Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2021 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln (COM(2019)0623 – C9-0197/2019 – 2019/0273(COD))
(Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung)
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat (COM(2019)0623),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 2 und Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, auf deren Grundlage ihm der Vorschlag der Kommission unterbreitet wurde (C9‑0197/2019),
– gestützt auf Artikel 294 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das Gutachten 2/15 des Gerichtshofs(1),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. November 2019 zu der Krise des WTO-Berufungsgremiums(2),
– unter Hinweis auf die vorläufige Einigung, die gemäß Artikel 74 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung vom zuständigen Ausschuss angenommen wurde, und auf die vom Vertreter des Rates mit Schreiben vom 4. November 2020 gemachte Zusage, den Standpunkt des Parlaments gemäß Artikel 294 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu billigen,
– gestützt auf Artikel 59 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für internationalen Handel (A9‑0133/2020),
1. legt den folgenden Standpunkt in erster Lesung fest;
2. billigt die dieser Entschließung beigefügten gemeinsamen Erklärungen des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission;
3. nimmt die dieser Entschließung beigefügten Erklärungen der Kommission zur Kenntnis;
4. fordert die Kommission auf, es erneut zu befassen, falls sie ihren Vorschlag ersetzt, entscheidend ändert oder beabsichtigt, ihn entscheidend zu ändern;
5. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den nationalen Parlamenten zu übermitteln.
Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 19. Januar 2021 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) 2021/... des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln
(Da Parlament und Rat eine Einigung erzielt haben, entspricht der Standpunkt des Parlaments dem endgültigen Rechtsakt, Verordnung (EU) 2021/167.)
ANHANG ZUR LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG
Gemeinsame Erklärung der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlaments über ein Instrument, um Zwangsmaßnahmen durch Drittländer abzuwenden und diesen entgegenzuwirken
Die Kommission nimmt die Bedenken des Parlaments und der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Praxis bestimmter Drittländer, die Union und/oder ihre Mitgliedstaaten dazu zu zwingen, bestimmte einschlägige Maßnahmen zu ergreifen oder zurückzunehmen, zur Kenntnis. Die Kommission teilt die Auffassung, dass solche Praktiken zu erheblichen Bedenken Anlass geben. Die Kommission bekräftigt ihre Absicht, ein mögliches Instrument weiter zu prüfen, das zur Abschreckung vor Zwangsmaßnahmen von Drittländern angenommen werden könnte und eine zügige Annahme von durch solche Maßnahmen ausgelösten Gegenmaßnahmen ermöglichen würde. Die Kommission beabsichtigt, ihre Bewertung fortzusetzen und auf der Grundlage dieser Bewertung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände einen Legislativvorschlag anzunehmen, der einen Mechanismus vorsieht, der es ermöglicht, vor solchen Aktivitäten in einer mit dem Völkerrecht in Einklang stehenden Weise abzuschrecken oder diese auszugleichen. Wie in der Absichtserklärung der Präsidentin der Europäischen Kommission vom 16. September 2020 an den Präsidenten des Europäischen Parlaments und die amtierende Präsidentin des Rates angekündigt, wird die Kommission den Vorschlag für den Mechanismus zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen spätestens Ende 2021 oder – falls sich dies infolge der Zwangsmaßnahme eines Drittlandes als notwendig erweist – zu einem früheren Zeitpunkt annehmen.
Der Rat und das Europäische Parlament nehmen die Absicht der Kommission zur Kenntnis, einen Vorschlag für ein Instrument vorzulegen, das dazu dient, Zwangsmaßnahmen durch Drittländer abwenden und diesen entgegenzuwirken. Beide Organe sind entschlossen, ihrer institutionellen Rolle als Mitgesetzgeber gerecht zu werden und den Vorschlag zeitnah zu prüfen sowie dabei die sich aus dem Völkerrecht und dem WTO-Recht ergebenden Verpflichtungen der Union und relevante Entwicklungen im internationalen Handel zu berücksichtigen.
Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission
Die Union setzt sich im Hinblick auf die internationale Streitbeilegung, den regelbasierten Handel und die internationale Zusammenarbeit nach wie vor für einen multilateralen Ansatz ein, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen. Die Union wird an sämtlichen Bemühungen um eine Reform des WTO-Streitbeilegungsmechanismus mitwirken, mit denen sichergestellt werden kam, dass das WTO-Berufungsgremium effizient funktioniert.
Erklärungen der Kommission
1. Erklärung der Kommission zur Einhaltung des Völkerrechts
Wenn die Union einen Streitfall im Rahmen der Streitbeilegungsvereinbarung gegen ein anderes Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) einleitet, unternimmt die Kommission alle zumutbaren Anstrengungen, um so früh wie möglich die Zustimmung dieses Mitglieds dafür zu erhalten, auf das Schiedsverfahren nach Artikel 25 der Streitbeilegungsvereinbarung als Interims-Rechtsmittelschiedsverfahren zurückzugreifen, das die wesentlichen Merkmale von Rechtsmitteln beim Berufungsgremium (im Folgenden „Rechtsmittelschiedsverfahren“) wahrt, solange das Berufungsgremium seine Aufgaben gemäß Artikel 17 der Streitbeilegungsvereinbarung nicht in vollem Umfang wiederaufnehmen kann.
Beim Erlass von Durchführungsrechtsakten gemäß Artikel 3 Buchstabe aa der Verordnung wird die Kommission im Einklang mit den Anforderungen des Völkerrechts in Bezug auf Gegenmaßnahmen handeln, die in den von der Völkerrechtskommission angenommenen Artikeln zur Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln kodifiziert sind.
Insbesondere wird die Kommission vor dem Erlass von Durchführungsrechtsakten nach Artikel 3 Buchstabe aa das betreffende WTO-Mitglied auffordern, die Feststellungen und Empfehlungen des WTO-Panels umzusetzen, das WTO-Mitglied über die Absicht der Union, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, unterrichten und ihre Bereitschaft zur Aushandlung einer einvernehmlichen Lösung im Einklang mit den Anforderungen der Streitbeilegungsvereinbarung bekräftigen.
Wenn bereits Durchführungsrechtsakte gemäß Artikel 3 Buchstabe aa erlassen worden sind, wird die Kommission deren Anwendung aussetzen, wenn das Berufungsgremium seine Tätigkeit in dem betreffenden Fall gemäß Artikel 17 der Streitbeilegungsvereinbarung wieder aufnimmt oder wenn ein Interims-Rechtsmittelschiedsverfahren eingeleitet wird, sofern ein derartiges Verfahren nach Treu und Glauben durchgeführt wird.
2. Erklärung der Kommission
Die Kommission begrüßt den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 654/2014.
Die Kommission weist auf die Erklärung hin, die sie bei Erlass der ursprünglichen Verordnung abgegeben hat, welche unter anderem vorsieht, dass die Durchführungsrechtsakte, zu deren Erlass die Kommission befugt ist, auf der Grundlage objektiver Kriterien und vorbehaltlich einer Kontrolle der Mitgliedstaaten gestaltet werden. Bei der Wahrnehmung dieser Befugnisse beabsichtigt die Kommission, im Einklang mit der Erklärung, die bei Erlass der ursprünglichen Verordnung abgegeben wurde, und mit der vorliegenden Erklärung zu handeln.
Bei der Ausarbeitung von Entwürfen von Durchführungsrechtsakten, die den Handel mit Dienstleistungen oder handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums betreffen, weist die Kommission auf ihre Verpflichtungen gemäß Artikel 9 Absatz 1a hin und bestätigt, dass sie im Vorfeld intensive Konsultationen durchführen wird, um sicherzustellen, dass der Kommission alle relevanten Interessen und Auswirkungen zur Kenntnis gebracht und den Mitgliedstaaten mitgeteilt werden können sowie im Falle des Erlasses von Maßnahmen gebührend berücksichtigt werden. Was diese Konsultationen angeht, so bittet die Kommission private Interessenträger, die von etwaigen, von der Union in diesen Bereichen zu erlassenden handelspolitischen Maßnahmen der Union betroffen sind, dazu Stellung zu nehmen und rechnet mit diesbezüglichen Beiträgen. In ähnlicher Weise bittet die Kommission um Anregungen von Behörden, die an der Umsetzung möglicher von der Union erlassener handelspolitischer Maßnahmen beteiligt sein können, und rechnet mit diesbezüglichen Beiträgen.
Im Falle von Maßnahmen auf den Gebieten Dienstleistungsverkehr und handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums werden insbesondere die Beiträge von Behörden der Mitgliedstaaten, die an der Abfassung oder Umsetzung von Rechtsvorschriften zur Regelung der betroffenen Gebiete beteiligt sind, bei der Ausarbeitung von Entwürfen von Durchführungsrechtsakten gebührend berücksichtigt, unter anderem im Hinblick auf die Frage, wie etwaige handelspolitische Maßnahmen mit den Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten zusammenspielen würden. Ebenso werden andere, von derartigen handelspolitischen Maßnahmen betroffene Interessenträger die Möglichkeit erhalten, hinsichtlich der Wahl und der Gestaltung der zu erlassenden Maßnahmen Empfehlungen abzugeben und Bedenken zu äußern. Die Anmerkungen werden an die Mitgliedstaaten weitergeleitet, wenn Maßnahmen gemäß Artikel 8 der Verordnung erlassen werden. Bei der regelmäßigen Überprüfung solcher Maßnahmen, die während ihrer Anwendung oder nach ihrer Aufhebung vorgeschrieben ist, werden ebenso die Beiträge der Behörden der Mitgliedstaaten und privater Interessenträger in Bezug auf die Durchführung solcher Maßnahmen berücksichtigt, und es können Anpassungen vorgenommen werden, falls Probleme aufgetreten sind.
Schließlich bekräftigt die Kommission, dass es ihr ein wichtiges Anliegen ist, dafür zu sorgen, dass die Verordnung ein wirksames und effizientes Instrument zur Durchsetzung der Rechte der Union im Rahmen internationaler Handelsabkommen ist, auch im Hinblick auf den Dienstleistungsverkehr und die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums. Daher müssen die auf diesen Gebieten zu treffenden Maßnahmen auch eine wirksame Durchsetzung im Einklang mit den Rechten der Union gewährleisten, sodass sie die Einhaltung durch das betreffende Drittland herbeiführen und mit den geltenden internationalen Vorschriften über die Art der zulässigen Durchsetzungsmaßnahmen im Einklang stehen.
Erklärung der Kommission
Nach dem Erlass der Verordnung im Jahr 2014 verpflichtete sich die Kommission zu einer wirksamen Kommunikation und einem wirksamen Meinungsaustausch mit dem Europäischen Parlament und dem Rat über Handelsstreitigkeiten, die zur Annahme von Maßnahmen im Rahmen der Verordnung führen können, sowie über Durchsetzungsmaßnahmen im Allgemeinen. Die Kommission wird in Anbetracht des übergeordneten Ziels einer wirksamen und effizienten Durchsetzung der Rechte der Union im Rahmen der internationalen Handelsabkommen der Union weiterhin die Interaktion mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zum gegenseitigen Nutzen fördern und optimieren.
Insbesondere verpflichtet sich die Kommission, im Rahmen ihres verbesserten Durchsetzungssystems mutmaßliche Verstöße gegen internationale Handelsabkommen der Union, wenn diese vom Parlament, dessen Mitgliedern oder Ausschüssen bzw. vom Rat aufgezeigt werden, nach der Maßgabe zu prüfen, dass solchen Ersuchen entsprechende Nachweise beigefügt werden. Die Kommission wird das Parlament und den Rat über die Ergebnisse ihrer intensivierten Durchsetzungsarbeit laufend unterrichten.
Mit der Einführung des verbesserten Durchsetzungssystems wird die Kommission mutmaßlichen Verstößen gegen die Bestimmungen der EU-Handelsabkommen über Handel und nachhaltige Entwicklung genauso Rechnung tragen wie mutmaßlichen Verstößen gegen die Systeme zur Regelung des Marktzugangs. Die Behandlung mutmaßlicher Verstöße gegen Bestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung wird voll und ganz in das System integriert. Die Kommission wird denjenigen Fällen Vorrang einräumen, die aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Arbeitnehmer oder die Umwelt im handelspolitischen Kontext besonders schwerwiegend sind, gesamtsystematische Bedeutung aufweisen und rechtlich begründet sind.
Die Kommission wird sich in einschlägigen Sitzungen mit dem zuständigen Parlamentsausschuss aktiv am Meinungsaustausch über Handelsstreitigkeiten und Durchsetzungsmaßnahmen beteiligen, auch hinsichtlich der Auswirkungen auf Wirtschaftszweige der Union. In diesem Kontext wird die Kommission ihre Berichterstattungspraxis fortsetzen und regelmäßig über den Sachstand bei allen anhängigen Streitfällen berichten und unverzüglich über wesentliche Entwicklungen im Zusammenhang mit Streitfällen informieren, wobei diese Informationen zugleich an die Mitgliedstaaten weitergegeben werden. Die Berichterstattung und der Informationsaustausch werden über die zuständigen Ausschüsse im Rat und im Parlament erfolgen.
Zugleich unterrichtet die Kommission weiterhin das Parlament und den Rat regelmäßig über internationale Entwicklungen, die möglicherweise zu Situationen führen, in denen Maßnahmen im Rahmen der Verordnung erlassen werden müssen.
Schließlich bekräftigt die Kommission ihre im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates getätigte Zusage, dem Parlament und dem Rat rasch Entwürfe von Durchführungsrechtsakten, die sie dem Ausschuss der Mitgliedstaaten vorlegt, sowie endgültige Entwürfe von Durchführungsrechtsakten nach der Abgabe von Stellungnahmen im Ausschuss zu übermitteln. Dies erfolgt über das Register zum Ausschussverfahren.