass Verdächtige in Terrorfällen oft keine fairen Verfahren erhalten, da sie direkt an Militärgerichte überstellt werden; in der Erwägung, dass die ägyptischen Staatsorgane nach Angaben von Human Rights Watch seit dem Militärputsch von 2013 etwa 3 000 Menschen auf Terrorlisten gesetzt, 3 000 Menschen zum Tode verurteilt und 60 000 Menschen inhaftiert haben;

J.  in der Erwägung, dass Ägypten nach Angaben von Organisationen der Zivilgesellschaft 2020 mindestens 110 Menschen hingerichtet hat, davon 66 seit dem 3. Oktober 2020, was bedeutet, dass in den letzten zwei Monaten mehr Menschen hingerichtet wurden als im gesamten Jahr 2019; in der Erwägung, dass mindestens 39 Menschen eine unmittelbar bevorstehende Hinrichtung droht; in der Erwägung, dass diese Urteile Berichten zufolge auf grob ungerechte Verfahren zurückgehen, die den Makel erzwungener „Geständnisse“ und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter und gewaltsamen Verschwindens, tragen, bei denen diese Handlungen überhaupt nicht ernsthaft untersucht wurden, beispielsweise im Fall des koptisch-christlichen Mönchs Isaiah al-Maqari; in der Erwägung, dass weiterhin Kinder zum Tode verurteilt werden; in der Erwägung, dass Artikel 122 des ägyptischen Kindergesetzes nach wie vor Anlass zu ernster Besorgnis gibt, da ihm zufolge gegen Kinder unter bestimmten Umständen in Massenprozessen vor Gerichten für Erwachsene verhandelt werden darf, wodurch seit 2011 schon gegen 17 Jugendliche Todesurteile verhängt wurden;

K.  in der Erwägung, dass in Ägypten seit dem 10. April 2017 ununterbrochen der Notstand gilt; in der Erwägung, dass trotz verbreiteter internationaler Kritik, dass Massenprozesse schlicht ungeeignet sind, die grundlegenden Anforderungen des Völkerrechts in Bezug auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren und die Ansprüche auf ein gerechtes Verfahren zu erfüllen, solche Massenprozesse weiterhin stattfinden; in der Erwägung, dass mehr Zivilisten vor Militärgerichte gestellt werden als jemals zuvor;

L.  in der Erwägung, dass sexuelle Gewalt und Belästigung gegen Frauen in der ägyptischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten gang und gäbe waren und dass die Staatsorgane wenig unternommen haben, um Verdächtige zu verfolgen oder diskriminierende Normen infrage zu stellen, die solche Gewalt untermauern; in der Erwägung, dass missbräuchliche Praktiken wie Jungfräulichkeitstests immer noch weit verbreitet sind, sogar seitens des ägyptischen Staates; in der Erwägung, dass das Gesetz über Gewalt gegen Frauen, das im ägyptischen Parlament seit 2017 blockiert wird, immer noch nicht ratifiziert ist; in der Erwägung, dass bestehende Maßnahmen und Gesetze gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien nicht hinreichend durchgesetzt werden und die Praxis fortbesteht; in der Erwägung, dass Verteidigerinnen und Verteidiger von Frauenrechten und Feministinnen weiterhin Unterdrückung ausgesetzt sind;

M.  in der Erwägung, dass italienische Staatsanwälte in Rom am 10. Dezember 2020 nach vierjähriger strafrechtlicher Ermittlung bekannt gaben, dass ihnen eindeutige Beweise dafür vorlagen, dass vier ägyptische Staatssicherheitsbeamte an der schweren Entführung, schweren Körperverletzung und Ermordung des italienischen Forschungsassistenten Giulio Regeni beteiligt waren; in der Erwägung, dass die Rechtsanwälte der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) das Team der im Fall Regeni tätigen Juristen in Italien weiterhin unterstützen, da sie die rechtlichen Vertreter in Ägypten sind; in der Erwägung, dass die ägyptischen Staatsorgane den Fortschritt der Ermittlungen und die Aufdeckung der Wahrheit über die Entführung, Folter und Tötung von Giulio Regeni und den Tod des französischen Lehrers Eric Lang, der 2013 in Kairo festgenommen worden war, ständig behindert haben, wodurch sie verhinderten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden;

N.  in der Erwägung, dass die EU Ägyptens wichtigster Wirtschaftspartner ist und die meisten ausländischen Investitionen in Ägypten aus der EU stammen; in der Erwägung, dass die EU und Ägypten im Juni 2017 Prioritäten für die Partnerschaft angenommen haben, mit denen die Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Bereichen, unter anderem in den Bereichen Sicherheit, Terrorismusbekämpfung und Justizreform, ausgebaut werden sollte;

1.  bedauert erneut und mit größtem Nachdruck, dass das harte Vorgehen staatlicher Stellen und der Sicherheitskräfte in Ägypten gegen die Grundrechte und gegen Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte, Demonstranten, Journalisten, Blogger, Gewerkschafter, Studierende, Kinder, Verfechter von Frauen- und Gleichstellungsrechten, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI-Personen), politische Oppositionelle einschließlich ihrer Angehörigen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Minderheiten nur als Reaktion darauf, dass sie ihre Grundfreiheiten wahrnehmen oder ihre abweichende Meinung äußern, andauert und sich weiter verschärft; fordert, dass alle Menschenrechtsverletzungen unabhängig und transparent untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden; betont, dass eine starke und gut funktionierende Zivilgesellschaft wichtig ist;

2.  ist empört über die jüngsten Festnahmen der führenden EIPR-Aktivisten Gasser Abdel Rasek, Karim Ennarah und Mohammad Baschir als Vergeltung für ihr rechtmäßiges Treffen mit europäischen Diplomaten in Kairo; begrüßt ihre vorläufige Freilassung, fordert die Staatsorgane jedoch eindringlich auf, alle Anschuldigungen gegen sie fallen zu lassen, alle Formen der Schikanierung und Einschüchterung gegen sie und gegen den Gründer und amtierenden Leiter der EIPR, Hossam Bahgat, zu beenden und alle gegen sie und die EIPR verhängten restriktiven Maßnahmen einschließlich der Reiseverbote und des Einfrierens des Vermögens aufzuheben; fordert die ägyptische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass ihr Fall transparent, fair und rasch behandelt wird;

3.  bedauert, dass der Beschluss über ihre Freilassung nicht auf andere Häftlinge der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR), insbesondere Patrick George Zaki, ausgeweitet wurde, dessen Haftanordnung am 6. Dezember 2020 um weitere 45 Tage verlängert wurde; fordert, dass Patrick George Zaki umgehend und bedingungslos freigelassen wird und dass alle Anklagen gegen ihn fallen gelassen werden; ist der Auffassung, dass eine entschlossene, rasche und abgestimmte diplomatische Reaktion der EU auf seine Festnahme und verlängerte Inhaftierung benötigt wird;

4.  bekräftigt seine Forderung, Personen, die wegen ihres rechtmäßigen und friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte willkürlich festgenommen und verurteilt wurden, insbesondere Mohamed Ibrahim, Mohamed Ramadan, Abdelrahman Tarek, Essat Ghoneim, Haitham Mohamadin, Alaa Abdel Fattah, Ibrahim Metwalli Hegasi, Mahienur el-Masri, Mohamed el-Bakr, Hoda Abdelmoniem, Ahmed Amascha, Islam el-Kalhi, Abdel Moneim Abul Fotuh, Esraa Abdel Fattah, Rami Kamel, Ibrahim Es El-Din, Siad el-Elaimi, Hassan Barbari, Rami Schaath, Sanaa Seif, Solafa Magdi, Hossam al-Sajjad, Mahmud Hussein und Kamal el-Balschi, umgehend und bedingungslos freizulassen;

5.  betont, dass die anhaltenden Festnahmen und Inhaftierungen Teil einer umfassenderen Vorgehensweise zur Einschüchterung von Menschenrechtsorganisationen sind, ebenso wie die zunehmenden Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet und offline sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Ägypten, und fordert, all diesen Handlungen ein Ende zu setzen; bedauert, dass Ägypten weiterhin Antiterrorgesetze, die willkürliche Hinzufügung von Menschenrechtsverteidigern zur „Terroristenliste“ Ägyptens und Untersuchungshaft einsetzt, um auf die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern abzuzielen und diese zu kriminalisieren, was mit der Rechtsstaatlichkeit und den Verpflichtungen Ägyptens gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen nicht vereinbar ist; fordert die ägyptischen Behörden nachdrücklich auf, missbräuchliche Rechtsvorschriften, insbesondere ihr Gesetz über nichtstaatliche Organisationen von 2019 und ihr Antiterrorgesetz zu ändern oder aufzuheben; fordert die ägyptischen Behörden erneut auf, die Rechtssache 173/2011 (den Fall „Finanzierung aus dem Ausland“) zu schließen und alle Reiseverbote und Vermögenseinfrierungen, die für mindestens 31 Menschenrechtsverteidiger und Mitarbeiter von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen im Rahmen des Falls verhängt wurden, aufzuheben;

6.  fordert die ägyptischen Behörden auf, sicherzustellen, dass bei der Behandlung sämtlicher Häftlinge die im „Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen“, der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit ihrer Resolution 43/173 am 9. Dezember 1988 angenommen wurde, festgelegten Bedingungen erfüllt werden, dass ihnen bis zu ihrer Freilassung uneingeschränkter Zugang zu ihren Familien, Rechtsanwälten ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung gewährt wird und dass seriöse Untersuchungen sämtlicher Misshandlungs- und Foltervorwürfe durchgeführt werden;

7.  äußert sich zutiefst besorgt über das Schicksal der Inhaftierten und Häftlinge, die während der COVID-19-Pandemie unter entsetzlichen Bedingungen in überfüllten Hafteinrichtungen festgehalten werden und fordert die Behörden auf, die Hafteinrichtungen zu entlasten; fordert die Behörden auf, einer unabhängigen Organisation uneingeschränkten Zugang zu dem Hochsicherheitsgefängnis Tora zu gewähren, um die Haftbedingungen zu überwachen; verurteilt die willkürliche Verhaftung, Schikanierung und Unterdrückung von medizinischem Personal und Journalisten, die sich zur Lage im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise oder der Reaktion des ägyptischen Staates im Jahr 2020 äußerten; fordert die ägyptischen Behörden auf, dieser Praktik ein Ende zu setzen und medizinisches Personal, das noch immer willkürlich festgehalten wird, freizulassen;

8.  bedauert, dass die Zahl der Hinrichtungen in Ägypten gestiegen ist, und lehnt die Anwendung der Todesstrafe ab; fordert die ägyptischen Behörden auf, ein Moratorium für die Todesstrafe im Hinblick auf ihre Abschaffung zu erlassen und alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine strikte Einhaltung der Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren sicherzustellen und alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um ein gerechtes Verfahren sicherzustellen; fordert Ägypten auf, alle Jugendlichen, die zum Tode verurteilt wurden, umgehend freizulassen und Artikel 122 des Kinderschutzgesetzes zu ändern;

9.  fordert die ägyptischen Behörden auf, ein umfassendes Gesetz über Gewalt gegen Frauen und eine nationale Strategie zur Durchsetzung der gebilligten Gesetze gegen sexuelle Gewalt anzunehmen; fordert die Behörden nachdrücklich auf, die verfügbaren Leitlinien der Vereinten Nationen, etwa das Handbuch der Vereinten Nationen für die Gesetzgebung im Bereich Gewalt gegen Frauen, anzuwenden, um Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich des Schutzes von Überlebenden und Zeugen, durch geschulte Beamte und Dienstleister festzulegen; fordert die ägyptischen Behörden auf, jegliche Form der Verfolgung von Frauen aus Gründen einer „Verletzung der Moral“ wie im Fall der Menschenrechtsverteidigerin Amal Fathi einzustellen; fordert die Behörden auf, die Inhaftierung und Verfolgung von Mitgliedern der LGBTI-Gemeinschaft oder von Einzelpersonen, die wie im Fall von Seif Bedur ausschließlich auf der Grundlage ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Ausrichtung erfolgt, umgehend ein Ende zu setzen;

10.  bedauert den Versuch der ägyptischen Behörden, die Ermittlungen zur Entführung, Folter und Ermordung von Giulio Regeni, einem italienischen Forscher, im Jahr 2016 zu verfälschen und Fortschritte zu verhindern; bedauert, dass sich die ägyptischen Behörden weiterhin weigern, den italienischen Behörden im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Ägyptens alle erforderlichen Dokumente und Informationen bereitzustellen, um eine schnelle, transparente und unparteiische Untersuchung des Mordes an Giulio Regeni zu ermöglichen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die ägyptischen Behörden nachdrücklich aufzufordern, uneingeschränkt mit den italienischen Justizbehörden zusammenzuarbeiten und sich nicht länger zu weigern, zum Abschluss der Ermittlungen die Wohnanschrift der vier von den italienischen Staatsanwälten in Rom genannten Verdächtigen zu übermitteln, wie es die italienischen Rechtsvorschriften vorschreiben, damit sie im Rahmen eines gerechten Verfahrens in Italien offiziell angeklagt werden können; warnt die ägyptischen Behörden davor, Vergeltung an den Zeugen oder der ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheit und ihren Rechtsanwälten zu üben;

11.  äußert starke politische und persönliche Unterstützung für die Familie von Giulio Regeni für ihre unermüdlichen, würdevollen Bestrebungen, die Wahrheit aufzudecken; weist darauf hin, dass die Aufdeckung der Wahrheit in Bezug auf die Entführung, Folter und Ermordung eines europäischen Bürgers nicht allein die Aufgabe der Familie ist, sondern eine unerlässliche Pflicht nationaler Einrichtungen und der Einrichtungen der EU, die erfordert, dass alle nötigen diplomatischen Maßnahmen ergriffen werden;

12.  weist darauf hin, dass Ägypten in zahlreichen Bereichen, unter anderem im Bereich des Handels, der Sicherheit, der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Kontakte zwischen den Menschen, ein wichtiger Partner der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ist; unterstützt die ägyptische Bevölkerung in ihren Bestrebungen, ein freies, stabiles, wohlhabendes, inklusives und demokratisches Land zu schaffen, in dem beim Schutz und bei der Förderung der Menschenrechte die nationalen und internationalen Rechtsvorschriften geachtet werden;

13.  weist die ägyptischen Behörden darauf hin, dass die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ein wesentliches Element der Beziehungen zwischen der EU und Ägypten ist und dass eine gemeinsame Verpflichtung, die in den Partnerschaftsprioritäten EU-Ägypten verankert ist, darin besteht, der Zivilgesellschaft Handlungsspielraum zu geben, wie es in der ägyptischen Verfassung festgelegt ist betont, dass kein Menschenrechtsverteidiger finanziellen Einschränkungen, Kriminalisierung, Reisebeschränkungen oder Kautionsauflagen gegenüberstehen oder für seinen rechtmäßigen Einsatz für die Menschenrechte inhaftiert werden sollte; fordert den VP/HR nachdrücklich auf, seine Bedenken in Bezug auf die Menschenrechtslage in Ägypten öffentlich und bei allen hochrangigen Treffen mit den ägyptischen Behörden zum Ausdruck zu bringen;

14.  legt den Vertretern der EU-Delegation und der Mitgliedstaaten in Kairo nahe, den Gerichtsverhandlungen von ägyptischen und ausländischen Journalisten, Bloggern, Gewerkschaftern, Menschenrechtsverteidigern und Aktivisten der Zivilgesellschaft beizuwohnen und ihnen in der Haft Besuche abzustatten;

15.  bekräftigt seine Forderung an den VP/HR und die Mitgliedstaaten, auf das harte Vorgehen und die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten eine geeinte und entschlossene Reaktion zu zeigen, auch in Abstimmung mit anderen gleichgesinnten Partnern, und alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, um in Bezug auf die Menschenrechtsbilanz Ägyptens konkrete Fortschritte zu erzielen; fordert insbesondere die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, bei der bevorstehenden Tagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen die Führungsrolle zu übernehmen, um einen längst überfälligen Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismus für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Ägypten einzurichten; begrüßt die Annahme einer globalen Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte/„Magnitsky Act“ der EU durch den Rat und bekräftigt seine Forderung an den VP/HR und die Mitgliedstaaten, gezielte restriktive Maßnahmen gegen hochrangige ägyptische Amtsträger, die für die schwerwiegendsten Verletzungen in dem Land verantwortlich sind, zu ergreifen;

16.  bekräftigt seine Forderung nach einer gründlichen und umfassenden Überprüfung der Beziehungen zwischen der EU und Ägypten; ist der Auffassung, dass die Menschenrechtslage in Ägypten eine ernsthafte Überarbeitung der Budgethilfen der Kommission erfordert, und fordert, dass die EU-Hilfen begrenzt werden, sodass sie in erster Linie demokratischen Akteuren und der Zivilgesellschaft zugutekommen; fordert mehr Transparenz bei allen Formen von finanzieller Unterstützung oder Ausbildungsmaßnahmen, die von der EU, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Europäischen Investitionsbank in Ägypten bereitgestellt werden; weist darauf hin, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten keine Auszeichnungen an Führungskräfte vergeben dürfen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind;

17.  fordert die EU auf, mit Blick auf die Aushandlung neuer Partnerschaftsprioritäten klare Zielvorgaben festzulegen, in deren Rahmen die weitere Zusammenarbeit zum Kernstück der Beziehungen wird, damit bei der Reform der demokratischen Institutionen, der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten Fortschritte erzielt werden, und Menschenrechtsbelange bei allen Gesprächen mit den ägyptischen Behörden durchgängig zu berücksichtigen; fordert die Kommission und den EAD auf, bei der nächsten Tagung des Assoziationsrats EU-Ägypten den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit konkreter Verbesserungen der Menschenrechtslage, insbesondere die Freilassung willkürlich inhaftierter Menschenrechtsverteidiger und Journalisten, zu legen; bekräftigt, dass die Zusammenarbeit im Bereich der Migrationssteuerung und der Terrorismusbekämpfung, aber auch geopolitische Erwägungen, nicht den kontinuierlichen Druck in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Rechenschaftspflicht im Fall von Menschenrechtsverletzungen beeinträchtigen dürfen;

18.  bekräftigt seine Forderung an die Mitgliedstaaten, die Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) vom 21. August 2013 umzusetzen, in denen gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP(2) die Aussetzung der Genehmigungen für die Ausfuhr von Ausrüstungen, die zur internen Repression genutzt werden könnten, angekündigt wird, und verurteilt, dass die Mitgliedstaaten diese Verpflichtungen fortlaufend missachten; fordert von den Mitgliedstaaten, dass Ausfuhren von Waffen, Überwachungstechnologien und sonstiger Sicherheitsausrüstung – die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und zivilgesellschaftliche Aktivisten, auch über soziale Medien, sowie sonstige Formen interner Repression womöglich erleichtern – nach Ägypten auf Eis gelegt werden; fordert die EU auf, ihre Kontrolle der Ausfuhr von Gütern nach Ägypten, die für Repression, Folter oder die Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden könnten, strikt durchzusetzen;

19.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament Ägyptens und der Afrikanischen Kommission für die Menschenrechte und Rechte der Völker.

(1) Angenommene Texte, P9_TA(2019)0043.
(2) ABl. L 335 vom 13.12.2008, S. 99.

Letzte Aktualisierung: 16. März 2021Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen